Methodische Weiterentwicklung dynamischer, prospektiver Treibhausgasemissionsfaktoren zur Analyse von Technologien der Sektorkopplung
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Das Voranschreiten der Dekarbonisierung der Stromversorgung in Deutschland ermöglicht es, brennstoffbasierte Anwendungen in der Wärmeversorgung oder dem Straßenverkehr direkt oder indirekt zu elektrifizieren, um so die gesamten Treibhausgas(THG)-Emissionen nachhaltig zu reduzieren. Die kurzfristig fluktuierende und langfristig sinkende Emissionsintensität der Stromerzeugung sowie die Effekte erneuerbarer Energien wie Überschussstrom können mit den etablierten wissenschaftlichen Methoden zur Berechnung von THG-Emissionsfaktoren der Stromversorgung nicht vollständig berücksichtigt werden. Daher werden in dieser Forschungsarbeit der Strommix-Emissionsfaktor (engl. average emission factor, AEF) und der marginale Emissionsfaktor (MEF) weiterentwickelt, sodass sie dynamisch und prospektiv sind. Dazu wird in einem Optimierungsmodell der wettbewerbliche Strommarkt für Deutschland kraftwerksscharf dargestellt. Mit dieser Datengrundlage wird ein modulares Emissionsmodell in MATLAB entwickelt, welches aus zwei normativen Szenarien mit unterschiedlicher THG-Obergrenze die stündlichen Emissionsfaktoren in 8 Stützjahren bis 2050 berechnet. Dabei wird der AEF um einen Speicherfaktor sowie einen Stromhandelsfaktor erweitert, sodass bilanzielle Emissionsverschiebungen zwischen den einzelnen Sektoren oder Ländern dem Verursacher zugeordnet werden können. Der MEF wird durch eine Analyse der Stromerzeugung im jeweiligen Zeitschritt mit einem bedingten Algorithmus so erweitert, dass plausible stündliche Werte auch bei Überschussstrom oder geringen Änderungsraten der steuerbaren Stromerzeugung berechnet werden können. In den Szenarien werden dadurch beim MEF Werte zwischen 0 und 1200 gCO2-Äq/kWhel berechnet. Eine Nachfrageerhöhung führt somit nicht zwangsläufig zu den Treibhausgasemissionen, die der Emissionsintensität eines fossil befeuerten Kraftwerks entsprechen. Ohne eine Berücksichtigung von Überschussstrom werden um bis zu 40 % höhere Jahresdurchschnittswerte des MEF sowie eine deutlich geringere Streuung der Stundenwerte berechnet. Bei der exemplarischen Anwendung der entwickelten Emissionsfaktoren werden die THG-Emissionen der kompletten Nutzungsphase der elektrischen sowie einer hybriden Dampferzeugung berechnet. Zusätzlich wird mit einer Simulation der optimalen Nutzung emissionsarmer Stunden der Stromversorgung ein THG-Emissionsfaktor für elektrolytischen Wasserstoff in Abhängigkeit von den jährlichen Betriebsstunden des Elektrolyseurs berechnet. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in der Stromversorgung auch zur Senkung des marginalen Emissionsfaktors beiträgt. In dieser Forschungsarbeit wird die Methode der dynamischen, prospektiven Emissionsfaktoren zur Bewertung von Dekarbonisierungsmaßnahmen weiterentwickelt, sodass diese in einem zunehmend flexiblen Energieversorgungssystem als adäquate wissenschaftliche Berechnungsmethode von THG-Emissionen angewandt werden kann.