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    Der Einfluss von moderater Wärmebelastung auf die Leistungsfähigkeit von Menschen im besonderen Kontext der Büroarbeit
    (2015) Urlaub, Susanne; Sedlbauer, Klaus Peter (Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys.)
    In Industrieländern verbringt der Mensch mehr als 80 % seiner Zeit in Innenräumen, davon einen großen Teil in Arbeitsräumen. Daher muss bei der Gestaltung von Arbeitsräumen primär darauf geachtet werden, dass die Gesundheit der Raumnutzer nicht beeinträchtigt wird und dass behagliche Bedingungen vorliegen. Insbesondere für Gewerbebetriebe ist die Aufrechterhaltung und Maximierung der menschlichen Arbeitskraft unabdingbar, so dass auch darauf geachtet werden sollte, die Leistungsfähigkeit nicht durch unpassende Konditionierung der Räume herabzusetzen. Bei der Auslegung von Räumen und Gebäuden - insbesondere im thermischen Raumklima - bewegt man sich in einem Spannungsfeld zwischen Energieeffizienz einerseits, was einen möglichst geringen Energieeinsatz für sommerliche Kühlung bedeutet, und andererseits zwischen dem einhergehenden Leistungsabfall der Mitarbeiter, was einen Produktivitätsverlust und somit negative monetäre Konsequenzen für das Unternehmen mit sich bringt. Forschungsarbeiten zu diesem Thema sind zahlreich vorhanden, weisen jedoch keinen konsistenten und generalisierbaren Zusammenhang nach und zeigen nur punktuelle Leistungsunterschiede bei erhöhten Raumtemperaturen, wie sie beispielsweise im Sommer in natürlich belüfteten Gebäuden auftreten. Gemeinsam ist allen Studien, dass so gut wie keine verallgemeinerbare Ursachenforschung betrieben wird. Mit dieser Arbeit wird ein grundlegender Beitrag geleistet zur Aufdeckung von möglichen Ursachen und zur Bereitstellung eines Erklärungsmodells für unterschiedliche Auswirkungen erhöhter Raumtemperaturen. Dazu wurde der bekannte Wissensstand meta-analytisch aufbereitet und Moderatoranalysen hinsichtlich Expositionszeit, Adaptationszeit, Bekleidungsgrad und weiteren Einflussgrößen durchgeführt. Es zeigte sich auf Basis dieser Analyse, in die 49 Studien mit 1056 Probanden einflossen, dass moderate Wärmebelastung die Leistung tatsächlich negativ beeinflusst, der Effekt aber prinzipiell klein ist. Wichtige Moderatoren waren Expositionszeit und Bekleidungsgrad, Art der Leistung und Jahreszeit. Es wurde festgestellt, dass die Datengrundlage trotz vieler Arbeiten immer noch zu gering ist, um detaillierte Analysen nach Intensität der Wärmebelastung durchzuführen. Vorhandene Erklärungsmodelle zu Leistung und Raumtemperatur wurden untersucht und auf ihre Anwendbarkeit für den moderat-warmen Bereich verifiziert. Es hat sich gezeigt, dass keines dieser Modelle dafür geeignet ist, da diese entweder zu unpräzise oder nur für den Bereich der Hitzearbeit geeignet sind. Daher wurde ein neues Erklärungsmodell eingeführt mit Selbstkontrolle als wesentliche Schlüsselvariable. Selbstkontrolle wird benötigt, um die langfristige Zielerreichung aufrecht zu erhalten und damit kurzfristig unangenehme Situationen zu überwinden. Allerdings ist die Selbstkontrolle eine endliche Ressource, die nur begrenzt verfügbar ist. Eingebettet ist diese Annahme in das Job-Demands Resources Modell, das den speziellen Fall der Wärmebelastung in einen Kontext zu anderen Einflussgrößen am Arbeitsplatz setzt. Aus diesen Modellüberlegungen wurde abgeleitet, dass moderate Wärmebelastung zusätzlich die Selbstkontrollressource beansprucht und somit Aufgaben, die Selbstkontrolle benötigen, unter erhöhter Raumtemperatur schlechter bearbeitet werden müssten. Diese Hypothese wurde in einem mehrwöchigen Experiment überprüft. Dazu wurden 36 Probanden in einem Messwiederholungsexperiment vier verschiedenen Temperaturen ausgesetzt (24°C, 27°C, 30°C und 33°C) in dem sie verschiedene Aufgaben bearbeitet haben, von denen einige Selbstkontrolle beansprucht haben. Begleitend wurde mit Fragebögen die Befindlichkeit, subjektive Anstrengung und Ermüdung und die Wahrnehmung der physikalischen Parameter der Raumumgebung abgefragt. Als physiologische Variablen wurden Hauttemperatur, Hautfeuchte und Blutzuckerspiegel, der mit der Selbstkontrollressource in Verbindung steht, erhoben. Das Experiment hat gezeigt, dass die Ergebnisse der Aufgaben, die Selbstkontrolle beanspruchten, sich unter Wärmebelastung verschlechterten. Zum Großteil waren die Unterschiede allerdings nur zwischen 24 und 33°C signifikant. Auch der Blutzuckerspiegel, das physiologische Korrelat zum Selbstkontrollressourcenverbrauch, nahm bei 33°C am Nachmittag stärker ab als bei 24°C. Die Moderatoranalyse hat gezeigt, dass möglicherweise die individuelle Selbstkontrollfähigkeit sowie einige Persönlichkeitsvariablen die Leistungsfähigkeit unter moderater Wärmebelastung beeinflussen. Diese Zusammenhänge können aufgrund der kleinen Stichprobe noch nicht generalisiert werden. Mit der vorliegenden Arbeit konnte ein erster Schritt hin zu einem Erklärungsmodell für das Arbeiten unter moderater Wärmebelastung getan werden. Die Aufgaben, die Selbstkontrolle benötigen, verschlechterten sich vor allem in der wärmsten Bedingung. Weitere Forschung muss zeigen, ob sich mit einer größeren Stichprobe auch Unterschiede in den übrigen Temperaturbedingungen finden lassen.