1. Klimaschutz - Die Problemdimension
Die Vermeidung nicht tolerierbarer Klimaveränderungen und die Sicherung des
Wirtschaftsstandortes Deutschland sowie die Schaffung ausreichender Arbeit stellen
zentrale Herausforderungen dar, denen wir an der Schwelle zum dritten Jahrtausend
gegenüberstehen. Diese Herausforderungen haben einen direkten Bezug zur
Energieversorgung,
- da der überwiegende Teil der anthropogenen Treibhausgasemissionen aus
der Energieversorgung stammt und
- da die Sicherung des Wirtschaftsstandortes und die Schaffung
zukunftsfähiger Arbeitsplätze in einem stärker werdenden internationalen Wettbewerb
ohne eine leistungsfähige Energieinfrastruktur und wettbewerbsfähige Energiepreise nicht
gelingen wird.
Der Intergovernmental Panel on Climate Change hat in seinem Anfang 1996 erschienenen
zweiten Bericht über den gegenwärtigen Wissensstand zur Klimabeeinflussung festgestellt,
daß sich das Klima in den letzten hundert Jahren verändert hat [1]. Die globale mittlere
Temperatur ist um 0,3 bis 0,6 °C und der Meeresspiegel zwischen 10 und 25 cm angestiegen.
Die letzten zehn Jahre waren die wärmsten seit 1860. Er kommt zu der Schlußfolgerung,
daß es bei Bewertung aller Kenntnisse einen erkennbaren menschlichen Einfluß auf das
Klima gibt. Es sei unwahrscheinlich, daß die signifikanten Änderungen wichtiger
Klimaparameter ausschließlich natürlichen Ursprungs sind.
Diese Feststellungen sollen hier nicht hinterfragt werden, sondern es wird davon
ausgegangen, daß ein Handlungsbedarf besteht, um nicht tolerierbare Klimaveränderungen
mit ihren weitreichenden Konsequenzen zu vermeiden.
In der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, die im März 1994 in Kraft trat,
sind, außer der Verpflichtung der Industrieländer, ihre Treibhausgasemissionen bis zum
Ende dieses Jahrzehnts auf das Niveau von 1990 zurückzufahren, zwar keine weiteren
Reduktionsziele und -pflichten genannt, dennoch enthält die Klimarahmenkonvention
durchaus klar formulierte quantitative Ziele. Erreicht werden soll eine Stabilisierung der
Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Niveau, das eine gefährliche
anthropogene Störung des Klimasystems ausschließt. Ein solches Niveau soll dabei
innerhalb eines Zeitraumes erreicht werden, der ausreicht, damit sich die Ökosysteme auf
natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können, die Nahrungsmittelerzeugung nicht
bedroht wird und die wirtschaftliche Entwicklung auf nachhaltige Weise fortgeführt werden
kann.
Nach Aussagen von Klimatologen verlangt die Forderung nach Stabilisierung des
Konzentrationsniveaus der Treibhausgase, die gegenwärtigen Emissionen zum Beispiel von CO2
weltweit um über 50 Prozent zu verringern. Eine derartige Reduktion der globalen CO2Emissionen
beziehungsweise die damit verbundenen Einschränkungen des Verbrauchs fossiler
Energieträger sind dabei vor dem Hintergrund zu sehen, daß nahezu alle Energieprognosen
von einem weiteren Anstieg des weltweiten Verbrauchs an fossilen Energieträgern ausgehen.
Was aber bedeuten diese globalen Minderungsziele für die einzelnen Staaten? Welche
Treibhausgasemissionsminderungen resultieren daraus für die Bundesrepublik, damit sie
ihren Beitrag zur Erreichung der globalen Ziele leistet?
Einen allgemein akzeptierten Schlüssel zur Ableitung nationaler
Treibhausgasminderungsziele gibt es bisher nicht. Angesichts des Faktums, daß die
energiebedingte Freisetzung von Treibhausgasen in der Vergangenheit nahezu ausschließlich
durch die Industrieländer erfolgt ist, die auch heute noch für rund 75 Prozent der CO2-Emissionen
verantwortlich sind, werden sie den Hauptbeitrag zur Minderung der Treibhausgasemissionen
leisten müssen.
Eine erste Orientierung über die Größenordnung der CO2-Reduktion in unserem
Land zur Erreichung der zuvor genannten globalen Minderungsziele mag die folgende einfache
Überlegung geben. Um die Ziele der Klimarahmenkonvention zu erreichen, müßten die
weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen von rund 22 Milliarden Tonnen pro
Jahr auf rund zehn Milliarden Tonnen pro Jahr bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts
reduziert werden. Bei rund zehn Milliarden Menschen im Jahr 2050 würden diese
Minderungsziele bedeuten, daß im Weltdurchschnitt jeder Erdenbürger dann eine Tonne CO2
pro Jahr durch die Nutzung fossiler Energieträger freisetzen dürfte.
In der Bundesrepublik Deutschland betragen die CO2-Emissionen je Einwohner
derzeit rund elf Tonnen pro Jahr. Gleiches Emissionsrecht vorausgesetzt, müßten wir also
unsere CO2-Emissionen bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts um mehr als 90
Prozent reduzieren. Diese Zahlen mögen zum einen die Dimension der notwendigen
Umstrukturierung unserer vornehmlich auf fossilen Energieträgern beruhenden
Energieversorgung zur Erreichung eines klimaverträglichen Energiesystems umreißen und
zum anderen andeuten, mit welchen Reduktionsforderungen an die Industrieländer, zum
Beispiel von seiten der Entwicklungsländer, im Rahmen der internationalen Verhandlungen
zur Festlegung von verbindlichen Reduktionspflichten für die einzelnen Länder zu rechnen
ist.
Die Zielvorgaben der Bundesregierung und der Enquete-Kommission "Schutz der
Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages einer Reduktion der CO2-Emission
um 25 Prozent bis zum Jahr 2005 beziehungsweise um 50 Prozent bis zum Jahr 2020 sind vor
diesem Hintergrund wohl nicht ausreichend, um die globalen Minderungsziele zu erreichen.
Alle Anstrengungen, die Freisetzung von klimarelevanten Spurengasen auf ein
klimaverträgliches Maß zurückzuführen, sind, wegen der globalen Natur des Problems,
auf ein gleichgerichtetes Handeln aller Staaten angewiesen. Dieses wird wohl nur zu
erreichen sein, wenn die Lasten gerecht verteilt und so gering wie möglich sind, damit
nicht nur die Industriegesellschaften, sondern insbesondere auch die Länder der Dritten
Welt auch ihre anderen, ihnen derzeit viel wichtigeren Ziele, wie die Überwindung von
Hunger und Armut beziehungsweise die Schaffung von ausreichender Arbeit, erreichen
können.
Aus diesem Grund gewinnen kosteneffiziente CO2-Reduktionsmaßnahmen ihre große
Bedeutung. Eine weltweite klimaverträgliche Rückführung der energiebedingten
Treibhausgasemissionen wird wohl nur erreicht werden können, wenn kosteneffiziente
Alternativen zu den fossilen Energieträgern verfügbar sind und wenn die begrenzten
Aufwendungen für Klimaschutzmaßnahmen streng nach dem ökonomischen Prinzip verwendet
werden, mit jeder aufgewendeten Mark eine möglichst hohe Treibhausgasminderung zu
erreichen.
Dies gilt natürlich auch für unsere nationale Klimaschutzpolitik, soll sie im
vermeintlichen Zielkonflikt mit der Sicherung von Arbeit und Wirtschaft nicht den
kürzeren ziehen und in den Hintergrund gedrängt werden.
Die Energieversorgung ist ein wichtiger infrastruktureller Faktor, dessen Entwicklung für
den Produktionsstandort Deutschland mit entscheidend ist. Angesichts eines
durchschnittlichen Anteils der direkten Energiekosten von rund drei Prozent an den
Gesamtkosten der Wirtschaft, der allerdings bei wichtigen Branchen der Grundstoffindustrie
mehr als 20 Prozent ausmacht, mag man über die Bedeutung der Energiekosten als
Wettbewerbs- und Standortfaktor zwar streiten, aber es gibt wohl keinen vernünftigen
Grund, Standortnachteile durch nationale Sonderlasten oder durch nicht effiziente Umwelt-
und Klimaschutzmaßnahmen mit ihren negativen Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit und
Arbeitsplätze auf Dauer in Kauf zu nehmen.
Eine nationale Klimaschutzpolitik muß deshalb ökonomie- und arbeitsplatzverträglich
angelegt sein. Auch in diesem Kontext kommt kosteneffizienten CO2-Reduktionsmaßnahmen,
die mit jeder aufgewendeten Mark eine möglichst hohe CO2-Reduktion erreichen,
eine zentrale Bedeutung zu. Klimaschutz, Sicherung des Wirtschaftsstandorts und des
Lebensraumes sind also als Einheit zu begreifen. Politisches und wirtschaftliches Handeln
muß sich an dieser Einheit ausrichten.
Wenden wir uns nun der Situation in unserem Land zu. Die Bundesregierung hat sich
verpflichtet, die energiebedingten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 um 25
Prozent zu reduzieren und die Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des
Deutschen Bundestages hat für das Jahr 2020 das Ziel einer 50prozentigen Minderung
formuliert. Sind diese Reduktionsziele aber überhaupt ökonomieverträglich im Sinne der
Sicherung des Wirtschaftsstandortes erreichbar?
Rein technisch gesehen, stehen uns zumindest auf längere Sicht sehr weitgehende
Treibhausgasminderungsmöglichkeiten zur Verfügung. Aber nicht alles, was technisch
machbar ist, ist auch wirtschaftlich verträglich und schon gar nicht effizient im Sinne
der Nutzung knapper verfügbarer Ressourcen zur Vermeidung von Klimaänderungen.
Eine tragfähige Klimaschutzpolitik läßt sich dabei nur aus einer umfassenden Analyse
der Möglichkeiten und Konsequenzen, das heißt der Minderungspotentiale und
Minderungskosten der verschiedenen uns im Prinzip verfügbaren Optionen zur Reduktion von
Treibhausgasemissionen ableiten. Derartige Untersuchungen, die alle nachfrage- und
angebotsseitigen Treibhausgasminderungsmaßnahmen umfassen, wurden am Institut für
Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung durchgeführt [2]. Die wichtigsten
Ergebnisse, die einen quantitativen und qualitativen Orientierungsrahmen für die
Ausgestaltung eines schlüssigen und ökonomieverträglichen Handlungskonzeptes für die
Minderung von Treibhausgasen in unserem Land bilden, werden im folgenden erläutert.
Zunächst aber ein Blick auf die Ausgangssituation. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der
energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland von 1987 bis 1993 sowie getrennt
für die alten und neuen Bundesländer.
Die energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland beliefen sich im Jahr 1993
auf rund 900 Millionen Tonnen. Der Rückgang der Emissionen seit 1987 ist auf die
Entwicklung in den neuen Bundesländern zurückzuführen, wo es aufgrund des
wirtschaftlichen Umbruchs zu drastischen Reduktionen des Energieverbrauchs und damit auch
der CO2-Emissionen gekommen ist. In den alten Bundesländern sind die CO2-Emissionen
nahezu konstant geblieben. Von den energiebedingten CO2-Emissionen in
Deutschland entfielen im Jahr 1993 23,7 Prozent auf die Verbrennung von Braunkohle, 20,9
Prozent auf die Steinkohle, 40,9 Prozent auf Mineralöle sowie 14,6 Prozent auf das
Erdgas. Nach den Kraft- und Fernheizwerken (39 Prozent) war der Verkehrssektor mit einem
Anteil von 21 Prozent der zweitgrößte Emittent. Die Industrie war mit 18 Prozent, die
privaten Haushalte mit 14 Prozent und der Kleinverbrauchssektor mit acht Prozent an den CO2-Gesamtemissionen
beteiligt.
2. Optionen zur Minderung von Kohlendioxidemissionen
Grundsätzlich lassen sich die energiebedingten CO2-Freisetzungen in die
Atmosphäre reduzieren durch
- eine Minderung des Verbrauchs fossiler Energieträger durch
rationelle Energieanwendung oder Energieeinsparung,
- eine Substitution kohlenstoffreicher (zum Beispiel Kohle)
durch kohlenstoffärmere (beispielsweise Erdgas) fossile Energieträger,
- den Ersatz fossiler Energieträger durch CO2-freie
Energiequellen, wie die erneuerbaren Energiequellen oder die Kernenergie, sowie
- eine Vermeidung der Freisetzung des bei der Verbrennung
fossiler Energieträger entstehenden Kohlendioxides in die Atmosphäre (CO2-Entsorgung).
Auf allen Stufen der Prozeßkette, von der Energiegewinnung
über die Umwandlung bis zur Nutzung beim Verbraucher, konnten in den letzten Jahren
deutliche Fortschritte in bezug auf eine Steigerung der Energieeffizienz erzielt werden.
Gleichwohl gilt, daß mit den in der Vergangenheit erreichten Nutzungsgradverbesserungen
und Effizienzsteigerungen die technischen Möglichkeiten zur Energieeinsparung bei
gleicher Energiedienstleistung, das heißt ohne Konsumverzicht, noch keineswegs
ausgeschöpft sind. Abschätzungen der aus heutiger Sicht technisch möglichen
Energieeinsparungen belaufen sich auf 35 bis 45 Prozent des derzeitigen Energieverbrauchs.
Die Bezeichnung "technisch möglich" charakterisiert dabei die bloße technische
Machbarkeit und läßt die Kosten, die Hemmnisse sowie die notwendigen Zeiträume zur
Ausschöpfung der CO2-Minderungspotentiale durch Energieeinsparung außer
Betracht.
Erdgas ist der kohlenstoffärmste fossile Energieträger. Bezogen auf die gleiche
Energiemenge entstehen bei der Verbrennung von Erdgas rund 25 beziehungsweise 40-50
Prozent weniger CO2-Emissionen als bei der Verbrennung von Öl beziehungsweise
von Stein- und Braunkohle. Eine Substitution der kohlenstoffreicheren fossilen
Energieträger durch Erdgas führt also zu einer Reduktion der CO2-Emissionen.
Die Techniken für einen Ersatz fester und flüssiger fossiler Energieträger durch Erdgas
sind, wenn man den Verkehrssektor ausklammert, vorhanden. Auch die Ressourcensituation und
die Produktionsmöglichkeiten von Erdgas würden es nach dem heutigen Kenntnisstand
erlauben, die Erdgasnutzung mittelfristig auszuweiten, um damit zur CO2-Minderung
beizutragen. Das gesamte durch einen verstärkten Erdgaseinsatz in Deutschland technisch
erschließbare CO2-Minderungspotential liegt bei rund 170 Millionen Tonnen CO2
pro Jahr. Nennenswerte Minderungsmöglichkeiten bestehen dabei in den Bereichen Strom- und
Fernwärmeversorgung, Raumwärmeerzeugung sowie im Industriebereich. Erdgas hat also ein
durchaus beachtliches technisches Minderungspotential, das aber durch den
Kohlenstoffgehalt von Erdgas selbst begrenzt wird.
Als Beispiel für die durch Effizienzsteigerung und Brennstoffsubstitution erreichbaren CO2-Minderungen
sind in Abbildung 2 die spezifischen CO2-Emissionen heutiger und zukünftiger
Kraftwerkskonzepte zusammengestellt.
Als CO2-freie Energieoptionen weisen die Kernenergie und die erneuerbaren
Energiequellen sehr große technische CO2-Minderungspotentiale auf, auf die
hier nicht im Detail eingegangen werden kann. Im Falle der Kernenergie sind es primär die
Akzeptanzprobleme und im Falle der Nutzung von Wind, Sonne und Biomasse die
Wirtschaftlichkeitsaspekte, die einer Nutzung ihrer CO2-Minderungspotentiale
derzeit entgegenstehen.
Grundsätzlich ist auch eine klimaneutrale Nutzung fossiler Energieträger denkbar, wenn
das bei der Verbrennung entstehende CO2 zurückgehalten und so endgelagert
werden kann, daß es dauerhaft von der Atmosphäre ferngehalten wird. Technische Verfahren
zur Rückhaltung des CO2 sind verfügbar [3]. Als Endlager für das anfallende
CO2 kommt wegen der großen Mengen praktisch nur die Tiefsee in Betracht. Die
Ozeane stellen zwar ein großes Reservoir für die Deposition von CO2 dar,
ungeklärt sind aber noch die ökologischen Auswirkungen einer CO2-Tiefseelagerung
und das Rückhaltevermögen der Tiefsee. Diese Fragen bedürfen einer Klärung, bevor
diese Option weiterverfolgt werden kann.
Die Aussagen zu den Potentialen der verstärkten Nutzung von Erdgas, von Kernenergie und
der erneuerbaren Energiequellen sowie zu den CO2-Minderungspotentialen durch
Energieeinsparung und rationelle Energieanwendung zeigen, daß aus technischer Sicht in
Deutschland nennenswerte Minderungen der CO2-Emissionen erreichbar sind. Die
technischen Minderungspotentiale der einzelnen Optionen bei der Energieanwendung und in
der Energieumwandlung können dabei jedoch nicht aufsummiert werden, da sie sich teilweise
auf denselben fossilen Brennstoffeinsatz beziehen.
Für die Beurteilung von CO2-Minderungsmaßnahmen ist neben dem
Minderungspotential noch der ökonomische Aufwand, der mit der Minderung verbunden ist,
von besonderer Bedeutung. Eine erste Orientierung bezüglich der Effizienz von CO2-Minderungsmaßnahmen
läßt sich mittels der bezogenen CO2-Minderungskosten gewinnen. Sie geben den
Aufwand in Mark an, um durch die Maßnahme die Emission einer Tonne CO2 zu
vermeiden. Die bezogenen CO2-Minderungskosten hängen dabei von einer Reihe von
Faktoren, wie zum Beispiel dem substituierten fossilen Brennstoff, der Entwicklung der
Brennstoffpreise und der Anlagenauslastung, ab. Sie lassen sich folglich nur bei der
Festlegung dieser Randbedingungen genau quantifizieren. In Abbildung 3 sind für die
heutige Preis- und Kostensituation die bezogenen CO2-Minderungskosten für
verschiedene Maßnahmenkategorien dargestellt. Es wird deutlich, daß die CO2-Minderungskosten
eine große Bandbreite aufweisen. Relativ günstige Minderungskosten weisen vor allem
Maßnahmen der rationellen Energieanwendung, wie die verbesserte Wärmedämmung von Wohn-
und Nichtwohngebäuden, die Stromerzeugung aus Kernenergie sowie die Nutzung von Erdgas
sowohl in der Fernwärmeversorgung als auch in der Energieanwendung auf. Die technischen
Maßnahmen im Straßenverkehr gehören neben der Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu
den Minderungsmaßnahmen mit den höchsten CO2-Minderungskosten.
Diese große Bandbreite der CO2-Minderungskosten macht deutlich, daß die
Kostenimplikationen und damit die gesamtwirtschaftlichen Rückwirkungen von
unterschiedlichen Maßnahmenbündeln zur Minderung energiebedingter CO2-Emissionen
erheblich divergieren können, was insbesondere im Hinblick auf die Ökonomie- und
Arbeitsplatzverträglichkeit einer Klimaschutzpolitik von Bedeutung ist.
3. Effiziente CO2-Reduktionsstrategien
Im Rahmen einer systematischen Zukunftsanalyse lassen sich alternative Wege, das heißt
unterschiedliche Maßnahmen und Strategien, zur Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen
untersuchen. Mit Hilfe des Szenarioansatzes werden dabei unterschiedliche Vorstellungen
über einzuleitende Treibhausgasreduktionsmaß-nahmen bezüglich ihrer emissionsseitigen
Wirkungen, aber auch in bezug auf ihre Kostenkonsequenzen quantifiziert. Eine konsistente
Erfassung der emissions- und kostenseitigen Effekte verschiedener Minderungsstrategien ist
mittels Energiesystemmodellen möglich.
Das hier verwendete Modell E3Net [4;5] bildet das gesamte Energiesystem von der Förderung
beziehungsweise dem Import der Primärenergieträger bis hin zur Nutzenergie oder den
Energiedienstleistungen in den Sektoren Haushalte, Industrie, Kleinverbraucher und Verkehr
ab. Mit Hilfe des methodischen Ansatzes der Linearen Optimierung wird unter den jeweils
vorgegebenen Restriktionen (wie zum Beispiel einem CO2-Reduktionsziel) der
kostenminimale Pfad von Niveau und Struktur der Energieversorgung zur Deckung eines
vorgegebenen Bedarfs an Energiedienstleistungen oder an Nutzenergie ermittelt. Insofern
sind die jeweiligen Kosten, in Zusammenhang mit den exogenen Vorgaben und verfügbaren
technologischen Optionen, das zentrale Steuerungsprinzip. Dieses dem Modell
zugrundeliegende ökonomisch rationale Entscheidungskalkül muß nicht dem tatsächlichen
Verhalten der Wirtschaftssubjekte entsprechen. Es ist hier primär als eine konsistente
Entscheidungs- und Allokationsregel im Rahmen der Szenariorechnungen zu verstehen. Des
weiteren ist für die Einordnung der im folgenden aufgeführten Kostengrößen zu
berücksichtigen, daß die exogen vorgegebene Nachfrage nach Energiedienstleistungen in
allen Szenarien unverändert bleibt. Gegebenenfalls auftretende Rückwirkungen der hohen
Kostenaufwendungen für den Klimaschutz auf das Wirtschaftswachstum sowie andere
energie-nachfragebestimmende Größen und damit auf die Entwicklung der Nachfrage nach
Energiedienstleistungen werden daher nicht erfaßt.
Für die zu untersuchenden Szenarien wird von einem gemeinsamen Satz von demographischen
und ökonomischen Rahmendaten [6] sowie einer detaillierten Beschreibung von derzeitigen
und zukünftigen Energietechniken und Energieeinsparmöglichkeiten [7] ausgegangen. Zu
ersteren gehören vor allem Annahmen über die Entwicklung der Bevölkerung, der Haushalte
und Wohnungen, der Gesamtwirtschaft und der sektoralen Produktion sowie zusätzlich der
Energieträgerpreise auf den internationalen Energiemärkten.
Für das Rohöl wird ein realer Weltmarktpreis (Preise von 1989) von 25 Dollar/Barrel im
Jahr 2005 und von 34 Dollar/Barrel im Jahr 2020 unterstellt. Gegenüber 1991 bedeutet dies
über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg eine jahresdurchschnittliche Steigerung von
2,2 Prozent. Der Anstieg des Preises für Importerdgas fällt in dieser Periode mit 1,5
Prozent pro Jahr zwar etwas niedriger aus, doch ist dabei zu berücksichtigen, daß der
Erdgaspreis im Jahr 1991 im Vergleich zum Vorjahr aufgrund der hier geltenden
Preisbildungsprinzipien kräftig angezogen hatte (um rund zehn Prozent), während der
Preis für Rohölimporte 1991 gegenüber 1990 beinahe um 13 Prozent gesunken war. Für die
Importkohle wird ein nur sehr mäßiger Preisanstieg angenommen, der von 1991 bis 2020
lediglich 0,6 Prozent pro Jahr beträgt. Bezüglich der demographischen Entwicklung wird
innerhalb des Zeitraums von 1990 bis 2020 in Deutschland mit einer im wesentlichen
unveränderten Zahl von rund 80 Millionen Einwohnern gerechnet. Dahinter steht in den
neuen Bundesländern ein kontinuierlicher Rückgang der Bevölkerung von 16 Millionen im
Jahr 1990 auf 13,4 Millionen im Jahr 2020, während für die alten Bundesländer bis 2005
mit einem kräftigen Bevölkerungszuwachs auf reichlich 67 Millionen und einer
anschließenden leichten Abnahme auf 65,7 Millionen im Jahr 2020 gerechnet wird.
Wesentlich für den künftigen Energieverbrauch sind neben den demographischen
Veränderungen vor allem die gesamtwirtschaftliche und sektorale Produktionsentwicklung.
Für Deutschland insgesamt wird für die Jahre von 1990 bis 2020 mit einer
jahresdurchschnittlichen Steigerung des realen Bruttoinlandsprodukts (in Preisen von 1991)
von 2,3 Prozent gerechnet; dabei wird ein gesamtwirtschaftliches Wachstum in den neuen
Bundesländern von 3,8 Prozent pro Jahr sowie in den alten Bundesländern von 2,1 Prozent
pro Jahr unterstellt.
Zur Analyse der Konsequenzen unterschiedlicher Wege der CO2-Minderung werden
drei Klimaschutzszenarien analysiert:
- Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1),
- Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren (K2) und
- Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3).
Die untersuchten Klimaschutzszenarien sollen das CO2-Reduktionsziel
der Bundesregierung für das Jahr 2005 (-25 Prozent) und eine Fortschreibung bis zum Jahr
2020 (-50 Prozent) erfüllen. Die Klimaschutzszenarien unterscheiden sich vor allem im
Hinblick auf die künftige Rolle der heimischen Stein- und Braunkohle sowie der Nutzung
der Kernenergie. Das Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1) geht davon aus, daß
es in der Bundesrepublik Deutschland aus regional- und strukturpolitischen Überlegungen
heraus weiterhin notwendig sein wird, gewisse Mindestmengen an heimischer Stein- und
Braunkohle (in Ost- und Westdeutschland) zu fördern und auch im heimischen Energiesystem
zu nutzen. Des weiteren wird im Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1)
unterstellt, daß es auf der energiepolitischen Ebene nicht zu einem Konsens bezüglich
der weiteren Rolle der Kernenergie kommt. Die heute vorhandenen Kapazitäten der
Kernkraftwerke werden deshalb im Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1) auf dem
derzeitigen Niveau festgeschrieben. Das Szenario Klimaschutz unter energiepolitischen
Barrieren (K2) ist dadurch charakterisiert, daß bei Fortführung der politisch
gestützten Nutzung heimischer Stein- und Braunkohle auch noch die weitere Nutzung der
Kernenergie auslaufen soll. Es wird deshalb für das Szenario Klimaschutz unter
energiepolitischen Barrieren (K2) unterstellt, daß es zu einem Ausstieg aus der
Kernenergienutzung bis zum Jahr 2005 kommt. Demgegenüber wird für das Szenario
Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3) angenommen, daß auf energiepolitische Vorgaben, die der
Erreichung einer CO2-Minderung entgegenstehen oder diese erschweren, verzichtet
wird. Somit entfällt die Vorgabe einer Mindestabnahme für die heimischen Braun- und
Steinkohlen. Die Rolle der Kernenergie ist an keine energiepolitische Vorgabe gebunden, so
daß ein Ausbau möglich ist. In allen Klimaschutzszenarien ist ein Abbau der Hemmnisse
bei der Umsetzung wirtschaftlicher Maßnahmen zur Energieeinsparung unterstellt.
Um die Auswirkungen der Klimaschutzszenarien quantifizieren und vergleichen zu können,
ist es hilfreich, sich als Vergleichsmaßstab eine Referenzentwicklung vorzugeben und
daran die Wirkungen und quantitativen Veränderungen in den verschiedenen Szenarien
aufzuzeigen. Das diesem Zweck dienende Referenzszenario, das von einem Fortbestehen der
bisherigen Energiepolitik und der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgeht, und
für das unterstellt wird, daß keine gezielte Klimaschutzpolitik betrieben wird, ist also
nichts weiter als eine Meßlatte für die anderen Szenarien.
Der Endenergieverbrauch in Deutschland bleibt in der Referenzentwicklung bis zum Jahr 2020
nahezu konstant auf dem Niveau von 1990, während die Klimaschutzszenarien aufgrund von
Effizienzsteigerungen und der Brennstoffsubstitutionen eine deutliche Reduktion der
Endenergienachfrage im Betrachtungszeitraum aufweisen (siehe Abb. 4). Bis zum Jahr 2020
wird der Endenergieverbrauch in Deutschland im Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik
(K1) um rund 20 Prozent und im Szenario Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren
(K2) um etwa 25 Prozent gegenüber der Referenzentwicklung gesenkt. Im Szenario
Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3) ist die Verbrauchsminderung mit einer Größenordnung
von 12 Prozent bis zum Jahr 2020 etwas geringer, da im Umwandlungssektor durch den Wegfall
der Mindestabnahmeverpflichtungen für die heimischen Kohlen sowie der Option eines
erhöhten Kernenergieeinsatzes in der Stromerzeugung ein vergleichsweise größeres
kostengünstiges CO2-Minderungspotential besteht. Die
Endenergieverbrauchsreduktionen sind im Haushaltsbereich am größten und in der Industrie
sowie im Verkehr in den Szenarien Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1) und Klimaschutz
bei Hemmnisabbau (K3) relativ gering. In allen Klimaschutzszenarien ist auch der
Primärenergieverbrauch deutlich geringer als in der Referenzentwicklung, wobei der
Primärenergieverbrauch trotz konstanter Endenergienachfrage in der Referenzentwicklung
gegenüber 1990 leicht rückläufig ist (vgl. Abb. 5). Die Differenz in der Höhe des
Primärenergieverbrauchs in den Klimaschutzszenarien erklärt sich einerseits aus der
unterschiedlichen Ausschöpfungstiefe der Maßnahmen zur Energieeinsparung in den
Nachfragesektoren und andererseits aus den möglichen CO2-Minderungsoptionen,
die dem Umwandlungssektor im jeweiligen Szenario zur Verfügung stehen. Hier sind vor
allem die energiepolitischen Vorgaben zum Einsatz der Kernenergie sowie die
Mindestfördermengen heimischer Braun- und Steinkohlen zu nennen, die sowohl die
Energieträgerstruktur als auch die Höhe des Gesamtverbrauches zur Erreichung der
Minderungsziele maßgeblich bestimmen.
Die Kohlen verlieren aufgrund ihrer hohen bezogenen CO2-Emissionen große
Marktanteile. Da in der Referenzentwicklung sowie den Szenarien Klimaschutz und
Kohleschutzpolitik (K1) und Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren (K2) eine
Mindestabnahmeverpflichtung heimischer Kohlen vorgegeben wird, bleibt ein Grundsockel am
Primärenergieverbrauch bestehen, wobei die Kohlen im wesentlichen in der öffentlichen
Strom- und Fernwärmeversorgung und der Industrie eingesetzt werden. Entfallen diese
Mindestabnahmeverpflichtungen für die heimischen Kohlen wie im Szenario Klimaschutz bei
Hemmnisabbau (K3), werden die heimischen Kohlen praktisch vollständig aus dem
Energiemarkt verdrängt und teilweise durch die Importsteinkohlen ersetzt. Durch die
Möglichkeit, Kernenergie als kohlenstofffreie Option in der Stromerzeugung zu nutzen,
gewinnt im Szenario Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3) die Kernenergie zur Erreichung des
CO2-Reduktionsziels eine wachsende Bedeutung. Aufgrund des angenommenen
Ausstiegs aus der Kernenergie bis zum Jahr 2005 wird im Szenario Klimaschutz unter
energiepolitischen Barrieren (K2) in der Strom- und Fernwärmeerzeugung vermehrt Erdgas
eingesetzt.
In allen Klimaschutzszenarien findet eine Verlagerung zu Brennstoffen mit geringerer
Kohlenstoffintensität beziehungsweise kohlenstofffreien Energieträgern statt. So
substituiert das Erdgas wegen seiner niedrigeren bezogenen CO2-Emissionen die
Kohlen im Umwandlungsbereich sowie die Mineralölprodukte im Wärmemarkt. Die erneuerbaren
Energiequellen, insbesondere die Wasserkraft, die Abfallbiomasse, Deponie- und Klärgas
sowie die solarthermische Warmwassererzeugung, gewinnen als kohlenstofffreie
Energieträger zunehmend an Bedeutung und erhöhen im Betrachtungszeitraum ihren Anteil am
Primärenergieverbrauch von etwa fünf Prozent in der Referenzentwicklung auf rund 14
Prozent im Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1) beziehungsweise 16 Prozent im
Szenario Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren (K2). Der Import von
kohlenstofffrei erzeugtem Solarstrom aus Spanien beziehungsweise Afrika erlangt als Option
zur Minderung der CO2-Emissionen in den Szenarien Klimaschutz und
Kohleschutzpolitik (K1) und Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren (K2) an
Bedeutung und beträgt etwa 925 Petajoule im Jahr 2020.
Die diskutierten Entwicklungen für die Primärenergienachfrage und die Veränderungen der
Energieträgerstruktur im Referenzszenario führen zu einem Rückgang der energiebedingten
CO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 in Deutschland von rund 16 Prozent gegenüber
1990 (vgl. Abb. 5). In den darauffolgenden Jahren steigen die Emissionen wieder auf 865
Millionen Tonnen pro Jahr und erreichen damit im Referenzszenario ein um etwa 14 Prozent
niedrigeres Niveau gegenüber 1990, ohne daß gezielte Maßnahmen zum Klimaschutz
ergriffen werden. In den Klimaschutzszenarien ist die Erreichung der CO2-Reduktionsziele
eine exogene Vorgabe.
Der unterschiedliche Grad, mit dem die einzelnen CO2-Minderungsoptionen in den
jeweiligen Szenarien ausgeschöpft werden müssen, um das Reduktionsziel zu erreichen,
schlägt sich auch in den dafür aufzuwendenden Kosten nieder. Zur Charakterisierung der
Minderungskosten werden die kumulierten Zusatzkosten und die marginalen CO2-Minderungskosten
herangezogen. Die Zusatzkosten der CO2-Minderung ergeben sich aus der Differenz
der abdiskontierten, kumulierten Gesamtkosten des Energiesystems in den
Klimaschutzszenarien und den kumulierten Gesamtkosten einer sogenannten
No-Regret-Entwicklung, die den Bezugspunkt für den Kostenvergleich darstellt. In der
No-Regret-Entwicklung werden gegenüber der Referenzentwicklung alle diejenigen Maßnahmen
auf der Energieangebots- und Energienachfrageseite durchgeführt, die ohne ein CO2-Reduktionsziel
zu minimalen Kosten der Bereitstellung der Energiedienstleistungen über den gesamten
Betrachtungszeitraum führen. Die No-Regret-Entwicklung unterstellt daher keine Hemmnisse
bei der Ausschöpfung kosteneffizienter Einsparpotentiale und die energiepolitischen
Vorgaben zum Mindesteinsatz heimischer Braun- und Steinkohlen sowie Vorgaben zur Rolle der
Kernenergie entfallen. Die No-Regret-Entwicklung stellt somit die Least-Cost-Entwicklung
des Energiesystems ohne ein CO2-Reduktionsziel dar.
Unter diesen Annahmen ergibt sich für die No-Regret-Entwicklung eine Reduktion der
energiebedingten CO2-Emissionen gegenüber 1990 von gut 21 Prozent bis zum Jahr
2020 (siehe Abb. 6). Die kumulierten Zusatzkosten der Referenzentwicklung liegen um etwa
210 Milliarden DM90 höher als in der No-Regret-Entwicklung. Diese
Mehrbelastung resultiert aus den energiepolitischen Vorgaben für den Einsatz der
heimischen Kohlen sowie den unterstellten Hemmnissen bei der Ausschöpfung der
kosteneffizienten CO2-Minderungspotentiale, einschließlich der nicht
möglichen Ausweitung der Kernenergienutzung. Mittels einer Variation der CO2-Reduktionsziele
in den Klimaschutzszenarien läßt sich der Kurvenverlauf der kumulierten CO2-Minderungskosten
in Abhängigkeit vom Reduktionsziel ermitteln (vgl. Abb. 6). Wie zu erwarten, steigen die
Kosten der CO2-Minderung mit wachsendem Reduktionsziel. Der Verlauf des
Anstiegs und die Höhe der Minderungskosten hängen dabei von den jeweiligen
energiepolitischen Vorgaben der Klimaschutzszenarien ab. Im Szenario Klimaschutz bei
Hemmnisabbau (K3) fällt der Anstieg der Zusatzkosten am geringsten aus und die
kumulierten Zusatzkosten der CO2-Minderung betragen gegenüber der
No-Regret-Entwicklung bei einer 50prozentigen Reduktion bezogen auf 1990 etwa 13,5
Milliarden DM90 bis zum Jahr 2020. Demgegenüber weist das Szenario Klimaschutz
und Kohleschutzpolitik (K1) mit 260 Milliarden DM90 deutlich höhere
Zusatzkosten als das Szenario Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3) auf. Dies entspricht
jährlichen Mehrbelastungen gegenüber der No-Regret-Entwicklung von 15 Milliarden DM90.
Im Falle des Kernenergieausstiegs bis zum Jahr 2005 im Szenario Klimaschutz unter
energiepolitischen Barrieren (K2) wachsen die kumulierten Zusatzkosten bis zum Jahr 2020
auf etwa 550 Milliarden DM90 (Milliarden DM90 pro Jahr) an.
Die unterschiedlichen Kosten der Klimaschutzstrategien spiegeln sich auch in den
marginalen CO2-Minderungskosten wider. Dabei bezeichnen die marginalen CO2-Minderungskosten
diejenigen Kosten, die zur Minderung der letzten Tonne CO2 aufgewendet werden
müssen, um das Reduktionsziel zu erreichen. Ökonomisch interpretiert spiegeln die
marginalen Kosten den dualen Wert der CO2-Emissionen wider und können als die
Höhe einer CO2-Steuer interpretiert werden, die eingeführt werden müßte, um
das jeweilige Reduktionsziel zu erreichen. Um die Anschaulichkeit zu erhöhen, sind die
marginalen CO2-Minderungskosten der Klimaschutzszenarien in Abbildung 7 auch in
Pfennig je Liter Heizöl (EL) angegeben. Für das Erdgas beziehungsweise für die Kohlen
sind entsprechende Angaben über die Umrechnung mit dem jeweiligen CO2-Emissionsfaktor
zu erhalten.
Für das Szenario Klimaschutz und Kohleschutzpolitik (K1) betragen die marginalen CO2-Minderungskosten
im Jahr 2020 etwa 1110 DM90 je Tonne CO2 (298 Dpf90/lHel)
und 54 DM90/Tonne CO2 (14 Dpf90/lHel) im Jahr
2005. Im Szenario Klimaschutz unter energiepolitischen Barrieren (K2) sind dagegen die
marginalen CO2-Minderungskosten im Jahr 2020 mit etwa 2280 DM/Tonne CO2
beziehungsweise mit etwa 390 DM/Tonne CO2 im Jahr 2005 deutlich höher als im
Szenario K1. Im Szenario Klimaschutz bei Hemmnisabbau (K3) sind die marginalen CO2-Minderungskosten
mit etwa 140 DM/Tonne CO2 im Jahr 2020 und 5 DM/Tonne CO2 im Jahr
2005 wesentlich niedriger als in den anderen Klimaschutzszenarien.
Diese Zahlen machen eindrucksvoll deutlich, wie der Weg einer wirtschaftsverträglichen
Minderung der CO2-Emissionen auszugestalten ist. Daß marginale CO2-Minderungskosten
von 140 beziehungsweise 2300 DM/Tonne CO2 sehr unterschiedliche
gesamtwirtschaftliche beziehungsweise beschäftigungsseitige Effekte haben, muß nicht
besonders betont werden.
Die Ergebnisse der Kostenanalysen zeigen aber auch, daß eine Erreichung der
Klimaschutzziele über eine CO2-Steuer nur dann Sinn macht, wenn die Hemmnisse,
die den Lenkungsspielraum einer Steuer beschränken, abgebaut werden. Anderenfalls müßte
die Höhe der Steuer so hoch ausfallen, daß nicht akzeptable gesamtwirtschaftliche
Konsequenzen zu erwarten wären.
4. Schlußbetrachtung
Die zuvor erläuterten Ergebnisse modellgestützter Analysen zur Minderung
energiebedingter CO2-Emissionen in Deutschland geben selbst bei einer
Berücksichtigung der methodischen Begrenzungen und einer qualitativen Interpretation der
quantitativen Ergebnisse wesentliche Hilfen und Orientierungen für die Konzipierung einer
ökonomieverträglichen Gesamtstrategie zum Schutz des Klimas. Diese lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
- Bei im wesentlichen unveränderten energiepolitischen
Rahmenbedingungen, das heißt ohne neue Weichenstellungen für den Klimaschutz, werden im
Zusammenhang mit der angestrebten gesamtwirtschaft-lichen Entwicklung die energiebedingten
Kohlendioxidemissionen mittel- und langfristig nur leicht zurückgehen. Die für
Deutschland angestrebten Ziele zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen werden nicht
erreicht.
- Die angestrebten und aus klimatologischer Sicht notwendigen
Minderungen der energiebedingten Kohlendioxidemissionen ließen sich bei Ausnutzung der
kosteneffizienten Minderungsmaßnahmen erreichen, ohne die Wirtschaft und die Verbraucher
mit steigenden Energiekosten zu belasten.
- Wesentliche Beiträge für eine derartige
Least-Cost-Reduktionsstrategie, die gleichermaßen dem Klimaschutz und der Sicherung des
Wirtschaftsstandortes durch wettbewerbsfähige Energiepreise dient, leisten die
Ausschöpfung wirtschaftlicher Energieeinsparpotentiale, insbesondere im Gebäudebereich,
die Ausweitung der Nutzung von Erdgas und der Kernenergie sowie der Wasserkraft und der
Biomasse.
- Die derzeit diskutierten CO2-Minderungsziele sind ohne eine
deutliche Rückführung der Nutzung von Stein- und Braunkohle nicht zu erreichen.
Die Halbierung der Kohlenstoffintensität unserer Energieversorgung und die Verdopplung
der Energieeffizienz unserer Volkswirtschaft ist eine energiepolitische Zielsetzung, die
den Erfordernissen des Klimaschutzes und den Belangen der Sicherung des
Wirtschaftsstandortes Deutschland, soweit es die Energieseite betrifft, gleichermaßen
gerecht wird.
Die Analyseergebnisse zeigen, daß der Schutz des Klimas, als eine wesentliche Komponente
einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, und wettbewerbsfähige Energiepreise, als
wichtiger Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes und zur Sicherung der
Beschäftigung in unserem Land, nicht einer Quadratur des Kreises gleichkommen, sondern
daß beides durchaus erreichbar ist.
Auch für die Bewältigung der großen Herausforderung, die der Schutz des Klimas
darstellt, gilt das, was Carl Friedrich von Weizsäcker einmal in einem anderen
Zusammenhang gesagt hat, daß "alle Gefahren, die wir vor uns sehen, keine
technischen Ausweglosigkeiten sind, sondern eher umgekehrt, die Unfähigkeit unserer
Kultur, mit den Geschenken ihrer eigenen Erfindungskraft vernünftig umzugehen".
Literatur
[1] Intergovernmental Panel on Climate Change: IPPC Second Assessment - Climate Change
1995. Genf 1996
[2] Fahl, U., Läge, E., Rüffler, W., Schaumann, P., Böhringer, C., Krüger, R., Voß,
A.: Emissionsminderung von energiebedingten klimarelevanten Spurengasen in der
Bundesrepublik Deutschland und in Baden-Württemberg, Forschungsbericht des Instituts für
Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung, Band 21, Stuttgart, 1995
[3] Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des 12. Deutschen
Bundestages: Mehr Zukunft für die Erde - Nachhaltige Energiepolitik für dauerhaften
Klimaschutz. Economica Verlag, Bonn, 1995
[4] Voß, A., Schlenzig, C., Reuter, A.: MESAP III: A Tool for Energy Planning and
Environmental Management - History and new Developments. In: Hake, J. Fr., Kleemann, M.,
Kuckshinrichs, W., Martinsen, D., Walbeck, M. (Hrsg.): Advances in System Analysis:
Modelling Energy-Related Emissions on a National and Global Level. Konferenzen des
Forschungszentrums Jülich, Band 15, Jülich, 1995
[5] Schaumann, P., Schweicke, O.: Entwicklung eines Computermodells mit linearer
Optimierung zur Abbildung eines regionalisierten Energiesystems am Beispiel
Gesamtdeutschlands, Wissenschaftliche Berichte der HTWS Zittau/Görlitz, Nr. 1481, Heft
39, Zittau, 1995
[6] Prognos: Die Bundesrepublik Deutschland 2000-2005-2010, Entwicklung von Wirtschaft und
Gesellschaft.Prognos Deutschland Report Nr. 1, Basel, 1993
[7] Programmgruppe Technologiefolgenforschung: IKARUS, Instrumente für
Klimagasreduktionsstrategien. Forschungszentrum Jülich GmbH, Jülich, 1995
Der Autor
Prof. Dr.-Ing. Alfred Voß, geboren am 1. Februar 1940 in Ebbinghof, studierte an der RWTH
Aachen Maschinenbau und promovierte 1973 bei Prof. R. Schulten mit einem Thema zur
computergestützten Analyse komplexer Energiesysteme. Von 1976-1977 arbeitete er am
International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg bei Wien über
Methoden zur Modellierung von Energiesystemen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland
übernahm er die Leitung der Programmgruppe Systemforschung und Technologische Entwicklung
(STE) im Forschungszentrum Jülich. 1983 wurde er als ordentlicher Professor für
Energiewirtschaft und Energiesysteme an die Universität Stuttgart berufen. Hier wirkte er
zunächst in der Leitung des Instituts für Kernenergetik und Energiesysteme mit, bevor er
Anfang 1990 die Leitung und den Aufbau des neu gegründeten Instituts für
Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) übernahm. Alfred Voß lehrt und
arbeitet auf den Gebieten der Energiesysteme, der Energiemodellbildung, der rationellen
Energieanwendung und der Umweltprobleme der Energienutzung. Er war Mitglied der
Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" des 12. Deutschen Bundestages.
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