kbj.gif (904 Byte) Wechselwirkungen
Jahrbuch 1996
Universität Stuttgart
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Siegfried F. Franke:
Der Euro - Politische Willkür oder europäisch-wirtschaftspolitische Notwendigkeit?*
 

I. Das Plädoyer für eine Währungsunion: Wohlstand und Fortentwicklung der politischen Einheit

II. Kritische Gegenstimmen

III. Ein Fazit: Beharrliche Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken statt überhasteter Einführung des Euro

Literatur

Der Autor

 

Wer am Ende seines Berufslebens steht, macht sich natürlich Gedanken um die Sicherung seines Alters. Die Alterssicherung aber, das verkünden die Politiker seit geraumer Zeit mehr oder weniger deutlich, müsse künftig auch aus eigenen Ersparnissen finanziert werden. Insofern ist es verständlich, daß man sich fragt, was denn mit den angelegten Geldern wird, wenn der Euro kommt. Und ich habe festgestellt, daß dies nicht nur eine Frage ist, die die älteren Menschen bewegt, sondern - wir sind im Schwabenland, wo man frühzeitig anfängt zu sparen, um spätestens mit vierzig sein Haus zu haben - auch Jüngere fragen mit bangem Unterton: »Was wird, wenn der Euro kommt?« In dieser Hinsicht hegen sogar Fachleute ihre Zweifel - Theoretiker der Nationalökonomie ebenso wie Praktiker des Kapitalmarktgeschäftes. So hatte ich kürzlich den Staranalysten einer Investmentgesellschaft zu Gast. Seine Antwort zum Euro lautete recht sybillinisch: "Politische Leitlinie unseres Hauses ist: »Wir sind ohne Wenn und Aber dafür.« Aber eigentlich wissen wir alle nicht, was da auf uns zu kommt."

Was wirklich auf die Bürger der Union zukommt, vermag ehrlicherweise niemand zu sagen. Es gilt daher, die Pro- und Kontraargumente sorgfältig einander gegenüberzustellen, um in der Gewichtung der einzelnen Gründe zu einer Aussage zu kommen, ob das Risiko einer gemeinsamen europäischen Währung eingegangen werden sollte oder nicht. Ich werde daher im folgenden die wesentlichen Gründe für die Errichtung einer Währungsunion vortragen, denen ich einige Kritikpunkte gegenüberstelle. Die Schlußfolgerung, die ich nach der Würdigung der einzelnen Punkte ziehe, muß freilich nicht von jedem geteilt werden.

 

I. Das Plädoyer für eine Währungsunion: Wohlstand und Fortentwicklung der politischen Einheit

Ohne Zweifel kann eine Einheitswährung für ein Gebiet wie die Europäische Union, die als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft schon seit 1958 - also seit fast vierzig Jahren - existiert1, von großem Vorteil sein. Die Gemeinschaft hat enorme wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht, die sich in der fortschreitenden Verzahnung der Mitgliedsländer und dem daraus resultierenden immer umfangreicher werdenden Gemeinschaftsrecht zeigen. Nicht zuletzt ist zu erwähnen, daß der dadurch erreichte Wohlstand in (West-) Europa erheblich zur Entwicklung und Stabilisierung des Friedens beigetragen hat.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat sich von Anfang an nicht mit bloßem Freihandel und der Errichtung einer Zollunion begnügt, sie hat vielmehr stets die politische Einigung betont: Dazu gehört die Verwirklichung eines »Gemeinsamen Marktes« mit der vollständigen Freizügigkeit nicht nur für Güter, sondern auch für Dienstleistungen, Kapital und vor allem für Personen. Konsequenterweise hat sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) über die Europäische Gemeinschaft (EG) zur Europäischen Union (EU) fortentwickelt. Eine unionsweite Währung wäre nicht nur von wirtschaftlichem Vorteil, sondern sie könnte zugleich den politischen Zusammenhalt in Europa fördern und die politische Einheit voranbringen.

1. Kostensenkungen, Planungssicherheit und Preistransparenz

Der seit 1991 verwirklichte Binnenmarkt in der EG entfaltet seine vollen Vorteile erst, wenn sich möglichst viele Länder zu einer Währungsunion zusammenschließen. Ökonomisch gesehen senkt eine Einheitswährung die Transaktionskosten.

Ein Beispiel zum Begriff der Transaktionskosten:

Wenn jemand für seine Ehegattin oder für den Lebens(abschnitts)partner einen Blumenstrauß erwerben möchte, der, sagen wir, DM 30 kosten soll, so kommen für gewöhnlich zusätzliche Kosten hinzu: Man muß beispielsweise mit dem Auto zum Blumengeschäft fahren. Hinzuzurechnen sind mithin anteilige Betriebskosten für den Pkw, aufteilbar in fixe und variable Kosten. Möglicherweise ist kein öffentlich ausgewiesener Parkplatz zu finden. Der in der Eile gewählte Stellplatz mag zwar niemanden behindern, dennoch ist es denkbar - und in Stuttgart auch sehr wahrscheinlich -, daß man schon nach zehn Minuten eine Aufforderung zur Entrichtung »erhöhter Parkgebühren« am Fahrzeug vorfindet. Bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, daß der für DM 30 erworbene Blumenstrauß weitere DM 60 oder gar DM 80 verursacht hat. Und genau diese zusätzlichen Kosten belegt der Ökonom mit dem Begriff der Transaktionskosten. Manchmal verkehrt die Höhe der Transaktionskosten eigentlich gewinn- oder nutzenbringende Geschäfte ins Negative, so daß sie unterlassen oder vielleicht im Verborgenen abgewickelt werden (Franke, 1988; Franke, 1989). Weil ihre Berücksichtigung Schwierigkeiten bereitet, findet man oft vereinfachte Modelle, in denen die Transaktionskosten mit Null angesetzt werden.

In der Realität freilich gibt es selten Geschäfte ohne Transaktionskosten. Das merkt jeder Auslandsurlauber: Schon die Reisebuchung ist mit Umtauschgebühren verbunden, weil der Hotelier im Zielland in der Währung seines Landes bezahlt werden muß. Dem einzelnen mag dies verborgen bleiben, weil das Reisebüro dafür zuständig ist. Offenkundig wird es jedoch beim selbst vorgenommen Kauf eines für den Urlaub vorgesehenen Betrages der jeweiligen Landeswährung (meistens mehr, als man vorher eingeplant hatte). Für den Umtausch von DM in Franc, Kronen, Lira, Peseten, Pfund usw. kassieren die Banken, die Post oder sonstige Wechselstuben Umtauschgebühren. Umtauschbedingte Transaktionskosten fallen ebenfalls bei Unternehmen an, wenn sie ihre Warenlieferungen in Fremdwährungen fakturieren müssen und den Rechnungsbetrag auch in Fremdwährungen erhalten. Da sie zudem nicht wissen, ob der Kurs am Tage des Erhalts beziehungsweise Umtausches noch ihrer Kalkulationsgrundlage entspricht, schließen viele parallel zum Warengeschäft sogenannte Wechselkurssicherungsgeschäfte ab. Im Binnenmarkt mit einer Einheitswährung würden solche Transaktionskosten entfallen. Mithin könnten die Kosten der Produkte sinken und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen steigen. Schließlich könnten Ressourcen, die bisher für Umtausch und Währungssicherung gebunden waren, wohlstandsmehrend eingesetzt werden.

Den Unternehmen käme zudem der Fortfall der Wechselkursschwankungen zugute: Sie könnten auf einer sicheren Grundlage planen und kalkulieren. Für die Verbraucher wäre die zu erwartende Preistransparenz von Vorteil: Von Finnland bis nach Sizilien und von Holland bis vielleicht demnächst nach Polen (zur Osterweiterung der Europäischen Union vgl. Franke, 1997) wären die Produkte in einer Währung ausgezeichnet, so daß für die Kunden sofort erkennbar ist, ob das Produkt teurer oder billiger ist als im heimischen Umfeld.

2. Unabhängige Geldpolitik gewährleistet Geldversorgung und Währungsstabilität

Eine ausreichende Geldmengenversorgung der Wirtschaft und die Sicherung der Geldwertstabilität gehören zu den zentralen Zielen der künftigen Europäischen Zentralbank (EZB). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß damit etliche der jetzt noch mehr oder weniger politisch abhängigen Zentralbanken ihren Einfluß verlieren. Was nun die viel gerühmte Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank betrifft2, so ist zu unterstreichen, daß sich die EZB nicht nur an der Unabhängigkeit der Bundesbank orientiert, sondern in organisatorischer und satzungsmäßiger Weise zum Teil darüber hinausgeht.

Zur organisatorischen Struktur ist folgendes zu sagen: Der EZB-Rat besteht aus den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und den Präsidenten der nationalen Zentralbanken. Das Direktorium selbst umfaßt sechs Mitglieder, und zwar den Präsidenten, einen Vizepräsidenten und vier Mitglieder. Sie sind für acht Jahre gewählt und brauchen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gegenüber kein Wohlverhalten zu zeigen oder eine etwa stillschweigend erwartete willfährige Politik zu betreiben, weil eine Wiederernennung nach der Amtszeit von acht Jahren ausgeschlossen ist (Art. 109 Abs. 2 EGV). Es wäre also sinnlos für sie, durch die Art ihrer Politik um eine Verlängerung zu buhlen. Nach Art. 107 EGV darf weder die EZB noch eine einzelne Zentralbank, noch ein Mitglied ihrer Beschlußorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Der EZB-Rat legt die Geldpolitik der Gemeinschaft fest, wozu geldpolitische Zwischenziele, Leitzinssätze und die Bereitstellung von Zentralbankgeld gehören (Art. 12 Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank).

Von den Voraussetzungen her ist die künftige Europäische Zentralbank also in der Lage, eine unabhängige Geldpolitik zu betreiben, während dies bei einer Vielzahl von einzelnen Zentralbanken, die in der Vergangenheit einem rechtlich oder faktisch begründeten politischen Einfluß unterlagen, nicht immer gegeben war. Die unterschiedliche Entwicklung der Inflationsraten in den europäischen Ländern belegt dies nachdrücklich.

Die Europäische Zentralbank kann demzufolge besser auf Spekulationswellen reagieren, als dies mehreren Zentralbanken möglich ist, die sich zuvor koordinieren müssen. Darüber hinaus ist anzunehmen, daß es zu manchen Spekulationswellen erst gar nicht kommt, weil man nicht mehr den Franc gegen die DM, die DM nicht mehr gegen das englische Pfund usw. ausspielen kann. Entfallen aber solche Spekulationen, dann werden zugleich turbulente Rückwirkungen auf die (reale) Wirtschaft vermieden.

Die Voraussetzungen ermöglichen es mithin der Europäischen Zentralbank, die Wirtschaft derjenigen Länder, die die Währungsunion bilden, mit ausreichendem Geld zu versorgen und gleichzeitig die Stabilität des Euro zu gewährleisten. Gelingt dies, so ist mit stabilen Zinsstrukturen und bei wachsender Wirtschaft - jedenfalls tendenziell - mit einem sinkenden Realzins zu rechnen. Der vor diesem Hintergrund zu erwartende Anstieg der Investitionen bildet die entscheidende Voraussetzung, um die hohe Arbeitslosigkeit in Europa (etwa 11 Prozent im Durchschnitt) zu bekämpfen. Die daraus resultieren-den wohlstandsfördernden Wirkungen sind um so höher, je weiter der Kreis der an der Währungsunion teilnehmenden Länder ist.

3. Verläßliche Partner als Voraussetzung des skizzierten Szenarios

Das skizzierte Szenario verheißt eine rundum ersprießliche Entwicklung. Diese ist freilich daran gebunden, daß nicht nur die Europäische Zentralbank in der beschriebenen Weise eine wohlstandsfördende und währungssichernde Geldpolitik betreiben kann, sondern daß zugleich die einzelnen Regierungen der Mitgliedsländer in ihrem Politikverhalten, dazu gehört ganz wesentlich ihre Steuer- und Abgabenpolitik und vor allem ihr Ausgabegebahren (Fiskalpolitik), so verfahren, daß keine störenden Effekte auf die Geldpolitik ausgehen. Mit anderen Worten: Bei aller Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, erfolgreich kann sie letztlich nur sein, wenn ihr die (Regierungs-) Politiken der einzelnen Mitgliedstaaten jenen Grad an Glaubwürdigkeit erlauben, der am internationalen Geld- und Kapitalmarkt nötig ist, um den Euro als stabile Währung zu etablieren.

Die vielzitierten Konvergenzkriterien sind in diesen Zusammenhang zu stellen. Die Verabredung von Maastricht, nur solche Länder in die Währungsunion aufzunehmen, die diese Kriterien erfüllen, basiert auf der Annahme, daß sie bewiesen haben, eine solide (Wirtschafts-)Politik treiben zu können, ohne ihre Zentralbank in Bedrängnis zu bringen und daß sie diese Politik auch in einer Währungsunion beibehalten werden. Auf diese Weise soll den Märkten vermittelt werden, daß von den Ländern der Währungsunion eine insgesamt glaubwürdige, wachstums- und stabilitätsfördernde Geld- und Fiskalpolitik zu erwarten ist.

4. Die Meßlatte: Fünf zu erfüllende Konvergenzkriterien

Unter den Konvergenzkriterien versteht man jene Kriterien, die ein Land erfüllen muß, um Mitglied der Währungsunion zu werden. Wie begründet, soll ihre Einhaltung die Gewähr für eine verläßliche Wirtschaftspolitik signalisieren. Sie umgreifen die Preisniveaustabilität, die Staatsverschuldung, den Wechselkurs und die Zinsentwicklung. Referenzzeitraum der Prüfung ist das Jahr 1997 beziehungsweise die Jahre 1996/1997 und die endgültige Entscheidung über die Teilnehmerländer wird im Jahre 1998 fallen.

  • Hohe Preisniveaustabilität
    Im letzten Jahr vor der Entscheidung, also im Jahr 1997, darf die Preisniveausteigerungsrate des jeweiligen Landes, das der Währungsunion angehören möchte, nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über der durchschnittlichen Steigerungsrate der drei stabilsten Länder liegen.
  • Geringe Nettoneuverschuldung
    Die Nettoneuverschuldung stellt die Differenz zwischen der neu aufgenommenen Staatsschuld und der Tilgung für die bisher aufgelaufene Verschuldung dar. Sie darf im Jahre 1997 drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht überschreiten3.
  • Überschaubare Gesamtverschuldung
    Die jährlichen Nettoneuverschuldungen eines Landes summieren sich, selbst wenn sie periodisch gesehen gering sind, zu einer mitunter beachtlichen Gesamtverschuldung. Daher sind als Obergrenze für die Gesamtverschuldung 60 Prozent des BIP vorgesehen.
  • Langfristige Entwicklung der Zinsen
    Die langfristigen Zinsen dürfen im Jahre 1996 und 1997 nicht mehr als zwei Prozentpunkte über dem Durchschnitt jener drei Länder gelegen haben, die bei der Preisniveaustabilität das beste Ergebnis erzielt haben. Als Bezugsbasis dienen nach Art. 109 j Abs. 1 EGV und Art. 4 des Protokolls über die Konvergenzkriterien die Zinssätze der langfristigen Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere.
  • Spannungsfreie Wechselkurse
    Das fünfte Kriterium schließlich bezieht sich auf den Wechselkurs eines Landes. Er muß spannungsfrei im EWS-Band gelegen haben. Nach der Neuordnung vom August 1993 dürfen die einzelnen Währungen der im Europäischen Währungssystem zusammengeschlossenen Währungen um 15 Prozent nach oben und unten von der wechselseitig fixierten Relation abweichen. »Spannungsfrei« heißt, daß ein Land in den letzten beiden Jahren vor der Entscheidung, also 1996 und 1997, seine Währung nicht abgewertet haben darf.

5. Zur Begründung der Konvergenzkriterien

Hohe Preissteigerungsraten haben einerseits zur Folge, daß die Wirtschaftssubjekte nach Anlagemöglichkeiten suchen, die sie vor Wertverlusten möglichst schützen, während andererseits die Neigung, den Gegenwartskonsum zu Lasten zukunftssichernder Investitionen auszudehnen, zunimmt. Auf längere Sicht führt dies zur sogenannten Stagflation, der gefürchteten Kombination von wirtschaftlich unzureichenden Wachstumsraten bei gleichzeitiger Inflation. Der Versuch, aus diesem Teufelskreis herauszukommen, um die erforderliche Wettbewerbsfähigkeit wiederzugewinnen, führt - bevor die längerfristige Gesundung eintreten kann - kurzfristig zu höherer Arbeitslosigkeit. Nicht selten sind die dadurch hervorgerufenen Anpassungskosten sozial und politisch nicht zu verkraften, so daß durch fiskal- oder geldpolitische Mittel der begonnene Stabilisierungsversuch konterkariert wird. Länder mit allzu unterschiedlichen Inflationsraten lassen sich also schwer in einer Währungsunion unterbringen, weil die unabhängige Geldpolitik der EZB in Konflikt mit der nationalen Fiskalpolitik geraten kann, was nicht ohne Rückwirkungen auf die anderen Länder bleibt.
Hinsichtlich der Verschuldungskriterien mag man einwenden, daß die erlaubte Nettoneuverschuldung von drei Prozent und die Gesamtverschuldung von 60 Prozent (jeweils gemessen am BIP) sehr gering sind, wenn man dies mit der Verschuldung eines Haushaltes vergleicht, der ein Haus gebaut hat. Der Regelfall ist der, daß die Verschuldung das Jahreseinkommen des Haushaltes deutlich übersteigt. Zu bedenken ist aber, daß diese Verschuldung des Privathaushaltes der Vermögensbildung dient, während der Staat zunehmend zum Mittel der Verschuldung greift, um laufende Ausgaben, also Konsumausgaben, aus denen später keine Früchte zu erwarten sind, zu finanzieren. Bedenkt man die hohe Zins- und Tilgungslast, so wird erkennbar, daß schon eine Verschuldung von 60 Prozent wesentliche Mittel bindet, die die Möglichkeiten einer zukunftsgerichteten Politik beschneidet. Die Bildungspolitik in Bund und Ländern legt dafür ein beredtes Zeugnis ab. Hinzu kommt, daß eine hohe Staatsschuld zum Anstieg des Zinsniveaus führen kann mit der Folge, daß die kreditfinanzierte Investitionsnachfrage des Privatsektors zurückgeht.

Das Kriterium der Entwicklung der langfristigen Zinssätze knüpft unmittelbar an die Staatsverschuldung und die daraus resultierende Zinshöhe an. Wenn nämlich die langfristigen (Nominal-)Zinssätze höher liegen als die mit Realinvestitionen zu erzielenden Renditen, fällt das Wachstum tendenziell zurück, während der Druck auf die Regierung wächst, Subventionen und Trans-fers zu Lasten eines weiter steigenden Haushaltsdefizits zu finanzieren. Länder, die sich in einer solchen Lage befinden, geraten daher in Konflikt mit der unabhängig und zentral zu steuernden Geldpolitik.

Die Vorschriften zum Wechselkurs wollen verhindern, daß sich ein Land den Anforderungen an eine Politik zur Stärkung seiner Wettbewerbsfähigkeit durch eine vorgenommene Abwertung entzieht. Das Kriterium knüpft am Europäischen Währungssystem an, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Währungen der beteiligten Länder nur innerhalb enger Bandbreiten voneinander abweichen dürfen. Bis zum Jahre 1993 betrug der erlaubte Grad der Abweichung 2,25 Prozent nach oben beziehungsweise unten von der vereinbarten Fixierung. Kam es zu Abweichungen, so mußten die Zentralbanken intervenieren. Beliebt ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß »Spekulanten« hier ihr Unwesen trieben. Tatsächlich aber wird der Anreiz zur »Spekulation« durch die Wirtschaftspolitik einzelner Länder erzeugt, die es auf Dauer unmöglich macht, den Kurs, der sich bei freiem Spiel der Kräfte einstellen würde, durch reine Zentralbankinterventionen aufrechtzuerhalten. Turbulenzen und Spekulationen kann man in diesem System nur vermeiden, wenn notwendige Wechselkursanpassungen rechtzeitig und in kleinen Schritten vorgenommen werden (Ohr, 1995, 59). Eine vorzunehmende Abwertung impliziert für die davon betroffenen Regierungen zugleich ein negatives Urteil über ihre Wirtschaftspolitik. Von daher ist es verständlich, daß pures Prestigedenken notwendige Anpassungen (sogenannte realignments [of exchange rates]) regelmäßig verzögert hat (Bonus, 1995, 20). Aus diesem Grunde kam es 1992 und 1993 zu großen Turbulenzen. Als Konsequenz daraus schieden Großbritannien und Italien aus dem EWS aus und die Bandbreiten wurden von 2,25 Prozent auf 15 Prozent in jede Richtung erhöht4. Diese Bandbreiten haben bislang ausgereicht, um weitere Krisen zu vermeiden. Italien hat in der Zwischenzeit spürbare Fortschritte gemacht und ist seit dem November 1996 wieder EWS-Mitglied geworden. Da die Ausweitung des Bandes als temporärer Schluß gedacht war, wird darüber entschieden werden müssen, ob die ursprünglich engere Bindung, was der Intention des Maastricht-Vertrages entspräche, oder die weitere Bandbreite als Grundlage der Prüfung dienen soll (Aspetsberger u.a., 1996, 410).

6. Harte oder weiche Interpretation der Konvergenzkriterien?

Bis auf Luxemburg erfüllt zur Zeit kein Land jedes der vorgetragenen Kriterien. Namentlich in der deutschen Öffentlichkeit sind diese Kriterien immer als strikte Ausschlußkriterien dargestellt und interpretiert worden, das heißt, nur wenn diese Kriterien ohne Wenn und Aber eingehalten werden, könne ein Land der Währungsunion beitreten. Was Deutschland anlangt, so bereiten weder die Entwicklung der Preisniveaustabilität noch die Zinsentwicklung Sorgen, und auch das Kriterium »spannungsfreier Wechselkurse« ist erfüllt. Angesichts der hohen und vielleicht noch weiter steigenden Arbeitslosigkeit erweisen sich jedoch die für 1997 zu erwartende Nettoneuverschuldung und die Gesamtverschuldung als echte Hürden, und die »Kriterienrhetorik« (Bundesfinanzminister Waigel: »3,0 ist 3,0«) entpuppt sich inzwischen als verhängnisvoll. Zwar erlaubt der EG-Vertrag aus guten Gründen eine »weiche« oder angemessene Interpretation, auf sie zurückzugreifen dürfte jedoch ein echtes Glaubwürdigkeitsproblem in Deutschland hervorrufen, weil Regierung, Opposition, Bundesbank und auch das Bundesverfassungsgericht stets eine genaue Einhaltung der Konvergenzkriterien gefordert haben.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß weder Verfassungen noch (einfach) gesetzliche Normen oder (völkerrechtliche) Verträge so präzise gefaßt werden können, wie das bei mathematischen Formeln der Fall ist. Wirtschaft und Politik sind Prozesse, die nur in Grenzen überschaubar und steuerbar sind. Während der Formulierung der Normen nicht bedachte oder nicht vorhersehbare Umstände und Entwicklungen führen zu neuen Sachverhalten. Deshalb kommt die Gesetzes- und Vertragsformulierung nicht umhin, sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe zu gebrauchen, während die Rechtsanwendung das Verhältnismäßigkeitsprinzip strapaziert.

Angenommen sei ein Land, das seine Nettoneuverschuldung beachtlich einschränkt, seine Gesamtverschuldung innerhalb weniger Jahre von weit über 100 Prozent, gemessen am BIP, auf deutlich unter 100 Prozent gedrückt hat und das dabei sowohl zukunftsweisende Industrien hat ansiedeln und die Arbeitslosigkeit hat abbauen können. Das Stabilitätskriterium sei voll erfüllt und die Erfüllung der Kriterien der langfristigen Zinsentwicklung und des spannungsfreien Wechselkurses sei hinreichend. Die Gesamtverschuldung sei zwar immer noch klar über der geforderten 60 Prozent-Marke, aber die eingeleitete Entwicklung ist beachtlich und erfolgversprechend. Daher wäre es kaum zu begründen, ein solches Land von der Währungsunion fernzuhalten, während andere Länder - wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland - auf dem Wege sind, die früher klar erfüllten Kriterien deutlich zu überschreiten, ohne daß eine Trendwende erkennbar würde.

Konsequenterweise sieht Art. 104 c Abs. 2 Buchst. b EGV vor, daß die haushaltsbezogenen Konvergenzkriterien nicht als strikte Meßlatten, sondern als Beurteilungsrahmen gedacht sind, vor deren Hintergrund die Gesamtpräsentation des jeweiligen Landes im Stichjahr beurteilt werden soll. Man soll sich in der Beurteilung der Frage, ob ein Land Mitglied der Währungsunion werden kann oder nicht, unter Berücksichtigung der speziellen Situation des betreffenden Landes auf sie beziehen (Referenzkriterien), man soll sie aber nicht im Sinne strikter Ausschlußkriterien betrachten. Sind ferner die nach Art. 109 j Abs. 1 EGV zu berücksichtigenden Merkmale (unter anderem Integration der Märkte, Stand und Entwicklung der Leistungsbilanz, Entwicklung der Lohnstückkosten) zufriedenstellend zu beurteilen, so ist sicher, daß sowohl die Kommission als auch das Europäische Währungsinstitut (EWI) zu positiven Gesamtbeurteilungen kommen, daß sich das Europäische Parlament zustimmend äußern wird und daß schließlich der Rat mit qualifizierter Mehrheit die Aufnahme dieses Landes in die Währungsunion beschließen wird (vgl. Art. 104 c Abs. 3, Art. 109 j Abs. 3 und 4 EGV).

Das skizzierte Beispiel und der Weg zur Entscheidung über die Aufnahme in die Währungsunion lassen sich auf eine Reihe von möglichen Beitrittskandidaten anwenden (darunter Belgien, die Niederlande und Irland, aber eventuell auch Italien und die iberischen Staaten). Das Beispiel illustriert mit anderen Worten, daß in den Verträgen selbst die Konvergenzkriterien nur als Meßlatten vorgesehen sind, die es erlauben, ein Land auch dann aufzunehmen, wenn die eine oder andere Latte verfehlt wird, sofern die Abweichungen begründet sind und ein vertretbares Maß nicht überschreiten, und wenn ernsthafte Anstrengungen erkennbar sind, die gesetzten Kriterien bald zu erreichen. So hat selbst Bundesfinanzminister Waigel inzwischen in Brüssel zu erkennen gegeben, daß die vereinigungsbedingte Sondersituation Deutschlands sowie die Hilfen, die den mittel- und osteuropäischen Ländern im Rahmen ihres Transformationsprozesses gewährt werden, berücksichtigt werden müßten.

Im inflationsempfindlichen Deutschland haben sich die Konvergenzkriterien im Laufe der Diskussion fast verselbständigt: Man hält daran fest, daß ein Land nur dann Mitglied der Währungsunion werden kann, wenn die Kriterien - wie man neudeutsch zu sagen pflegt - »punktgenau« erfüllt werden. Diesen Anspruch und die daraus resultierende Erwartung der Bevölkerung haben - wie schon erwähnt - die Politiker und die Bundesbank durch ihre Äußerungen selbst erzeugt5, aber auch das Bundesverfassungsgericht hat dazu beigetragen. Angesichts der prekärer werdenden Lage versucht man, Auswege zu finden, wie man mit einer nach dem Vertrag erlaubten Interpretation das eine oder andere Land, zum Beispiel Belgien, von Anfang an in die Währungsunion aufnehmen kann. In der Tat wäre es für die Weltöffentlichkeit schon reichlich merkwürdig, wenn ausgerechnet ein Gründungsmitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ein Land zudem, in dem die zentralen Institutionen der Willens- und Entscheidungsbildung der Europäischen Union angesiedelt und in dem Botschaften der anderen Länder bei der EU eingerichtet sind, noch längere Zeit mit dem belgischen Franc rechnen müßte, während der Euro bereits eingeführt ist.

 

II. Kritische Gegenstimmen

Dem Plädoyer für die Währungsunion sind einige kritische Bemerkungen entgegenzustellen. Kritik ist das Wesenselement freier, offener und demokratischer Gesellschaften, und sie ist elementar für Lehre und Forschung an einer Universität. Universitäten sind nicht dazu da, um vorgegebene Meinungen und politisches Wollen unkritisch zu stützen. Der Abteilung entsprechend, die ich leite, nämlich Wirtschaftspolitik und Öffentliches Recht, sind die vorgetragenen Argumente nach ökonomischen als auch nach verfassungsrechtlichen Bedenken unterteilt.

1. Demokratisch begründete Einwände

a) Zu große Hast und zu wenig Transparenz und Experteneinfluß bei den Vertragsverhandlungen zur Europäischen Union

Am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Einheit vollzogen. Das ist jetzt etwas mehr als sechs Jahre her. Bereits am 7. Februar 1992, also nur ein Jahr und vier Monate nach der Einheit, hat man den sogenannten Maastricht-Vertrag zur Gründung einer Europäischen Union mit dem wesentlichen Kernstück einer beabsichtigten Währungsunion unterzeichnet6. Das ist - berücksichtigt man die schwierige Materie und die divergierenden Interessen - eine erstaunlich kurze Verhandlungsdauer. Nur zum Vergleich: Wie lange ist in der Bundesrepublik Deutschland palavert worden, bevor die Ladenöffnungszeiten bescheiden ausgedehnt werden konnten! Zweifel, ob die ökonomischen und politischen Argumente hinreichend gewürdigt werden konnten, können durchaus aufkommen, zumal bei den Beratungen auf ökonomischen Sachverstand durchweg verzichtet worden ist (Straubhaar, 1993, 112).

Der Vertrag zur Gründung einer Europäischen Union konnte allerdings erst vor drei Jahren, nämlich im November 1993, in Kraft treten. Erst nachdem den Briten wie auch den Dänen - nach ihrer ersten ablehnenden Volksabstimmung - weitreichende Zugeständnisse gemacht wurden7, stimmte das britische Parlament endlich zu und die zweite Volksabstimmung in Dänemark erbrachte das erwünschte positive Ergebnis. In Deutschland verzögerten Verfassungsklagen, die mit dem Urteil vom 12. Oktober 1993 abschlägig beschieden wurden (BVerfGE, 89 [155]), die Ratifizierung.

b) Verfassungsrechtliche Einwände

Die Klagen vor dem Verfassungsgericht konzentrierten sich im wesentlichen auf drei Bereiche (zum Folgenden BVerfGE, 89, 165 ff.).

  • Zum einen wurde die Verletzung zahlreicher Grundrechte aufgrund des Vertrages zur Gründung einer Europäischen Union und des in Bundestag und Bundesrat dazu ergangenen Zustimmungsgesetzes beklagt.
  • Das zweite Argument wies auf das Demokratiedefizit in der Europäischen Gemeinschaft hin. Weder sei dem einzelnen Bürger ein hinreichendes Recht auf Teilhabe an der Ausübung der Staatsgewalt gewährt noch werde dem Prinzip der Gewaltenteilung Genüge getan. Auf der Gemeinschaftsebene nämlich sei der eigentliche Gesetzgeber der Rat, also die Regierungen, während dem Europäischen Parlament im wesentlichen nur beratende Funktionen zukommen.
  • Der dritte Klagebereich stellte schließlich auf die vermutete Verletzung des bundesstaatlichen Prinzips nach Art. 20 Abs. 1 GG ab. Die Art der Gesetzgebung hebele faktisch die verfassungsrechtlich garantierte Mitwirkung der Länder aus (vgl. auch Ehring, 1992).

Das erste Bündel von Einwänden wurde vom Bundesverfassungsgericht als unzulässig verworfen, weil eine unmittelbare und gegenwär-tige Verletzung der Beschwerdeführer nicht zu erkennen sei (BVerfGE, 89, 171).

Hingegen nahm das Gericht das Argument des Demokratiedefizits und die mögliche Verletzung des bundesstaatlichen Prinzips ernst und setzte sich damit auseinander. Es kam jedoch nach seiner Analyse zum Ergebnis, daß das Demokratiegebot des Grundgesetzes durch den Unionsvertrag nicht nachteilig tangiert sei. Zur Begründung führt es an, daß das Grundgesetz mit den Artikeln 23 und 24 Abs. 1 GG die Europabezogenheit in klarer und verfassungsgebundener Weise artikuliere (BVerfGE, 89, 179; vgl. auch Kirchhof, 1995, 37). Art. 23 GG garantiere zugleich, daß die einzelnen Bundesländer an der europapolitischen Willens- und Entscheidungsbildung mitwirken dürften. Zugleich stelle er insbesondere in Abs. 1 Satz 3 sicher, daß die Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten an die Union an die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG gebunden sei8. Ferner führt das Gericht an, daß mit dem in den EG-Vertrag aufgenommenen Subsidiaritätsprinzip (Art. 3 b EGV) ein weiterer Schutz gegen die Aushöhlung der Länderkompetenzen gegeben sei (BVerfGE, 89, 200 f., 212). Außerdem sei ein neuer Absatz 1 a in Art. 24 GG aufgenommen worden, der sicherstellen solle, daß die Bundesstaatlichkeit in Deutschland nicht im Zuge der weiter voranschreitenden europäischen Integration untergehe.

Was den Vorwurf des Demokratiedefizits in der Europäischen Union anlangt, so ist offenkundig, daß sich das Bundesverfassungsgericht gewunden hat. Nach seiner Auffassung dürfen die bekannten, historisch gewachsenen Formen der Demokratie nicht der alleinige Maßstab für das komplizierte, anspruchsvolle und friedenssichernde Vorhaben der europäischen Einigung sein. Man könne sich andere Arten der Demokratie denken, die über das bekannte parlamentarisch-repräsentative System hinausgingen. Ein solcher Ansatz sei mit dem miteinander kooperierenden, sich auch wechselseitig kontrollierenden System von Kommission und Rat und - in Grenzen - dem Europäischen Parlament gefunden. Der Vertrag über die Gründung einer Europäischen Union enthalte daher keinen Verstoß gegen das Demokratieprinzip, solange ein hinreichend effektiver Gehalt an demokratischer Legitimation, ein bestimmtes Legitimationsniveau, erreicht werde (BVerfGE, 89, 182; 83, 72). Diese Legitimation sei über die nationalen Parlamente vermittelt, allerdings müsse mit dem Ausbau der Aufgaben und Befugnisse der Gemeinschaft eine Repräsentation der Staatsvölker durch ein europäisches Parlament hinzutreten (BVerfGE, 89, 184). Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht gefolgert, daß dem Deutschen Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müßten (BVerfGE, 89, 186 f.).

Hinsichtlich der Währungsunion ist zunächst festzuhalten, daß das Währungs-, Geld- und Münzwesen wegen seiner gesamtstaatlichen Bedeutung der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes (Art. 73 Nr. 4 GG) unterliegt. Um eine Übertragung der Kompetenzen auf die EZB zu ermöglichen, ist dem Art. 88 GG ein neuer Satz 2 angefügt worden: "Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet." Diese Änderung hat das Verfassungsgericht nicht beanstandet (BVerfGE, 89, 174).

Schließlich arbeitet das Verfassungsgericht heraus, daß sich die Bundesrepublik Deutschland mit der Ratifikation des Unionsvertrags keineswegs einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren »Automatismus« zu einer Währungsunion unterwerfe, weil sichergestellt sei, daß ohne deutsche Mitwirkung - und damit ohne maßgebliche Mitwirkung des Deutschen Bundestages - die Konvergenzkriterien nicht aufgeweicht werden könnten (BVerfGE, 89, 203 f.). Schließlich habe der Bundestag in seiner Entschließung vom Dezember 1992 nicht nur eine enge und strikte Einhaltung der Konvergenzkriterien gefordert, sondern auch dargelegt, daß die Beschlüsse des Rates nach Art. 109 j Abs. 3 und 4 EGV des zustimmenden Votums des Deutschen Bundestages bedürften. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, dieses Votum zu respektieren (BT-Drucksache 12/3906; Stenogr. Bericht 12/126, 10879 ff.). Eine weitgehend gleichlautende Entschließung faßte der Bundesrat am 18. Dezember 1992 (BR-Drucksache 810/92, 6 f.).

Vor diesem Hintergrund kommt das Verfassungsgericht zu dem Schluß, daß die bloße Befürchtung, die Stabilitätsbemühungen könnten fehlschlagen und dann finanzpolitische Zugeständnisse der Mitgliedstaaten zur Folge haben, zu wenig greifbar sei, um auf die rechtliche Unbestimmtheit des Vertrags zur Währungsunion zu schließen. Würde freilich ein Scheitern der Währungsunion offenbar, dann könnte die Bundesrepublik Deutschland auch aus diesem Teil des Maastrichter Vertrages aussteigen:

"Der Vertrag setzt langfristige Vorgaben, die das Stabilitätsziel zum Maßstab der Währungsunion machen, die durch institutionelle Vorkehrungen die Verwirklichung dieses Ziels sicherzustellen suchen und letztlich - als ultima ratio - beim Scheitern der Stabilitätsgemeinschaft (Hervorhebung vom Verf.) auch einer Lösung aus der Gemeinschaft nicht entgegenstehen"
(BVerfGE, 89, 204; vgl. auch 190).

Aus alledem folgert das Bundesverfassungsgericht, daß der Vertrag zur Gründung einer Europäischen Union, einschließlich der die Währungsunion betreffenden Teile, verfassungskonform sei. Nach diesem Votum unterzeichnete der Bundespräsident das bereits vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat verabschiedete Zustimmungsgesetz, und die Ratifikationsurkunde konnte bei der italienischen Regierung hinterlegt werden.

Wahrscheinlich hat das Verfassungsgericht aus rechtlichen und staatsräsonalen Gründen nicht anders entscheiden können. Dennoch ist hervorzuheben, daß es die verfassungspolitische Realität unterschätzt. Immerhin darf man fragen, ob es um die faktisch ablaufenden Entscheidungsprozesse nicht weiß (vgl. zum Folgenden Berg/Schmidt, 1993, 86 ff.). Der Rat als Teil der Regierungen ist das tatsächlich rechtsetzende Organ in Europa. Er tagt nicht öffentlich und die Protokolle seiner Sitzungen werden nicht publiziert. Die jeweils im Rat zusammentretenden Minister können sich mithin der Kontrolle der nationalen Parlamente weitgehend entziehen. Etwaiger Kritik kann man entgegnen, man sei überstimmt worden oder habe zustimmen müssen, um eine noch schlechtere Lösung zu verhindern oder um eine Krise zu vermeiden. Einstimmig zu fassende Beschlüsse enthalten zudem vielfach vage gehaltene Kompromißformeln, die der Kommission, die ohnehin über eine enorme und kaum kontrollierte Kompetenzfülle verfügt, weite Handlungsspielräume eröffnen.

Auch das Subsidiaritätsprinzip wird nicht die begrenzende Wirkung entfalten, wie das Gericht vielleicht meint (Möschel, 1993, 34 f.; Vaubel, 1993). Der Europäische Gerichtshof hat jedenfalls in seiner Entscheidung zur Arbeitszeitrichtlinie deutlich gemacht, daß es Begrenzungen für die Kompetenzen von Kommission (und Rat) nicht zu eng ziehen will (Starbatty, 1996).

Rein rechtlich ist natürlich der Ausstieg aus einer Währungsunion, die das Stabilitätsziel deutlich verfehlt, möglich. Indessen haben wir es nicht mit südamerikanischen Verhältnissen, das heißt mit Inflationsraten von zwei- oder gar dreistelligem Ausmaß, zu tun. Die wirkliche Gefahr geht von schleichenden Prozessen der Instabilität aus, die zu einem längerfristig verfehlten Faktoreinsatz und zu unbefriedigenden Politikergebnissen in vielen Bereichen führen. Eine wirkliche Chance zum Aussteigen sehe ich daher nicht. Dazu muß man sich auch die immensen Umstellungsvorbereitungen und -kosten vor Augen führen, die für den Staat, aber auch für alle Unternehmen im Lande mit dem Übergang von der DM zum Euro verbunden sind. Hinzu kommt die politische Wirkung eines möglichen Austritts aus der Währungsunion. Deshalb ist es schlechterdings nicht vorstellbar, daß Deutschland nach zwei, drei oder vielleicht fünf Jahren wieder aussteigt, etwa nach dem Motto: »Das Experiment war es wert, es ist leider nicht gelungen, kehren wir zur DM zurück.«

2. Ökonomische Bedenken

a) Zur Funktion von Wechselkursen

Die Notierungen der einzelnen Währungen resultieren aus ihrer je unterschiedlichen Wirtschaftskraft. Uneingeschränkt gilt diese Feststellung freilich nur, wenn die Währungen an den Devisenbörsen völlig unbeeinflußt von Eingriffen der Zentralbanken gehandelt würden (sogenanntes floating). Ebensowenig wie es völlig festgezurrte Wechselkursparitäten gibt (feste Wechselkurse), gibt es ein völlig freies Spiel von Angebot und Nachfrage nach einer Währung. Neben den verdeckten Eingriffen, um einen bestimmten Kurs zu stützen (sogenanntes schmutziges floating), sind die Verabredungen hervorzuheben, die darauf abstellen, daß sich der Kurs zweier oder mehrerer Währungen innerhalb einer gewissen Bandbreite bewegen soll. So gilt - wie oben erwähnt -, daß die festgelegten Relationen derjenigen Währungen, die im EWS miteinander verbunden sind, nicht mehr als 15 Prozent nach oben oder unten abweichen sollen. Überschreiten sie diese Markierungen, so sind die Zentralbanken zum Eingreifen verpflichtet. Hilft dies nicht, so ist ein sogenanntes realignment, also eine Neufestsetzung der Paritäten erforderlich, die sich an der Wirtschaftskraft der Staaten orientieren muß.

Bildlich gesprochen ähnelt die Funktion der Wechselkurse jener Aufgabe, die Schleusen in der Schiffahrt zukommt. Wird ein Fluß als Verkehrsweg benötigt und vielleicht als Kanal ausgebaut, der ein höher gelegenes Plateau durchquert, um dann viele Meter weiter unten seinen Weg fortzusetzen, so sind Schleusen nötig. Sie ermöglichen es, das Schiff allmählich abzusenken oder anzuheben, damit es gefahrlos seine Fahrt fortsetzen kann. Die Wechselkurse nehmen gewissermaßen eine Schleusenfunktion wahr, wenn die Kurse - wegen der unterschiedlichen hohen Wirtschaftskraft der betreffenden Länder - auseinanderliegen. Nun kann es natürlich - um weiter im Bild zu bleiben - sein, daß dem Schleusenwärter eine monopolähnliche Stellung zukommt und daß er zudem raffgierig veranlagt ist: Er verlangt unverschämt hohe Gebühren von den Kapitänen der Schiffe und Lastkähne. Und - Hand auf's Herz - wer hat sich nicht schon im Urlaub beim Umtausch von Währungen über die Umtauschgebühren geärgert? Dem Schleusenwärter, so er denn tatsächlich überhöhte Gebühren kassiert, könnte man durch Aufsicht, befristete Konzessionsvergabe oder mit anderen Instrumenten des Wettbewerbsrechts beikommen9. Offensichtlich untauglich wäre es hingegen, die Schleusentore abzureißen und deren Betrieb einzustellen. Dann wäre nämlich keine Schifffahrt mehr möglich und den herannahenden Schiffen, die von der Entfernung der Schleusentore noch nichts gehört haben, würde es recht schlecht ergehen.

b) Bedingungen und Probleme der Geldmengensteuerung

Die Aufgabe der Geldpolitik und insbesondere die der Geldmengensteuerung erschließt sich leichter, wenn man zuvor in Erinnerung ruft, wofür eigentlich »Geld« benötigt wird.

Wir erhalten für unsere Tätigkeit oder für den Verkauf unserer Produkte oder Dienstleistungen vereinfacht gesprochen schlicht nur Bargeld (in Form »bedruckter Zettel«) oder gar nur Buchgeld (in Form von »Ziffern« auf einem Konto). Die Entwicklung zum über »Geld« vermittelten Tausch war für die arbeitsteilige, moderne und anonyme Massengesellschaft mit industrieller Fertigung notwendig, weil ihr die Fesseln des Naturaltausches zu eng geworden waren. »Geld« dient also vorrangig dem leichteren Austausch von Produkten auf den verschiedenen Märkten (sogenannte Tauschmittelfunktion des Geldes). Die »bedruckten Zettel« oder »Ziffern« sind nichts anderes als Anweisungstitel, die der Empfänger wann und wo auch immer gegen beliebige Güter und Dienstleistungen eintauschen kann. Damit ist die zweite Aufgabe des Geldes angesprochen, nämlich die der Wertaufbewahrung. Empfangenes Geld, das nicht sofort ausgegeben wird, soll im Zeitablauf seinen Wert behalten. Es soll also garantiert sein, daß man sich später zumindest das dafür kaufen kann, was man unmittelbar beim Empfang hätte erwerben können (sogenannte Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes)10. Sowohl die Tauschmittelfunktion wie auch die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes erfordern eine sorgfältige Geldpolitik, die gleichermaßen der Versorgung der Wirtschaft mit Geld und der Erhaltung der Währungsstabilität gewidmet ist. In der Regel wird diese Aufgabe einer besonderen staatlichen Einrichtung, nämlich der (unabhängigen) Zentralbank, übertragen.

Der real erzeugten Menge an Gütern und Dienstleistungen, also Fernsehapparate, Toaster, Brote, Serviceleistungen usw., entspricht eine bestimmte Geldmenge. Diese Geldmenge muß ausreichend bemessen sein, um Tauschprozesse zum wechselseitigen Nutzen vornehmen zu können. Steigt die erzeugte Menge an Gütern und die abrufbare Menge an Dienstleistungen im Zeitablauf, dann muß - wenn das Preisniveau stabil gehalten werden soll - auch die Geldmenge in entsprechender Weise steigen11.

Die Geldmengensteuerung muß behutsam aufgrund der laufenden genauen Beobachtung und sorgfältigen Prognostik des wirtschaftlichen Geschehens erfolgen. Die Steuerung der (nationalen) Geldmenge erfolgt in der Regel über die einzelnen Zentralbanken. Sie verfügen über verschiedene Instrumente, um je nach der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung die erforderliche Geldmenge bereitzustellen. Das funktioniert - wenn man als Kriterium die Preisniveaustabilität nimmt - in den einzelnen Ländern, je nachdem, welchen Grad an Unabhängigkeit die einzelnen Zentralbanken haben, mehr oder weniger gut. Im großen und ganzen ist die Geldmengenpolitik der Deutschen Bundesbank als gelungen zu bezeichnen12.

Auswahl und Einsatz der Instrumente der Geldmengensteuerung setzen freilich Kenntnisse über das Ausgabe- und Sparverhalten der einzelnen Haushalte und über das Investitions- und Finanzierungsverhalten der Unternehmen voraus: Werden Aktien oder Aktienfonds gekauft oder beteiligt man sich in anderer Weise an Unternehmen? Erwirbt man Staatstitel (Bundesschatzbriefe, Kommunalobligationen), legt man sein Geld bei der Bank an, kurzfristig oder langfristig, oder ist man gar mit einem Sparbuch zufrieden? In welchem Umfange werden Immobilien erworben, und wie werden sie finanziert? Welche Finanzierungsformen wählen die Unternehmen? Hinzutreten muß eine hinreichende Kenntnis über die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, über Geldsurrogate und über die Neigung und Möglichkeit, bei restriktiver Geldpolitik, Kredite im Ausland aufnehmen zu können.

Erst wenn die jeweilige Zentralbank, also zum Beispiel die Deutsche Bundesbank, eine hinreichend gesicherte Kenntnis von der Vermögensstruktur hat und wenn sie über Umfang der Investitionen und die bevorzugten Finanzierungsinstrumente in etwa Bescheid weiß, kann sie die jeweils wirksamsten Instrumente der Geldmengensteuerung auswählen und zielgerichtet einsetzen.

Nun ist es kein Geheimnis, daß - um einige Länder zu berühren - die Belgier, die Briten, die Deutschen, die Dänen, die Holländer, die Italiener und die Spanier historisch gewachsene und unterscheidbare Spar- und Anlagegewohnheiten haben. Darüber hinaus unterscheiden sich auch das Investitionsverhalten und die bevorzugten Finanzierungsinstrumente recht beträchtlich. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Europäische Zentralbank einige Mühe haben wird, um eine gemeinsame Geldpolitik zu treiben, weil sie damit rechnen muß, daß das jeweils ausgewählte Instrument in den einzelnen Ländern recht verschieden wirkt.

Was in jedem Lande für sich genommen möglich ist, eine zielgerichtete Geldmengenpolitik, läßt sich in der Zusammenfassung einer europäischen Währungsunion erst erreichen, wenn sich die Gewohnheiten der einzelnen Wirtschaftssubjekte angeglichen haben. Das aber muß sich erst entwickeln, und ich denke, daß dafür noch eine längere Zeit ins Auge zu fassen ist. Insofern ist zu erwarten, daß es beträchtliche monetäre Steuerungsprobleme bei der Geldmengenversorgung der Wirtschaft geben wird (Ohr, 1996).

Ein weiteres Problem tritt hinzu. Bei aller Unabhängigkeit der Zentralbank: Ihre Geldpolitik kann durch die Fiskalpolitik der Regierung und durch die Einkommenspolitik der Tarifpartner konterkariert werden (Siebert, 1997, 7 f.). Ein gewisses Maß an Koordination zwischen diesen Gruppen ist daher unerläßlich. Darin lag im übrigen die Absicht, der von Karl Schiller eingeführten und im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz immer noch vorgesehenen »Konzertierten Aktion«. Es ist zu bezweifeln, daß diese Koordination, die schon in einem Land, so auch in der stabilitätsbewußten Bundesrepublik Deutschland, Schwierigkeiten bereitet, ausgerechnet in einem größeren Währungsverbund leichter sein sollte. Als wahrscheinlicher ist anzunehmen, daß sich das eine oder andere Land nicht im Rahmen der von der EZB vorgesehenen Geldpolitik bewegt, weil es weiß, daß sich die davon ausgehenden Effekte auf alle Teilnehmerländer verteilen.

c) Mißlungener Stabilitätspakt

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß den Bemühungen um einen dauerhaften Stabilitätspakt auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Dublin im Dezember 1996 kein großer Erfolg beschieden war. Im Kern ging es dabei darum, sicherzustellen, daß sich die teilnehmenden Länder an der Währungsunion dauerhaft stabilitätskonform verhalten und nicht nur versuchen, die Konvergenzkriterien für den begrenzten Zeitraum der Prüfung und Entscheidung einzuhalten. Eine Sanktions-Automatik bei späterer Überschreitung der relevanten Haushaltsdaten wurde nicht vereinbart: "Sanktionen können nur verhängt werden, wenn sich dafür im Ministerrat eine qualifizierte Mehrheit findet. Die meisten Regierungen sind aber an einer großzügigen Auslegung der Bestimmungen interessiert" (Vaubel, 1997, 10). Hinzu kommt, daß der Rat Ausnahmen beschließen kann, ja, er hat sogar das Recht, sich über die Regeln hinwegzusetzen. Im übrigen ist zu fragen, welchen Sinn Geldbußen für ein Land haben, das zum Mittel hoher Nettoneuverschuldungen hat greifen müssen; offenkundig reichten doch die planmäßigen Einnahmen schon nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu finanzieren.

d) Kein optimales Währungsgebiet

Selbst der Binnenmarkt der Europäischen Gemeinschaft bildet noch kein halbwegs einheitliches Währungsgebiet (die Theorie hat hier den Fachausdruck vom »optimalen Währungsgebiet« geprägt) (Aschinger, 1996; Bofinger, 1994; Straubhaar, 1993). Aus historischen Gründen, wegen der unterschiedlichen Wirtschaftskraft und nicht zuletzt aufgrund des erwähnten unterschiedlichen Verhaltens der Wirtschaftssubjekte und unterschiedlicher Vermögensstruktur, erfolgt die Verarbeitung externer Schocks (zum Beispiel plötzlicher und drastischer Rohstoffverknappungen oder des plötzlichen Zusammenbruchs bisheriger Absatzmärkte) in recht verschiedener Weise. Hinzu kommt, daß die Wirtschaftsstrukturen der einzelnen Länder sehr verschieden sind, so daß es gebietsweise auch zu unterschiedlich zu beurteilenden und unterschiedlich zu therapierenden Störungen kommt.

In Europa können eigentlich nur wenige Länder, Deutschland, Österreich und Luxemburg, eventuell auch Holland, als ein solches einheitliches Gebiet begriffen werden. Nun macht es freilich wenig Sinn, eine Währungsunion nur mit zwei oder drei Ländern zu bilden. Der zu erwartende Vorteil, vor allem, wenn es sich um kleinere Partner handelt, lohnt kaum die hohen Umstellungskosten. Faktisch ist dies auch gar nicht nötig, wenn zwischen den Zentralbanken der beteiligten Länder eine offene oder stillschweigende Abmachung besteht, den geldpolitischen Entscheidungen eines Partners zu folgen, so wie dies beispielsweise zwischen Österreich und Deutschland und auch zwischen den Niederlanden und Deutschland der Fall ist.

Allerdings mehren sich die Stimmen - auch aus der Wirtschaft -, die die Konvergenzkriterien nicht verabsolutiert sehen wollen. Damit ist wohl weniger eine - wie oben ausgeführt - nach dem Vertrag ohnehin mögliche sachadäquate, also vor dem spezifischen Hintergrund der jeweiligen Länder erfolgende Beurteilung gemeint, sondern eine großzügig darüber hinausgehende, also buchstäblich »weiche« Interpretation, weil befürchtet wird, der Teilnehmerkreis an der Währungsunion werde sonst allzu klein oder das Projekt werde sogar auf unbestimmte Zeit verschoben.

e) Ausweitung der Transferleistungen

Wenn man wegen einer allzu großzügigen, »weichen« Interpretation der Konvergenzkriterien die Währungsunion mit einer Anzahl von Ländern startet, die eine unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft haben, dann ist zu erwarten, daß die Mobilitätsbereitschaft des Faktors »Arbeit« steigt; es ist also damit zu rechnen, daß eine zunehmende Menge von Arbeitskräften in den wirtschaftsschwächeren Ländern vom Recht auf Freizügigkeit nach Art. 48 EGV Gebrauch machen wird und in den wirtschaftsstärkeren Ländern nach Arbeit sucht. Zwar läßt sich theoretisch zeigen, daß eine erhöhte transnationale Mobilität langfristig und makroökonomisch von Vorteil ist (Straubhaar, 1997), kurzfristig und auf mikroökonomischer Ebene ist hingegen mit erheblichen Problemen zu rechnen (Sprach-, Schul-, Eingliederungs-, Wohnraumprobleme usw.) (Franke, 1993; Franke, 1996). Als Beispiel für auftretende Spannungen sei nur auf die relativ geringe Zahl von portugiesischen Bauarbeitern und die paar Tausend polnischen Kontingentarbeiter hingewiesen. Falls die damit verbundenen Probleme in der gebotenen Kürze nicht lösbar erscheinen, müßten Mobilitätshemmnisse errichtet werden. Die verbürgte Personenfreiheit wieder einzuschränken, ist indessen keine brauchbare politische Alternative, und es dürfte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch kaum möglich sein (Kuschel, 1995, 47 ff.).

Nach diesem Befund bleibt mithin gar nichts anderes übrig, als die zunehmende Mobilität mit Transferleistungen von den reichen zu den ärmeren Ländern einzudämmen. Es wird also ein Finanzausgleich in Europa erforderlich sein, der die bisherigen Ausgleichssummen erheblich übertrifft.

Aus ähnlichen Gründen wurden erhebliche Transfersummen nötig, die von Westdeutschland nach Ostdeutschland fließen. Ihre grundsätzliche Berechtigung finden sie im Ausgleich der Nachteile, die die Bevölkerung in der langen Nachkriegszeit unter einer diktatorischen Zentralverwaltungswirtschaft hat erdulden müssen. Der beträchtliche Umfang der Transferleistungen geht freilich auf den politisch für notwendig gehaltenen Umtauschkurs der Ostmark in die DM zurück, der dem Verhältnis der Wirtschaftskraft grob widersprach. So angenehm dies den privaten Haushalten erschienen sein mag, die Kehrseite war, daß die Schulden der Betriebe plötzlich in harter DM zu begleichen waren. Dem dramatischen Rückgang der ostdeutschen Industrie entsprach eine zunehmende Wanderung von Ost nach West - von ehemals gut über 16 Millionen Bürgern der ehemaligen DDR haben ihr mehr als zwei Millionen in der Wendezeit und danach den Rücken gekehrt. Der aktuelle Stand ist nun weniger als 14 Millionen. Um diese Wanderungsbewegung, die unter allen erdenklichen Gesichtspunkten nachteilig ist, zu stoppen, sind auch die Transferleistungen nötig. Glücklicherweise, und ich begrüße dies ausdrücklich, trägt trotz aller Probleme die nationale Verbundenheit diese Transfersummen.

Ich wage jedenfalls zu bezweifeln, daß ein weiterer Anstieg der Belastungen für die bisherigen Nettozahlerländer und der Fortfall von Leistungen für das eine oder andere bislang begünstigte Land ohne Spannungen zu bewältigen sind. Natürlich entfiele der Löwenanteil wieder auf Deutschland. Von der Bevölkerung würden zusätzliche Leistungen wohl kaum akzeptiert, auch wenn es sich nicht um solche Beträge handeln wird, wie sie im westostdeutschen Verhältnis anfallen. Um die Zahlungswege zu verschleiern, wird es daher vermutlich wie bisher bei der vertikalen Struktur der Ausgleichszahlungen bleiben, das heißt, die (erhöhten) EU/EG-Beiträge fließen nach Brüssel und von dort über bestehende oder neu einzurichtende Fonds in die ausgleichs- oder förderungsberechtigten Länder. Die Frage ist, wie lange man auf diese Weise die Öffentlichkeit über den tatsächlich horizontalen Ausgleich täuschen kann.

Es wäre fast tragisch zu nennen, wenn das europäische Einigungswerk wegen der so entstehenden Spannungen am Ende Schaden leiden würde.

f) Zu den Grenzen derUnabhängigkeit

Die Europäische Zentralbank ist als unabhängige Institution im Unionsvertrag rechtlich abgesichert. Im konkreten täglichen Tun muß sie mit stabilitätsorientiertem Geist von jenen gefüllt werden, die als Zentralbankratsmitglieder die Geldpolitik betreiben. Die Mitglieder des Zentralbankrats haben aufgrund ihrer Herkunft und aufgrund der Situation in ihren Ländern eine ganz bestimmte »politische Sozialisation« durchlaufen. Und es ist kein Geheimnis, daß es europäische Länder gibt, die gegenüber inflationären Entwicklungen viel weniger empfindlich sind als dies beispielsweise dem historisch begründeten deutschem Empfinden entspricht (Siebert, 1997, 7 f.). Von daher ist zu schließen, daß die einheitliche europäische Geldpolitik - trotz der Unabhängigkeit der EZB - weniger strikt sein wird als die der Deutschen Bundesbank.

Die Nichtwiederwählbarkeit ins Direktorium der EZB als Argument der Unabhängigkeit der EZB ist ebenfalls zu relativieren, denn mit persönlichen Motiven muß nach wie vor gerechnet werden. Dazu ein konstruiertes, aber sicher nicht realitätsfernes Beispiel:

Ein fähiger, etwa 50jähriger Politiker, aus einem europäischen Land, der sich zugleich im internationalen Bankwesen auskennt, wird Mitglied der Europäischen Zentralbank. Seine Amtszeit endet im Alter von 58 Jahren. Bekanntlich halten sich Politiker in dem Alter noch für außerordentlich jung und für neue Aufgaben gerüstet. Natürlich denken sie an eine Karriere im Anschluß an die Zeit im Zentralbankrat. Wo wird diese Karriere stattfinden? Entweder in seinem Heimatland oder in einer internationalen Organisation. Dort muß durch die Fürsprache seiner Regierung ein entsprechender Posten für ihn gefunden werden. Direkter Druck ist mithin gar nicht nötig. Jeder, der sich in einer solchen Situation befindet, weiß, daß er auch danach beurteilt wird, in welcher Weise er die Position seines Landes in die Zentralbankpolitik eingebracht hat.

Selbstverständlich wäre es keine Lösung, nur "Tattergreise" zu ernennen, um das Element des Denkens an eine nachfolgende Karriere auszuschließen. Naiv wäre es jedenfalls zu glauben, "daß die Europäische Zentralbank wie ein geldpolitischer Automat in einem politischen Vakuum operieren wird" (Siebert, 1997, 7), zumal die Präsidenten der nationalen Zentralbanken, die Mitglieder des EZB-Rates sind, von ihren Regierungen ernannt werden.

 

III. Ein Fazit: Beharrliche Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken statt überhasteter Einführung des Euro

Die Aufklärung über die Vorteile eines einheitlichen Währungsgebietes ist bislang ebenso knapp geraten wie die über die institutionellen Vorkehrungen zur Einführung des Euros und die damit verbundenen Kosten. Ein umstellungsbedingter Preisschub ist nicht zu vermeiden (Schneider, 1997, 9), wobei anzunehmen ist, daß die Einführung der neuen Währung zu weiteren verdeckten Preisanhebungen genutzt wird. Vor allem aber ist bislang eine Diskussion der Risiken systematisch vermieden worden.

Die Wirtschaftskraft der einzelnen Länder oder Regionen ist einfach noch viel zu unterschiedlich, um eine europäische Währungsunion zu wagen. Der Schaden, der wirtschaftlich und politisch angerichtet werden könnte, ist nicht zu kalkulieren. Die Neigung, die Konvergenzkriterien »weich« zu interpretieren, um möglichst vielen Ländern die Teilnahme an der Währungsunion zu gestatten, wird die europäische Geldpolitik nachteilig beeinflussen und mas-sive Transfernotwendigkeiten hervorrufen.

Da es jedoch keinen Sinn hat, die Währungsunion nur mit zwei oder drei Ländern zu starten, wäre es das Vernünftigste, zunächst alle Anstrengungen darauf zu konzentrieren, um die Wirtschaftspolitiken der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union stabilitätsorientiert zu koordinieren und die Wirtschaftskraft der Länder durch eine geeignete Wettbewerbs- und Regionalpolitik auszugleichen. Die dadurch gewonnene Zeit könnte zugleich genutzt werden, um das oft beklagte Demokratiedefizit in Europa abzubauen und für mehr Transparenz der politischen Willens- und Entscheidungsbildungsprozesse zu sorgen.

Hat sich nach geraumer Zeit aufgrund der umrissenen Annäherung der Wirtschaftskraft und aufgrund politisch durchschaubarerer und effizienterer Strukturen der Europäischen Union eine andere Situation ergeben, kann den Vorbehalten der Bürger gegen eine Währungsunion sachgerechter und überzeugender begegnet werden.

Die damit ausgesprochene Empfehlung für eine Verschiebung der Währungsunion ist sicher der platten Argumentation vom »Zug zum Euro, der da abgefahren und nicht mehr aufzuhalten sei«, vorzuziehen. Wie die Lebenserfahrung zeigt, sollte man auch aus »abgefahrenen Zügen« so bald wie möglich aussteigen, wenn sie in die falsche Richtung fahren.

Ich denke, daß ich mich mit meiner Argumentation - »Nicht gegen den Euro, aber zur Zeit zu früh und mit unkalkulierbaren Risiken behaftet« - in guter Gesellschaft bewege: Plädieren doch nicht zuletzt die »Fünf Weisen« gegen eine überhastete Einführung des Euro und für mehr Zeitgewinn (SVR, 1996; HB, 1997). Auch namhafte Politiker wie der Hamburger Erste Bürgermeister Voscherau, dem man kaum Populismus unterstellen kann, besinnt sich darauf, daß es bei der Frage der Währung auch um den wichtigen Bereich identitätsstiftender Symbole geht (Bonus, 1995, 11 ff., insbes. 19 ff.), so daß eine Volksbefragung angemessen sei; sie könnte mit der nächsten Bundestagswahl verknüpft werden (dpa, 1997). Eine solche Lösung würde die politischen Entscheidungen zum Euro in der Tat vom Odium der Willkür befreien. In diesem Zusammenhang sei abschließend erwähnt, daß in Niedersachsen ein Volksbegehren zur Frage der Einführung des Euros begonnen hat (Stuttgarter Nachrichten, 1997).


Anmerkungen

*) Überarbeitete Fassung eines Vortrags aus Anlaß der Verabschiedung des Leiters »Technik«, Herrn Diplom-Ingenieur Otto Häusser, am 21. November 1996. Der Verfasser hat sich bemüht, den Redestil weitgehend beizubehalten und die Anmerkungen auf das Notwendigste zu beschränken. ^Zurück zum Text

1. Nimmt man die 1952 in Kraft getretene Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl [EGKS; Montanunion] hinzu, so sind schon fast 46 Jahre gemeinsamer Europapolitik zu verzeichnen. Die Montanunion bildet zusammen mit der Europäischen Atomgemeinschaft [EAG; Euratom] und der jetzigen Europäischen Gemeinschaft [EG, als EWG gegründet] die drei Europäischen Gemeinschaften, die einen ganz wesentlichen Pfeiler der im November 1993 in Kraft getretenen Europäischen Union darstellen. Den zweiten und dritten Pfeiler der Union bilden die angestrebte »Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik« sowie die beabsichtigte »Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres«. ^Zurück zum Text

2. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank - mit einer Ausnahme - tatsächlich unübertroffen ist. Weder die amerikanische Zentralbank noch die europäischen Zentralbanken, geschweige denn die zahlreicher Entwicklungsländer, kommen ihr gleich. Als Ausnahme ist Neuseeland zu erwähnen, das - nachdem es wirtschaftlich schwierige Zeiten durchgemacht hat - grundlegende gesellschaftliche Reformen hat umsetzen können. Es ist indessen zu bezweifeln, daß die dortige Festlegung auf ein striktes Stabilitätsziel (wird die Inflationsrate geringfügig überschritten, so muß der Zentralbankpräsident mit Gehaltskürzungen rechnen, geht es deutlicher darüber hinaus, wird er entlassen) auf europäische Verhältnisse übertragen werden kann. Dies vor allen Dingen deshalb, weil Faktoren auf die Geldmengenentwicklung einwirken können, die außerhalb des Kontrollbereichs der Zentralbank liegen. Hier ist in erster Linie an das Verhalten der Regierung und an das der Tarifpartner zu denken. ^Zurück zum Text

3. Unter dem BIP versteht man, verkürzt ausgedrückt, die in DM, Dollar oder einer anderen Währungseinheit, ECU zum Beispiel, ausgedrückte Summe der in einer Periode (beispielsweise ein Jahr) in einem Lande (etwa Deutschland) produzierten Menge an Gütern und Dienstleistungen. ^Zurück zum Text

4. Zwischen den Niederlanden und Deutschland kam es zu einer bilateralen Vereinbarung, das Band von plus/minus 2,25 Prozent im Verhältnis ihrer Währungen zueinander aufrechtzuerhalten. ^Zurück zum Text

5. Vgl. Entschließung des Deutschen Bundestages vom 2. Dezember 1992 (BT-Drucksache 12/3906; Stenogr. Bericht 12/126, 10879 ff): "Dabei werden … die Stabilitätskriterien eng und strikt auszulegen sein… Der Deutsche Bundestag wird sich jedem Versuch widersetzen, die Stabilitätskriterien … aufzuweichen …" ^Zurück zum Text

6. Allerdings ist einzuräumen, daß der am 17. April 1989 vorgelegte Bericht des Delors-Ausschusses Grundlagen zur europapolitischen Debatte über die Währungsunion legte; vgl. Weidenfeld (1995, 57). Einen Vorläufer fand die Absicht zudem im sogenannten Werner-Plan von 1970. Dieser Plan scheiterte freilich, weil das auf dem US-Dollar basierende Weltwährungssystem (»Bretton Woods-System«) zusammenbrach und weil deshalb mehrere Mitgliedstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, ihre Wechselkurse freigaben (sogenanntes floating). ^Zurück zum Text

7. Sogenannte opting out-Klauseln. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat das Recht, aber nicht die Verpflichtung, der Währungsunion beizutreten. Dänemark behält sich vor, vor einem etwaigen Beitritt eine Volksabstimmung durchzuführen. Großbritannien ist auch nicht dem Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft über die Sozialpolitik beigetreten. ^Zurück zum Text

8. Der sogenannte Europaartikel (Art. 23 GG) ist an die Stelle des alten Art. 23 GG getreten; dieser konnte nach Vollendung der Einheit fortfallen, weil das vereinte Deutschland keinerlei Gebietsansprüche mehr erhebt. Das sogenannte Ewigkeitsgebot nach Art. 79 Abs. 3 GG bezeichnet eine Änderung des Grundgesetzes, die sich auf die Gliederung des Bundes in Länder, auf die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung und auf die in Artikel 1 [Menschenwürde] und Artikel 20 [Bundesstaatsprinzip, Republik, Demokratie, Sozialstaatsprinzip und Rechtsstaatsprinzip] garantierten Schutzgüter beziehungsweise Staatsmerkmale bezieht, für unzulässig. ^Zurück zum Text

9. Beim Umtausch von Währungen kommen den Banken solche »Schleusenwärterfunktionen« zu. Gerade die Großbanken zählen jedoch zu den vehementesten Befürwortern des Euro. Offensichtlich sehen sie bei einem einheitlichen Währungsgebiet Ausdehnungsmöglichkeiten ihrer Geschäftsbereiche, die die Einnahmenverluste aus den jetzt noch anfallenden Umtauschgebühren bei weitem wettmachen. Im übrigen kann man ihnen mangelnde Kreativität beim Finden neuer Gebühren gewiß nicht nachsagen. ^Zurück zum Text

10. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß das Geld eine dritte Funktion übernimmt, nämlich die des Rechenmittels. Indem nämlich der Wert für die vielen verschiedenen Produkte angegeben beziehungsweise ermittelt wird, sind sie auch vergleichbar. Nur so gelingt es, produzierte Fernsehapparate und angebotene Fußballspiele zu erfassen und zu vergleichen. Nur weil das Geld zugleich als Rechenmittel fungiert, kann das Produktionsergebnis eines Staates pro Jahr als Bruttosozialprodukt (oder in Form davon abgeleiteter Größen: Bruttoinlandsprodukt, Volkseinkommen) in Dollar, DM oder einer sonstigen Einheit angegeben werden. ^Zurück zum Text

11. Vordergründig betrachtet, müßte - um das Preisniveau stabil zu halten - die Geldmenge ebenfalls reduziert werden, wenn das Sozialprodukt zurückgeht. Faktisch jedoch erhöht die Bundesbank selbst in der Rezession die Geldmenge, wenn auch nur behutsam. Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, die Gründe im einzelnen zu erläutern. Entscheidend für die Ausweitung der Geldmenge beim Rückgang des Sozialproduktes ist, daß es sich eigentlich um einen von der Bevölkerung ungewollten Rückgang handelt. Senkt man die Geldmenge, nur um das Preisniveau stabil zu halten, so stabilisiert man die Wirtschaft auf einem niedrigen Niveau, beschneidet notwendige Investitions- und Reinvestitionsmaßnahmen und beschränkt damit zugleich die Basis für eine mögliche Erholung. Aus Gründen der Vertrauensbildung schneidert die Bundesbank daher einen etwas größeren »Geldmantel« und hofft, daß die Wirtschaft allmählich diesen »Mantel« ausfüllt, das heißt, daß in dem Augenblick, in dem die Nachfrage wieder steigt, die Unternehmen die vorhandenen Kapazitäten aktivieren, um die Nachfrage real zu befriedigen, statt einfach die Preise zu erhöhen. ^Zurück zum Text

12. Am Rande sei jedoch nicht verhehlt, daß es relevante Gruppen gibt, beispielsweise die Gewerkschaften, die Kritik an der Geldmengenpolitik der Deutschen Bundesbank üben, weil sie der Meinung sind, daß ein etwas lockerer geldpolitischer Zügel Investitionen erleichtere und damit Arbeitsplätze sichere. Man kann freilich auch die These vertreten, daß sie an einer Politik des »leichten Geldes« interessiert sind, weil dann die arbeitsmarktpolitischen Folgen einer Lohnpolitik, die zu wenig Rücksicht auf die Produktivitätsentwicklung nimmt, leichter zu kaschieren sind. ^Zurück zum Text


Literatur

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Schneider, Friedrich (1997): Hält der EURO, was er verspricht? Ökonomische Überlegungen zur Stabilität und zur Einführung des EURO [Johannes Kepler Universität Linz. Sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Institut für Volkswirtschaftslehre. Arbeitspapier: 9701], Linz

Siebert, Horst (1997): Stabilitätspakt - Die Geldpolitik in der Währungsunion entpolitisieren, in: Wirtschaftsdienst, 77. Jg., Nr. 1, S. 7-10

Starbatty, Joachim (1996): Das EuGH-Urteil zu Großbritannien zeigt, daß die Gemeinschaft das Subsidiaritätsprinzip durch geschicktes Taktieren aushebeln kann. Mit der Arbeitszeitrichtlinie hat die EU ihre Kompetenzen überschritten, in: Handelsblatt, Nr. 236, 5. Dez. 1996, S. 2

Straubhaar, Thomas (1993): Zur optimalen Größe eines integrierten Wirtschaftsraumes, in: Kantzenbach, Erhard/Mayer, Otto G. (Hrsg.): Europäische Gemeinschaft - Bestandsaufnahme und Perspektiven, Berlin, S. 101-134

Straubhaar, Thomas (1997): Ost-Erweiterung der EU und Migration aus Ost- nach Westeuropa. Zu große Hoffnung hier, zu starke Ängste dort und zu wenig gelernt aus der Erfahrung der EG-Süderweiterung, in: Zohlnhöfer, Werner (Hrsg.): Osterweiterung der Europäischen Union, Berlin

Stuttgarter Nachrichten (22. März 1997): Volksbegehren zum Euro

SVR (1996): Jahresgutachten 1996/97 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

Vaubel, Roland (1993): Perspektiven der europäischen Integration. Die Politische Ökonomie der Vertiefung und Erweiterung, in: Siebert, Horst (Hrsg.): Die zweifache Integration: Deutschland und Europa, Tübingen, S. 3-31

Vaubel, Roland (1997): Kein Pakt für Preisstabilität, in: Wirtschaftsdienst, 77. Jg., Nr. 1, S. 10-12

Weidenfeld, Werner (1995): Europäische Einigung im historischen Überblick, in: Weidenfeld, Werner/Wessels, Werner (Hrsg.): Europa von A-Z. Taschenbuch der europäischen Integration, Bonn, 5. Aufl., S. 11-62

 


Der Autor

Prof. Dr. Siegfried F. Franke, geboren 1942 in Münsterberg (Schlesien), leitet seit April 1991 die interdisziplinär angelegte Abteilung für Wirtschaftspolitik und Öffentliches Recht der Universität Stuttgart. Er ist ausgebildeter Groß- und Außenhandelskaufmann und hat nach einem Auslandsaufenthalt in Dublin (1968) in Freiburg i. Br. und Hagen Volkswirtschaftslehre, Slavistik und Rechtswissenschaften studiert. 1978 promovierte er zum Dr. rer. pol. an der Universität Dortmund. Von 1982 bis 1991 war er Professor an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Hamburg. 1990 externe Habilitation für Volkswirtschaftslehre an der Universität Dortmund. Hauptansatz seiner wissenschaftlichen Arbeit ist die "Ökonomische Theorie der Politik". Seine Forschungsschwerpunkte konzentrieren sich auf die politische Willens- und Entscheidungsbildung in der konkreten Ausprägung als Steuerpolitik, Umweltpolitik, Bildungspolitik und Drogenpolitik sowie auf das wahlbezogene Verhalten von Verbänden, Parteien und Regierung. Dazu hat Siegfried Franke zahlreiche Publikationen vorgelegt. Sein Hauptanliegen in der Lehre ist eine ordnungspolitisch fundierte Vermittlung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge. Hier steht die Erklärung und Ansätze zur Fortentwicklung der "Sozialen Marktwirtschaft" im Mittelpunkt. Auch hierzu hat er sich schriftlich und in Vorträgen geäußert. Professor Franke ist Mitglied zahlreicher Organisationen und hat im letzten Jahr an einem vielbeachteten öffentlichen Aufruf zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland mitgewirkt. Er ist Schirmherr für den 44. Internationalen Sprachkurs der Universität Stuttgart 1997.

 


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