kbj.gif (904 Byte) Wechselwirkungen
Jahrbuch 1996
Universität Stuttgart
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Pieter A. Vermeer und Dieter Salden:
Die Geotechnik des Dammbaus
 

Im Zusammenhang mit der Erstellung von Ingenieurbauwerken ergibt sich fast immer die Notwendigkeit, die Form der natürlichen Erdoberfläche umzugestalten. So werden Jahr für Jahr Milliarden und aber Milliarden Kubikmeter Erde bewegt. Die unter kontrollierten Bedingungen aus geeigneten Boden- und Steinmaterialien hergestellten Aufschüttungen werden Dämme genannt. Zu den Dämmen zählen Verkehrsdämme, Staudämme, Flußdeiche und Seedeiche.

Am Beispiel der etwa 105 Kilometer langen ICE-Trasse Stuttgart-Mannheim (Abb. 1) kann gezeigt werden, wie beim Zusammentreffen von sehr flachen Trassen-Neigungen von etwa 12,5 Promille und großen Kurvenradien von mehr als 7000 Metern einerseits und der sehr unruhigen Morphologie des süddeutschen Hügellandes andererseits zwangsläufig Lösungen gefunden werden, in denen die Strecke aus mehreren, ganz unterschiedlichen Teilen besteht: 27 Prozent Tunnel, 40 Prozent Einschnitt, 4 Prozent ebenerdig, 23 Prozent Dämmen, 6 Prozent Brücken.

Die Beschäftigung mit dem Entwurf und der Ausführung dieser Bauwerke ist das Arbeitsgebiet des Bauingenieurwesens, insbesondere der Geotechnik, die sich mit Boden und Fels als Baugrund und Baustoff befaßt.

Ein Planungsgrundsatz im Verkehrswegebau ist der Massenausgleich zwischen Materialentnahme in Tunneln/Einschnitten und Aufschüttungen in Dämmen. Dieser Grundsatz ist auch in dem seit 1. September 1991 in Baden-Württemberg geltenden Bodenschutzgesetz festgeschrieben. Allein in Baden-Württemberg fallen jährlich mehr als zehn Millionen Kubikmeter Erdaushub an. Ein Großteil dieser Massen werden zum Bau von Dämmen im Verkehrswegebau für Straßen, Eisenbahn und Kanäle wiederverwendet (Abb. 2). Während Dämme im Verkehrswegebau selten höher als etwa 40 Meter ausgeführt werden, gibt es beim Dammbau in Verbindung mit Wasserwirtschaft und Hochwasserschutz Bauwerkshöhen von über 300 Meter. Das hinter den Staudämmen gespeicherte Wasser stellt hinsichtlich Sicherheitsaspekten und Gefahrenpotential wesentlich höhere Anforderungen an Entwurf und Ausführung der Dammbauwerke, als dies bei Dämmen im Verkehrswegebau der Fall ist. Für die unmittelbar unterhalb einer Talsperre lebenden Menschen ist es ein eigenartiges Gefühl zu wissen, daß direkt über ihnen eine bewegliche Wassermasse von oft Millionen Kubikmetern nur durch ein von Menschen geschaffenes Bauwerk vom Abfließen ins Tal abgehalten wird.

Obwohl die Schütt-Kubaturen im Verkehrswegebau wegen den großen Dammlängen wesentlich größer sind, beschäftigen wir uns im folgenden hauptsächlich mit dem Staudammbau und dem Deichbau. Das enorme Bevölkerungswachstum auf der Erde erfordert in vielen Regionen der Welt den Bau von Staudämmen für Talsperren und Wasserkraftanlagen, um in bezug auf Energie und Ernährung die Lebensgrundlagen dieser Menschen zu sichern.

In dichtbesiedelten Gebieten wie Europa kommt hinzu, daß die natürlichen Überschwemmungsgebiete in den Talauen der Flüsse häufig durch Industrieanlagen, Wohnbebauung oder Verkehrswege zugebaut sind. Zwangsläufig kommt es hier nach der Schneeschmelze oder nach Starkregen regelmäßig zu Überschwemmungskatastrophen. Durch den Bau von Hochwasserrückhaltebecken wird versucht, das Niederschlagswasser in den Oberläufen der Flüsse zurückzuhalten. Zum Schutz des Hinterlandes vor Überflutungen durch Meerwasser werden an den Unterläufen der Flüsse Flußdeiche und an der Küste Seedeiche gebaut. Wegen der großen Länge der Seedeiche von oft mehreren 100 Kilometern werden riesige Mengen an Schüttmaterialien benötigt. Deshalb wird man grundsätzlich bestrebt sein, die für einen Deichbau benötigten Bodenmassen in der Nähe der Einbaustelle zu gewinnen. In Küstennähe sind dies in der Regel Sande und Ton.



1.    Geschichtliche Entwicklung des Staudammbaus

Eine großmaßstäbliche Speicherung von Wasser über Jahreszeiten und Jahresreihen hinweg wurde mit dem Seßhaftwerden des Menschen und dem damit verbundenen drastisch erhöhten Bedarf an Trink- und Bewässerungswasser erforderlich. Eine Tabelle von SCHNITTER (1987) nennt bis zum Jahre Null unserer Zeitrechnung 34 Dammbauwerke aus fast allen Hochkulturen der damaligen Welt. Einer der ältesten Dämme der Welt war der zum Hochwasserschutz gebaute, rund 14 Meter hohe Steinschüttdamm mit Erdkern Sadd-el-Kafara in Ägypten, der um das Jahr 2.600 v. Chr. errichtet wurde (Abb. 3). In einer Studie "Historische Talsperren" von GARBRECHT (1987) heißt es: "…Der Damm ist nach heutigen Bemessungsregeln standsicher und hätte bei sachgerechter Fertigstellung auch den zu erwartenden Überströmungen standgehalten. Bei einem Hochwasser während der Bauzeit ist es jedoch zu einer Überströmung des unvollendeten und damit verwundbaren Dammes mit der Folge einer verheerenden Flutwelle gekommen…".

Nach einer Zusammenstellung von KUTZNER (1996) gibt es heute weltweit etwa 35.000 Staudämme, wobei die derzeit höchsten Dämme - Nurek mit 300 Metern und Rogun mit 335 Metern in der ehemaligen UdSSR - aus Boden und Felsgestein geschüttet wurden.

Über Jahrtausende ist der Umgang mit Boden- und Felsmaterial als Dammbaustoff intuitiv geblieben. Erst um die letzte Jahrhundertwende haben wissenschaftliche Erkenntnisse in der Bodenmechanik und
die schnell fortschreitende Bautechnologie die Voraussetzungen für den Bau großer Dämme geschaffen:

  • Entwicklung erdstatischer Berechnungsmethoden mit Gleitkreisen durch FELLENIUS (1919),
  • Entwicklung der Lehre von der Erdbaumechanik auf bodenphysikalischer Grundlage durch TERZAGHI (1925),
  • Entwicklung von Filterregeln zum Schutze der Erdstoffe gegen Erosion,
  • das Erkennen des Zusammenhangs zwischen Verdichtbarkeit und Wassergehalt für kohäsive Böden durch PROCTOR (1933),
  • der Nachweis des Zusammenhangs zwischen Scherfestigkeit, Porenwasserdruck und Wassergehalt der Böden,
  • neuere Erkenntnisse zum nichtlinearen Materialverhalten bindiger Böden,
  • Entwicklung neuerer Berechnungsverfahren wie zum Beispiel Finite-Element-Verfahren,
  • Entwicklung moderner Baumaschinen für Transport und Verdichtung von Schüttmaterialien,
  • Entwicklung der Beobachtungsmethode zur Dammüberwachung.

Auf der Grundlage dieser Entwicklungen setzte ab etwa 1950 weltweit eine rasante Bautätigkeit im Talsperrenbau ein. Abbildung 4 zeigt eine Zusammenstellung bis 1980. Eine Einteilung der Staudämme nach der Höhe ist in Abbildung 5 gegeben. Die rasche Entwicklung geht auch in der Gegenwart weiter. So wurden beispielsweise 1995 die Arbeiten am Atatürk-Staudamm beendet. Dieser Staudamm ist das zentrale Bauwerk im Südost-Anatolien-Projekt, bei dem mit 22 Dämmen die Wassermassen von Euphrat und Tigris aufgestaut und zur Stromerzeugung sowie zur Bewässerung von 1,7 Millionen Hektar Land eingesetzt werden. Von den Abmessungen und dem Schüttvolumen her muß der Atatürk-Staudamm auch in die Liste der 20 größten Dämme aufgenommen werden.

Wie bei jeder Tätigkeit des Menschen hat es zu allen Zeiten auch Rückschläge im Dammbau gegeben. Dies gilt ebenso für die Gegenwart. Vor 20 Jahren brach der etwa 90 Meter hohe Teton-Staudamm im Staate Idaho/USA beim ersten Einstau. Es vergingen nur fünf Stunden vom Auftreten der ersten Wasseraustrittstellen am Dammfuß bis zum endgültigen Bruch des Dammes. Dabei wurde ein Drittel des Dammes weggespült. Das Tal unterhalb des Teton-Dammes wurde bis zur Mündung in den Snake-River auf 120 Kilometer Länge von Hochwasser überflutet. Dabei entstand ein Sachschaden von nahezu 500 Millionen Dollar. Elf Todesopfer waren zu beklagen.

In Abbildung 6 ist eine Statistik über Versagensfälle von Stauanlagen zusammengestellt. Diese Auswertung zeigt, welche Bedeutung der richtigen Beschaffung und Auswertung geotechnischer Daten zukommt. Auch in unserer näheren Umgebung sind solche Flutkatastrophen infolge Dammbruchs aufgetreten. Abbildung 7 zeigt den nach Überflutung am 21. Juni 1984 gebrochenen Damm des Rückhaltebeckens Gissigheim.


2.    Untersuchung des Baugrundes und der natürlichen Baustoffe

Es ist eine Binsenweisheit, daß eine Talsperre nur so gut sein kann wie ihre Gründung und daß Sperrenkörper und Sperrenuntergrund als unteilbares Ganzes zusammenwirken. Die Festlegung der Sperrenstelle
erfolgt, nach Vorgaben über Stauvolumen und Einzugsgebiet, unter Beachtung der geologischen, morphologischen und topographischen

Bedingungen. Die Forderungen an Dämme im allgemeinen sind, daß sie standsicher sein müssen, geringe Verformungen und möglichst keine zeitlich verzögerten Setzungen aufweisen sollen. Bei Dämmen im Wasserbau kommen als wesentliche Forderungen noch hinzu, daß sie wasserdicht und erosionssicher sein müssen. Diesen Anforderungen wird beim Dammbau durch zweierlei Maßnahmen entsprochen: erstens durch Untersuchungen des Baugrunds, die als Baugrunderkundung am Dammstandort, im Stauraum, den Stauraumflanken sowie den vorgesehenen Schüttmaterial-Entnahmestellen ausgeführt werden. Das Hauptziel ist hier, ein Baugrundmodell (Abb. 8) für die Bodenschichtung und die hydrogeologischen Verhältnisse entwerfen zu können. Als Erweiterung des Baugrundmodells erfolgt zweitens eine Untersuchung der natürlichen Baustoffe. Hierzu werden Labor- und Feldversuche ausgeführt mit dem Ziel, die boden- und felsmechanischen Kenndaten aller das Bauwerk beeinflussenden Bodenschichten angeben zu können.

Die Feststellung des Baugrundmodells und der bodenmechanischen Kenndaten gehört zu den Aufgaben des geotechnisch geschulten Bauingenieurs. Zum Fachgebiet der Geotechnik gehören demnach nicht nur Boden- und Felsmechanik, sondern auch die Ingenieurgeologie, das heißt die Wissenschaft von der Anwendung geologischer Kenntnisse auf Bauaufgaben. Die Feststellung des Baugrundmodells und der zugehörigen mechanischen Kenndaten erfordert zunächst eine Reihe von Feldarbeiten: Bohrungen, Ramm- und Drucksondierungen, geophysikalische Verfahren und so weiter. Die aus Bohrungen entnommenen Proben gehen dann ins Labor zur Klassifikation und mechanischen Erprobung.

Man unterscheidet in der Geotechnik zwischen Lockergesteinen und Festgesteinen, wobei Lockergesteine durch die Verwitterung der Festgesteine entstehen. Die Verwitterung wird durch physikalische und chemische Einflüsse hervorgerufen (Temperatur, Eis, Erosion). Es ist das Ziel der Klassifikation in der Bodenmechanik, die Vielfalt der vorkommenden Bodenarten auf eine für die bautechnischen Belange zugeschnittene Ordnung zu bringen. Die Einteilung baut hauptsächlich auf den physikalischen Eigenschaften der Böden auf, die mit festgelegten Versuchsverfahren bestimmt werden.

Bei Verwendung von Boden als Baustoff sind Fragen zur Bodenverdichtung zu beantworten. Die Verdichtung ist die wirtschaftlichste Maßnahme, um die bautechnischen Eigenschaften eines Bodens zu verbessern. Sie wird für eine bestimmte Bodenart im wesentlichen durch die Verdichtungsarbeit und den Wassergehalt festgelegt. Im Erdbaulabor können mit Hilfe automatischer Geräte die optimalen Werte für Dichte und Wassergehalt bestimmt werden.

Zu der mechanischen Erprobung zählen die Bestimmung der Durchlässigkeit (Abb. 9), der Festigkeit und der Steifigkeit. Vor allem bei wassergesättigten, feinkörnigen Böden ergeben sich aufwendige Versuche, da die ursprüngliche Sättigung auch beim Einbau der Proben in die Versuchsgeräte erhalten bleiben soll. Deswegen wird im Institut für Geotechnik seit zwei Jahren unter dem Namen "Torsionsödometer" ein neues Gerät entwickelt (SCHANZ/VERMEER, 1997). Obwohl der erste Prototyp noch immer zu einem hohen Versuchsaufwand führt, hat er bereits die Aufmerksamkeit eines Geräteherstellers auf sich gezogen. Aus seiner Erfahrung heraus hat sich dieser an der weiteren Entwicklung beteiligt, wesentliche Verbesserungen vorgeschlagen und jetzt einen zweiten Prototyp hergestellt, der auch vermarktet werden soll. Für die Testphase des Torsionsödometers waren homogene Bodenproben mit bekannten Eigenschaften erwünscht. Dazu wurden von einem norwegischen Gastdozenten 15 Kilogramm grauer Ton aus Oslo mitgebracht. (Am Flughafen hielt man den internationalen Tontransport zunächst für Rauschgift, und unser Gastdozent wurde als Rauschgifthändler verdächtigt und festgehalten).


3.    Dammtypen und Querschnittsentwurf

Die Herstellung von Dämmen im Verkehrswegebau ist meistens unproblematisch, wenn die Regeln der Technik beachtet werden. Typische Querschnitte für Straßendämme sind in Abbildung 10 zu sehen. Wie eingangs beschrieben, werden die Dämme nach dem Prinzip des Massenausgleichs aus den in Einschnitten anfallenden Aushubmassen geschüttet.

Die wohl älteste Methode des Hochwasserschutzes ist der Bau von Deichen. Flußdeiche sind Dämme zum Schutz des Hinterlandes gegen Hochwasser. Im Vergleich zu vielen Staudämmen und Seedeichen sind die Flußdämme ziemlich niedrig; am Niederrhein reichen die Höhen beispielsweise nur bis sechs Meter und lediglich einige Tage pro Jahr treten sehr hohe Flußpegel auf. Deiche müssen nicht unbedingt wasserdicht ausgebildet werden, es muß jedoch sichergestellt sein, daß auf der landseitigen Böschung austretendes Sickerwasser nicht zur Oberflächenerosion oder zur Bildung von Hangquellen führt. Beim letzten Hochwasser des Rheins war dies der Fall; aus diesem Grund wurden in den Niederlanden einige Dörfer evakuiert. In Abbildung 11 ist zu sehen, wie ein Filterkörper am landseiti-gen Böschungsfuß das austretende Wasser ohne Beeinträchtigung der Böschungsstandsicherheit abführt. In den meisten Flußtälern liegt unter der Oberfläche eine lehmige Deckschicht, unter welcher stärker durchlässige Sedimente aus Sand und Kies anstehen. Da der Flußwasserspiegel mit dem Wasser in der Sand- oder Kiesschicht korrespondiert, kann sich bei Hochwasser in diesem durchlässigen Untergrund eine Druckhöhe einstellen, die über der Geländeoberfläche liegt. Im Extremfall kann der Boden hier "gewichtslos" werden und am landseitigen Böschungsfuß aufbrechen, es tritt der sogenannte hydraulische Grundbruch ein.

Der Bestand eines Seedeiches mit grasbedeckter Außenböschung ist unter der Wirkung von Sturmflutwasserständen und Wellenangriff nicht nur von der Profilform, sondern auch von der Güte des Deichbodens und der Grasnarbe abhängig. Homogene Kleideiche waren die Regel im Deichbau der früheren Zeit. Der Bau von Sanddeichen mit Kleidecke ist die Regel im modernen Deichbau (Abb. 12). Für diese Lösung sind sowohl die geringeren Baukosten als auch die kürzere Bauzeit gegenüber reinen Tondeichen entscheidend. An der Nordseeküste haben die Deiche eine Höhe von 10 bis 15 Metern über durchschnittlicher Seehöhe. Diese Höhen errechnet man auf Grund von extremen Meeresspiegeln bis über fünf Meter über durchschnittlicher Seehöhe, extremen Wogen mit einer Höhe bis fünf Meter und Wasserauflauf in Richtung der Krone. Die extreme Deichhöhe von 15 Metern besteht im Grunde genommen aus drei fast gleichen Teilen. Die Böschungsneigung ist mit 1:5 bis 1:8 sehr flach, wodurch der Wellenauflauf noch einigermaßen eingeschränkt bleibt. Im Bereich des Wellenangriffs wird die Böschung traditionell mit schweren Steinen verkleidet. Seit 1955 wurden aus mehreren praktischen Gründen auch Asphaltverkleidungen eingesetzt, zum Beispiel aus Mangel an Steinen und wegen der Notwendigkeit, den Deich in einer kurzen Sommerperiode fertigzustellen. Abbildung 13 zeigt, daß bei den ersten Asphaltverkleidungen durch Wellenangriff auch Schadensfälle aufgetreten sind.

Der Untergrundaufbau an der Sperrenstelle und die verfügbaren Schüttmaterialien sind in der Regel die Basis für die Auswahl des Staudamm-Typs. Die Grundform aller Staudämme ist der als "homogen" bezeichnete Damm. Als Schüttmaterial wird notwendigerweise ein feinkörnig-bindiges Material verwendet, das den Forderungen nach "Wasserdichtigkeit" und "Standsicherheit" genügen muß. Solche Böden sind durch eine geringe Scherfestigkeit gekennzeichnet. Trotzdem können Dämme mit Höhen bis zu etwa 25 Meter gebaut werden, wobei die Böschungsneigungen dann 1:2 bis 1:4 betragen müssen.

Ein nahezu idealer Dammtyp für hohe Dämme ist der als Zonendamm ausgebildete Steinschüttdamm. Wie in Abbildung 14 dargestellt, wird die Aufgabe der Standsicherheit den Stützkörpern aus Stein zugewiesen, die Forderung nach Dichtigkeit wird von einem innenliegenden Erdkern oder einer künstlichen Innendichtung (Asphaltbeton, Zementbeton, Spundwände, Schmalwände, Schlitzwände oder Folien) übernommen. Besondere Aufmerksamkeit ist dem Anschluß beziehungsweise dem Übergangsbereich der Innendichtung an eine normalerweise vorhandene Untergrundabdichtung zu schenken.

Massive Einbauten in Staudämme, insbesondere in Fließrichtung, sind nach Möglichkeit zu vermeiden, da jedes Massivbauwerk einen Fremdkörper im Damm darstellt. Wir können jedoch nicht auf sie verzichten, da jeder Staudamm einen Grundablaß und eine Hochwasserentlastung erhalten muß und zudem bei höheren Dämmen Kontrollgänge für Untergrundabdichtungen eingerichtet werden müssen. Grundablässe sind Einrichtungen, die zum Regeln des Abflusses oder zum Entleeren des Stauraumes dienen. Ihrer Bestimmung entsprechend liegen sie im Taltiefsten und werden beim Dammbau mit den Erdmassen überschüttet. Der Grundablaß muß daher mit gut abgedichteten Bewegungsfugen so unterteilt werden, daß er den Dammsetzungen folgen kann. Als eine Art Sicherheitsventil müssen Stauanlagen mit Hochwasser-Entlastungsanlagen ausgerüstet werden, die bei Überschreiten des gewöhnlichen Stauziels anspringen. Sie werden als Hangseitenanlagen (seitlich um den Damm herum) oder als Dammscharten (über den Damm auf gepanzerten Gerinnen) ausgeführt. Sind bei höheren Dämmen Injektionen zur Abdichtung des Untergrundes erforderlich, empfiehlt sich der Anschluß an den Dammkörper über eine Herdmauer mit innenliegendem Kontrollgang (Abb. 14). Der Kontrollgang ist so groß auszubilden, daß Injektionen beziehungsweise Nachinjektionen von dort ausgeführt werden können.


4.    Numerische Analysen

Die Beanspruchungen, die Dammbauwerk und Stauraum der Dammgründung zumuten, sind sehr hoch: der Untergrund übernimmt vom Sperrenbauwerk die gewaltige Schubkraft des rückgestauten Wassers, die nicht selten die Größenordnung von zehntausenden Meganewton (MN) erreicht und dazu noch die Masse des größten von Menschenhand geschaffenen Einzelbauwerks. Beiden, dem Wasserdruck und dem Eigengewicht, überlagern sich noch dynamische Kräfte, beispielsweise aus Erdbeben.

Auf dem Gebiete des Staudammbaus sind für alle Fragestellungen, die durch Berechnungen beantwortet werden können, in den letzten Jahrzehnten Berechnungsgänge entwickelt worden. Die Treffsicherheit dieser Berechnungsgänge ist durch Überprüfung an bestehenden Anlagen nachgewiesen worden. Grundsätzlich muß für Dämme nachgewiesen werden, daß ausreichende Sicherheit gegen das Erreichen des Grenzzustandes der Tragfähigkeit (statische Sicherheit) und des Grenzzustandes der Gebrauchsfähigkeit (Verformungsbetrachtung) besteht. Darüber hinaus muß die hydraulische Sicherheit und die Rissesicherheit untersucht werden.

Bei der Bestimmung des Grenzgleichgewichts werden nach dem "Probierverfahren" Gleitflächen durch den Dammkörper gelegt, längs denen der oberhalb der Gleitfläche liegende Teilkörper abgleiten kann (Abb. 15). Hinweise auf die Form der Gleitfläche konnten aus Böschungsrutschungen in der Natur gewonnen werden. Üblicherweise werden Kreise als Rutschflächen angesetzt. Eine wesentliche Verbesserung dieser Vorgehensweise ist die am Institut für Geotechnik von GUSSMANN (1992) entwickelte Kinematische-Element-Methode (KEM). Das Kontinuum wird dabei durch endliche, aber kinematisch verschiebbare Bruchkörper diskretisiert: die Elemente. Die Elemente selbst werden als starr betrachtet. Durch Variation der Bruchgeometrie und der Bruchmechanismen werden entsprechend den Grenzwertsätzen der Plastizitätstheorie Aussagen zu der Standsicherheit der betrachteten Böschung gefunden. Abbildung 16 zeigt den Bruchmechanismus einer abgleitenden Böschung.

Eine moderne Berechnungsmethode zur Vorhersage des mechanischen Verhaltens eines Erdkörpers ist die Finite-Element-Methode (FEM). Es handelt sich um ein Verfahren, das zunächst in der Luft- und Raumfahrt entstand und dann in fast allen technisch-mechanischen Bereichen zur Anwendung und weiteren Entwicklung kam. Vor etwa 30 Jahren lag der Hauptakzent dieser computerorientierten Methode noch in der linearen Statik und Dynamik der Festkörper. Jetzt wird - zumindest in der Bodenmechanik - nur noch nichtlinear gerechnet. Ein Bodenelement besteht freilich aus einem Haufen Körner und daraus resultiert ein äußerst nichtlineares mechanisches System. Mitarbeiter des Institutes für Geotechnik haben sich führend an der Formulierung der nichtlinearen Stoffgesetze der Böden (VERMEER, 1995) beteiligt. Heute hat die FEM sich auch in der Bodenmechanik eindeutig durchgesetzt.

Als Anwendungsbeispiel der FEM sei ein geplantes Regenwasserrückhaltebecken im Westallgäu zu betrachten. Abbildung 17 zeigt einen Querschnitt; oben die alte Situation mit der Queralpenstraße (B 308) ganz links, und unten die neue Lage, mit einem Damm zwischen der B 308 und dem Becken. Die Farben kennzeichnen verschiedene Bodenarten und die Dreiecke die Aufteilung in Finite Elemente zur Durchführung einer Berechnung. So ein Baugrundmodell mit mehreren Bodenschichten ist wohl ein Merkmal der Bodenmechanik. In der ursprünglichen Geometrie handelt es sich von oben nach unten um eine Sandaufschüttung, Hanglehm oder Torf (rot) und schließlich Kies. Der neue Damm besteht aus Gabionen und einem kalkzementverfestigten Kies. Zur Behinderung der Wasserdurchlässigkeit ist mitten in dem Damm eine Spundwand geplant. Nach dem Einstau des Beckens ergibt sich über dieser Dichtwand ein Wassersprung von etwa zehn Meter und damit eine Horizontallast von 500 Kilonewton (kN) pro laufenden Meter Damm. Demzufolge wurde eine horizontale Dammverschiebung von ungefähr sechs Zentimetern errechnet.

Die neueste Forschung im Bereich der FEM stößt in hochgradig nichtlineare Analysen vor, wie die des Bruchvorgangs eines Dammes. Abbildung 18 zeigt Ergebnisse solcher Berechnungen für die Hangseite des Allgäuer Beckens. Beim Bruch rutscht eine Scholle nach unten über eine annähernd kreisförmige Gleitfläche. Diese hochgradig nichtlinearen Analysen ergeben also nicht nur Verschiebungen, sondern auch Bruchmechanismen. Da die FE-Analysen jedoch hochgeschulte Ingenieure erfordern, werden sie derzeit meistens nur bei Großprojekten eingesetzt. Diesem eingeschränkten Einsatz zum Trotz wird das von uns entwickelte FEM-Programm weltweit angewandt und ist mit nahezu Tausend Benutzern das erfolgreichste Computerprogramm in der Geotechnik.

Wenden wir nun den Blick von einem Damm auf festem Untergrund zu einem Damm auf weichem, kompressiblem Untergrund. Bei der Planung von Staudämmen würde man eine solche Stelle vermeiden, aber bei Flußdeichen und Verkehrsdämmen sind solche Fälle häufig unumgänglich. Weiche Bodenschichten werden angetroffen in Talauen, in verlandeten Seen und in Moorgebieten, wo die Erdoberfläche aus Torf besteht. Vor allem in Torfgebieten verlangt der Bau von Dämmen besondere Maßnahmen. Hier ergeben sich Bauweisen mit Beseitigung oder Verdrängung des Torfes und sogar Dämme auf Pfahlgründungen. Betrachten wir als Beispiel einen Verkehrsdamm in der Nähe von Rotterdam, Niederlande, wie angegeben in Abbildung 19. Die dunkelgelbe Farbe bezeichnet den Auffüllungssand des bestehenden Dammes, und die hellgrüne Farbe bezeichnet die neue Aufschüttung zur Verbreiterung der Straßenbahn. Unter dem alten, bestehenden Damm wurde der ganze Torf bis zu einer Tonschicht hin beseitigt. Statt dieser kostspieligen Bauweise wurde für die Verbreiterung jedoch eine Torfverdrängung ausgeführt. Aufgrund Finiter-Element Analysen wurde für die neue Schüttung eine Überhöhe von etwa drei Meter gewählt, wie auch in Abbildung 19 angegeben. Bei wassergesättigtem Untergrund kann so eine Schüttung jedoch nur etappenweise durchgeführt werden, mit jeweilig ausreichenden Ruheperioden zur Auspressung des Grundwassers aus dem Bodengefüge. Der Boden ist ja ein wassergesättigtes, poröses Medium, das wie ein steifer Schwamm unter Belastung langsam Wasser abgibt. In der Bodenmechanik wird die Interaktion zwischen Porenwasser und Bodengefüge völlig berücksichtigt, und daraus resultiert ein stark zeitabhängiges Last-Setzungsverhalten des Untergrundes. Die hier errechneten Setzungen von etwa drei Metern können auch in reinen Tongebieten auftreten. Als Beispiel sei Mexico-City erwähnt (Abb. 20), wo viele Gebäude nur flache Plattengründungen haben und deswegen auch Setzungen bis zu drei Metern aufweisen. Der Glockenturm von Pisa ist ebenfalls ein Extremfall: auf der Südseite drei Meter Setzung und auf der Nordseite nur einen Meter.

Die grundwasserabhängigen Zeitsetzungen seien nicht zu verwechseln mit dem Kriechen des Bodengefüges, denn wie bei allen Materialien zeigt Boden auch ein langzeitiges Kriechen; in Sanden und Kiesen zwar sehr gering, in weichen Tonen schon viel mehr und in Torf sehr beachtlich. Dieses Kriechen erklärt zum Teil auch die permanente Setzung des Glockenturms in Pisa. Die andauernden Setzungen in Mexico-City und einigen anderen Großstädten werden wohl ganz vom Kriechen bestimmt. Mit internationaler Förderung wird am Institut für Geotechnik deswegen ein neues Modell zum Kriechphänomen entwickelt und erprobt (HESSE/VERMEER, 1997). Die Entwicklung einer hochwertigen Theorie ist nicht nur von Bedeutung für die Prognose von Zeitsetzungen in der Praxis, unter anderem häufig notwendig beim Denkmalschutz, sondern auch bei der Durchführung von Laborversuchen zur Erfassung der Bodenkennwerte. Ein kompletter Kriechversuch an einer Bodenprobe dauert zum jetzigen Zeitpunkt vier bis fünf Wochen und ist dadurch sehr kostspielig. Auf Grund einer verbesserten Theorie erwarten wir auch eine bessere Versuchsdurchführung und dadurch eine Kostenreduzierung.


5.    Herstellen von Erd- und Steinschüttdämmen

Die kritische Phase beim Bau eines Dammes liegt meistens in der Zeit des Baubeginns. In dieser Zeit müssen zum Beispiel bei Staudämmen bewerkstelligt werden:

  • Umleitung des Flußlaufes,
  • Bau des Grundablasses,
  • Vorbereitung der Aufstandsfläche von Stützkörper und Dichtungskern,
  • Kernanschluß an den Untergrund beziehungsweise an die Untergrundabdichtung und Schüttung der untersten Lage der Stützkörper,
  • Einbau der luftseitigen Drainagen.

In dieser Bauphase wird das Geschehen auf der Baustelle maßgeblich von einer Größe, nämlich dem Wasser, beeinflußt, die sich nicht präzise vorab fassen läßt. Dies bedeutet, daß uns Wasser in Form von Grundwasser in der Talaue, von Niederschlagswasser und von im Bereich der Sperrenstelle austretendem Sicker- oder Quellwasser Probleme bereitet .

Während sich das flußbegleitende Grundwasser und die Wasseraustritte noch verhältnismäßig leicht beherrschen lassen, bereitet das Niederschlagswasser meistens die größten Sorgen. Jeder Dammbauer kennt die Schwierigkeiten, die es bereitet, die Folgen einer Überflutung der Baustelle in dieser Bauphase durch die Wassermassen eines heftigen Sommergewitters zu beseitigen. Bei den heute herrschenden Witterungsverhältnissen kann zumindest für Deutschland eigentlich gar nicht vorhergesagt werden, wann die günstigste Zeit für die Schüttung eines Dammes ist. Dies sollte möglichst eine Trockenperiode sein, in der das Schüttmaterial einen für die Verdichtung günstigen Wassergehalt aufweist. Bei Niederschlägen oder in Frostzeiten muß der Schüttbetrieb eingestellt und die schon fertiggestellte Oberfläche versiegelt werden. Bei diesen Randbedingungen ist es äußerst schwierig, den vertraglich vereinbarten Bauzeitenplan für die Erstellung eines Bauwerkes einzuhalten.

Von der Sorgfalt der Materialauswahl und der Verdichtung hängt die Standfestigkeit und die Qualität eines Dammbauwerks ab. Ziel der Verdichtung ist es, ein möglichst hohlraumarmes Gemisch herzustellen, dessen Eigenschaften sich im Laufe der Zeit nicht verschlechtern dürfen. Fragen nach der Dicke der Schüttlagen, dem Verdichtungsgerät, der Anzahl der Übergänge sowie dem Verhalten bei Arbeitspausen werden durch die einschlägigen Vorschriften aus dem Straßenbau geregelt. Schwierigkeiten bereitet häufig der Einbau der ersten Schicht. Grundwassernähe und aufsteigendes Kapillarwasser beeinflussen den Einbauwassergehalt ungünstig.

Bei der neuen ICE-Strecke Köln-Rhein/Main wurden ganz außergewöhnliche Forderungen an die herzustellenden Dämme gestellt, denn hier wird eine sogenannte feste Fahrbahn hergestellt. Im Gegensatz zu den bestehenden Linien wird es hier kein Schotterbett geben, sondern eine durchgehende Stahlbetonplatte. Nach Fertigstellung sollten (kriechartige) Restsetzungen eine Toleranz von 20 Millimetern nicht überschreiten, und das verlangt außergewöhnliche Verdichtungsmaßnahmen. Die Autoren sind hier sehr skeptisch, denn bei Schüttungen aus schlechtem Material hält das Kriechen nach Fertigstellung über Jahre hinweg an und kann einige Prozente der Dammhöhe betragen. Solche Verkehrsdämme führen auch immer zu unregelmäßigen Restsetzungen und damit zu hohen Unterhaltungskosten der Verkehrsbahn.

Eigentlich sollten Entnahmestellen und Eigenschaften der Schüttmaterialien für die verschiedenen Dammzonen bei der Ausschreibung, spätestens bei Baubeginn feststehen. Dies ist meistens auch der Fall, wenn die Schüttmaterialien aus Seitenentnahmen gewonnen werden, die speziell für das jeweilige Bauvorhaben geöffnet wurden. In der Praxis kommen aber häufig Sondervorschläge zur Ausführung, da mit der Idee - Aushubmaterial = Schüttmaterial - besonders kostengünstige Angebote abgegeben werden können. Diese volkswirtschaftlich richtigen Überlegungen werden leider bisweilen von der Tatsache durchkreuzt, daß sich der Baubeginn entweder der Entnahmestelle oder der Dammbaustelle aus vor-her nicht abzusehenden Gründen verschiebt. Unter Zeitdruck gesuchtes Ersatzmaterial oder auf Zwischendeponien gelegtes Aushubmaterial genügt nicht immer den geforderten Ansprüchen. Um auch hier das Bauvorhaben zu einem glücklichen Abschluß zu bringen, bedarf es einer guten Zusammenarbeit von Bauherren, Gutachter und Unternehmer. Bei den vom Institut für Geotechnik betreuten Dammbaustellen hat es sich bewährt, Mindestchargen von 20 Prozent des Gesamtvolumens oder mindestens 10.000 Kubikmeter aus einer Entnahmestelle zu verlangen, wobei repräsentative Proben des angebotenen Materials mindestens vier Wochen vor Schüttbeginn zur Eignungsuntersuchung bereitstehen müssen.

Schon bei kleinen Dämmen sollte durch ein Feldlabor die im Leistungsverzeichnis vorgeschriebene und beim Einbau erzielte Verdichtung überprüft werden, damit sichergestellt ist, daß die den erdstatischen Nachweisen zugrunde gelegten Bodenkenndaten im Feld vorhanden sind. Dabei wird unterstellt, daß zum Beispiel die Scherparameter im Labor an Proben bestimmt wurden, die hinsichtlich Material und Dichte dem bei der Dammschüttung tatsächlich verwendeten Material entsprechen.

Bei der Überprüfung der Verdichtung kommen je nach Bodenart verschiedene Verfahren zur Anwendung. Liegt als Schüttmaterial gebrochener Fels vor, der eventuell nur durch Sprengen gelöst werden konnte, versagen die üblichen Verfahren zur Vorgabe der erforderlichen Verdichtung. Hier werden Probeschüttungen angelegt, auf denen die möglichen Schüttdicken, die Größtkornabmessungen, die geeigneten Verdichtungsgeräte sowie die Anzahl der Übergänge mit dem Verdichtungsgerät festgelegt werden können. Als neuere Entwicklung ist ein Meßverfahren zur flächenhaften Prüfung der Verdichtung zu nennen. Hier werden beim Einsatz von dynamischen Verdichtungsgeräten mit Beschleunigungsaufnehmern Meßwerte registriert, die Rückschlüsse auf die erreichte Bodenverdichtung ermöglichen.


6.    Meß- und Kontrollmaßnahmen

Zur Kontrolle der Betriebs- und Standsicherheit der Dämme während der Herstellung, des ersten Einstaus und im langjährigen Betrieb werden Meß- und Kontrollorgane in den Damm, in den Untergrund und in die Umgebung des Dammes eingebaut. Abbildung 21 zeigt die Instrumentierung eines Dammes. Bei den Messungen kann unterschieden werden zwischen

  • hydraulischen Messungen:
    Stau- und Grundwasserstände, Porenwasserdruck
  • Verformungsmessungen:
    Setzungen, Verschiebungen, Verkantungen des Dammkörpers
  • Bohrungen / Sondierungen:
    im Dammkörper.

Bei Staudämmen müssen die Meßwerte nach vorher festgelegten Regeln protokolliert, dokumentiert und durch regelmäßig stattfindende Dammbegehungen ergänzt werden. Die Ergebnisse müssen darüber hinaus in einem jährlichen Sicherheitsbericht zusammengestellt und bewertet werden.

Um Erfahrungswerte zu erhalten und Berechnungen verifizieren zu können, sollten auch beim Bau von Verkehrsdämmen wesentlich häufiger begleitende Setzungsmessungen vorgenommen werden. Schon nach einigen Schüttlagen kann somit festgestellt werden, ob das Baugrundmodell und die durchgeführten Berechnungen zutreffen. Bei beträchtlichen Abweichungen zwischen den Meßwerten und den Berechnungswerten kann das Ergebnis durch veränderte Bodenkennwerte korrigiert werden. Diese Rückkopplung ermöglicht somit einen zweiten Berechnungsgang mit verbesserten Eingangswerten.


7.    Ausblick

Obwohl wir in diesem Bericht sowohl Verkehrsdämme als auch Wasserbaudämme betrachtet haben, wurden vor allem die letzteren behandelt und dabei speziell die Staudämme. Durch die riesigen Ausmaße mancher Staudämme ist hier die geotechnische Herausforderung wohl auch am größten. Wie in Abbildung 4 abzulesen ist, hat die rasante Bautätigkeit im Talsperrenbereich jedoch bereits abgenommen und in Europa werden sicherlich kaum noch weitere Großprojekte durchgeführt. Beim Deichbau an Flüssen und Küsten ist die Lage nicht anders. Bei ständigem Anwachsen des Meeresspiegels würden auf Dauer Deicherhöhungen zwar notwendig werden, aber nicht in den folgenden Jahrzehnten. Der Wasserdammbau wird nach unserer Einschätzung den geotechnischen Bauingenieur also nicht besonders herausfordern. Statt dessen kündigen sich viele Projekte im Verkehrsdammbau an.

Die weitere Planung neuer Bahnlinien für moderne ICE-Hochgeschwindigkeitszüge erfordert neue Dämme und in einer hügeligen Gegend besonders hohe Dämme. Auch beim Güterverkehr wird sich der Schienentransport weiter entwickeln müssen. Wenngleich es nicht immer ganz neue Trassen geben wird, soll die Kapazität der bestehenden Linien vergrößert werden. Genauso wie beim Straßenbau (Abb. 19) werden erhebliche Dammverbreiterungen notwendig. Als Alternative zu einer Verbreiterung könnte man die Geschwindigkeit oder die Auslastung der Züge erhöhen (zum Beispiel zwei Container aufeinander), aber dies erfordert meistens auch eine Damm- oder Untergrundverbesserung. Vor kurzem wurde in diesem Rahmen schon eine interessante Untergrundverbesserung für die Ausbaustrecke Hannover-Berlin (Ausbau für Geschwindigkeiten von 160 km/h) im Bereich Magdeburg-Helmstedt durchgeführt.

Nach dem Beispiel in Abbildung 19 ergeben sich wohl die größten Gründungsprobleme in Gebieten, in denen wenig tragfähige Bodenschichten anstehen. Dies ist besonders an der Küste der Fall, aber leider nicht nur dort. Vor allem in Talauen haben sich in der Vergangenheit lokale Ablagerungen von Auelehm oder kompressiblem Seeton gebildet. Darüber hinaus haben menschliche Aktivitäten ihre Spuren hinterlassen, beispielsweise in der Form von mit Hausmüll gefüllten Kiesgruben. In Abhängigkeit der anstehenden kompressiblen Bodenschicht wurden und werden mehrere Verfahren der Bodenverbesserung entwickelt. Theoretisch gesehen ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, aber bei den durchaus großflächigen Erdbauwerken werden besondere Anforderungen an den Preis des Verfahrens gestellt. Abbildung 22 zeigt als Beispiel ein preiswertes Rüttelstopfverfahren für schluffigen Boden, wobei der Untergrund mit einem Raster von Schottersäulen versehen wird. In Kooperation mit namhaften Tiefbauunternehmern befaßt sich das Institut für Geotechnik intensiv mit der weiteren Entwicklung solcher Verfahren.


Literatur

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GARBRECHT, G. (1987): Der Sadd-el-Kafara, die älteste Talsperre der Welt. - Historische Talsperren. Herausgeber: DVWK, Wittwer, Stuttgart.
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Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Pieter A. Vermeer, geboren am 25. Juli 1944 in Leeuwarden, Niederlande, studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Delft, die damals noch TH Delft hieß. Im Anschluß an seine Diplomarbeit (1972) arbeitete er zunächst einige Jahre im Bereich der Trinkwassergewinnung. Diese Beschäftigung mit Fragen der Grundwasserhydraulik erregte sein Interesse für das mechanische Verhalten von Böden und damit verbundenen Gründungsproblemen, was zu einem Wechsel zur Bodenmechanik und dem Grundbau führte. Es ergaben sich zunächst forschungsverwandte Aufgaben beim damals fast futuristischen Jahrhundert-Bauwerk des Osterschelde-Damms an der niederländischen Süd-West-Küste. 1980 folgte seine Doktorarbeit und 1985 eine Stelle als Dozent an der TU Delft. Unter seiner Leitung wurde im Anschluß von einer kleinen Forschergruppe ein anwenderorientiertes Computerprogramm für die Geotechnik, das heißt Bodenmechanik, Grundbau und Tunnelbau, entwickelt. Durch Auslandsaufenthalte und wissenschaftliches Zusammenarbeiten entstanden intensive Kontakte über die Landesgrenze hinweg, und so wurde Pieter A. Vermeer 1994, als Nachfolger von Prof. Dr.-Ing. habil., Dr.-Ing. E.h. U. Smoltczyk, als Lehrstuhlinhaber für Geotechnik an die Universität Stuttgart berufen.

Dr.-Ing. Dieter Salden, 1939 in Oberschlesien geboren, studierte Bauingenieurwesen an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart. Von 1966 bis 1971 arbeitete er als wissenschaftlicher Angestellter am Otto-Graf-Institut, Abteilung Erd- und Grundbau, in Stuttgart. Seit 1971 ist er am Institut für Geotechnik der Universität Stuttgart zunächst als wissenschaftlicher Assistent, später als Akademischer Rat und Oberrat tätig. Dieter Salden promovierte 1980 mit dem Thema "Einfluß der Sohlenform auf die Traglast von Fundamenten" zum Dr.-Ing. Neben Aufgaben in Lehre, Forschung und Verwaltung beschäftigt er sich mit Fragestellungen, die aus der Baupraxis an das Institut herangetragen werden. Der Schwerpunkt liegt hierbei in Projekten, die sich mit dem Neubau und der Sanierung von Erddämmen im Hochwasserschutz befassen.

 


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