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Autor(en): Suditsch, Isabel
Titel: Interdisziplinärer Fachsprachenkontakt - Fallstudie Arena2036
Erscheinungsdatum: 2017
Dokumentart: Dissertation
Seiten: xviii, 196
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-91849
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/9184
http://dx.doi.org/10.18419/opus-9167
Zusammenfassung: Unsere Gesellschaft sieht sich komplexen Herausforderungen wie demografischem Wandel, Mobilität oder Klimawandel gegenüber, deren Bearbeitung die Kapazitäten einzelner wissenschaftlicher Disziplinen übersteigt. Eine vielversprechende Lösung scheinen interdisziplinäre Forschungskooperationen zu sein, die jenen Herausforderungen mit hoher fachlicher Kompetenz aus unterschiedlichen Disziplinen begegnen. Denn in interdisziplinären Kooperationen kommen Experten unterschiedlicher Fächer zusammen, die sich mit einer Ausbildung oder beruflichen Erfahrung in einem Fach spezialisiert haben. Doch jene Spezialisierungen, die die Experten zur Mitarbeit an interdisziplinären Vorhaben qualifizieren, lassen sie um die Perspektive auf einen Forschungsgegenstand, angewandte Methoden, Verfahrensweisen und Fachterminologie konkurrieren. Dabei führen unterschiedliche Fachsprachen in interdisziplinären Kontexten zu missverständlicher und ineffizienter Kommunikation. Denn Fachbegriffe können unterschiedliche Bedeutungen tragen, die nur jene Sprecher zu (er-)kennen vermögen, die der jeweiligen Fachgemeinschaft angehören. Die Akteure in interdisziplinären Kooperationen gehören jedoch unterschiedlichen Fachgemeinschaften an. Obwohl aus diesem Umstand Verständigungsschwierigkeiten erwachsen können, die die Zusammenarbeit stören, wird interdisziplinärer Fachsprachenkontakt seitens der Forschung bislang kaum beachtet. Die Interdisziplinaritätsforschung lässt die Betrachtung von Sprache außer Acht und in der Fachsprachenforschung findet interdisziplinäre Experten-Experten-Kommunikation keine Berücksichtigung. Daher leistet diese Arbeit Pionierarbeit, indem sie der Frage „Was geschieht, wenn unterschiedliche Fachsprachen im interdisziplinären Kontext aufeinandertreffen?“ nachgeht. Das Ziel ist dabei die detaillierte Problembeschreibung des interdisziplinären Fachsprachenkontakts. Im Zuge dessen wird sowohl eine theoretische Betrachtung als auch eine empirische Analyse zeigen, dass drei Ebenen für die interdisziplinäre Verständigung zu beachten sind: Terminologie, Sprecher und Interaktion. In einem theoretischen Teil wird das Fachsprachen-Paradox formuliert. Demzufolge sind Fachsprachen paradox, weil sie innerhalb von Fachgemeinschaften eine explizite und effiziente Kommunikation ermöglichen, während in sie in interdisziplinären Kontexten zu missverständlicher und ineffizienter Kommunikation führen. Auf Erkenntnissen der Interdisziplinaritäts- und Fachsprachenforschung sowie den wenigen Arbeiten zum Fachsprachengebrauch in interdisziplinären Kontexten wird das Modell Interdisziplinäre Verständigung entworfen, wonach die Beschaffenheit von Fachtermini und die Zugehörigkeit von Sprechern zu Fachgemeinschaften die zentralen Faktoren für die interdisziplinäre Verständigung sind. In interdisziplinären Kontexten sind Experten eines Faches auch immer Laien in anderen Fächern sind. Diese Rollen können innerhalb eines Diskurses mehrfach wechseln. Die potentiellen Verständigungsschwierigkeiten sind drei Kategorien zuzuordnen: (1) Mononyme Fachbegriffe (LSP-0) haben ausschließlich eine fachspezifischen Bedeutung. Laien, die einen mononymen Fachbegriff zum ersten Mal hören, bemerken eine Leerstelle in ihren mentalen Lexika. (2) Homonyme Fachbegriffe (LSP-CL) haben je eine fachspezifische und eine allgemeinsprachliche Bedeutung: Mitglieder einer Fachgemeinschaft können die verschiedenen Bedeutungen ambiger Fachbegriffe erkennen und verstehen. Hingegen bemerken Laien keine Leerstelle im mentalen Lexikon, sondern eine Diskrepanz zwischen ihrem Begriffsverständnis und dem eines Experten. (3) Homonyme Fachbegriffe (LSP-LSP) haben verschiedene Bedeutungen in unterschiedlichen Fächern. Die Auflösung ist erschwert, da keine Leerstellen im mentalen Lexikon bemerkt werden und die Experten je einen anderen fachspezifischen Kontext damit in Verbindung bringen. Dem innovativen Modell Interdisziplinäre Verständigung zufolge nehmen die Risiken für Verständigungsschwierigkeiten von Kategorie 1 bis 3 zu. Darüber hinaus wird angenommen, dass das Risiko für Verständigungsschwierigkeiten mit den Wissensasymmetrien in einer Gruppe steigt und dass ein Zusammenhang zwischen sozialer Interaktion in der Gruppe und auftretenden Verständigungsschwierigkeiten sowie deren Lösung besteht. In einem empirischen Teil werden in der Fallstudie Arena2036 drei Datenerhebungen durchgeführt. Erstens wird in Einzelinterviews die Gültigkeit des Modells Interdisziplinäre Verständigung mittels terminologischer Assoziation geprüft. Der Datensatz umfasst mehrere Fachbegriffe, die in projektspezifischen Kontexten von Arena2036 gesammelt wurden und je einer der drei Kategorien der Terminologieebene zugeteilt werden können. Die Terminologieebene konnte demnach bestätigt werden. Auf Sprecherebene werden die Erwartungen im Grundsatz bestätigt und einige zusätzliche Aspekte entdeckt: Wie die Daten zeigen, können Sprecher während eines Diskurses nicht nur zwischen den Sprecherrollen Laie oder Experte wechseln, sondern auch informierte Laien sein. Als solche haben sie ein oberflächliches Verständnis von Bedeutungen einiger Fachbegriffe, die sie in vorausgehenden Projekten kennengelernt hatten. Weil Experten zu zirkulären Erklärungen von Fachbegriffen neigen und die allgemeine Bedeutung von mehrdeutigen Fachbegriffen (LSP-CL) unerwähnt lassen, werden fachspezifische Einträge im mentalen Lexikon von Experten als dominant angenommen. Informierte Laien hingegen verweisen regelrecht auf die Mehrdeutigkeit von ambigen Fachbegriffen. Zweitens werden die drei Teilprojektgruppen der Kooperation während ihrer Treffen beobachtet und die Zusammenhänge zwischen sprachlichen (Anzahl der Redebeiträge, Seitengespräche etc.) und außersprachlichen (Gruppengröße, Personenkonstellation etc.) Faktoren dargestellt. Der sprachliche Austausch in kleinen Gruppen mit konstanter Personenanzahl ist höher und beinhaltet viele begriffliche Diskussionen und Verständnisfragen. In größeren Gruppen mit hoher personeller Fluktuation blieb dies aus, obwohl höhere Wissensasymmetrien bestanden. Dieser Umstand kann damit erklärt werden, dass eine gemeinsame Wissensbasis in jenen Gruppen aufgrund unbeständiger Besetzung schwer entstehen kann und die hohe Mitgliederanzahl Hemmschwellen für Verständnisfragen bedeuten. Den Ergebnissen zufolge profitieren kleine Gruppen von der offenen Atmosphäre und dem geschaffenen Vertrauen zwischen den Akteuren, was Verständnisfragen zulässt. Die dritte Erhebung erfolgt wieder in Einzelinterviews und umfasste zwei Teile: Zum einen werden die Unterschiede von tiefgründigem und oberflächlichem Verständnis von Bedeutungen herausgestellt, die sich in der Projektarbeit in gegensätzlicher Entscheidung zeigen können, was wiederum Einfluss auf die Qualität der interdisziplinären Zusammenarbeit hat. Zum anderen zeigt sich, dass terminologische Verständigungsschwierigkeiten für Sprecher nicht unbedingt wahrzunehmen sind. Für die interdisziplinäre Zusammenarbeit bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung, da der sprachliche Ursprung von Verständigungsschwierigkeiten für Sprecher schwer zu erkennen ist und ein diffuses Gefühl von Nicht-Verstehen bei den Akteuren zurückbleibt. In der Gesamtdiskussion werden die empirischen Ergebnisse in den Kontext der Interdisziplinaritäts- und Fachsprachenforschung gesetzt. Zudem wird das weiterentwickelte Modell Interdisziplinäre Verständigung, das um die Erkenntnisse aus der empirischen Forschung angereichert, präsentiert. Danach werden die aus dieser Arbeit hervorgehenden Fragen erläutert, derer Klärung es künftiger Forschung bedarf, bevor Anregungen für die interdisziplinäre Praxis gegeben werden. Den Abschluss bildet ein Appell zur Erforschung interdisziplinärer Kommunikation nachdem diese Arbeit ihren Teil dazu beigetragen hat.
Enthalten in den Sammlungen:09 Philosophisch-historische Fakultät

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