kbj.gif (904 Byte) Wechselwirkungen
Jahrbuch 1996
Universität Stuttgart
                              kbj2.gif (904 Byte)
Peter Eyerer, Bernd Keller, Thomas Lück, Johannes Eschl, Karl-Heinz Dusel, Peter Stierlen, Peter Elsner, Jialin Shen, Frithjof Baumann, Dietmar Völkle:
Rapid Prototyping & Rapid Tooling: Generative Fertigungsverfahren und Prozeßketten in der Produktentwicklung
 
  1. Produktmodell statt Zeichnung
  2. Die zentrale Rolle der generativen Fertigungsverfahren in der Prozeßkette
  3. Zukunft der Produktentwicklung – Rapid Tooling, Schlußbetrachtung

Durch die industrielle Forderung nach kürzeren Produktentwicklungszyklen und schnellem Markteintritt des Produkts bei gleichzeitig wachsenden Qualitätsanforderungen stehen Entwicklungsbereiche, insbesondere in der Konstruktions- und Prototypenphase, vor stark anwachsendem Zeit- und Kostendruck. Die hohen Entwicklungs- und Fertigungskosten bei der herkömmlichen Erzeugung von Prototypen erfordern neue Technologien, die die Entwicklungszeit verkürzen und damit die Wettbewerbssituation entscheidend verbessern. Die Entwicklungskosten haben hierbei Einfluß auf den Marktpreis. Außerdem ist es entscheidend, wie schnell das Produkt verfügbar ist. Der Entwicklungsprozeß wird durch den Einsatz von Prototypen deutlich beschleunigt. Sie dienen als Design-, Funktions- und Fertigungsstudien und werden schon in einer frühen Phase mit in die Konstruktion, Entwicklung und Arbeitsvorbereitung einbezogen. Die schnelle Verfügbarkeit von Modellen trägt zur Verkürzung der Planungsphasen und zur Verbesserung der Produkteigenschaften bei. Abbildung 1 zeigt die sequentielle lineare Produktentwicklung im Vergleich zu Simultaneous Engineering. Erfolgsentscheidender Faktor beim Simultaneous Engineering ist die Kooperation und Kommunikation der Entwicklungsteams, die Möglichkeiten zur Nutzung schneller Iterationszyklen bei der Konzeption und Konstruktion sowie die dadurch erreichbaren frühen Evaluierungs- und Testphasen neuer Produkte und Prozesse.

Der hohe manuelle Aufwand zur Fertigung komplexer Komponenten führt zu langen Entwicklungszeiten bei der Prototypenerzeugung. Analysen haben gezeigt, daß mehr als 25 Prozent der Produktentwicklungszeit auf die Herstellung von Prototypen entfällt. Die Abbildungen 2 und 3 zeigen, daß bei 60 Prozent aller Prototypen die herkömmliche Fertigung mehrere Monate in Anspruch nimmt, wodurch sich die Entwicklung dieser Produkte auf etwa ein bis vier Jahre ausdehnen kann /1/. Diese Situation verdeutlicht den hohen Stellenwert des Rapid Prototyping, mit dem sich außerdem der hohe Personal- und Kostenaufwand sichtbar reduzieren läßt.

Parallel zur Entwicklung der generativen Fertigungsverfahren, wie zum Beispiel der Stereolithographie, der Lasersinter-Technologie, des "Fused Deposition Modeling" oder des "Laminated Object Manufacturing", ist der Bedarf an funktionellen Prototypen ständig gewachsen /2/. Der Einsatz dieser Technologien reicht vom Automobilbau über die Haushaltsgeräte- und Spielwarenindustrie bis hin zum jüngsten Einsatzbereich, der Mikro- und Medizintechnik. Bei all diesen Verfahren (siehe Tabelle) und ihnen angegliederten Folgeschrittverfahren sind Kenntnisse aus den verschiedenen Disziplinen der Daten- und Informationsverarbeitung, den Werkstoffwissenschaften, den Produktionstechnologien, der Lasertechnik bis hin zur Umweltschutztechnik notwendig. Die verschiedenen Industriebereiche erkennen in zunehmendem Maße den durch diese Verfahren gegebenen Wettbewerbsvorteil, fordern aber gleichzeitig die ständige Verbesserung der Materialeigenschaften und die dabei notwendige Anpassung der jeweiligen Verfahrenstechnik. Derzeit lassen sich jedoch mit den generativen Fertigungsverfahren – direkt und ohne Zwischenschritte – nur sehr eingeschränkt Prototypen mit funktionellem Anwendungscharakter herstellen. Die Palette der Prototypenwerkstoffe reicht hierbei von Photopolymeren, Thermoplasten, Papier- und Kunststoffolien bis hin zu Metallen und Keramiken /3/.

Produktmodell statt Zeichnung

Verfahren, bei denen dreidimensionale Modelle direkt aus CAD-Daten ohne Zerspanungsvorgänge aufgebaut werden, faßt man unter dem Begriff Rapid Prototyping- oder Generative Fertigungsverfahren zusammen. Es werden Methoden entwickelt, um aus digitalen Daten von Konstruktionsprogrammen direkt Modelle aus Kunststoff oder Wachs herzustellen. Diese sind hauptsächlich geeignet, die optische oder haptische Qualität zu überprüfen. Es gibt mittlerweile erste Verfahren zur Verarbeitung metallischer Werkstoffe. Damit lassen sich funktionsfertige Prototypen, Werkzeuge für die spätere Serienfertigung oder sogar in geringen Stückzahlen die Produkte selbst, erstellen. Man unterscheidet zunächst zwischen Designprototypen, die zur optischen und haptischen Bewertung von Entwürfen dienen, sowie den geometrischen Prototypen, bei denen die Maß- und Formgenauigkeit im Vordergrund steht. Funktionelle Prototypen dienen der Überprüfung einzelner Funktionen von Bauteilen beziehungsweise Baugruppen, wohingegen die technischen Prototypen alle Funktionsanforderungen des Serienproduktes erfüllen. Zunehmend werden auch Vorserien-Produkte für Produktstudien und Markttests eingesetzt. Für den Bauteilaufbau wird der Geometriedatensatz des dreidimensionalen Modells in einzelne Querschnitte definierter Höhe zerlegt, deren Abstände mit den Schichtdicken beim späteren Bauprozeß korrelieren und je nach Verfahren zwischen 0,1 und 0,4 mm betragen (Abb. 4).Mit dieser Schichtung lassen sich Orte einer bestimmten Schnittebene eines Bauteils definieren, an denen weiteres Material angelagert wird. Die einzelnen Verfahren unterscheiden sich in der Art und Weise dieser sukzessiv schichtweisen Formgebung durch Materialhinzufügung. Nachfolgend werden die wichtigsten Verfahren vorgestellt.

Stereolithographie

Das Prinzip der Stereolithographie beruht auf der Eigenschaft, spezielle flüssige Kunststoffe (zum Beispiel Epoxidharze) unter der Einwirkung von UV-Licht auszuhärten. Diese Kunststoffe werden als Photopolymere bezeichnet. Bei punktueller Belichtung wird der vom Slice-Prozessor erzeugte Querschnitt durch das Belichten der entsprechenden Querschnittsmuster mittels Laserstrahl polymerisiert. Die Strahlauslenkung erfolgt hierbei durch zwei bewegliche Spiegel. Begrenzt wird die Aushärtung in der Horizontalen durch den Durchmesser des Laserstrahls (etwa 0,25 mm) und in der Vertikalen durch die optische Eindringtiefe des Lasers in das verwendete Harz. Die Aushärtetiefe läßt sich dabei durch die eingekoppelte Laserenergie zwischen etwa 0,1 mm und 0,5 mm variieren. Nach der Fertigstellung des ersten Querschnitts wird die Plattform um die gewählte Schichtdicke abgesenkt. Danach wird neues Harz aufgebracht, die nächste Schicht belichtet und damit polymerisiert (Abb. 5).

Lasersintern

Beim Lasersinterprozeß erhitzt ein Laser den pulverförmigen Ausgangswerkstoff und erzeugt durch Verschmelzen einen Zusammenhalt der Partikel untereinander. Der Laserstrahl wird von einem Scanner geführt und schmilzt dabei lokal die jeweiligen Pulverpartikel auf. Die dabei eingekoppelte Energie des Lasers ist gerade so groß, daß die Pulverpartikel selektiv versintert beziehungsweise miteinander verschmolzen werden. Eine dünne Schicht (typischerweise 0,1–0,3mm) des Pulvers wird so in eine feste Struktur überführt. Nachdem der erste Bauteilquerschnitt verfestigt ist, wird die Bauplattform um eine Schichtdicke gesenkt, neues Pulver aufgebracht und der nächste Querschnitt verfestigt (Abb. 6).

Laminated Object Manufacturing (LOM)

Das Laminated Object Manufacturing beruht darauf, daß aus dünnen Folien Schicht für Schicht die einzelnen Konturen des zu generierenden Modells ausgeschnitten und aufeinandergeklebt werden. Jede Folie entspricht dabei einem Querschnitt des Modells. Eine heiße Laminierrolle klebt die erste Folie auf die Plattform. Anschließend wird die Kontur des ersten Querschnitts mit dem Laserstrahl ausgeschnitten, ebenso wird ein netzähnliches Schnittmuster außerhalb der Kontur angelegt. Dann wird eine zweite Schicht auf den aus der vorhergehenden Schicht gebildeten ersten Querschnitt geklebt. Es wird die Kontur des zweiten Querschnitts mit dem Laserstrahl ausgeschnitten und wiederum das Schnittmuster außerhalb der Kontur angelegt. Dieser Vorgang wird solange wiederholt, bis die letzte Schicht des Bauteils aufgeklebt und die Kontur des letzten Querschnitts ausgeschnitten ist. Die Bauteilgeometrie wird somit durch das Aufeinanderkleben einzelner Papierfolien und das anschließende Ausschneiden entlang der Konturzüge mittels Laser erzeugt. Das gitterförmige Schnittmuster, das außerhalb der Konturen des Bauteils angelegt ist, erleichtert das anschließende Freilegen des Bauteils (Abb. 7).

Fused Deposition Modeling (FDM)

Beim Fused Deposition Modeling wird der Werkstoff in Filamentform einem x-y-verfahrbaren und temperaturgeregelten Extruder zugeführt. Im Extruder wird der Werkstoff aufgeschmolzen und mit einer Düse aufgetragen. Der Werkstoffauftrag erfolgt in Linien. Die Dicke dieser Linien kann 0,05 mm bis 0,7 mm betragen und die Breite reicht von 0,3 bis 2,5 mm. Die Temperaturverhältnisse an diesem Mini-Extruder, auch Maschinenkopf genannt, werden so eingestellt, daß der zähflüssige Schmelzestrom sofort nach Anbindung an die untere Schicht erkaltet und somit erstarrt (Abb. 8)

.Multi Jet Modeling (MJM)

Das Multi Jet Modeling erstellt Modelle nach einem dem Print-Jet ähnlichen Verfahren. Die einzelnen Düsen geben auf Anforderung über ein elektrisches Signal geschmolzenes thermoplastisches Material aus. Die elektrischen Signale aktivieren einzeln die Düsen, je nachdem, wann und wo Werkstoff aufgetragen werden soll. Das thermoplastische Material erstarrt dabei sofort nach dem Auftrag (Abb. 9).

Gestaltfreiheit versus Verzug

Durch den additiven Aufbau der Prototypen ist es einerseits möglich, jede beliebige Geometrie herzustellen, andererseits ergibt sich dadurch das Problem des Verzugs, besonders an Überhängen. Im folgenden wird dies anhand der Stereolithographie dargestellt, in ähnlicher Weise gilt dies für alle schichtweise aufbauenden Verfahren.

Stereolithographie:

Ursache des Verzugs ist der Schwund, der bei der Polymerisation der Photopolymerharze eintritt. Die erste Schicht eines Bauteiles oder Bauteilüberhangs kann nach der Belichtung auf dem flüssigen Harz schwimmend frei schwinden. Wird in der folgenden Schicht Material fest auf die vorhergehende gehärtet, wird der Schwund behindert. Zwischen den Schichten entstehen Spannungen, die zum Ver-zug führen. In diesem besonderen Fall spricht man von Curl (Locke), Abbildung 10. Die Lösung wären Harze, die nicht schwinden. Dem stehen jedoch die vom Stereolithographieprozeß vorgegebenen Anforderungen entgegen:Eine Schicht ist nach wenigen Sekunden belichtet und muß dann den beim Beschichten auftretenden Kräften standhalten. Die Härtung muß also sehr schnell vor sich gehen. Für gute Beschichtungen sollen die Harze eine sehr niedrige Viskosität aufweisen. Der Verzug korreliert jedoch nicht direkt mit dem Schwund. Da das Material am Anfang flüssig ist, bleibt ein Großteil des Schwunds ohne Wirkung. Erst wenn das Material anfängt, sich zu verfestigen, entstehen Spannungen, die zum Verzug führen. Durch geeignete Prozeßführung kann der Verzug entscheidend verringert werden. Um den Schwund, die entstehenden Spannungen und die mechanischen Eigenschaften der Harze wie auch die Reaktionstemperaturen in Abhängigkeit der Prozeßparameter zu untersuchen, wurde am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP) eine Meßvorrichtung entwickelt (Abb. 11). Mit ihr ist es möglich, schnell und effizient Harze zu bewerten oder geeignete Prozeßparameter zu finden, die Verzugsmechanismen gezielt zu untersuchen und damit besser zu verstehen.

In einem kleinen Harzbad wird eine Schicht von üblicherweise 3 mm x 8 mm aus Photopolymer mit dem Laser zwischen zwei Haken gehärtet. Die Dicke (0,1–1 mm) ergibt sich aus den Prozeßparametern und wird nach Versuchsende gemessen. In einem Fall kann das Material frei schwinden, die Bewegung des einen Hakens wird aufgezeichnet. Es ist jedoch möglich, zu jeder Zeit den Haken gezielt zu bewegen, um so einen Zugversuch durchzuführen. Wird die Länge der Schicht von Anfang an konstant gehalten, wie im Bauprozeß durch die darunter liegende Schicht, können die dazu notwendigen Kräfte aufgezeichnet werden. Logarithmisch über der Zeit aufgetragen (Abb. 12) erkennt man den um einige Sekunden verzögerten Anstieg des Linearschwundes. Erst nach ungefähr hundert Sekunden klingt dieser ab, bis das Material beginnt zu quellen. Die Meßkurve kann durch eine Summe von Exponentialfunktionen angenähert werden. Diese können wiederum einzelnen Effekten, zum Beispiel aufgrund ihrer Zeitkonstante, zugeordnet werden.

Aussagen über die Polymerisationsumsatzrate können auch mit Temperaturmessungen am Bad getroffen werden. In Temperaturbildern erscheinen die Temperaturfelder an der Badoberfläche eindrucksvoll. Im gezeigten Beispiel wurde in einem Photopolymer aus Acrylat eine Fläche von 3 mm x 8 mm bereits einmal belichtet. Im Moment der Aufnahme wird eine zweite Belichtung durchgeführt (kleines helles Feld). Bei der ersten Belichtung wird die Reaktion durch den im Material enthaltenen Sauerstoff gebremst. Erst bei der zweiten Belichtung kommt sie richtig in Gang, erkennbar an den deutlich höheren Temperaturen (Abb.13).

Lasersintern:

Die weitere Verbreitung des Lasersinterns und die Erschließung zusätzlicher Anwendungsgebiete ist mit der Lösung der Applikationsprobleme für die gewünschten Werkstoffe verbunden. Ein Großteil der Sinterbauteile wird aus Polystyrole, Polycarbon oder Polyamid hergestellt. Die Anwendung dieser Materialien ist ausgereift und beherrschbar. Es wäre allerdings falsch, hier von Bauteileigenschaften zu sprechen, die mit denen von Serienbauteilen vergleichbar sind. Die mechanische Belastbarkeit leidet nach wie vor an der unvollständigen Bauteildichte. Auch die Maßhaltigkeit ist durch die Pulverform des Materials und den generativen Aufbau eingeschränkt. Bei einer genau definierten Anwendung der Prototypen lassen sich diese Einschränkungen jedoch minimieren, wobei die spezifischen Vorteile der Materialien genutzt werden können. So steht der unzureichenden Belastbarkeit von lasergesinterten Polystyrolbauteilen der Vorteil einer guten Eignung für das Abgießen in konventioneller Feingießtechnik gegenüber (Abb. 14).

Verschiedene Anwender fragen verstärkt nach gesinterten Polyamidbauteilen. Die verbesserten mechanischen Eigenschaften dieser Teile erreichen fast Serienniveau. Neue Materialadaptionen für die Lasersinter-Technologie wurden vor kurzem von den verschiedenen Maschinenherstellern vorgestellt. Zur Anwendung kommen spezielle Rezepturen aus gefüllten Polymeren für verstärkte Prototypen (E-Modul bis zu 2800 N/mm2), Metallpulvern für metallische Prototypen und Werkzeuge oder Sand-Polymermischungen für Gießtechniken.

Die wichtigsten verfahrenstechnischen Faktoren sind durch die Intensität, Energiedichte und Wechselwirkungszeit des Laserstrahls mit dem Pulverbett zu beschreiben. Seitens der pulverförmigen Ausgangswerkstoffe sind als wesentliche Stoffparameter die rheologischen, optischen und kalorischen Materialeigenschaften zu nennen, welche während der Bearbeitung durch Reflexion, Transmission, Absorption und Strahlungseinkopplung die Bearbeitungsparameter mitbestimmen. Der Prozeß des Lasersinterns ist nur dann beherrschbar, wenn die durch Absorption elektromagnetischer Strahlung umgesetzte Wärme sich im Pulverbett kontrollierbar verteilt. Abbildung 15 zeigt als Modellvorstellung die Abnahme der Strahlintensität durch Reflexion, sowie Streuung und Absorption beim Durchgang durch Materie /4/. Der Intensitätsverlauf über der Eindringtiefe in das Material ist abhängig vom Weg der durchstrahlten Materie und läßt sich nach dem Beerschen Absorptionsgesetz beschreiben:

Die Reflexion und Transmission sind Materialgrößen, welche sich bei Kunststoffen sehr gut durch Spektralphotometer erfassen lassen (hier: FT-IR). Die untersuchten Thermoplaste (PA11, PA-elastomermodifiziert, PC, PS, ABS) weisen, mit der Voraussetzung einer genügend großen Schichtdicke (T=0), eine Reflexion im Bereich der Laserwellenlänge (l=10,6µm) zwischen 5–10 Prozent auf. Das Verhalten polymerer Werkstoffe kann durch die Volumenabsorption beschrieben werden (kaum Randzoneneinfluß durch geringe Wärmeleitung), bei dem die Eindringtiefe der Laserstrahlung in das Material in der Größenordnung der Schichtdicke oder darüber liegt. Das Verhalten metallischer Werkstoffe kann durch die Oberflächenabsorption (großer Randzoneneinfluß durch hohe Wärmeleitung und Strahlstreuung) beschrieben werden, da die Eindringtiefe der IR-Strahlung in das Material wesentlich kleiner (sub-µ Bereich der Oberflächenschicht) als die Schichtdicke ist.

Bei der allgemeinen Betrachtung der Laserbearbeitung pulverförmiger Werkstoffe haben die Größen Kornform, Korngröße, Schüttdichte und Rieselfähigkeit einen wesentlichen Einfluß auf die Sinterdichte und bestimmen somit zusammen mit den mechanischen Materialkennwerten entscheidend die Bauteileigenschaften. Aufgrund der Natur des drucklos temperaturgesteuerten Sinterprossezes lassen sich keine 100 Prozent dichten Bauteile herstellen, kann jedoch durch die Wahl geeigneter Prozeßparameter in weiten Bereichen variiert werden und, nach eigenen Untersuchungen, bis zu 91 Prozent betragen.

Abbildung 16 zeigt das Spannungs-Dehnungs-Diagramm von einem Polyamid-Copolymer mit unterschiedlichen Sinterdichten und zugehörigen REM-Aufnahmen /5/.

Das im Entwicklungstadium befindliche Material hat gegenüber den derzeit kommerziell eingesetzten Pulverwerkstoffen (siehe Tabelle) den Vorteil einer sehr hohen Flexibilität und eignet sich hervorragend für Bauteile mit Schnapphaken und Scharniergeometrien (Abb. 17). Bei den REM-Aufnahmen der Bauteile niedriger Dichte ist die für den Sinterprozeß typische Ausbildung der Sinterhälse zu erkennen, welche sich mit zunehmender Dichte (höhere Energiedichte des Lasers) vergrößern. Die meßbare laterale Schwindung liegt bei etwa zwei Prozent – relativ gering, setzt man eine Pulverbettdichte (Dichte vor der Laserbearbeitung) von etwa 60 Prozent voraus. Ursache der niedrigen Schwindung ist die bevorzugte Schwindungsrichtung entlang der Laserachse von bis zu 50 Prozent (z-Richtung). Am Beispiel der bisher aufgeführten Pulverwerkstoffe mit diversen Anwendungspotentialen wird deutlich, daß hier künftig noch einige Verbesserungen hinsichtlich Prozeßstabilität und mechanischen beziehungsweise thermischen Eigenschaften zu erwarten sind.

Die zentrale Rolle der generativen Fertigungsverfahren in der Prozeßkette

Die generativen Fertigungsverfahren sind nicht nur für die weitere Ablaufplanung der Prozeßkette von entscheidender Bedeutung. Sie bestimmen entscheidend die Maß- und Formhaltigkeit der Prototypen am Ende der Prozeßkette. Abbildung 18 zeigt die Prozeßkette von der Idee, über das RP-System, die Werkzeugtechnik und dem entsprechenden Produktionsverfahren zum gewünschten Endteil. Die Prozeßketten erlauben eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten, welche letzlich zu einem Ergebnis führen können. Die F&E-Partner IKP und FhG/ICT erarbeiten derzeit aus Kosten- und Qualitätssicht Methoden zur Bewertung und Integration dieser Prozeßketten in klein- und mittelständischen Unternehmen und stellen neue Prozeßketten zur Verfügung. Im folgenden werden einige vielversprechende Prozeßketten vorgestellt.

Folgeschrittechniken und Werkzeugtechnik – Rapid Tooling

Vielfach wird eine größere Stückzahl an Prototypen oder auch ein spezielles Eigenschaftsprofil benötigt. Folgeschrittverfahren erlauben, RP-Modelle mit einer breiten Materialpalette und in größerer Anzahl herzustellen. Neben Metallteilen aus dem Sand- oder Druckguß betreffen die meisten RP-Anwendungen derzeit Kunststoffbauteile, die später in der Serie mit dem Spritzgießverfahren hergestellt werden.Die weit verbreiteten Abformtechniken für Prototypen sind derzeit:

  • Vakuumgießen
  • Zweikomponenten-Niederdruckdosieren
  • Feinguß
Vakuumgießen

Das Vakuumgießen ist eine bekannte Technik, um Zwei-Komponenten-Reaktionsharze unter Vakuum zu vergießen. Dabei befinden sich offene, bewegliche Behälter für die beiden Komponenten eines Reaktionsharzes und das Werkzeug in einer gemeinsamen Vakuumkammer. In die beiden Behälter werden die Komponenten des Harzes im vorgeschriebenen Verhältnis abgewogen. Unter Vakuum werden beide Komponenten vermischt und über einen Trichter in das Werkzeug gegossen. Außerhalb der Vakuumkammer reagiert das Harzgemisch im Werkzeug zu einem festen Bauteil. Der Reaktionsvorgang kann durch Wärmezufuhr, zum Beispiel in einem Ofen, beschleunigt werden. Beim Vakuumgießen erfolgt die Verarbeitung drucklos. Deshalb können Werkzeuge aus flexiblen Polymerwerkstoffen wie Silikon verwendet werden. Aus Silikonformen lassen sich wegen ihrer Flexibilität Hinterschnitte zwangsentformen. Mit einer Silikonform lassen sich 20 bis 50 Teile gießen. Die Herstellung eines Silikonwerkzeuges dauert einen Tag beziehungsweise bis zu drei Tagen, je nach Komplexität der Bauteilgeometrie. Tagesproduktionen von vier Teilen sind realistisch. Benötigt man höhere Stückzahlen, empfehlen sich Mehrfachformen. Abbildung 19 zeigt ein vakuumgegossenes Mobiltelefon.Hier befinden sich die beiden Komponenten eines Reaktionsgießharzes in Vorratsbehältern der Dosieranlage. Von dort werden sie von Pumpen über Schläuche einem Mischkopf zugeführt und dann direkt in das Werkzeug gefördert, wo sie innerhalb von zehn bis 20 Minuten aushärten. Grundsätzlich kommen für dieses Verfahren ähnliche Werkzeuge in Frage wie für das Vakuumgießen, aber auch harte Gießharzwerkzeuge. Der Aufwand für die Werkzeugherstellung ist bei vergleichbarer Werkzeugstandzeit nur wenig höher als für das Vakuumgießen. Stückzahlen von 20 Teilen pro Tag sind in typischen Fällen zu realisieren. Vorteilhaft gegenüber Vakuumgießen ist, daß mehrere Formen unmittelbar nacheinander gefüllt werden können. Andererseits ist der Materialwechsel aufwendig.

Feinguß

Das Feingießverfahren, auch Wachsausschmelzverfahren, ist bereits seit mehreren tausend Jahren bekannt. Mit RP-Verfahren können hier Werkzeuge für Feingußwachslinge hergestellt werden, entweder durch direkten Aufbau oder über die Herstellung einer Silikonform.Die Verwendung von RP-Modellen für den Feinguß wird bereits seit Jahren praktiziert. Für die Herstellung der verlorenen Modelle können verschiedene Verfahren eingesetzt werden:

  • Stereolithographie-Bauteile bieten derzeit die höchste Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität. Der Restaschegehalt ist zwar volumenmäßig gering, jedoch bilden sich teilweise Ablagerungen an der Keramik- beziehungsweise Gipsschale, welche zu Oberflächenfehlern führen. Die thermische Expansion, vor allem dickwandiger Bauteile, kann dabei zum Sprengen der Schale führen. Dies versucht man mit Verfahren wie Hülle/Kern (EOS GmbH) oder QuickCast (3D-Systems GmbH), bei denen die Bauteile im Innern weitgehend hohl ausgeführt sind, zu verhindern. Probleme bereitet hier oftmals die ungenügende Dichtheit solcher Modelle, wodurch das Schalenmaterial in das Bauteil eindringen kann und die Form somit unbrauchbar wird.
  • Am weitesten verbreitet ist die Verwendung lasergesinterter Polystyrol- beziehungsweise Polycarbonatteile, die sich unproblematisch ausbrennen lassen. Gerade für die Werkzeugherstellung sind die gesinterten Oberflächen jedoch im allgemeinen zu rauh, so daß hier erheblich Nacharbeit zu leisten ist. Besonders bei komplexen Oberflächen ist dies nicht zu vernachlässigen. Die Verwendung der neu vorgestellten TrueForm-Materialien (DTM GmbH) soll jedoch eine weitere Verbesserung bringen, wobei hierzu noch wenig Erfahrungen vorliegen.
  • Papiermodelle, die über das LOM-Verfahren hergestellt wurden, eignen sich ebenfalls für den Feinguß, jedoch muß hier auf eine gute Versiegelung der Oberfläche geachtet werden, um ein Quellen des Papiers zu verhindern und eine ausreichende Oberflächenqualität zu erzielen. Bei komplexen Formen bereitet der hohe Restaschegehalt Probleme, da er nicht aus jeder Geometrie entfernt werden kann.
  • Für das FDM-Verfahren wird ein spezielles Feingießwachs angeboten, welches sich gut für das Ausbrennen eignet. Es besitzt allerdings den Nachteil schlechter mechanischer Eigenschaften und kann, da die entsprechenden Maschinen sich üblicherweise nicht vor Ort beim Feingießer befinden, Transportprobleme bereiten. Untersuchungen in Zusammenarbeit mit den Firmen alphaCAM GmbH und der E. Bucher GmbH&Co im Rahmen eines vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Forschungsprojekts haben ergeben, daß sich das ebenfalls angebotene ABS beim Ausbrennprozeß ähnlich unproblematisch verhält wie lasergesintertes Polystyrol, wobei auch befriedigende Oberflächen erreicht werden können.
  • Als weiteres Verfahren eignet sich zum Beispiel auch das Ink-Jet-Verfahren der Firma Sanders Prototype, mit welchem sehr gute Genauigkeiten und Oberflächen bei gutem Ausbrennverhalten erzielt werden können. Hier schränken jedoch der derzeit noch zu kleine Bauraum sowie die langen Bauzeiten die Verwendung ein.

Problematisch bei der Herstellung von feingegossenen Bauteilen sind die Maßgenauigkeit infolge des Schwundes beim Gießen sowie die Fehlerfortpflanzung der aufeinanderfolgenden Prozeßschritte /8/.

Spritzgießwerkzeugeinsätze für Prototypen

Es ist meist unerläßlich, Prototypen und Klein(st)serien bereits im Zielwerkstoff und mit derselben Verarbeitungstechnik zu bekommen. Der konventionelle Werkzeugbau hierfür ist anspruchsvoll, teuer und zeitintensiv. Die Anforderungen an Prototypenwerkzeuge sind bezüglich Werkzeugstandzeiten und Zykluszeiten jedoch geringer als in der Serienproduktion. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Werkzeugeinsätze nicht nur aus Stahl, sondern auch aus anderen Materialien, zum Beispiel Kunststoffen, zu fertigen. Die Synthese von generativen Fertigungsverfahren mit sogenannten "Soft Tooling" Techniken kann hier weitere vielversprechende Wege aufzeigen. Die meisten Ansätze befinden sich derzeit noch im Entwicklungsstadium oder haben bisher nur begrenzt Anwendung gefunden /6/.

Im folgenden sind die wichtigsten Techniken für Prototypen-Spritzgießwerkzeugeinsätze dargestellt:

  • Direkt mit RP-Verfahren hergestellte Werkzeugeinsätze
  • Durch Abformen von RP-Modellen hergestellte Werkzeugeinsätze (Gießharze, Metallspritzen)
  • Feingießen
Direkt hergestellte RP-Werkzeugeinsätze

Der kürzeste und schnellste Weg zum Prototypwerkzeug ist, Werkzeugeinsätze direkt mit RP-Techniken herzustellen. Diese können entweder durch einen massiven Werkzeugeinsatz oder eine Kavitätsschale, die gesondert hinterfüllt wird, hergestellt werden. Im folgenden werden diese Methoden erläutert.

Stereolithographie für die Werkzeugtechnik

Erfolgreiche Versuche am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) und am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP) belegen den Einsatz von stereolithographisch erstellten Kavitäten als Werkzeugeinsätze. Das Photopolymer erscheint zunächst wegen seiner niedrigen Glastemperatur für diesen Zweck ungeeignet. Der Werkzeugeinsatz muß allerdings nicht die Temperatur des eingespritzten Thermoplastmaterials erreichen. Messungen mit Thermoelementen in der Photopolymerschale ergaben Maximaltemperaturen von lediglich 100° C. Abbildung 20 zeigt Spritzlinge eines Klimaanlageneinschubs, von dem 120 Teile in verschiedenen Werkstoffen, wie zum Beispiel PP, PC und PA GF30, ebenfalls in einem Photopolymerwerkzeug hergestellt wurden. Als Hinterfüllmaterial für Kavitätsschalen kommen aluminiumgefüllte Gießharze in Frage, die man auch für reine Gießharzeinsätze verwendet.

Vielversprechende Ergebnisse mit massiven Formhälften sind anhand des in Abbildung 21 dargestellten Spritzgießteiles abgebildet. Die auf einer Stereolithographieanlage (SLA 500) der Firma 3D-Systems erstellten massiven Formeinsätze wurden in einen Universal-Werkzeugrahmen eingepaßt, welcher zur besseren Temperierbarkeit mit Bohrkanälen versehen war.

Aus diesem Werkzeug wurden über 100 Teile hergestellt, wobei der Spritzdruck bis zu 1000 bar und der Nachdruck etwa 2/3 des Spritzdrucks betrug. Die Verarbeitungstemperaturen lagen bei etwa 230° C und die Zykluszeiten zumeist bei fünf Minuten. Verschleißerscheinungen durch den eigentlichen Spritzgießprozeß konnten nicht beobachtet werden.Diese und andere anwendungsnahe Beispiele für Rapid Tooling verdeutlichen die noch zu erwartenden Potentiale dieser generativen Verfahren. Neben dem Vorteil, daß selbst konventionell schwer oder nicht herstellbare Geometrien realisierbar sind und sich beispielsweise exakt an die Formkontur angepaßte Kühlkanäle verwirklichen lassen, besticht die Möglichkeit einer bedeutenden Zeitersparnis /7/ , /8/.

 

Gießharzwerkzeuge

Werkzeugeinsätze herzustellen, indem man Gießharze auf ein Positivmodell gießt, ist eine prinzipiell einfache Methode. Die notwendige Arbeitsleistung ist gering und führt zu Werkzeugkosten von weniger als 25 Prozent der Serienwerkzeugkosten. Als Positivmodell bieten sich vor allem Stereolithographie-Teile an. Mit konventioneller Modellbautechnik modelliert man eine Trennebene, bevor die erste Werkzeughälfte gegossen werden kann. Bei den Gießharzen handelt es sich um Epoxid- oder Acrylatharze mit hohem Aluminiumanteil. Diese Methode eignet sich vorzugsweise für Bauteile geringerer Komplexität. Für feine Innenstrukturen und Rippen empfehlen sich Metalleinsätze. Bisher liegen Erfahrungen für verhältnismäßig kleine Komponenten vor. Vorserien von mehr als 200 Stück ließen sich, abhängig vom Spritzgießwerkstoff, ohne erkennbaren Verschleiß des Werkzeugs abspritzen.

Mit dem in Abbildung 22 dargestellten Werkzeug konnten 100 Spritzlinge aus glasfaserverstärktem Polyoxymethylen POM GF30 ohne Nacharbeit gefertigt werden. Weitere 100 Bauteile waren nach einer Überarbeitung des Werkzeuges möglich.

Um zu höheren Stückzahlen sowie näher an die Originalverarbeitungsbedingungen zu gelangen, müssen Metallwerkzeugeinsätze angestrebt werden. Dabei werden im allgemeinen nicht die thermischen und mechanischen Eigenschaften einer Serienstahlform erreicht, jedoch ergeben sich hier geringere Unterschiede als bei der Verwendung von Kunststofformen, insbesondere die Abkühlbedingungen in der Form betreffend. Feingegossene oder auch lasergesinterte Stahlformen können dabei auch als Werkzeugeinsätze für den Druckguß verwendet werden, wobei das Lasersintern aufgrund des Kupferanteils für Aluminiumguß nicht geeignet ist.

Metallspritzen

Beim Metallspritzen wird, nach manuellem beziehungsweise im CAD erfolgtem Modellieren der Trennebene, die Bauteilhälfte mit einer niedrigschmelzenden Metallegierung bespritzt, so daß eine entsprechende Formhälfte entsteht. Dadurch erhält man eine haltbare, metallische Kavität, die vergleichsweise günstig herzustellen ist und je nach Material Losgrößen im Bereich von mehreren Tausend erlaubt. Einschränkungen ergeben sich vor allem durch geometrische Beschränkungen, wenn schwer zugängliche Stellen nicht bespritzt werden können, aber auch in der Maßgenauigkeit. Die verwendbaren Metallegierungen hängen von der Temperaturbeständigkeit des Modells ab. Die derzeit verwendeten Metalle haben beim Auftreffen eine Temperatur von etwa 40° C /9/. Entsprechend wärmebeständigere Modelle erlauben den Einsatz höher schmelzender Legierungen.

Pulverbasierte Verfahren

Neben dem Feingießprozeß bieten sich auch neuere Verfahren wie der Metall-Lasersinterprozeß oder auch das Verfahren der Firma Keltool/St. Paul (MN), USA, an. Beim Keltool-Verfahren wird, ausgehend von einer Silikonform, ein Stahlpulver/Binder-Gemisch im Ofen versintert /10/. Anschließend erfolgt das Austreiben des polymeren Binders. Das Lasersintern von Metallen erfolgt entweder direkt (EOS GmbH) oder indirekt, das heißt mit Hilfe von polymerem Binder (DTM GmbH). Der Binder muß dabei wie beim Keltool-Prozeß ausgebrannt werden. Eine nachträgliche Infiltration ist bei allen Verfahren erforderlich, wobei entweder Epoxidharz beziehungsweise eine niederschmelzende Metallegierung (EOS-M) oder Kupfer (Keltool, DTM-RAPIDTOOL) zum Einsatz kommen.

Diese aufeinanderfolgenden Prozeßschritte erfordern eine Nacharbeit der Formeinsätze. Dies gilt vor allem auch für die rauhe gesinterte Oberfläche, die zu polieren einen hohen Zeitaufwand fordert. Allerdings können bei entsprechender Ausführung Stückzahlen im fünfstelligen Bereich erzielt werden /11/. Neue Entwicklungen im Bereich der Materialien, aber auch der Prozeßführung, werden bald weitere Verbesserungen bringen, so daß die Bedeutung des Metallasersinterns für das Rapid Tooling zunehmen wird /12/.

Feingegossene Werkzeugeinsätze

Die Möglichkeiten, mit dem Feingußverfahren Modelle herzustellen, wurden bereits oben dargestellt. Die Ausführung der Werkzeugeinsatzhälften erfolgt hier ebenfalls in Schalenbauweise mit anschließender Hinterfütterung durch metallgefüllte Gießharze.

Mit dem Verfahren des "Fused Deposition Modeling" der Firma Stratasys konnten die Prototyp-Werkzeughälften in einem Feingießwachs hergestellt werden. Die Wachsmodelle dienten dann zur Herstellung der Keramikschalen, in welche das flüssige Metall gegossen wird. Abbildung 23 zeigt das im Feingießverfahren hergestellte Produktionswerkzeug in A2-Stahl und die zugehörigen Spritzlinge. Mit der Herstelldauer von fünf Wochen durch die hier angewendete Methode lassen sich 50 Prozent Zeit- und Kostenreduzierung erreichen.

Qualitätsbetrachtungen

Sind spritzgegossene Prototypteile mit Serienteilen vergleichbar? Die Qualität der hergestellten Bauteile hängt von den Verarbeitungsparametern wie Einspritz- und Nachdruck, Kühlung etc. ab. Daher wird bei den meisten Anwendungsfällen das Eigenschaftsprofil eines Spritzgießteils, welches aus einem RP-Werkzeug und insbesonders aus einem polymeren RP-Werkzeug hergestellt wurde, nicht vollständig mit dem aus dem späteren Serienwerkzeug übereinstimmen, obwohl Prototyp und Serienteil aus dem identischen Werkstoff bestehen.

Die unterschiedlichen Verarbeitungsparameter beeinflussen auch die Maßgenauigkeit. Dazu kommen bei allen Abformverfahren die Toleranzen des vorgeschalteten RP-Prozesses. Für vakuumgegossenene Prototypteile ist die Qualität in erster Linie eine Frage der Materialeigenschaften. Mittlerweile bieten mehrere Hersteller speziell für das Vakuumgießen entwickelte Materialien an. Das Spektrum reicht von gummiweichen bis zu harten Sorten, wobei es sich fast ausschließlich um Polyurethanharze (PU-Harze) handelt. Für die meisten Einsatzzwecke läßt sich ein PU-Werkstoff finden, dessen Eigenschaftsprofil dem des in der späteren Serie eingesetzten unverstärkten Thermoplasten entspricht. Hohe Steifigkeit und hohe Wärmeformbeständigkeit, wie sie glasfaserverstärktes Polyamid aufweist, lassen sich mit unverstärkten PU-Gießharzen nicht erreichen. Abbildungs- und Maßgenauigkeit des Vakuumgießens sind hervorragend.

Für das 2K-ND-Dosieren verwendet man PU-Harze mit vergleichbaren Eigenschaften wie beim Vakuumgießen. Die Auswahl ist jedoch etwas geringer. Verfahrensbedingt sind mit 2K-ND-Dosieranlagen hergestellte Bauteile gegenüber vakuumgegossenen Teilen maßlich soweit schlechter, wie das Werkzeug dem Forminnendruck nachgibt. Mit genügender Erfahrung bei der Herstellung der Werkzeuge erreicht man vergleichbare Toleranzen.

Zukunft der Produktentwicklung – Rapid Tooling, Schlußbetrachtung

Die Möglichkeiten, geometrische, funktionelle oder technische Prototypen eines neu zu entwickelnden Produktes mittels generativer Fertigungsverfahren und verschiedener Folgeschrittechniken zu erhalten, sind vielfältig. Abhängig von den Anforderungen an Genauigkeit, Materialeigenschaften, Losgröße, Oberflächenqualität und von Komplexität muß für jedes gewünschte Prototypteil oder Werkzeug die am besten geeignete Prozeßkette ausgewählt werden. Die Durchgängigkeit dieser Prozeßketten, ausgehend vom CAD-Entwurf über die generativen Fertigungsverfahren sowie den Werkzeug- und Produktionstechnologien, ist erfolgsentscheidend und trägt, wie diese Beispiele zeigen, entscheidend dazu bei, Entwicklungszeiten zu verkürzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Die vorgestellten Arbeiten entstanden aus mehreren nationalen und europäischen Projekten sowie Verbundvorhaben mit Industriepartnern. So beschäftigt sich ein Verbundprojekt innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft mit der Verknüpfung und Erstellung von geschlossenen Verfahrensketten. Insgesamt sieben Institute sind beteiligt an der Umsetzung realer Modelle in Computerdaten, Datenaufbereitung in NC-Programme und der Verfahrensentwicklung des Rapid Metal Prototyping.

Entscheidend für die erfolgreiche Durchführung dieser neuen Methoden ist die enge Kooperation interdisziplinär arbeitender Expertenteams aus den jeweiligen Spezialgebieten. Auf die Frage, wie die Entwicklung und Erprobung innovativer Produkte durch Rapid Prototyping in der Praxis künftig aussehen kann, erarbeiten 12 Institute der Universität Stuttgart gemeinsam mit der Universität Dresden und der Daimler Benz AG im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 374 sowohl neue Organisationsstrukturen als auch technologieorientierte Lösungswege am Beispiel eines elektrisch verstellbaren Fahrzeugsitzes. Die hieraus erarbeiteten Ergebnisse sollen künftig verstärkt innovativen Unternehmen bereitgestellt werden und so durch einen breiteren Einsatz einen Beitrag leisten, Ideen in neue Produkte schneller, effizienter und vor allem kundennäher umzusetzen.


Literatur

/1/ Spektrum der Wissenschaft 4/1995, S. 90–100.

/2/ Eyerer, P.; Elsner, P.; Wiedemann, B.; Baumann, F.; Keller, B.: Rapid Prototyping – Neue Verfahren zum schnellen Herstellen von Prototypen. Kunststoffe 83 (1993) 12, S. 949–955.

/3/ Baumann, F.; Keller, B.; Lück, Th., Wiedemann, B.: Prozeßrelevante Werkstoffe und Werkstoffentwicklungen für das Rapid Prototyping. Tagungsumdruck Rapid Prototyping zur VDI-Fachtagung, Düsseldorf, März 1994.

/4/ Keller, B.; Shen, J.: Rapid Prototyping – Lasersinter-Technologie: Metalle und Kunststoffe. In: 14. Stuttgarter Kunststoffkolloquium. Hütig: Heidelberg 1995.

/5/ Stierlen, P.: Lasersintern von thermoplastischen Werkstoffen zur direkten Herstellung funktionaler Prototypen, Diplomarbeit, IKP, Universität Stuttgart, 1996.

/6/ Lück, Th.; Baumann, F.; Baraldi, U.: Comparison of Downstream Techniques for Functional and Technical Prototypes – Fast Tooling with RP. In: 4th European Conference on Rapid Prototyping & Manufacturing. University of Nottingham, 13th–15 th June 1995. Nottingham, 1995.

/7/ Th. Lucke: Rapid Prototyping – Einsatz der Stereolithographietechnik zur Herstellung von Spritzgießwerkzeugen für Prototypteile, Diplomarbeit, Mercedes-Benz AG, Sindelfingen, IKP, Universität Stuttgart, 1995.

/8/ H. Enzmann: Rapid Tooling – Herstellung von Spritzgußformen mittels Stereolithographieverfahren, Diplomarbeit, Mercedes-Benz AG, Sindelfingen; Hochschule für Technik und Wirtschaft, Dresden (FH); IKP, Universität Stuttgart, 1996.

/9/ K. Träger, HEK GmbH, Juni 1996.

/10/ Produktinformation Fa. Keltool, Inc., St. Paul (MN), USA, 1996.

/11/ N. Moos: Case Study: Injection Mould Tool manufactured by precision casting, Arhus (DK), 1996.

/12/ D. Völkle, P. Eyerer, P. Elsner, F. Baumann: Lasersintern metallischer Prototypen, Tagungsband 6 Werkstoffwoche ‘96, Oberursel, 1996.


Der Autor

Prof. Dr.-Ing. Peter Eyerer, geboren am 25. Mai 1941 in München, promovierte 1971 nach dem Maschinenbaustudium an der Universität Stuttgart am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde. Anschließend übernahm er Positionen in der Industrie auf den Gebieten Fertigung von Kunststoffrohren, Entwicklung von Flachdichtungen und Reibbelägen. 1978 erhielt er einen Ruf an die Universität Stuttgart, den er 1979 als Lehrstuhlinhaber für Werkstoffkunde der Metalle und Kunststoffe und Direktor des Instituts für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde annahm. 1985 ließ sich Peter Eyerer für drei Jahre beurlauben, um erneut eine führende Industriestellung befristet anzunehmen. Seit Februar 1994 ist er außerdem Leiter des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie in Pfinztal, Karlsruhe. Seine Arbeitsgebiete sind: Polymer und Produkt Engineering, Verbundwerkstoffe, Life Cycle Engineering (LCE) und Ganzheitliche Bilanzierungen von Industrieprojekten, Kreislaufwirtschaft und Sustainability, Umwelttechniken.

 


last change: 09.06.98 / gh
Pressestelle der Universität Stuttgart