Kooperative 
Visualisierung

Ulrich Lang / Dirk Rantzau / Uwe Wössner

Vor etwa zwei Jahren wurde beim G7-Treffen der weltweit führenden Wirtschaftsnationen GIBN (Global Interoperability of Broadband Networks) initiiert. Das in diesem Rahmen aufgesetzte Projekt Cooperative Simulation and Visualization erhielt so die Infrastruktur, die uns eine Kooperation mit der Visualisierungsgruppe des SNL sowie der Simulationsgruppe des PSC ermöglichte. Die nun bereits 15 Monate laufenden Projektaktivitäten zeigen exemplarisch, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen Europa und USA möglich ist. Diese Zusammenarbeit fand bei der Präsentation auf der Supercomputing `97 ihren bisherigen Höhepunkt. Die dazu notwendigen Vorarbeiten im Visualisierungsbereich sollen in diesem Artikel näher beschrieben werden.

Auf der Visualisierungsseite wurde im Sommer 1996 vereinbart, die Kopplung der virtuellen Realitätssoftware Eigen/VR des SNL mit COVISE, der am RUS seit 1992 entwikkelten verteilten Visualisierungsumgebung durchzuführen. Als Ziel sollte eine verteilte virtuelle Umgebung entstehen, die über das hinausging, was jeder Partner alleine hätte bewerkstelligen können.

COVISE (COllaborative VIsualization and Simulation Environment) wurde im Rahmen mehrerer europäischer und deutscher Projekte entwickelt. Es ist inzwischen bei etwa 20 akademischen und industriellen Partnern im Einsatz. COVISE ist eine verteilte Multiprozeßumgebung zur Integration von Simulations- und Visualisierungsschritten. Computerunterstütztes kooperatives Arbeiten (CSCW) wurde als zentrales Element in der Architektur von COVISE berücksichtigt. Diese CSCW-Funktion stellte sich im Projekt als wesentliches Element für eine enge Zusammenarbeit heraus. Eine spezifische Weiterentwicklung von COVISE namens COVER (COVISE Virtual EnviRonment) ist derzeit in Entwicklung. COVER ermöglicht die Kontrolle entfernter Prozesse durch Interaktion mit den dargestellten Elementen in einer virtuellen Umgebung. Interaktionsformen sowie aus der Interaktion resultierende Informationen für die verteilten Prozesse werden automatisch zusammen mit den Darstellungselementen generiert. Durch einen Feedback-Mechanismus werden die Informationen an die verteilten Prozesse gesandt.

Eigen/VR ist die virtuelle Realitätssoftware des SNL, die sich durch die Entwicklung eigener Interaktionsmetaphern sowie einer eigenen Benutzeroberfläche für 3D-Interaktionen auszeichnet. Dabei werden auch neuere Interaktionsgeräte z.B. mit Kraft-Rückwirkung eingesetzt, die zusätzlich zum dreidimensionalen visuellen Eindruck das Gefühl des Berührens von Objekten vermitteln. Hierzu ist Kollisionserkennung in Eigen/VR implementiert.

Bei der Integration wurde Eigen/VR wie ein Renderer in COVISE behandelt. Eigen/VR wurde zunächst um die Datentypen der COVISE-Geometrieobjekte erweitert. Somit sind die Verarbeitungsmöglichkeiten in COVISE für Eigen/VR zugänglich. Zur Realisierung einer verteilten virtuellen Umgebung wurden weiterhin Avatars eingeführt. Avatars sind visuelle Repräsentationen der realen Partner in einer z.B. weltweit verteilten VR-Sitzung. Hierdurch wird es möglich, die Aktionen der anderen Partner in der gemeinsamen virtuellen Umgebung mitzuverfolgen.

Zur Abstimmung der Arbeiten fanden jede Woche Internet-basierte Videokonferenzen mit kooperativen Arbeitssitzungen in COVISE statt. Im Sommer dieses Jahres wurden zusätzlich Mitglieder beider Visualisierungsgruppen für zwei Monate ausgetauscht. Dabei wurde auch die Integration von Eigen/VR als Renderer in COVISE durchgeführt.

Das Anwendungsszenario bestand aus der Simulation eines Meteoreinschlags auf der Erde. Die Eintrittsphase wurde durch den Code URANUS (Institut für Raumfahrtsysteme, IRS) berechnet. URANUS wurde an COVISE so angekoppelt, das die Metacomputing-Teile eine gemeinsame Darstellung versorgen.

Die Simulationsergebnisse des Meteoreinschlags ins Meer vor Long Island, berechnet mit dem CTH-Code auf dem derzeit leistungsfähigsten Rechner der Welt (Intel ASCI-Red), wurden vom SNL zu Verfügung gestellt und ebenfalls mit COVISE visualisiert. Dieser Einschlag ist im nachfolgenden Schaubild dargestellt.
 
 


Abb.1: Meteoreinschlags ins Meer vor Long Island
Die Ergebnisse der bisherigen Zusammenarbeit wurden nun Ende November auf der SC '97 in San Jose / Kalifornien zusammen mit den anderen Partnern auf unserem HLRS-Stand demonstriert. Die hervorragende Ausstattung des Standes kam durch die Leihgaben vom SNL im Visualisierungsbereich (4 Proz. Onyx2, Videogroßbildprojektion und Stellwände) und Silicon Graphics Inc. im Computing-Bereich (16 Proz. Origin 2000) zustande. Standpräsentationen wurden gemeinsam mit dem SNL durchgeführt, die vier Personen für unseren Stand abgestellt hatten.

Zusätzlich wurden noch weitere Anwendungsszenarien aus Projekten, Sonderforschungsbereichen bzw. von Universitätsinstituten gezeigt, wie z.B. die direkte Interaktion mit dem Anstellwinkel einer Turbinenschaufel, wobei damit eine laufende Simulation des Strömungsverhaltens auf der NEC SX-4 in Stuttgart beeinflußt wurde. Der vom Institut für hydraulische Strömungsmaschinen (IHS) entwickelte Solver FENFLOSS wurde ebenfalls in COVISE integriert und direkt an die VR-Umgebung gekoppelt. Dies wurde auch auf dem Stand der Firma NEC, auf einem eigens dafür installierten Immersadesk-3D-Projektionssystem gezeigt. Die Ergebnisse der modifizierten Rechnung waren unmittelbar in San Jose und Stuttgart über die transatlantische ATM-Netzverbindung zu sehen.
 
 


Abb. 2 und 3: HLRS-Stand auf der SC '97 in San Jose
Dr. Ulrich Lang, NA-5995
E-Mail: lang@hlrs.de