Beitrag zur Umformung von ebenen und versteiften Schichtverbundwerkstoffen Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Christian Bolay aus Filderstadt Institut für Umformtechnik der Universität Stuttgart 2014 Hauptberichter: Univ.- Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Mathias Liewald MBA Mitberichter: Univ.- Prof. Dr.-Ing. Horst E. Friedrich Tag der mündlichen Prüfung: 16.07.2014 2 Dipl.-Ing. Christian Bolay Institut für Umformtechnik Universität Stuttgart Univ.- Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Mathias Liewald MBA Institut für Umformtechnik Universität Stuttgart D93 ISBN 978-3-88355-405-1 © 2014 by DGM Informationsgesellschaft mbH Hamburger Allee 26 60486 Frankfurt Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany 3 Geleitwort des Herausgebers Die langjährige Buchreihe „Beiträge zur Umformtechnik“ enthält Forschungsberichte und Projektberichte des Instituts für Umformtechnik (IFU) der Universität Stuttgart. In der Regel handelt es sich hierbei um abgeschlossene Dissertationen, die am Institut oder durch eine Zusammenarbeit zwischen dem Institut und einem Unternehmen entstanden sind bzw. um andersartige Abschlussberichte langjähriger Forschungsarbeiten. Umformen ist die gezielte Änderung der Form, der Ober- fläche und der Eigenschaften eines metallischen Körpers unter Beibehaltung von Masse und Stoffzusammenhalt. Diese Definition für das Umformen metallischer Körper in Anlehnung an DIN 8580 beschreibt nicht nur die gezielte Änderung der Form, sondern auch die gezielte Änderung der Oberfläche und der Eigenschaften des Produktes durch den Umformvorgang. Die Tech- nik des Umformens befasst sich daher mit einer möglichst guten Vorausbestimmbarkeit von finalen Produkteigenschaften, wobei die mathematische Beschreibung und die Modell- bildung des Umformprozesses eine grundlegende Voraussetzung dazu liefert. Hierzu bietet sich neben der elementaren Plastizitätstheorie mit analytischen Rechenansätzen in zunehmendem Maße auch die numerische Simulation von Umformprozessen mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente (FEM) an. Oftmals geht die intuitive, auf den aktuellen Grundlagenerkenntnissen ausgerichtete For- schung in der Umformtechnik zusammen mit einer stärker experimentellen Herangehens- weise an neue Fragestellungen einher. Die dabei erzielten Forschungsergebnisse dienen dem allgemeinen Wissenserwerb und dem Grundlagenverständnis von werkstofflichen und ver- fahrensspezifischen Phänomenen und sind somit nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für die in der Praxis stehenden Ingenieure von grundsätzlicher Bedeutung. Stets kürzere Entwicklungszeiten für neue Produkte der Umformtechnik einerseits und verän- derte Wertschöpfungsketten, die Dynamik von Märkten, neue Technologien sowie veränderte Randbedingungen, wie z.B. aus der wachsenden Forderung nach Prozessautomatisierung andererseits erfordern heute eine besondere Intensivierung der anwendungstechnisch ausge- richteten Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten. Moderne Forschungsstellen sind in beide Prozesse eingebunden: zum einen in die Grundlagen- forschung mit Blick auf Werkstoffe, Verfahren und Maschinen der Umformtechnik und zum anderen in etwaige vorwettbewerbliche bzw. stark anwendungsorientierte Prozesse der Geleitwort des Herausgebers 4 Lösungsfindung. Verschiedene Arbeiten und Projekte des Institutes der letzten Jahre fokus- sieren sich auf die unmittelbare, möglichst rasche Umsetzung in die industrielle Applikation. Ziel und Motivation für die Herausgabe der Bücher in dieser Reihe ist daher die Publikation solcher teils grundlagenorientierter, teils recht praxisorientierter Forschungs- und Entwick- lungsarbeiten. Ein weiteres Ziel ist das Bereitstellen einer fundierten Basis für weiterfürende wissenschaftliche Arbeiten im deutschen Sprachraum. Der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde e.V. möchte ich an dieser Stelle für die Auf- nahme dieser Buchreihe in ihr Verlagsprogramm herzlich danken. Mathias Liewald Geleitwort des Herausgebers 5 Inhaltsverzeichnis Geleitwort des Herausgeber Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen Kurzfassung Abstract 1 Einleitung 2 Stand der Technik 2.1 Grundlagen der Umformtechnik 2.1.1 Umformung metallischer Blechwerkstoffe 2.1.2 Grundlagen des Tief- und Streckziehens 2.1.3 Grundlagen des Biegens 2.1.4 Grundlagen des Scher- und Konterschneidens 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 2.2.1 Zwischenschichtmaterialien in Schichtverbundwerkstoffen 2.2.2 Kennwertermittlung und Versagen von Schichtverbunden 2.2.3 Dämpfung und Akustik von Schichtverbundwerkstoffen 2.2.4 Besondere Merkmale bei der Umformung von Schichtverbundwerkstoffen 2.3 Versteifungen von Blechformteilen 2.4 Finite Elemente Methode in der Blechumformung 2.4.1 Explizite und implizite Verfahren der FEM 2.4.2 Modellierung von Schichtverbundwerkstoffen 2.4.3 Ansätze zur Zwischenschichtmodellierung 2.5 Zusammenfassung und Diskussion des Standes der Technik 3 Motivation und Zielsetzung 4 Verwendete Versuchseinrichtungen 4.1 Verbundherstellung und Werkstoffcharakterisierung 4.2 Werkzeuge für die Umformung von Schichtverbunden 5 Untersuchungen zur Auslegung, Charakterisierung und Umformung ebener und versteifter Schichtverbunde mit dünner Zwischenschicht 5.1 Auslegung und Charakterisierung der Verbundeigenschaften 5.1.1 Herstellung der Schichtverbundwerkstoffe 5.1.2 Detaillierte Auswertung des Scherzugversuchs 5.1.3 Kennwerte aus dem Zugversuch 3 8 12 14 15 18 18 18 20 23 24 27 31 33 36 37 40 46 48 48 50 54 56 59 59 62 65 65 66 69 76 Inhaltsverzeichnis 6 5.1.4 Bestimmung der Druck- bzw. Knickeigenschaften 5.1.5 Bestimmung der Grenzformänderungskurven 5.1.6 Ermittlung der Biegeeigenschaften 5.1.6.1 V-Gesenkbiegen, Schwenkbiegen und Falzen ebener Randbereiche 5.1.6.2 Erfassung des Versteifungspotentials von Einzelsicken in Schichtver- bunden mittels 3-Punkt-Biegeversuch 5.1.6.3 Erfassung des Versteifungspotentials von Sickengruppen in Schicht- verbunden mittels 4-Punkt-Biegeversuch 5.1.7 Delaminationsprüfung durch mehrachsige Belastung 5.1.8 Ermittlung des akustischen Abstrahlverhaltens 5.2 Ermittlung der Umformeigenschaften von Schichtverbunden 5.2.1 Umformung von parabolförmigen Bauteilen mit einseitigen Versteifungen und Bewertung der Biege- und Torsionsteifigkeiten 5.2.2 Tiefziehen runder Näpfe 5.2.2.1 Bestimmung der Tiefzieheigenschaften von ebenen Schichtverbund- werkstoffen 5.2.2.2 Delaminationsanalysen bei Schichtverbundwerkstoffen 5.2.2.3 Tiefziehen einseitig versickter Verbunde im Stempelbodenbereich 5.2.3 Schneiden von Schichtverbundwerkstoffen 5.3 Fazit der Untersuchung ebener und versteifter Schichtverbunde 6 Untersuchungen zur Umformung von Schichtverbunden mit textiler Zwischenschicht 6.1 Biegen textiler Schichtverbundwerkstoffe 6.1.1 V-Gesenk-, Schwenkbiegen und Falzen ebener Randbereiche 6.1.2 Erfassung des Versteifungspotentials von Sickengruppen in Schichtverbunden mittels 4-Punkt-Biegeversuch 6.1.3 Biegen parabolförmiger Bauteile 6.1.3.1 Ebener Verbund mit unverpressten Abstandstextilien 6.1.3.2 Versickter Verbund mit verpressten Abstandstextilien 6.2 Tiefziehen ebener textiler Schichtverbundwerkstoffe 6.2.1 Analyse des Tiefziehvorgangs eines runden Napfes 6.2.2 Analyse des Tiefziehvorgangs eines Rechtecknapfes 6.2.3 Analyse des Tiefziehvorgangs einer Versuchsgeometrie für einen verkleinerten Fahrzeugtunnel 6.3 Zerstörungsfreie Prüfung mittels Computertomographie 6.4 Fazit der Untersuchung von textilen Schichtverbundwerkstoffen 78 80 82 82 84 92 94 101 106 107 111 112 117 120 121 127 130 131 132 134 136 137 139 141 142 145 151 155 156 Inhaltsverzeichnis 7 7 Finite Elemente Umformsimulation von Schichtverbunden 7.1 Auswahl geeigneter Zwischenschichtmodellierungen 7.2 Modellierung einer dünnen adhäsiven Zwischenschicht 7.2.1 Validierung der Modelle im Scherzugversuch 7.2.2 Validierung der Modelle für das Tiefziehen 7.2.3 Fazit der Simulation von dünnen adhäsiven Zwischenschichten 7.3 Modellierung von Verbunden mit textilen Zwischenschichten 7.4 Vergleich der Formänderungen zwischen einer einschichtigen Schalen- und dreischichtigen Verbundmodellierung 8 Zusammenfassung und Ausblick 9 Anhang 9.1 Fließkurvenextrapolation des Aluminiumdeckblechs und des Aluminium Schichtverbundes 9.2 Hohlprägen und Biegen von Sickenblechen 9.3 Rückfederungsberechnung und -kompensation von Sickenblechen 9.4 Glattschnittanteile und Lochdurchmesser der Deck- und Verbundbleche beim Scher- und Konterschneiden 9.5 Auf Delamination geprüfter Schallschutzverbund 10 Literaturverzeichnis Danksagung Curriculum Vitae 159 160 162 162 166 169 171 176 177 179 179 179 181 187 188 189 212 213 Inhaltsverzeichnis 8 Formelzeichen & Abkürzungen Formelzeichen und Abkürzungen Symbol Einheit Beschreibung a mm Obergurt einer Sicke (Sickenbreite) a* - Reißfaktor nach Doege a, b, c - Werkstoffkonstanten nach Hocket Sherby A mm² Probenquerschnitt A‘ % Bruchdehnung b mm Probenbreite B Nm Biegestreife c - Konstante für Sickenform und -werkstoff c* m/sec Schallgeschwindigkeit cScher - Beiwert für das Scherschneiden C MPa Werkstoffkonstante nach Ludwik (ohne Geschwindigkeitseinfluss) C* - Konstante für Krafteinleitung und Lagerung (Auflager: C = 1/48; Feste Einspannung: C = 1/192) b0 od. Platine mm Ausgangsplatinendurchmesser dStempel mm Stempeldurchmesser DIN - Deutsches Institut für Normung e mm Abstand der Einzelschwerpunkte zum Schwerpunkt E MPa Elastizitätsmodul EB MPa Biegemodul EVerbund, Reihe MPa Gesamtelastizitätsmodul eines Laminates in Reihenschaltung EVerbund, Parallel MPa Gesamtelastizitätsmodul eines Laminates in Parallelschaltung EI MPa Biegesteifigkeit EN MPa Elastizitätsmodul in normaler Richtung ET MPa Elastizitätsmodul in tangentialer Richtung F N Kraft FB N Biegekraft um Matrizenradius FE N Eigenlast FG N Gesamtlast fGr Hz Grenzfrequenz für akustische Abstrahlung Fid N Umformkraft (aufgrund der Durchmesserreduktion) FLC - Grenzformänderungskurve (Forming Limit Curve) 9Formelzeichen & Abkürzungen FLD - Grenzformänderungsdiagramm (Forming Limit Diagramm) FR N Reibungskraft an der Ziehringrundung und im Blechhalterbereich FReißer N Kraft zum Zeitpunkt eines Bauteilreißers FStempel N Stempelkraft g m/s² Erdschwerebeschleunigung G MPa Schubmodul Gc J Bruchenergie h mm Sickenhöhe hmax mm Maximale Sickenhöhe hRef mm Referenzhöhen I mm4 Flächenträgheitsmoment I* dB Schallintensität k - Rückfederungsfaktor kf MPa Fließspannung - Gesamtsteifigkeitsmatrix l mm Probenlänge L mm Balkenlänge LBK - Leichtbaukennzahl LSTC - Livermore Software Technology Corporation m kg Masse m* kg/m² Flächenbezogene Masse m - Geschwindigkeitsexponent Mb Nm Biegemoment MPP - Massenparallelrechner (Massively Parallel Processing) n - Verfestigungsexponent p dB Schalldruck P dB Schallleistung N Lastvektor PWRT - Normalspannungsexponent im Materialmodel Arup-Adhesive PWRS - Schubspannungsexponent im Materialmodel Arup-Adhesive r - senkrechte Anisotropie rm - mittlere Anisotropie rm mm Radius der neutralen Faser Re MPa Streckgrenze K P 10 Formelzeichen & Abkürzungen Symbol Einheit Beschreibung Rm MPa Zugfestigkeit RPO,2 MPa Ersatzstreckgrenze s bzw. h mm Probendicke bzw. -höhe S od. SFLS MPa Max. Schubspannung vor Zwischenschichtversagen S* N/(mm∙g) bezogene Steifigkeit Sges mm Höhe des Schwerpunktes SMP - Symmetrisches Multiprozessorsystem (Symmetric Multiprocessing) Sspez. (N∙s²)/(mm∙g) spezifische Steifigkeit SHT_SL - Steigung des Fließortes bei reinem Schub im Material- model Arup-Adhesive t MPa Kohäsionsspannung im Spannungs- Separationsgesetz T od. NFLS MPa Max. Normalspannung vor Zwischenschichtversagen Vrms m/sec mittlere effektive Geschwindigkeit an einem Messpunkt auf der schwingenden Probe VSchall dB Schallschnelle mm Verschiebungsvektor WR - Walzrichtung x mm Abwicklungslänge y mm Laufvariable in Dickenrichtung z mm Variable Länge zk - Anfangswert zk+1 - auf zk folgender Schritt α - Soll-Biegewinkel αR - Ist-Biegewinkel mm Bogenmaß der neutralen Faser β0 - Ziehverhältnis β0max - Grenzziehverhältnis δ0 mm Verschiebung bis zum Versagen der Zwischenschicht δn mm Trennung normal zur Trennfläche im Kohäsivzonenmodell δt mm Trennung tangential zur Trennfläche im Kohäsivzonen- modell Δl mm Längenänderung Δr - ebene Anisotropie Δt t Zeitintervall V α 11 Δtkrit t Kritisches Zeitintervall εBruch % Bruchdehnung εelastisch % Elastische Dehnung εplastisch % Plastische Dehnung (oder εpl.) εx - Längsdehnung εxa - Längsdehnung auf der Außenfaser ρ g/cm³ Dichte ρ0 g/cm³ Luftdichte σ MPa Spannung σ* - Abstrahlgrad σ σ1-3 MPa Hauptspannungen σBlechhalter MPa Spannung im Blechhalterbereich σn MPa Normalspannung σrad MPa Radialspannung σtan MPa Tangentialspannung σzug/druck max MPa Maximale Zug-/ Druckspannung σ coh MPa Kohäsivspannung τ MPa Schubspannung υmax ° C Maximale Temperatur ψ - Versickungsgrad φ - Formänderung φv - Vergleichsformänderung nach von Mises - Formänderungsgeschwindigkeit ω mm Durchbiegung ωmax Hz Maximale Eigenfrequenz 0 - Als Indizes: Ausgangsgröße Formelzeichen & Abkürzungen  12 Kurzfassung Moderne hybride Schichtverbundwerkstoffe kommen heutzutage vor allem für Leichtbau- und Dämpfungsanwendungen zum Einsatz, um leichte Bauteile für hohe Belastungen her- zustellen. In der Luft- und Raumfahrt stellen solche Werkstoffe aufgrund der höheren zuläs- sigen Kosten und der einfacheren Bauteilgeometrien den aktuellen Stand der Technik dar, während diese im Karosseriebau derzeit noch höchst selten zum Einsatz kommen. Durch die Verwendung von Werkstoffen mit Zwischenschichten geringer Dichte wird die Steifigkeit, aber auch die Verbunddicke erhöht. Dadurch können leichtere Bauteile hergestellt werden, die jedoch umformtechnische Herausforderungen beinhalten. Beispielsweise führen diese zum erschwerten Falzen von Randbereichen und zur ungenügenden Abstützung der Deckbleche während des Tiefziehens. Gleichzeitig spielt zunehmend das akustische Abstrahl- verhalten der Bauteile in die Umgebung eine entscheidende Rolle. Für dämpfende Aufgaben werden zwischen zwei Deckblechen dünne, viskoelastische Zwischenschichten verwendet, um Biegeschwingungen und somit die akustische Abstrahlung zu verringern. Im ersten Teil der Arbeit werden ebene Schichtverbunde und einseitig mit Versteifungsele- menten versehene Verbunde vorgestellt. Das Flächenträgheitsmoment wird dabei nicht durch eine dickere Zwischenschicht, sondern durch Sicken in einem Deckblech erhöht. Somit kann nach wie vor eine dünne Zwischenschicht mit dämpfenden Eigenschaften bei hoher Bauteil- steifigkeit verwendet werden. Vor allem großflächige Bauteile können gezielt versteift und unversteifte Randbereiche hervorragend gefalzt werden. Durch die einseitige Versteifung können bis zu vier Mal höhere Biegebelastungen aufgenommen und mit einer Sickengestal- tung kann die akustische Abstrahlung halbiert werden. Außerdem bleibt eine ebene Bauteil- seite für den Werkzeugkontakt oder für optische Anforderungen an das Bauteil erhalten. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden Schichtverbunde mit textilen Zwischenschichten untersucht, die sowohl einen interessanten Leichtbaufaktor als auch dämpfende Eigenschaften aufweisen. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildet die Charakterisierung dieses Schichtver- bundwerkstoffes, zum Beispiel durch Scherzug-, Biege- und Tiefziehversuche sowie Scher- schneiduntersuchungen. Insbesondere erweiterte Versagensarten von Schichtverbunden durch Faltenbildung und Delamination in der Zwischenschicht konnten durch eine geeignete Auslegung der Schichtdicken und Umformwerkzeuge vermieden werden. Im dritten Teil der Arbeit werden Umformsimulationen mit verschiedenen Ersatzmodellen unter Berücksichtigung des dreischichtigen Aufbaus untersucht. Die Kennwerte der Werk- stoffcharakterisierung werden als Parameter für die Simulationsmodelle verwendet und anschließend mit Hilfe von Umformexperimenten validiert. Es konnten sowohl die Eigen- Kurzfassung 13 schaften der Deckbleche als auch der Zwischenschicht berechnet werden. Vor allem die Eingabeparameter, wie z. B. die Normal- oder Scherfestigkeiten der Zwischenschicht, die Genauigkeit und die Berechnungszeit der Simulation, spielen eine wesentliche Rolle für den wirtschaftlichen Einsatz solcher Modelle in der Entwicklung von Bauteilen aus Schichtver- bunden. Mit Hilfe von bestehenden (größtenteils genormten) und mit neu entwickelten Prüfverfahren konnten die Eigenschaften von Schichtverbunden mit integrierten Versteifungselementen und textilen Zwischenschichten entsprechend genau modelliert und korrespondierende Modell- parameter bestimmt werden. Außerdem wurden in Biege- und Tiefziehversuchen die umformtechnischen Grenzen für diese Werkstoffe ermittelt. Dadurch wurde ein wissenschaft- licher Beitrag zur Werkstoffcharakterisierung und zur Auslegung von Umformprozessen moderner hybrider Schichtverbundwerkstoffe geleistet sowie Grenzen der Übertragbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse aufgezeigt. Kurzfassung 14 Abstract Modern hybrid materials provide low weight or high damping within components of high performance. In the aerospace industry such materials are commonly used, while they appear very seldom in car body construction due to high costs and complex part geometries. The use of lightweight sandwich materials with an intermediate layer of low density increases both the rigidity as well as the total thickness. This leads to numerous forming challenges. Due to the increased overall thickness particularly folding of border areas is difficult and the insufficient support between the cover sheets often leads to wrinkles during deep-drawing. The acoustic radiation of sandwich materials is increasingly crucial. For such damping tasks thin and viscoelastic intermediate layers are necessary. In the beginning of this work sandwiches with plane and stiffening elements have been develo- ped. The second variant increases the moment of inertia not by a thicker intermediate layer, but with beads in one of the face sheet. Thus a thin intermediate layer with absorbing properties can still be used at high stiffness of component. The aim of this work is to reduce the weight and sound radiation in the environment of sheet metal components. Especially large parts can be stiffened selectively and plane edge regions can be folded perfectly objecting joining parts. The sandwich with integrated beads can assume bending forces forces four times higher than a plane sandwich. With an adequate beading the acoustic sound radiation can be halved. Moreover a plane side of the workpiece remains for tool contact or optical requirements of the component. In the second part of this work layered sandwiches composed of textile layers were investigated to provide a lightweight factor and damping properties. One focus of the numerous investigations is the material characterization by tensile lap shear-, bending-, deep drawing- and shear cutting tests. Especially extended failure modes of laminated sandwich such as wrinkling and delamina- tion in the intermediate layer were avoided by using appropriate material and die design. In the last part of this work forming simulations have been conducted considering the three layer structure. Both strain distribution of the face sheets and the characteristics of the inter- mediate layer have been determined. Especially the input parameters, the accuracy and the computation time of those simulation models play a crucial role for an economic use. With the help of existing standardized and new developed testing methods the properties of layered sandwiches with integrated beads and textile fibers are described. Furthermore bending and deep drawing tests depicted the forming limits. Thus a scientific contribution to material characterization and design of forming processes of modern hybrid materials is going to be provided. Abstract 15 1 Einleitung In der Forschung und Entwicklung werden mit verschiedenen Maßnahmen immer größere Anstrengungen unternommen, belastungsangepasste und dadurch leichte Werkstoffe zu ent- wickeln [Bla10, Bol11b, Bol13, Eck10, Eng11, Gro12, Kim12, Lee12, Li11, Rei13, Son12]. Das übergeordnete Ziel des Leichtbaus bildet die Reduzierung des Gewichtes bei gleicher Bauteilsteifigkeit, vor allem für mobile Anwendungen. Nicht zu vergessen sind zunehmen- de Komfortwünsche des Kunden und gesetzliche Sicherheitsanforderungen, besonders im Automobilbau. Jedoch stehen aufgrund der stark ansteigenden Rohstoffpreise zunehmend Gewichtsreduzierungen auch bei statischen Anwendungen im Fokus [All11]. Moderner Leichtbau für Blechformteile bedient sich verschiedener Strategien, wie zum Beispiel dem Einsatz von hochfesten Blechen, Versteifungselementen, aber auch Verbundwerkstoffen. In der Luft- und Raumfahrt sowie in Nischenbereichen, wie z. B. dem Rennsport, haben sich Verbundwerkstoffe (z.B. glasfaserverstärkte Kunststoffe-GFK, kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe-CFK) bereits seit geraumer Zeit etabliert. Zurzeit erlebt die Verwendung von CFK ebenfalls im Automobilbau einen Boom und wird in kleineren Serien bereits eingesetzt [VDI11]. Schichtverbundwerkstoffe kommen vermehrt zum Einsatz, wie unter anderem das InCar Projekt (vgl. Bild 1) [Tks11] oder Futura Projekt [Fut11] zeigen. Moderne Karosserien werden in der Regel durch Mischbauweise verschiedener Werkstoffe entsprechend der fertigungstechnischen und bauteilspezifischen Anforderungen hergestellt. Im SuperLIGHT Car Projekt konnte eine solche Karosse mit einer Gewichtseinsparung von 30 % gegenüber einer Referenzkarosse hergestellt werden [SLC09]. Motiviert werden diese Bestrebungen durch die folgenden Herausforderungen im Fahrzeugbau: • Europäische Umweltbestimmungen, z. B. Festlegung des Flottenverbrauchs • Sicherheitsbestimmungen, z. B. Fußgängerschutz • Steigende Ansprüche der Kunden an Komfort und Fahrleistungen • Ansteigende Rohstoffpreise • Erforderliche Gewichtsreduzierung im Zuge der Elektromobilität 1 Einleitung 16 1 Einleitung a) InCar® Karosse mit Motorhaube aus steifigkeitsoptimiertem Schichtverbundwerkstoff b) Stirnwand aus schalldämpfendem Bondal CB® c) Stirnwand aus Stahl mit Entdröhnbelag Bild 1: InCar® Karosse mit Schichtverbundwerkstoffen für den Strukturleichtbau und den Schallschutz [Tks11] Dem Leichtbaupotential von Schichtverbundwerkstoffen im Sinne einer Gewichtsreduzie- rung stehen stets Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Werkstoffen gegenüber. Hier gilt es jedoch stets ein Optimum zwischen den Fertigungskosten und dem Leichtbaufaktor einzustellen, da die Kosten mit steigendem Leichtbau überproportional zunehmen [Kle07]. Diese können durch die spätere Bauteilfunktion, wie z. B. die Reduzierung der CO2- Emissi- onen und des Kraftstoffverbrauches, ausgeglichen werden (vgl. Tabelle 1). Der effektive Einsatz von Verbundwerkstoffen erfordert eine kontinuierliche Ausarbeitung von Standards und Richtlinien für Technologie, Qualitätssicherung, Konstruktion, Berechnung, Montage, Reparatur und Recycling [Alt96]. Diesem Grundsatz folgend werden in dieser Arbeit zum einen Werkstoff-, Umform-, Schneid- und Akustikeigenschaften von solchen Schicht- verbundwerkstoffen untersucht, zum anderen werden Methoden zur Bewertung der Bauteil- eigenschaften und des Bauteilversagens entwickelt und angewendet. Darüber hinaus werden Werkstoffe entwickelt, die Formelemente in Verbundwerkstoffe integrieren, um das Flächen- trägheitsmoment und somit die Steifigkeit zu erhöhen. 171 Einleitung Bauteil Werkstoff Gewicht Kosten Funktion* Stirnwand ** Bondal CB - 28 % + 9 % - 23 % Motorhaube Sandwich - 11 % + 21 % - 9 % Dach Sandwich - 38 % + 33 % - 31 % * CO2-Emission, Nutzungsphase ** Referenz inklusive Dämm- und Dämpfungsmaßnahmen Der positive Einfluss solcher Formelemente innerhalb von Verbundwerkstoffen wird durch folgendes Zitat aus Braess und Seiffert unterstrichen: „So ermöglichen u.a. gezielt ausgeführte (lokale) Steifigkeitsoptimierungen, z. B. in Form von Verrippungen und/ oder durch die Bom- bierung von Oberflächen, im Allgemeinen eine Verbesserung der Schallabstrahleigenschaften. Von Bedeutung ist weiterhin die Abminderung der Schwingungsamplituden an Oberflächen über Dämpfungsmaßnahmen, welche u.a. in Form von Verbundblechstrukturen oder durch Auftrag bituminöser Materialien (z. B. Ölwannenbereich) realisiert werden“ [Bra03]. Die vorliegende Dissertation beschäftigt sich mit der Fragestellung wie der Zielkonflikt zwi- schen Leichtbau und Dämpfungsanforderungen von Schichtverbundwerkstoffen gelöst werden kann. Insbesondere werden versteifende Elemente in Schichtverbunde integriert und neuartige Schichtverbunde mit textilen Zwischenschichten werden untersucht. Die umformtechnisch relevanten Themen, wie die Werkstoff-, die Biege-, die Tiefzieh- und Scherschneideigenschaften, sowie die Umformsimulation von solchen neuen Werkstoffentwicklungen bilden den wesent- lichen Teil dieser Forschungsarbeit. Im Rahmen der Arbeit werden bauteilspezifische Lösungsansätze erarbeitet. Für ebene oder leicht gekrümmte Bauteile erreichen Schichtver- bunde mit integrierten Versteifungselementen eine sehr hohe Biegesteifigkeit mit sehr guter Dämpfung. Für das Tiefziehen verspricht der Schichtverbund mit textiler Zwischenschicht eine erhöhte Steifigkeit und dämpfende Eigenschaften. Tabelle 1: InCar® Werkstoffbewertung: Vergleich zu konventionellen Werkstoffen [Tks11] 18 2 Stand der Technik 2 Stand der Technik In diesem Teil der Arbeit werden umformtechnische Grundlagen, zahlreiche Varianten und charakteristische Größen von Verbundwerkstoffen, Gestaltungsrichtlinien zur Versteifung von dünnwandigen Strukturen sowie Grundlagen der Finiten Elemente Methode erläutert. Für eine ausführliche Darstellung der einzelnen Kenngrößen und deren Herleitung wird auf folgende Fachliteratur verwiesen: [Lan84, Lan92, Hof12, Sie11, Sie55, Mar02, Doe07, Mer06, Dan06, Alt96, Rei12, Zie84]. 2.1 Grundlagen der Umformtechnik Die Einteilung der Fertigungsverfahren erfolgt nach DIN 8580 [DIN03]. Sie beinhalten das Umformen mit einer Unterteilung entsprechend des Spannungszustandes nach DIN 8582 [DIN03b]. 2.1.1 Umformung metallischer Blechwerkstoffe Die wichtigsten Kennwerte metallischer Blechwerkstoffe werden in der Regel mit dem uni- axialen Zugversuch ermittelt [DIN01]. Charakteristische Kenngrößen sind z.B. der Elastizi- tätsmodul E, die Streckgrenze Re, die Zugfestigkeit Rm, die Gleichmaßdehnung εgl und die Bruchdehnung εBruch. Gemessen wird die Zugkraft FZug sowie die Länge l und Breite b der Probe, womit der aktuelle Probenquerschnitt A und mit Formel 1a) die Fließspannung kf be- rechnet werden. Die Formänderungen φ werden mit den Formeln 1b), 1c) und 1d) für die Pro- benlänge l, die Probenbreite b und die Probendicke s berechnet. Die Indizes 0 beschreiben die Ausgangsgrößen und die Größen ohne Indizes entsprechen dem aktuellen Wert. Außerdem gilt für die Umformung das Gesetz der Volumenkonstanz (vgl. Formel 1e) [Lan84]. Zur Beschreibung der plastischen Formänderung in der Blechumformung wird vor allem die Fließspannung kf aus dem Zugversuch verwendet. Alternativ wird bei einer zweiachsi- gen Zugbelastung die Fließkurve im hydraulischen Tiefungsversuch ermittelt [Kel09]. Die Fließspannung kf ist abhängig vom Werkstoff, der Formänderung φ, der Formänderungsge- schwindigkeit und der Temperatur. Durch die plastische Formänderung erfährt der Werk- stoff bei Raumtemperatur eine Festigkeitssteigerung, die als Kaltverfestigung bezeichnet wird. Für die Berechnung der Fließspannung kf stehen zahlreiche Formeln zur Verfügung. Hier werden exemplarisch die Formeln nach Ludwik und Hockett Sherby genannt (vgl. For- mel 2). Die Werkstoffkonstanten werden mittels einer linearen Regression aus den Messda- ten bestimmt und der Kurvenverlauf entsprechend der mathematischen Beziehung extrapo- liert [Lud09, Hoc74]. 192.1 Grundlagen der Umformtechnik Der Fließbeginn für mehrachsige Spannungszustände wird mit Hilfe der Hauptspannungen σ1,2,3 , z. B. nach v. Mises, mit Formel (3) beschrieben [Mis13]. Komplexere Modelle unter Berücksichtigung der Anisotropie wurden unter anderem von Hill, Barlat und Banabic ent- wickelt [Hil48, Bar89, Ban00]. Die Vergleichsformänderung nach v. Mises wird wie folgt bestimmt [Lan90]: Die senkrechte Anisotropie r in Formel 5a) beschreibt das Verhältnis der Breitenformände- rung zur Dickenformänderung. Somit fließen Werkstoffe mit einem hohen r-Wert bevorzugt aus der Breite und eignen sich somit besser für das Tiefziehen. Werkstoffe mit niedrigen r-Werten eignen sich besser für das Streckziehen, da der Werkstoff bevorzugt aus der Dicke fließt. Durch den Walzprozess eines Bleches sind die Werkstoffeigenschaften in der Regel richtungsabhängig. Dies zeigt sich beim Tiefziehen von runden Bauteilen darin, dass keine gleichmäßig runde Flanschaußenkante entsteht. Stattdessen bilden sich so genannte Zipfel aus. Für komplett durchgezogene Näpfe ohne Flansch werden diese über die Höhenunter- schiede am Napfumfang bestimmt [ISO94]. Aus diesem Grund werden die r-Werte in der Regel unter 0°, 45° und 90° zur Walzrichtung (WR) aus dem Blechwerkstoff entnommen. Der Werkstoff sollte dann anhand des geringsten Wertes rmin bewertet werden. Das beste Umformergebnis erfolgt durch eine Ausrichtung des höchsten Wertes rmax in Richtung der größten Hauptdehnung des Bauteils. Die ebene Anisotropie Δr wird nach Formel 5b) berechnet und beträgt idealerweise für einen isotropen Werkstoff den Wert Δr = 0. Im Falle von Δr > 0 bilden sich unter 0° und 90° zur WR Zipfel aus. Für Δr < 0 entstehen Zipfel unter 45° zur WR [Lan90]. In der Umformtechnik kennzeichnet der Beginn der Einschnürung innerhalb eines lokal begrenzten Bereiches das Versagen des Bleches, das jedoch von vielen Faktoren, wie zum Beispiel dem Spannungszustand oder der Umformgeschichte, bestimmt wird [Mer06]. Die Grenzformänderungskurve (Forming Limit Curve) wird nach der ISO 12004-2 mit der Nakajima-Prüfung (Halbkugelstempel) oder der Marciniak-Prüfung (Flachstempel) bestimmt [ISO06]. Die maximal mögliche Formänderung bis zur Einschnürung wird im Grenzform- änderungsdiagramm (Forming Limit Diagramm) dargestellt, indem die Hauptformänderung φ1 über der Nebenformänderung φ2 aufgetragen wird [Kee61, God68, Nak68, Mar73]. 20 aDer proportionale Verlauf P beschreibt lineare Dehnpfade einer Versuchsprobe (vgl. Verlauf A-B in Bild 2). Werden unterschiedliche Dehnungszustände hintereinander aufgebracht, wir- ken sogenannte nichtlineare Dehnpfade. Dies wird auch als Umformgeschichte bezeichnet. Bei einer vorausgegangenen einachsigen Zugbelastung wird die FLC erhöht (A-C-D), bei einer zweiachsigen Streckziehbelastung wird die FLC verringert (A-E-F) [Lan90, Müs75]. Bild 2: Grenzformänderungsdiagramm und Einfluss der Umformgeschichte [Lan90] 2.1.2 Grundlagen des Tief- und Streckziehens Das Tiefziehen wird nach [DIN03b] als „Zugdruckumformen eines Blechzuschnittes zu einem Hohlkörper oder Zugdruckumformen eines Hohlkörpers mit kleinerem Umfang ohne beabsichtigte Veränderung der Blechdicke“ bezeichnet. Bild 3 a) zeigt den Aufbau eines Tief- ziehwerkzeuges bestehend aus Stempel, Blechhalter und Matrize. Über den Stempel wird die Kraft in die Platine eingeleitet und über die Zarge in den Bauteilflansch übertragen. Zu Beginn des Tiefziehprozesses wird der Werkstückboden unter Streckziehbelastung ausgebildet. Diesen Effekt überlagert zudem die Überwindung der Haftreibung im Flanschbereich. H au pt fo rm än de ru ng φ 1 Nebenformänderung φ2 2 Stand der Technik 21 1 Stempel; 2 Blechhalter; 3 Platine; 4 Matrize; 5 Werkstückflansch; 6 Werkstückzarge; 7 Werkstückboden; FBH Blechhalterkraft; FSt Stempelkraft; σrad Radialspannung; σn Normalspannung; σtan Tangentialspannung; I. Zug-Druck Spannung; II. Zugspannung; III. Zug-Zug Spannung (Streckziehen) Bild 3: Verfahrensprinzip Tiefziehen Die Stempelkraft berechnet sich aus der Summe der ideellen Umformkraft Fid, der Biegekraft FB und der Reibungskräfte FR innerhalb des Tiefziehprozesses nach Formel 6. Die Reibungs- kräfte im Bereich Platine/Blechhalter sowie Platine/Matrize werden in der Regel näherungs- weise nach Coulomb und am Matrizenradius mit Hilfe der Seilreibung berechnet [Sie32]. In Zone I des Bauteilflansches findet die Umformung unter radialer Zug- und tangentialer Druckspannung statt (vgl. Detail A in Bild 3b). Die Blechhalterkraft FBH wirkt den Druck- spannungen mittels einer normalen Druckspannung σn entgegen und verhindert die Faltenbil- dung. Die Normalspannung σn des Blechhalters wird mit der Formel 7 nach Siebel berechnet [Lan90]. Grundsätzlich wird in Falten 1. Art im Flanschbereich und in Falten 2. Art in der Zarge unterschieden. Der Stempel leitet in Zone III die Umformkraft in das Bauteil ein und es stellt sich dort eine Streckziehbelastung ein. Die Zone II der Zarge überträgt die Zugbe- lastung in die Umformzone I. β0 Ziehverhältnis; d0 Ausgangsplatinendurchmesser, s0 Ausgangsblechdicke Versagen durch Reißen tritt ein, wenn die Stempelkraft FSt nicht mehr übertragen werden kann (vgl. Formel 8). Beim Tiefziehen treten in der Regel Bodenreißer am Ende des Stempel- radius am Übergang von der Krafteinleitungszone zur Kraftübertragungszone auf. Bei sehr geringen Reibungskräften im Bereich der Zarge und des Stempelradius kann der Bauteil- boden unter Streckziehbelastung stark ausdünnen. Dies kann vor allem bei dünnen Blechen einen Reißer im Stempelboden verursachen. Außerdem können aufgrund der Versprödung des Werkstoffes durch die Umformung auch Längs- und Umfangsreißer auftreten. Diese ent- stehen meist durch die Rückbiegung an den Stempel oder durch Spannungsrißkorrosion nach der Umformung (Eigenspannungen + korrosives Medium) [Sie55]. Nach Doege errechnet 2.1 Grundlagen der Umformtechnik 22 sich die Reißerkraft FReißer aus dem Produkt der Zugfestigkeit Rm, des Zargenquerschnitts (Stempeldurchmesser dStempel, Ausgangsblechdicke s0) und einem Reißfaktor a* [Doe63]. Außerdem treten Defekte in Form von Einschnürungen der Platine im Bereich des Stempel- radius auf, vor allem wenn der Radius im Vergleich zur Blechdicke klein ist. Es entstehen auch Einschnürungen an dem Bereich, der sich zu Beginn des Tiefziehens auf dem Mat- rizenradius befindet. Dieser so genannte Benoit Effekt entsteht durch die Druckspannung der Biegung. Zu einem späteren Zeitpunkt wird dies durch die Kaltverfestigung des Blech- werkstoffes verringert bzw. verhindert. Ein solcher Effekt tritt verstärkt beim Tiefziehen von Schichtverbundwerkstoffen mit weichen Kernen auf [Lan90]. Der Arbeitsbereich des Tiefziehens befindet sich zwischen der Reißer- und der Faltengrenze und wird über die Blechhalterkraft eingestellt. Entsprechend den Umformeigenschaften des Werkstoffes wird das Grenzziehverhältnis β0max mit dem Durchmesserverhältnis der größt- möglichen Platine zum Stempeldurchmesser definiert [Sie55]. Das Grenzziehverhältnis stellt sich ein, wenn ein Bodenreißer mit gleichzeitiger Faltenbildung im Flansch auftritt. Das Streckziehen wird hauptsächlich für großflächige Bauteile mit kleiner Stückzahl einge- setzt. Im Fall des einfachen Streckziehens wird nur eine Werkzeughälfte benötigt, um eine fest eingespannte Platine umzuformen. Das Cyril-Bath-Verfahren stellt eine Erweiterung mit einer Matrize dar, um Gegendruckgeometrien zu ermöglichen [Hof12]. Bild 4: Umformen mittels einfachem Streckziehen Bei Streckziehvorgängen überschreitet die mittlere Formänderung der Platine nicht die Gleichmaßdehnung Ag aus dem Zugversuch, weshalb mit diesem Verfahren nur verhältnis- mäßig flache Bauteile hergestellt werden können [Lan02]. Die Umformung erfolgt zu Lasten der Blechdicke und wird anhand der Spannungsverteilung mit Bild 5 erläutert. Diese beschreibt die elastische Biegung mit einer überlagerten Zugspannung auf der Außenfaser zu Prozessbeginn. Mit der fortschreitenden Stempelbewegung wird die Außenfaser plastisch umgeformt, bis die Fließspannung kf über den kompletten Querschnitt wirkt. Jedoch bleibt bis zum Schluss an der Außenfaser eine geringfügig höhere Zugspannung erhalten. Das Streck- FSt Stempelkraft FSp Spannzangenkraft 2 Stand der Technik 23 ziehen eignet sich dazu, Bauteile von Restspannungen zu befreien, zu richten und somit die Rückfederung zu reduzieren [Lan90]. Bild 5: Spannungen beim Streckziehen [Lan90] Geeignete Bedingungen für die Umformung durch Streckziehen bilden niedrige Reibungs- zahlen µ, ein hoher Verfestigungsexponent n und Anisotropiewerte r kleiner 1 für eine fort- schreitende Formänderung von der Einspannung bis zur Bauteilmitte. Aufgrund zu hoher Reibung am Stempel oder eines zu niedrigen Formänderungsvermögen des Werkstoffes ver- sagt das Bauteil durch Einschnürung. Das Versagen wird durch den rechten Ast im Grenz- formänderungsdiagramm beschrieben. Treten Risse nahe der Einspannung auf, muss die Kerbwirkung an den Spannbacken reduziert werden [Lan90]. Dies kann beispielsweise durch konstruktive Maßnahmen oder eine Anpassung der Klemmkraft erfolgen. 2.1.3 Grundlagen des Biegens Die DIN Norm 8586 beschreibt die Biegeumformung als „Umformen eines festen Körpers, wobei der plastische Zustand im Wesentlichen durch eine Biegebeanspruchung hervorge- rufen wird“ [DIN03e]. Unterschieden wird in Biegen mit geradliniger Werkzeugbewegung (z. B. das freie Biegen, das Falzen oder das Gesenkbiegen) und in Biegen mit rotierender Werkzeugbewegung (z. B. das Schwenkbiegen oder das Walzsicken). Die elementare Biege- theorie nach Ludwik beruht auf folgenden Annahmen [Lud03]: • Das Blech wird mit einem reinen Biegemoment beaufschlagt. Somit beschreibt die Bie- gelinie einen Kreisbogen. • Aufgrund der hinreichenden Probenbreite wirkt ein ebener Formänderungszustand ohne Dehnungen in z-Richtung. • Die Blechquerschnitte bleiben eben und senkrecht zur Blechoberfläche. • Nur Spannungen in x-Richtung werden unter Vernachlässigung der vorhandenen Span- nungen in Breiten- und Dickenrichtung berücksichtigt. • Der Blechwerkstoff ist homogen und isotrop mit einer zum Nullpunkt symmetrischen Spannungs-Dehnungslinie für Zug und Druck. • Während des Biegens bleibt die Blechdicke konstant. 2.1 Grundlagen der Umformtechnik a) Elastische Bindung mit überlagerter Zugspannung b) Plastische Bindung mit überlagerter Zugspannung c) Streckziehen d) Leicht höhere Zug- spannung an der Außen- faser am Prozessende 24 Unter diesen Voraussetzungen können am Biegeteil folgende Dehnungen ermittelt werden: Die Rückfederung wird durch den Rückfederungsfaktor k beschrieben und ist abhängig von den Werkstoffstoffeigenschaften, dem Spannungszustand, der Vorverfestigung sowie der Geometrie in Form des Biegewinkels α und des Biegeradius. Der tatsächliche Biegewinkel der Rückfederung αR wird nach Formel 11 auf den Sollwert α bezogen. Eine größere Plastifi- zierung, z.B. durch kleinere Radien, impliziert eine geringere Rückfederung. Bild 6 zeigt den Verlauf der Biegespannung vor und nach der Rückfederung. Das Rückstell- moment durch Entlastung der elastischen Dehnungsanteile εel verringert die plastische Deh- nung εpl zur Restdehnung εRest [Hof12]. Bild 6: Verlauf der Biegespannungen beim Biegen Bei großen Dehnungen erweist sich die Annahme einer ortsfesten neutralen Faser als ungenau, denn diese wandert in den Druckbereich. Die Verwendung erweiterter Modelle ermöglicht zudem die Berücksichtigung des dreiachsigen Spannungszustands, der Werkstoffverfesti- gung, der kinematischen Verfestigung und der Reibung. Für komplexe Biegebeanspruchun- gen sollte die Finite Elemente Methode verwendet werden [Lan90]. 2.1.4 Grundlagen des Scher- und Konterschneidens Die wesentlichen Bestandteile eines Schneidwerkzeuges stellen der Schneidstempel und die Schneidmatrize dar (Bild 7). Zusätzlich kann ein Abstreifer oder ein Niederhalter zum Ein- satz kommen. Die Schnittfläche des Werkstücks besteht in der Regel aus einem Kanteneinzug, 2 Stand der Technik — Biegespannung unter Last ... Biegespannung nach Rückfederung 252.1 Grundlagen der Umformtechnik einem Glattschnittanteil, einem Bruchanteil und einem Schnittgrat. Das Scherschneiden kann zum einen mit einer geschlossenen Schnittlinie, wie z.B. einem Rundloch, aber auch mit offener Schnittlinie erfolgen. Außerdem wird zwischen Ausschneiden (der Butzen entspricht dem gewünschten Bauteil) und Lochen (der Butzen entspricht dem Abfall) unterschieden [VDI94]. 1 Niederhalter; 2 Schneidstempel; 3 Platine; 4 Schneidmatrize; 5 Butzen; dSt Stempeldurchmesser; dP Matrizendurchmesser; u Schneidspalt; s Blechdicke; hE Kanteneinzugshöhe; dE Kanteneinzugsbreite; hS Glattschnitthöhe; hB Bruchhöhe; hG Schnittgrathöhe; bG Schnittbreite Bild 7: Verfahrensprinzip, Schnittfläche und Begriffsdefinitionen für das Scherschneiden Eine wichtige Prozessgröße des Scherschneidens stellt der Schneidspalt u dar, der sowohl absolut als auch relativ definiert wird. Nach folgender Formel können Schneidspalte auf Basis empirischer Untersuchungen berech- net werden [Oel97]. Hierfür wird die Scherbruchfestigkeit τB und der Beiwert cScher = 0,8 (0,95 für gut umformbare duktile Werkstoffe, 0,6 für spröde Werkstoffe) benötigt. In Abhängig- keit vom Werkstoff geben die VDI Richtlinien einen relativen Schneidspalt von 3 – 13 % an [VDI94]. Die maximale Schneidkraft kann mit nachfolgender Formel berechnet werden, wobei diese durch Verschleiß um bis zu 60 % erhöht werden kann [Sie11]. In die Berechnung gehen die Zugfestigkeit Rm und die Schnittfläche AS (Produkt aus Schnittlänge lS und Blechdicke s) ein [Sie11, Rom65]. 26 Bild 8 zeigt das Verfahren des zweistufigen Konterschneidens mit einem zusätzlichen An- schneidhub der Tiefe tE. Dieser wird in der Regel von unten ausgeführt, um im zweiten Durchschneidehub den Butzen aus dem Schneidwerkzeug abführen zu können. Es existiert ebenfalls ein dreistufiges Konterschneiden mit zwei entgegengesetzten Anschneidrichtun- gen. Das Konterschneiden verbessert die Schnittqualität, indem ein Grat verhindert wird [Lie79, Lan90, Lie10]. 1 Niederhalter; 2 Schneidstempel; 3 Platine; 4 Schneidmatrize; 5 Butzen; dSt Stempeldurchmesser; dP Matrizendurchmesser; u Schneidspalt; s Blechdicke; hE Kanteneinzugshöhe; dE Kanteneinzugsbreite; hS Glattschnitthöhe; hB Bruchhöhe; hG Schnittgrathöhe; bG Schnittbreite Indizes der Schnittflächenbezeichnung: 1 –> erste Anschneidstufe, 2 –> zweite Durchschneidstufe Bild 8: Verfahrensprinzip, Schnittfläche und Begriffsdefinitionen für das Konterschneiden mit negativem Schneidspalt In dem hier betrachteten Fall des Lochens gibt der Schneidstempel dSt2 den gewünschten Durchmesser vor. Um gratfreie Bauteile herzustellen, ist eine genaue Abstimmung bezüglich des Schneidspaltes innerhalb der beiden Schneidstufen erforderlich. Ein positiver Schneid- spalt u1 der Anschneidstufe führt dazu, dass ein Werkstoffring entsteht (vgl. Nr. 6 in Bild 9). Idealerweise müsste auf einen Schneidspalt in der Anschneidstufe verzichtet werden (u1 = 0). Maschinen- und Werkzeugtoleranzen erfordern einen negativen Schneidspalt u1 zugunsten einer höheren Prozesssicherheit. Dies führt jedoch zu einem geringen Versatz der Glatt- schnittflächen (vgl. Bild 8) [Lie79, Lie10]. Mit einem negativen Schneidspalt muss ein Durch- schneiden in der ersten Stufe vermieden werden, um das Werkzeug nicht zu zerstören. Dieses Verfahren wurde in ein Werkzeugkonzept für eine Stanz- und Nibbelmaschine überführt und im Rahmen dieser Arbeit verwendet [Erl10]. 2 Stand der Technik 27 1 Niederhalter; 2 Schneidstempel; 3 Platine; 4 Schneidmatrize; 5 Butzen; 6 Werkstoffring; dSt Stempeldurchmesser; dP Matrizendurchmesser; u Schneidspalt; s Blechdicke Bild 9: Verfahrensprinzip und Begriffsdefinitionen beim Konterschneiden mit positivem Schneidspalt 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe Für die Bauteilauslegung von Konstruktionen aus Verbundwerkstoffen gilt entweder die Zielsetzung, bei möglichst geringer Masse gleiche Eigenschaften zu erzielen oder bei gleicher Masse die Steifigkeit sowie die Festigkeit zu erhöhen [Alt96]. Innerhalb der Ver- bundwerkstoffe gibt es zahlreiche Varianten und Produkte, die in Faser-, Teilchen-, Durch- dringungs-, Stoff- und Schichtverbundwerkstoffe unterschieden werden (Bild 10) [Bal90]. In dieser Arbeit werden Werkstoffe der zuletzt genannten Gruppe, der Schichtverbund- werkstoffe, behandelt. Bild 10: Einteilung von Verbundwerkstoffen [Bal90] Für Schichtverbundwerkstoffe werden verschiedene Werkstoffe wie Metall, Kunststoff, Textil oder Keramik für die Einzelschichten verwendet. In Anlehnung an die Klassifizierung nach Hufenbach werden drei Hauptanwendungsbereiche mit entsprechenden Untergruppen 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 28 definiert [Huf96]. Die Unterteilung erfolgt in Strukturleichtbau, Schallschutz und Oberflächen- veredelung (Bild 11). Bild 11: Einteilung der Schichtverbundwerkstoffe in Anlehnung an Hufenbach [Huf96] Im Folgenden werden diesen 3 Kategorien (inklusive deren Untergruppen) sowohl kommer- zielle als auch Produkte aus dem Bereich der Forschung zugeordnet. Im Anschluss erfolgt die Einordnung einiger exemplarischer Beispiele von Schichtverbundwerkstoffen in verschiedene Leichtbaukonzepte. Schichtverbundwerkstoff als Leichtbaustruktur Innerhalb des Strukturleichtbaus existieren zahlreiche Varianten, die mit den Oberbegriffen Rippen, Doppelschalen, Integralstruktur und Sandwich überschrieben werden. Das überge- ordnete Ziel stellt die Erhöhung der Biegesteifigkeit von Bauteilen dar, um dadurch das Bau- teilgewicht zu reduzieren. Die Versteifung durch Rippen stellt keinen klassischen Schichtverbundwerkstoff, sondern eine gefügte Konstruktion aus einer flächigen und einer versteifenden Komponente dar [Che06, Kor05]. Zu den Doppelschalen zählen die Höckerbleche, die aus zwei Deckblechen mit ein- oder beid- seitigen Versteifungselementen bestehen und durch Punktschweißen gefügt werden. Diese Höcker unterschiedlicher Geometrie erhöhen das Flächenträgheitsmoment und ermöglichen eine relativ biegesteife und gleichzeitig schubsteife Konstruktion. Die umformtechnisch eingebrachten Höcker werden zudem kaltverfestigt. Der Verbund im Dickenbereich von ca. 8 bis 25 mm wird vorwiegend bei großen, ebenen Bauteilen eingesetzt [Sed72, Sch92, Flo98, Kle09, Bor10, Tro10]. Das Trapezblech ist ein Verbund aus einem ebenen Blech mit einem walzprofilierten zweiten Blech [Cor94, Ada99]. Ein ähnlicher Verbundwerkstoff ist die Metawell-Leichtbauplatte, die aus einem gewellten und einem bzw. zwei ebenen Deckblechen 2 Stand der Technik 29 zu einer Struktur hoher Steifigkeit verbunden wird [Met10]. Das Twinblech besteht aus zwei durch punkt- oder linienförmiges Schweißen verbundene Bleche, die durch anschließendes Kugelstrahlen eine eigenspannungsinduzierte Aufwölbung erfahren, wodurch das Flächen- trägheitsmoment erhöht wird [Kop97]. Zur Gruppe der Integralstrukturen gehört das von der ThyssenKruppStahl AG entwickelte Noppenblech, mit geprägten, relativ dünnen Abstandshaltern zwischen punktverschweißten Deckblechen [Ada99, Beh98, Beh00]. Die integrale Struktur durch eine Füllung des Hohlraumes wirkt sich positiv auf die Biegeeigenschaften und das Umformvermögen aus. Aufgrund der zahlreichen Sandwichwerkstoffe am Markt werden hier nur einige Beispiele genannt. Diese bestehen in der Regel aus zwei metallischen Deckblechen aus Aluminium oder Stahl, die die Festigkeit bestimmen. Die Zwischenschichten stützen die Deckbleche und übertragen die Schubkräfte. Diese bestehen aus Werkstoffen geringer Dichte wie Kunststoffe [Nut08, Lan05], Schäume [Neu07, See04, Sin04], Streckmetall, Drahtgewebe [Kop05, Mag05], Papier oder Textilien [Ste08, Huf05]. Zusätzlich werden lokale Versteifungen inner- halb der Zwischenschicht eingebracht [Pal07, Sol11, Car11]. Kommerziell erhältliche Sand- wichwerkstoffe sind Alulight (Zwischenschichten aus Aluminiumschaum) [Alu10] oder Alu- cobond [Alc10b], Usilight [Arc10] und Hylite [Alc10] (Zwischenschichten aus Kunststoff), wobei die zwei letzteren aufgrund der geringeren Gesamtdicke für das Tiefziehen geeignet sind. ThyssenKruppStahl AG setzte einen Sandwichwerkstoff erfolgreich für eine Motorhaube ein [Lös10]. Außerdem können mehrlagige Verbundwerkstoffe aus hochfestem Stahl mit Aluminiumzwischenschichten durch Presshärten bei gleichzeitiger Formgebung hergestellt werden [Bar11]. In Form von angeklebten Patchworkblechen werden auch „lokale Sandwich- versteifungen“ realisiert [Mil07, Beh06]. Andere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der lokalen Versteifung von Blechteilen durch Faserverbundwerkstoffe [Eck10, Hom11]. Schichtverbundwerkstoffe für den Schallschutz Für den Anwendungsbereich des Schallschutzes werden Sandwichwerkstoffe, die visko- elastische Zwischenschichten von 0,025 bis 0,1 mm besitzen, eingesetzt. Schwingungsenergie, die über Schalldruck oder direkten Körperschall auf solche Werkstoffe wirkt, wird innerhalb dieser Zwischenschicht aus Harz durch innere Reibung in Wärme umgewandelt. Die Dämp- fungseigenschaften solcher Werkstoffe besitzen jedoch eine starke Abhängigkeit von der Er- regerfrequenz sowie von der Umgebungstemperatur. Häufig werden solche Werkstoffe gezielt an unterschiedliche Temperaturbereiche angepasst (z. B. auch durch einen Aufbau mit 3 Deck- blechen und 2 verschiedenen Zwischenschichten). Um die gleiche Biegesteifigkeit wie mono- lithische Bleche zu erreichen, müssen wegen der schubweichen Zwischenschicht Dämpfungs- bleche dicker ausgeführt werden oder es werden zusätzliche Versteifungselemente in das spätere Bauteil eingeprägt [Tks03]. Sowohl die dünne Zwischenschicht, die eine große 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 30 Stützwirkung zwischen den Deckblechen besitzt, als auch die Gesamtverbunddicken im Bereich von konventionellen Feinblechdicken (zwischen 0,8 und 2,5 mm) erlauben eine gute Umformbarkeit. Darüber hinaus kommen auch unsymmetrische Verbundbleche mit unter- schiedlichen Deckblechdicken zum Einsatz. Mit feinen Metallpartikeln in der Zwischen- schicht können solche Verbunde auch geschweißt werden [Fil00, Kne09, Kes96, Sta89, Nut07]. Kommerzielle Produkte sind zum Beispiel Bondal von ThyssenKrupp [TKS10] und Quiet- steel von ArcelorMittal [Arc10b]. Anwendungsbereiche im Karosseriebau sind beispielsweise die Stirnwand der Mercedes A-Klasse zwischen Motorraum und Fahrgastzelle, Bauteile des Unterbodens und Ölwannen (hier spielt auch der Schutz gegen Leckage durch den zwei- schichtigen Aufbau eine Rolle). Es kommen aber auch Dämpfungsbleche bei Maschinen- umhausungen [Tks03], Scheibenbremsen [Deg06] oder Sägeblättern [Tee88] zum Einsatz. Schichtverbundwerkstoffe zur Oberflächenveredelung Dieser Anwendungsbereich der Oberflächenveredelung durch organische, polymere oder metallische Beschichtungen wird in dieser Arbeit nicht betrachtet. Es wurden zahlreiche Untersuchungen bezüglich deren Umformeigenschaften [Law78, Bro88, Kes97, Kle02], deren Glanz nach der Umformung [Tek10], der Delamination [Bos08, Bos08b, Bos09, Son12] und der Funktionsintegration [Tho05] durchgeführt. Zu dieser Kategorie zählen ebenfalls (walz-) plattierte Produkte, die zu dünnen Bändern ausgewalzt werden. Solche Werkstoffe verbinden oft (hoch-) feste, spröde Schichten mit gut umformbaren, duktilen Schichten [Oya10, Oya12]. Beispiele sind das Produkt Tribond bzw. Pentabond von ThyssenKruppStahl [Kra08], Produkte aus Aluminium von Aleris [Sch10] oder das Fusionblech von Novelis [Nov10, Jin11]. Zudem finden solche Metalle in der Fein- werktechnik zahlreiche Anwendungen [Boe73]. Untersuchungen solcher Werkstoffe zeigen einen großen Einfluss der unterschiedlichen Blechfestigkeiten, der relativen Schichtposition und der überlagerten Streckziehkräfte auf das Rückfederungsverhalten [Hin03]. Einordnung der Schichtverbundwerkstoffe in Leichtbaukonzepte Schichtverbundwerkstoffe, insbesondere aus der Gruppe des Strukturleichtbaus (vgl. Bild 11), sind im Zuge heutiger Bemühungen im Leichtbau ein wichtiges Werkzeug, um den steigenden Anforderungen an Energie- und Resourceneffizienz sowie dem stets zunehmenden Fahr- zeuggewicht zu begegnen. Die Entwicklung leichter Strukturen erfordert häufig sinnvolle Kombinationen aus leichten Werkstoffen und Konstruktionsstrategien. Häufig sind völlig neue Bauweisen notwendig, z. B. bionische Strategien wie die Wabenstruktur. Die Doppel- schalenwerkstoffe stellen eine typische Anwendung des Formleichtbaus dar. Integral- und Sandwichbauweisen dagegen weisen durch gezielte Werkstoffkombinationen und verbesserte Trägheitsmomente bereits eine Verknüpfung zwischen Form- und Stoffleichtbau auf. Die schalldämpfenden Verbunde stellen aufgrund der verringerten Biegesteifigkeit im Vergleich 2 Stand der Technik 31 zu einem monolithischen Werkstoff keinen klassischen Leichtbauwerkstoff dar. Gewichtsein- sparungen werden nur indirekt möglich, wenn auf nachträglich angebrachte Entdröhnmatten verzichtet werden kann. Die unterschiedlichen Leichtbaustrategien für optimale Leichtbau- lösungen werden wie folgt beschrieben [Kle07]: Stoffleichtbau: Es werden schwere Werkstoffe mit dem Ziel einer Massenreduzierung durch stofflich leichtere substituiert. Zum Beispiel wird Stahl, bei gleichen Anforderungen an Stei- figkeit und Festigkeit, durch Verbundwerkstoffe, Aluminium- oder Magnesiumlegierungen ersetzt. Andererseits besitzen hochfeste Stähle ebenfalls ein hohes Leichtbaupotential, da auf- grund der höheren Festigkeiten geringere Blechdicken verwendet werden können. In Bezug auf die genannten Schichtverbundwerkstoffe erfolgen Teilsubstitutionen metallischer Werkstoffe durch leichtere Kunststoffe, Schäume oder Textilien zwischen zwei metallischen Deckblechen. Formleichtbau: Diese Leichtbauweise erfordert gezielte, konstruktive Maßnahmen, um den eingesetzten Werkstoff vollständig auszunutzen. Hierfür werden das Flächenträgheits- moment und dadurch die Bauteilsteifigkeit durch den geometrischen Aufbau erhöht. Es werden zum Beispiel Sicken, strukturierte oder bombierte Bleche, Profile oder auch opti- mierte Krafteinleitungen in die Bauteile verwendet. Schichtverbundwerkstoffe erhöhen das Flächenträgheitsmoment mit ansteigender Zwischenschichtdicke, integrierten Höckern und trapezförmigen Versteifungen. Fertigungsleichtbau: Er beinhaltet die optimale Ausnutzung der technischen Möglichkeiten für die Funktionsintegration und die Reduzierung von Verbindungsstellen mit dem Ziel eines mini- malen Werkstoffeinsatzes. Hierzu zählen z.B. die Tailored Blanks oder die Patchwork Bleche. Hier sind auch innovative Schichtverbundwerkstoffe mit integralen Strukturen einzuordnen. Zur Bewertung des Leichtbaupotentials kann neben einem Massenvergleich bei gleicher Biegesteifigkeit EBI (vgl. Formel 16a) ebenfalls die spezifische Steifigkeit Sspez. (vgl. Formel 16b) oder die Leichtbaukennzahl LBK (vgl. Formel 16c, d) herangezogen werden, die eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Werkstoffen ermöglichen [Kle07]. EB Biegemodul, I Flächenträgheitsmoment, g Erdmassenbeschleunigung, ρ Dichte, FG Gesamtlast, FE Eigenlast, Rp0,2 Ersatzstreckgrenze, L Balkenlänge, h Höhe des Querschnitts 2.2.1 Zwischenschichtmaterialien in Schichtverbundwerkstoffen Innerhalb der zahlreichen Schichtverbundwerkstoffe am Markt werden ebene Schichten, Schäume, Wabenstrukturen oder Textilien aus den verschiedensten Werkstoffen wie 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 32 Papier, Metall, Kunststoff oder Mineralien (z. B. Glasfaser) verwendet. Vor allem für die im Vergleich zu den Deckblechen „schwächere“ Zwischenschicht müssen kohäsive und adhäsive Eigenschaften berücksichtigt werden. Die Kohäsion beschreibt die Bindungskräfte zwischen den Atomen und Molekülen innerhalb eines Stoffes. Die Adhäsion hingegen bezeichnet die Bindungskräfte zwischen zwei unterschiedlichen Phasen. Häufig kommen Zwischenschichten aus Polypropylen (PP) zum Einsatz. Dieser Werkstoff besitzt eine sehr geringe Dichte von ca. 0,9 g/cm³, einem E-Modul von 1300-1800 MPa und einer Zugfestigkeit von 21 – 37 MPa. Da es sich um einen Thermoplast handelt, ist die Gebrauchstemperatur in der Regel auf 100°C begrenzt und ab 160° beginnt der Werkstoff zu schmelzen, weshalb sich dieser nicht für die kathodische Tauchlackierung (KTL) bei ca. 200°C im Karosseriebau eignet. Für dünne Zwischenschichten werden meist Epoxidharze (EP) mit einer sehr geringen Dichte von ca. 1,2 g/cm³, einem E-Modul von 3000-4500 MPa und einer Zugfestigkeit von ca. 80 MPa verwendet. Dabei handelt es sich um einen Duroplast, der bis zu einer Temperatur von 250°C eingesetzt werden kann und nicht recyclingfähig ist. Auf dieser Basis bestehen Karos- serieklebstoffe, wie z.B. Betamate von Dow oder RS8500 von Collano, die unter Temperatur oder durch Zuführung eines Härters die endgültige Festigkeit erreichen [Hab04, Gru00]. Außerdem kommen textile Zwischenschichten zum Einsatz. Grundsätzlich wird der Begriff Textil als ein Sammelbegriff für textile Faserstoffe, Halb- und Fertigfabrikate sowie daraus hergestellte Fertigwaren verwendet [DIN69]. Eine detaillierte Einteilung (vgl. Bild 12) texti- ler Faserstoffe und Garne, wie z.B. Kabel, Filamente oder Monofil, erfolgt nach DIN 60001 [DIN90, DIN88]. Bild 12: Einteilung von technischen Textilien [DIN69, DIN82d] 2 Stand der Technik 33 Für Faserverbundwerkstoffe werden in der Regel Gelege oder Gewebe verwendet, die ent- sprechend ihrer Ausrichtung in der Matrix die Belastungen aufnehmen können [Boi08]. Mit einem Hybridgarn aus einem Thermoplast und einer Verstärkungsfaser können mittels eines beheizten Werkzeuges biegedominierte Bauteile während der Umformung mit metallischen Deckblechen gefügt und anschließend mit einer integrierten Kühlung im Werkzeug abge- kühlt werden [Gro12]. Im Falle der textilen Schichtverbundwerkstoffe mit metallischen Deck- blechen, die vor der Umformung gefügt werden, kommen bevorzugt Maschenwaren zum Einsatz, da das Garn eine bessere Bindung in die (Füge-) Flächen besitzt und gleichzeitig hohe Dehnungen aufgenommen werden können [Lie11]. Während der Umformung müssen die entstehenden Schubspannungen durch die Zwischenschicht aufgenommen werden, um Faltenbildung und Deckblechverschiebungen zu vermeiden. Werden Maschenwaren zwi- schen zwei Deckbleche eingeklebt, können sie bei Raumtemperatur umgeformt werden. Bild 13 zeigt einige Beispiele für solche textilen Zwischenschichten [Ste08, Ste08b, Ste09, Lie11]. Bild 13: Textile Zwischenschichten für Verbundwerkstoffe [Ste08, Lie11] Zwischenschichten versagen nach Bild 14 durch Adhäsions-, Kohäsions- oder einem interla- minaren Mischbruch. Ersteres wird meist durch unzureichende Oberflächenbehandlung her- vorgerufen. Da die kohäsiven Bindungskräfte in der Regel größere Werte als die adhäsiven Bindungskräfte erreichen, weist der Verbund bei einem Kohäsivbruch die maximale Festig- keit auf [Gru00]. Zur Analyse der Zwischenschichten eignen sich insbesondere Verfahren zur Prüfung von Klebeverbindungen, wie z. B. der T-Schälversuch [DIN05], der Rollenschäl- versuch [DIN95] oder der Scherzugversuch [DIN09]. Bild 14: Versagensarten der Zwischenschicht 2.2.2 Kennwertermittlung und Versagen von Schichtverbunden Dehnungen und Spannungen von symmetrischen Laminatplatten ohne Biege- und Torsions- kopplung können mathematisch durch die Plattengleichungen orthotroper, schubstarrer a) Glasfasergewirk b) Polyester Abstands- gestrick c) Aramidgewirk d) Polyestergewirk+Kleb- stoff+Deckblechefaser 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe a) Adhäsionsbruch b) Kohäsionsbruch c) Mischbruch 34 Einzelplatten beschrieben werden. Wird eine vorliegende Schubverformung vernachlässigt, liegen die Ergebnisse auf der unsicheren Seite. Mit der Anzahl der Einzelschichten nimmt dieser Fehler jedoch ab. Im Rahmen der Laminattheorie werden Fasern innerhalb einer Matrix homogenisiert und als „gleichmäßig verschmiert“ betrachtet. Solche Einzelschichten können wiederum zu einem Schichtverbund bzw. zu einem Laminat mit verschiedenen Festigkeiten und Steifigkeiten verbunden werden. Zwischen diesen Schichten können Ablösungen auf- treten, die als Delamination bezeichnet werden. Mit der Mindlinschen Plattentheorie kann zum Beispiel die Querschubverzerrung berücksichtigt werden. Die Lösung der Sandwich- und Laminatplattentheorie erfolgt mit den Methoden nach Ritz oder der Finiten Elemente. Für Sandwichplatten mit dünnen Deckschichten und sehr weichem Kern gilt der Sonderfall, dass an den Außenschichten keine Biegung auftritt und der Kern lediglich Querschubspan- nungen aufnimmt [Alt96]. Der Elastizitätsmodul des Schichtverbundes kann nach der Laminattheorie aus der Summe der einzelnen Schichten bestimmt werden. Diese Theorie setzt jedoch quasi homogene Eigen- schaften der Einzelschichten, einen festen Verbund (gleiche Verzerrungen in der Verbin- dungsfläche) sowie ein gemeinsames Antwortverhalten auf äußere Belastungen voraus. Hier- bei muss darauf geachtet werden, ob eine Parallel- oder Reihenschaltung der Einzelschichten in Bezug auf die Belastung vorliegt. Die Formeln in Bild 15 gelten für unidirektionale Schichten unter Vernachlässigung der Querdehnung [Alt96]. Bild 15: Berechnung des Elastizitätsmodul eines Laminates [Alt96] Das Schubmodul G wird nach dem Reuss Modell bei gleichen Spannungen aber unterschied- lichen Scherungen mit der nachfolgenden Formel bestimmt [Alt96]. Bild 16 gibt einen Überblick von möglichen Versagensarten aus umformtechnischer Sicht, die in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten beschrieben wurden [Kle07, Ram92, 2 Stand der Technik 35 Wie96, Bit97, Hel02, Lan06, Hab04, Jac08]. Diese Übersicht zeigt die unterschiedlichen Belastungen von Schichtverbundwerkstoffen, die im Vergleich zu monolithischen Werk- stoffen zu einer Änderung der Spannungsverteilungen in den einzelnen Schichten führen. Zusammenfassend gilt, dass Normalspannungen vorwiegend durch die Hüllbleche und Schubspannungen durch die Zwischenschicht aufgenommen werden. Die Tragfähigkeit der Hüllbleche wird unter Biegung optimal ausgenutzt, da in der Randfaser die höchste Belastung wirkt. Die Zwischenschicht erfährt im Bereich der neutralen Faser lediglich geringe Belastungen. Bei einer genauen Betrachtung setzt sich die gesamte Durchbiegung eines Schichtverbundes aus einer Biegeverformung und einer überlagerten Schubverfor- mung zusammen. Die Addition beider Anteile wird als Methode der Partialdurchsenkung bezeichnet [Lan78, Kle07]. Bild 16: Mögliche Versagensarten von Schichtverbundwerkstoffen [Bol11b] 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 36 Zur Ermittlung der Eigenschaften der Einzellagen und des gesamten Verbundes können zahl- reiche genormte Prüfverfahren und unterschiedliche Probengeometrien für metallische Werk- stoffe, Kunststoffe, faserverstärkte Kunststoffe oder Kernverbunde verwendet werden. Der Zugversuch [DIN01, DIN03c], der Schälzugversuch [DIN05], der Scherzugversuch [DIN09], Biegeversuche [DIN82, DIN05b, DIN97], der Druckversuch [DIN78, DIN03d], Schubversuche [DIN82b, DIN82c] und der Nakajimaversuch zur Aufnahme von Grenzformänderungs- kurven [ISO06] dienen der Ermittlung mechanischer Werkstoffkennwerte. Diese kommen vor allem als Eingangsparameter für die Finite Elemente Simulation sowohl des Umform- vorgangs als auch der späteren Bauteileigenschaften zum Einsatz [Neu06, Nut07]. Nach Altmann liegt der Schwerpunkt der Werkstoffprüfung auf der quasihomogenen Einzel- schicht und den Grenzschichten [Alt96]. Jedoch wird auch die experimentelle Prüfung von Belastungsfällen, wie z.B. mehrachsige Spannungszustände, zyklische Beanspruchungen, zeitabhängiges Verhalten oder Stöße, empfohlen. Nach wie vor ist es schwierig, definierte mehrachsige, versagensrelevante Spannungszustände zu messen. Eine mikro- bzw. makro- mechanische Versagensanalyse mit Hilfe eines allgemeinen Kriteriums ist nicht bzw. nur mit großen Schwierigkeiten möglich [Alt96]. Im Bereich der Faserverbundwerkstoffe haben sich nach Daniel und Ishai vor allem der Kreuzzugversuch ebener Platten aber auch rohrförmige Proben für die Ermittlung der gesamten Verbundeigenschaften bewährt. Rohrförmige Proben unter Zugbelastung an den Enden und einer gleichzeitigen Belastung durch einen Innendruck erlauben die Einstellung beliebiger mehrachsiger Spannungszustände [Dan06]. Experimentell kann die Delamination mit zerstörender Prüfung durch Auftrennen oder mit zerstörungsfreien Prüfmethoden, wie thermographische bzw. computertomographische Unter- suchungen, festgestellt werden [Has10, Ste08, Zäh08]. Die zerstörungsfreien Methoden erfordern komplexe und teure Anlagen. Das Auftrennen der Bauteile erfolgt idealerweise sehr vorsichtig und ohne Temperatureinwirkung. Außerdem kann die FEM Simulation zur Bestimmung von delaminationsgefährdeten Bereichen verwendet werden [Neu06, Nut08]. 2.2.3 Dämpfung und Akustik von Schichtverbundwerkstoffen „Dämpfung in mechanischen Systemen wird die bei zeitabhängigen Vorgängen stattfindende irreversible Umwandlung mechanischer Energie in andere Energieformen bezeichnet. Neben Reibung, Wellenausbreitungs- oder Strömungsvorgängen können auch Phasenumwand- lungen in Werkstoffen oder Energieumwandlungen infolge elektromechanischer und piezoelektrischer Vorgänge auftreten“ 1 [VDI04]. Untersuchungen bezüglich der Dämpfung von festhaftenden Belägen auf Blechen [Ros59] und viskoelastischer Verbundwerkstoffe 2 Stand der Technik 1 VDI 3830-1: Werkstoff- und Bauteildämpfung - Einteilung und Übersicht, VDI-Gesellschaft Entwicklung Konstruktion Vertreib, 2004. 37 [Obe52] sind bereits seit langem bekannt. Viskoelastische Zwischenschichten besitzen eine hohe Temperatur- und eine geringe Frequenzabhängigheit. Eine Temperaturerhöhung bei konstanter Frequenz und eine Frequenzverringerung bei konstanter Temperatur führen zur Erweichung des Werkstoffes und einer deutlichen Veränderung des Dämpfungswerts [Wan99]. Bei geschichteten Werkstoffen ohne Relativbewegung zwischen den einzelnen Schichten wird der Verlustfaktor aus der Summe der Einzelschichten bestimmt. Wirkt eine Relativbewegung zwischen den Einzelschichten, so wird dies als Dämpfung an Fügestellen bezeichnet [VDI04b]. Zur Bestimmung der Dämpfungseigenschaften werden Dynamisch- Mechanische-Analysen (DMA) durchgeführt [DIN96, BWM02, VDI04e]. Fahrzeugbauteile werden durch tieffrequente Schwingungen, die der Motor in seinem gesam- ten Drehzahlbereich in die Karosserie einleitet, angeregt und sollten bezüglich der Biege- schwingung oberhalb von 200 Hz ausgelegt werden. Durch die Fahrzeugreifen werden 50 bis 100 Hz (abhängig von der Reifenart bzw. des Fahrbahnbelages) in die Karosserie übertragen. Zudem sollte die Lagerung von schwingenden Bauteilen an Punkten niedriger Amplituden der Eigenformen erfolgen [Bra03]. Forschungsarbeiten nach Blanchet im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung des Abstrahl- verhaltens, der Bauteilschwingung und der Bauteilsteifigkeit (auch bekannt unter NVH: Noise, Vibration and Harshness) zeigen, dass ab einer Grenzfrequenz, die für 1 mm dickes Stahlblech bei 10 000 Hz und für das gleiche Blech mit Längssicken bei 4000 Hz liegt, der akustische Abstrahlgrad sich dem idealen Wert 1 annähert (vgl. später Kapitel 5.1.7). Unterhalb dieser Grenzfrequenz treten große Abweichungen von diesem Idealwert auf. Zudem zeigte Blanchet, dass zum Beispiel durch Längssicken die Biegesteifigkeit in der ersten Eigenform wesentlich verbessert wird, sich aber im Gegenzug Erhöhungen der abgestrahlten Schallleistung einstel- len. Die erhöhte Steifigkeit durch Sicken führt außerdem zu einer Verschiebung der Maxima der Schallgeschwindigkeit zu höheren Frequenzen [Bla11]. Weitere Forschungsarbeiten betonen ebenfalls den Bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung der NVH, vor allem bei Verbundwerk- stoffen für einen effizienten Systemleichtbau [For09]. Analytische und numerische Lösungs- ansätze von schubelastischen Zwischenschichten in Bezug auf die Reduzierung der Dämpfung und der Schallabstrahlung wurden von Hufenbach veröffentlicht [Huf05b, Huf05c]. 2.2.4 Besondere Merkmale der Umformung von Schichtverbundwerkstoffen Grundsätzlich muss für die Umformung von Schichtverbundwerkstoffen zwischen dünnen, tiefziehfähigen und dicken, lediglich biegbaren Varianten differenziert werden. Zudem muss bei der Umformung von Schichtverbundwerkstoffen stets auf Delaminationen, Deck- blechverschiebungen, Quetschungen des Kerns oder Faltenbildung/Reißen an einem der Deckbleche geachtet werden. Diese hängen stark von der Auslegung der einzelnen Dicken und Festigkeiten der Schichten ab. 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 38 Beim Tiefziehen von Schichtverbundwerkstoffen für Leichtbaustrukturen mit harten, relativ dicken Zwischenschichten und dünnen Deckblechen zeigt sich, dass niedrigere Blechhalter- kräfte eingestellt werden müssen. An scharfen Kanten und Radien treten höhere Formände- rungen auf [Kop04]. Aufgrund der fehlenden Stützwirkung des Kerns besteht die Gefahr der Faltenbildung des stempelseitigen Deckblechs [Nut08, Lan05]. Bei Zwischenschichten aus Polypropylen wirkt sich eine Temperaturerhöhung auf ca. 60 bzw. 75°C positiv auf das Umformergebnis aus [Neu06, Gre06]. Mosse untersuchte den Einfluss der Temperatur, der Umformgeschwindigkeit sowie der Werkzeuggeometrie bei Biege- und Tiefziehuntersuch- ungen von Verbunden mit metallischen Deckblechen und mit eingeklebten Faserverbund- schichten [Mos05, Mos06a, Mos06b]. Untersuchungen zur Faltenbildung nutzen die Modell- versuche der Keil- und der Beulprüfung nach Yoshida, die Verbesserungen der Beulfestigkeit von Verbundblechen nachweisen [Che04]. Ebenfalls wurden Grenzformänderungskurven für einen Aluminiumverbund mit einer Polypropylen-Zwischenschicht ermittelt [Kim03]. Manabe schlägt vor allem für schwer tiefziehbare Materialien, wie z. B. Sandwichbleche, eine Methode mit einer variablen Blechhalterkraft vor, so dass die Stempelkraft genau un- terhalb der Reißkraft der Platine verläuft [Man87]. Morovvati stellt eine Optimierung des Platinenzuschnitts für Verbundbleche mit Hilfe von neuronalen Netzen vor [Mor10]. Die Tailor- Bonded Blank Technologie wird trotz einer relativ geringen Zwischenschichtdicke einer reinen Leichtbauanwendung zugeordnet. Hierbei werden hochbelastete Bereiche partiell verstärkt und die Umformung mit bereichsweise ermittelten Kennwerten und Grenzform- änderungskurven bewertet [Lee12]. Beim Tiefziehen von schalldämpfenden Schichtverbundwerkstoffen werden aufgrund der größeren Deckblechdicken und der Stützwirkung durch sehr dünne, viscoelastische Zwischen- schichten hohe Grenzziehverhältnisse bei ca. doppelten Blechhalterkräften erzielt [Nut08, Tks10, Kne09, Lös10, Sta89]. Grundsätzlich beruhen die Deckblechverschiebungen in Schichtverbundwerkstoffen auf der höheren Reibung am matrizenseitigen Deckblech, denn dort besteht zusätzlich Kontakt mit dem Matrizenradius. Dickere Kernschichten, z. B. aus Polypropylen, und hohe Deckblechfestigkeiten können diesen Effekt zusätzlich verstärken [Kop04, Nut08, Par10, Par08]. Die Biegeumformung wird häufig bei nicht tiefziehbaren Schichtverbundwerkstoffen für Leichtbaustrukturen mit Dicken über 2 mm verwendet. Hellinger führte 4-Punkt Biegever- suche mit solchen Leichtbauverbundblechen durch [Hel02]. Der Verbund Alucobond® kann lediglich durch einseitig gefräste Nuten mit kleinen Radien gebogen werden [Alc10b]. Das Falzen tiefziehbarer Schichtverbundwerkstoffe für Leichtbaustrukturen Hylite® und Usilight® wird mit einer gezielten Temperaturerhöhung und durch eine vorangestellte Prägeoperation zur Reduzierung der Zwischenschichtdicke ermöglicht [Neu06]. Für Zwischenschichtdicken von 0,5 bis 1 mm gelten folgende Anhaltswerte für minimale Biegeradien: 3 bis 4-facher 2 Stand der Technik 39 Wert der Gesamtdicke für Aluminiumdeckblech; 2 bis 3-facher Wert der Gesamtdicke für Stahldeckbleche [Nut08]. Für schalldämpfende Schichtverbunde können die gleichen minimalen Biegeradien wie bei monolithischem Blech realisiert werden [Nut08]. Formel 20 beschreibt den Anstieg der Schubspannung in der Zwischenschicht τZS durch Deckbleche mit höherer Zugfestigkeit Rm. Dieser Effekt kommt vor allem bei kleinen Biegeradien und Schichtverbunden mit dünnen Zwischenschichten zum Tragen. Die Zugspannungen in der Außenfaser sind in der Regel unkritisch, jedoch führen die erhöhten Scherspannungen zu Delaminationen. Im Gegensatz dazu versagen dickere Zwischenschichten und dünne Deck- bleche aufgrund der hohen Zugspannung durch Reißer im Blech [Nut07]. Den sogenannten Gullwing-Effekt beim Biegen von Schichtverbundwerkstoffen beschreiben Takiguchi und Atzema. Vor allem bei schubweichen, schalldämpfenden Zwischenschichten entsteht durch die Verkürzung des unteren Deckblechs im Vergleich zum oberen ein Biege- moment, das zum Einfallen der Biegeschenkel führt (vgl. Bild 17 ) [Tak01, Tak03, Tak03b, Atz94]. Kessler führte sowohl experimentelle als auch simulative Untersuchungen bezüg- lich der Biegung von solchen schalldämpfenden Bondalblechen durch [Kes96]. Corona und Eisenhour untersuchten die Rückfederung beim Abkanten schalldämpfender Verbunde und weisen den Einfluss des Abkantweges, der Zeit nach der Umformung, der Deckblechfestig- keit und der Deckblechdicke nach [Cor07]. Kleiner zeigt, dass mit einer Wärmebehandlung während oder nach der Umformung die Bauteilqualität und die verzögerte Rückfederung verbessert werden [Kle99]. Engel und Buhl untersuchen Dämpfungsbleche mit dem Scher- zugversuch, die Biegeumformung bezüglich der Deckblechverschiebung sowie das Walz- profilieren [Eng11]. Asymmetrische Schichtverbunde sind sowohl für Leichtbau- als auch für Dämpfungsverbundbleche bekannt. Diese können zum Beispiel zum Ausgleich erhöhter Formänderungen unter Biegebeanspruchung an der Außenseite eines Schichtverbundes ein- gesetzt werden [Nut08, Hyl10, Tks10]. 2.2 Grundlagen der Verbundwerkstoffe 40 1-Stempel; 2-monolithische Platine; 3-Schichtverbund; 4-Gesenk Bild 17: Biegen von Schichtverbunden: a) Verfahrensprinzip Gesenkbiegen mit dem Gullwing-Effekt, b) Überlagerung von Biege- und Schubverformung Weitere umformtechnische Untersuchungen mit Schichtverbunden lauten: • Die inkrementelle Umformung von Sandwichblechen sowohl mit einer Zwischenschicht aus Polypropylen als auch Aluschaum wurde von Jackson et. al untersucht [Jac08]. Außerdem wurden inkrementelle Arbeiten durch Kugelstrahlen der Sandwichbleche Hylite und Alucobond durchgeführt [Dac10]. • Hashmi et al. führte simulative und experimentelle Analysen der Innenhochdruckum- formung von mehrschichtigen Rohren aus Verbundwerkstoffen durch. Hierbei wurde besonderes Augenmerk auf die Versagensfälle durch zu hohe Innendrücke und zu hohe Nachschiebekräfte gelegt [Has07]. Lang formte dünne Folien zwischen zwei Deck- blechen mittels hydromechanischen Tiefziehens um [Lan05b]. • Scherschneiduntersuchungen mit Mehrfachblechen und dem Sandwichwerkstoff Hylite® lieferten Prozessparameter für eine optimale Schneidqualität [Neu07b]. Schneidunter- suchungen von Schichtverbunden mit einer elastischen Zwischenschicht führte Kim bei einer Variation der Deckblechdicken durch [Kim12]. • Die Schubspannung in der Zwischenschicht kann im Scherzug- und im Schälzug- versuch durch das Anschrägen des Deckblechs mit einer Fase der vierfachen Länge der Zwischenschichtdicke merklich reduziert werden [Hag09]. Dieser Effekt kann für das versagensfreie Umformen von Verbunden vor allem bei hohen Deckblechverschiebungen mit der Gefahr der Delamination verwendet werden. 2.3 Versteifung von Blechformteilen Grundsätzlich wird die Steifigkeit durch das Formelement und die Festigkeit durch die Kalt- verfestigung im Umformprozess erhöht. Solche Formelemente sind: Randversteifungen, Durchzüge, Sicken (Trapez, Halbrund, Rechteck), etc. (vgl. Bild 18 und Bild 19). Es wird in der Regel kein zusätzlicher Werkstoff benötigt, da lediglich die Oberfläche vergrößert wird. Alternativ werden auch Höcker [Tro10] oder durch Fügen angebundene Rippen [Kor05] zur Versteifung von Blechteilen verwendet. Häufig kommen auch Bombierungen oder vereinzelt 2 Stand der Technik 41 auch Verfahren wie das Wölbstrukturieren zum Einsatz [Mir11]. Ein weiteres Verfahren zur Versteifung von Blechen mit wabenförmigen Bombierungen stellt das „Form-Field-Structure- Pressing“ mit Hilfe eines metallischen Werkzeuges und einem Elastomer dar [Beh11]. Das Biegeverhalten von strukturierten Blechen wurde von Malikov untersucht [Mal11]. Solche wabenförmigen Versteifungselemente wurden von Fritzsche im Zugversuch untersucht [Fri11]. Versteifungselemente können sich sowohl positiv als auch negativ auf die akustischen Bau- teileigenschaften auswirken. Die VDI Richtlinie 3830-2 beschreibt die Versteifung mit Rippen als eine Unterteilung der Gesamtfläche in Teilflächen, weshalb sich unterhalb der Grenzfrequenz der Abstrahlgrad erhöht [VDI05]. Dagegen beschreibt die Patentschrift EP 1540148B1 eine gezielte Anordnung von Sicken zur massiven Reduzierung der Schallab- strahlung bei Schalldämpfern von -10dB [Lüh03]. Die Wichtigkeit von Dämpfungsmaterial an versickten Blechen zeigt Wang auf und stellt diesbezüglich eine Finite Elemente Berech- nungsmethode mit Schalenelementen zur Vorhersage der Schwingungseigenschaften der Bauteilstruktur vor [Wan99]. Bild 18: Randversteifungen von Blechbauteilen Die Sicke wird definiert als „eine rinnenartige Vertiefung oder Erhöhung in ebenen oder gewölbten Blechflächen, wobei die Tiefe gegenüber der Länge klein ist“ [Wid84]. Sie ermög- licht eine Versteifung von Blechteilen ohne zusätzliche Bauelemente und somit eine geringere Blechdicke und dadurch Gewichtseinsparungen. Sicken können sowohl nach ihrer Form als auch nach ihrer Anordnung auf dem Blech unterschieden werden (Bild 19). Mit einem 2.3 Versteifung von Blechformteilen 42 U-Profil der Sicke stellen sich die höchsten Flächenträgheitsmomente ein. Versteifungs- sicken in flachen Bauteilen aus Blech kommen in zahlreichen Anwendungen, wie z. B. der Abtropffläche der Küchenspüle, zum Einsatz. Zusätzlich zur Versteifung von Blechbauteilen werden Sicken als optische, dekorative Elemente, als Begrenzungs- oder Leitsicken, zur Führung von Strömungen [Boi08], als Fügeelemente oder zur Beeinflussung der Eigen- frequenzen verwendet. Bild 19: Einteilung von Sicken nach Form und Anordnung [Oel68] Der Versickungsgrad ψ beschreibt das Verhältnis des Obergurtes a zum Untergurt b-a und charakterisiert somit das Verhältnis von versickter zu ebener Fläche (vgl. Bild 20). Bild 20: Bezeichnungen an der Sicke mit der Form eines U-Profils Das Flächenträgheitsmoment Ix des Sickenquerschnitts wird mit der Formel 22 berechnet [Emm04]. Die Sickenhöhe in dritter Potenz und die Steiner’schen Anteile ISteiner tragen wesentlich zur Erhöhung der Steifigkeit bei. Die Fläche des Obergurtes beeinflusst somit das a) Sickenquerschnitt b) Seitenansicht 2 Stand der Technik 43 Trägheitsmoment wesentlich. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass sich die Höhe des Schwerpunktes Sges aus Formel 23 in Richtung des Sickenobergurtes verschiebt. Dies gilt es vor allem zu berücksichtigen, wenn der Versickungsgrad ψ ≠ 1 ist. Die Durchbiegung ω eines versickten Biegebalken wird nach Formel 24 aus der Biegekraft F, der Sickenlänge l, dem Biegemodul E und dem Flächenträgheitsmoments I des Sicken- querschnitts berechnet. Der Einfluss der Einspannung C* auf die Durchbiegung wird bei dem Vergleich des Auflagers mit der festen Einspannung deutlich (Verhältnis 1 zu 4). Da die Sickenlänge in dritter Potenz in die Durchbiegung eingeht, sollten Bauteile mit Sicken idea- lerweise kurz ausgeführt werden. Die entsprechenden Spannungen σ werden mit der Formel 25 und das Biegemoment Mb nach Formel 26 berechnet. Bei der Fertigung von Sicken kann auf das Hohlprägen zurückgegriffen werden. Durch den Einsatz eines Blechhalters wird die Faltenbildung verhindert. Eine zu starke Streckziehbean- spruchung reduziert die maximal zulässige Belastung [Wid84, Lan92]. Scharfe Radien in Sicken mit U-Profil führen zu höheren Trägheitsmomenten. Wird der Werkstofffluss durch scharfe Werkzeugradien oder hohe Reibung nicht gehemmt, versagt der Werkstoff im Bereich der Sickenausläufe, da sich hier die größten Formänderungen einstellen. Zu beachten ist vor allem das Umformverhalten des Blechs bei der Fertigung von Mehrfachsicken; hier kommt es bei direkt nebeneinander liegenden Sicken zu einer verstärkten Ausdünnung [Wid84, Kir81, Got94]. Die maximale Sickenhöhe hmax kann nach Formel 27 mit der Werkstoffkonstanten c, dem Verfestigungsexponenten n und der Gesenkweite a berechnet werden. Mit einer Abwei- chung von 10 % kann diese Formel auch für Mehrfachsicken verwendet werden [Lan90]. Ein flacher Sickenauslauf führt im Vergleich zu einem halbrunden Auslauf zu einer Erhöhung der Sickenhöhe um 10 % [Wid84]. 2.3 Versteifung von Blechformteilen 44 Das Walzprofilieren von Profilen zählt zu den kontinuierlichen Biegeverfahren. Das Band- material aus Blech wird von mehreren Walzpaaren schrittweise umgeformt und eignet sich als ein besonders kostengünstiges Verfahren für die Herstellung von großen Stückzahlen. Das Rollsicken und die Hydro-Hochdruckblechumformung (HBU) sind weitere Alternativen für die Herstellung der Sicken. Die HBU setzt sich aus einer ersten Phase mit Werkstoff- fluss und einer zweiten anschließenden Phase des hydraulischen Tiefens ohne Werkstofffluss zusammen [Bor10, Tro10]. Gestaltungsrichtlinien für die Versteifung von Blechformteilen durch Sicken: Grundsätzlich sollte sich das Sickenbild nicht am Umriss des Bauteils orientieren, sondern bewusst davon abweichen. Demzufolge eignen sich z. B. unregelmäßige, runde oder diagonal verlaufende Sicken in rechteckigen Umrissen. Basierend auf experimentellen Erfahrungen gilt zusammenfassend [Oel68, Kie55, Wid84]: • Die Sickenhöhe beeinflusst maßgeblich die Bauteilsteifigkeit. • Die Wanddickenreduktion durch die Umformung wirkt sich nur geringfügig auf die Bauteilsteifigkeit aber wesentlich auf die Spannungsverteilung aus. • Sicken sollten nur bei Bedarf verwendet werden. • Geradlinige und kreisrunde Sicken sollten aus Kostengründen bevorzugt werden. • Es sollten keine unversteiften Randbereiche entstehen. • Knotenpunkte sich kreuzender Sicken sollten vermieden werden. • Sickenhöhen unterhalb der doppelten Blechdicke erzielen nahezu keine nennenswerte Versteifung des Bauteils. • Trägheitsbevorzugte Achsen x, y und z (vgl. Bild 21) sollten vermieden werden. • Diagonale Sicken sollten nicht direkt in den Bauteilecken auslaufen. • Das Abrunden von Sickenausläufen vermindert die Ausdünnung und erhöht die Bau- teillebensdauer. Außerdem sollten die Abstände des Sickenauslaufes zum Bauteilrand gering sein. • Ein Versickungsgrad von 1 für maximales Widerstandsmoment sollte angestrebt werden. 2 Stand der Technik 45 Bild 21: Beispiele für Sickenmuster mit trägheitsaxialbevorzugten Achsen [Oeh68] Unter Berücksichtigung der Belastung und Einspannung kann auf topografische Struktur- optimierungsprogramme, z. B. auf Altair-Optistruct® oder Tosca-Bead® [Sau04], zurück- gegriffen werden. Das Ergebnis einer Strukturoptimierung stellt ein Finite-Elemente-Netz mit der optimierten Topographie dar, welches die Grundlage für das neue Sickenbild bildet. Die Ergebnisse müssen im Anschluss interpretiert und die FE-Netze noch in CAD-Flächen rückgeführt werden [Sch02]. Auf der Basis aktuellerer Untersuchungen werden die bereits genannten Richtlinien nach [Oel68, Kie55, Wid84] um folgende Punkte ergänzt [Her96, Sch94, Mai92, Sch02, Bod96]: • Sicken in Belastungsrichtung erhöhen die Knickstabilität des Bauteils. • Durch die Zunahme der Bodensteifigkeit steigt auch die Eigenfrequenz des Bauteils. • Unregelmäßige Versickung reduziert die Schallabstrahlung des Bauteils. • Abweichungen des Sickenlayouts vom äußeren Umfang des Bauteils erhöhen die Versteifungswirkung. • Sickenbilder weisen mit zunehmender Sickenhöhe einen degressiven Anstieg der Bodensteifigkeit auf. • Die Orientierung der Sickenbilder beeinflusst die Bodensteifigkeit und ist abhängig vom Lastniveau, der Bauteilgröße, der Sickenhöhe und der Einspannung. Je weicher die Einspannung ausgeführt wird, desto geringer ist der Einfluss der Sicke auf die Bodensteifigkeit. • Unter Normal- und Schubbelastung der Sicken wird der Kraftangriffspunkt verschoben und es entsteht eine Zugspannung, die zu einer Aufweitung der Sicken führt. • Für die Gestaltung fest eingespannter Sickenbilder sind ringförmige Anordnungen um die Krafteinleitung und breite Längssicken parallel zu den langen Bauteilseiten vorteilhaft. • Für weiche Einspannungen erweisen sich Quer- und Längssicken über das ganze Bauteil als geeignet. • Optimierte Sickenbleche erreichen einen hohen Versickungsgrad. 2.3 Versteifung von Blechformteilen 46 Von Reitter wurden diese Richtlinien ebenfalls zusammengefasst und ein Berechnungstool zur Herstellbarkeit in Abhängigkeit von der Sickengeometrie vorgestellt [Rei13]. In der Arbeit von Emmrich wurden Optimalitätskriterien für die Gestaltung von Sicken- anordnungen formuliert. Eines dieser Kriterien lautet, dass die Sicken parallel zur ersten Hauptbiegespannung verlaufen sollten. Zudem werden weitere Konstruktionsregeln, wie z. B. die Priorisierung von biegebeanspruchten Bereichen oder der regionale Versickungsgrad von 1, aufgestellt. Mittels eines Alogrithmus wird ein automatischer Sickenentwurf generiert, der anschließend noch mit Details, wie Sickenwinkel oder Verrundungen, im CAD versehen wird [Emm04]. In Forschungsarbeiten wird diese Arbeit durch eine Kopplung mit inversen Umformsimulationen fortgeführt. Dadurch soll deren fertigungstechnische Machbarkeit unter Berücksichtigung der Umformgeschichte in den Optimierungsprozess des gesamten Bauteils integriert werden. In einem Prüfstand nach Nakajima werden unterschiedliche Spannungs- zustände erzeugt [ISO06], in die zu Prozessende Sicken eingeprägt werden. Somit kann erfasst werden, bei welcher umformtechnischen Vorgeschichte mit Bauteilversagen zu rechnen ist [Krö10, Krö10b, Alb09]. 2.4 Finite Elemente Methode in der Blechumformung Mit der Finiten Elemente Simulation kann die Fertigung eines Blechformteils virtuell unter- sucht werden. Hierfür können folgende Berechnungen durchgeführt werden [Dyn10]: • Bestimmung des Platinenzuschnitts • Schwerkraftberechnung beim Einlegen großer Platinen • Berechnung des Ziehteils inklusive der Ziehsicken • Analyse und Optimierung der Prozessgrößen mit Hilfe von statistischen Methoden • Ermittlung der Rückfederung und deren Kompensation • Berechnung des Bauteilbeschnittes bzw. des Bauteilumrisses • Berechnung von Fügeoperationen, z. B. dem Rollfalzen Mit der Finiten Elemente Methode (FEM) werden komplexe Geometrien und deren Werk- zeuge mit Membran-, Schalen, oder Volumenelementen dargestellt. In der Blechumformung wird bevorzugt das Schalenelement eingesetzt. Für diese einzelnen Elemente werden Ansatz- funktionen, die den Steifigkeitsanforderungen genügen müssen, ausgewählt. Die Überlage- rung der einzelnen Elementsteifigkeitsmatrizen ergibt die Gesamtsteifigkeitsmatrix . Den Zusammenhang des Lastvektors und der unbekannten Verschiebungen mit der Matrix zeigt Formel 28 [Gro02]. Die Lösung dieses Gleichungssystems erfolgt mit Hilfe komplexer Algorithmen [Zie84, Rol05, Rol07]. 2 Stand der Technik 47 In Abhängigkeit vom Spannungszustand wird bei der Berechnung in zwei- und dreidimensio- nale Aufgabenstellungen unterschieden. Umformung bei ebener und Torsionsbelastung sowie axialsymmetrische Bauteile werden als zweidimensionale Fälle betrachtet. Alle unsymmetri- schen Geometrien bei einem dreiachsigen Spannungszustand sind dreidimensionale Berech- nungsaufgaben. Zur vollständigen Beschreibung des mit Elementen vernetzten Bauteils muss entweder ein plastisches oder ein elastisch-plastisches Materialmodell ausgewählt werden. Bild 22 zeigt eine Übersicht der Einflussgrößen auf die FEM Simulation. Darüber hinaus werden Kräfte, Spannungen und Dehnungen, welche die Zielgrößen darstellen, aufgeführt. Entscheidend für ein gutes Simulationsergebnis sind die Qualität der Eingangsparameter, wie z. B. die Materialdaten und eine genaue Abbildung des Umformprozesses. Bild 22: Übersicht der Einfluss- und Zielgrößen der FEM Simulation Die Vorgehensweise einer FEM Simulation wird in Bild 23a) erläutert. Das CAD-Modell, bestehend aus Werkzeug und Platine, wird im Preprozessor mit Schalenelementen vernetzt und mit den Materialdaten sowie Randbedingungen zu einem Simulationsmodell hinterlegt. Ein Beispiel für eine Randbedingung ist der Werkzeugkontakt mit der Platine. Der Berech- nung der Knotenverschiebungen, Dehnungen und Spannungen folgt die Auswertung dieser Ergebnisse im Postprozessor. Bild 23: a) Vorgehensweise der FEM Simulation, b) Beispielhafter Aufbau für einen Tiefziehprozess 2.4 Finite Elemente Methode in der Blechumformung 48 2.4.1 Explizite und implizite Verfahren der FEM Berechnungen von Umformprozessen werden sowohl implizit als auch explizit durchge- führt. Das explizite Verfahren besteht aus einer sukzessiven Lösung, ausgehend von einem Anfangswert zk. Der folgende Schritt zk+1 hängt vom gewählten Zeitintervall Δt ab und ergibt sich nach Formel 29 direkt aus dem vorangegangenen Schritt [Gro02]. Interne und externe Kräfte werden für jeden Knotenpunkt aufsummiert und eine Knoten- beschleunigung wird durch eine Division durch die Knotenmasse bestimmt. Die Berechnung erfolgt durch eine Integration dieser Beschleunigung über der Zeit [Lsd07]. Mit größeren Zeitschritten Δt wird Rechenzeit eingespart, wobei die Güte der Approximation der Rechen- schritte sinkt. Zu groß gewählte Zeitintervalle führen zu instabilen Integrationen. Ein Zeit- schritt wird als kritisch bezeichnet, wenn er mit der Eigenfrequenz ωmax des Systems korre- liert (vgl. Formel 30). Explizite Verfahren kommen vor allem bei der Lösung dynamischer Probleme zum Einsatz, z.B. in Crashsimulationen aber auch für Umformsimulationen in der Blechumformung. Implizite Verfahren berechnen den Zeitschritt zunächst für einen unbekannten Zeitpunkt. Für das Zeitintervall Δt wird ein Ansatz für die unbekannte Geschwindigkeit und die Ver- schiebung in Abhängigkeit von der Beschleunigung gewählt [Gro02]. Diese Verfahrens- art verläuft unabhängig vom Zeitschritt stabil und kann vom Benutzer festgelegt werden. Es müssen große Gleichungssysteme berechnet werden, wodurch eine Abhängigkeit vom Lösungsalgorithmus entsteht. Für die Berechnung muss die globale Steifigkeitsmatrix berechnet, invertiert und auf die Knotenkräfte aufgebracht werden, um eine inkrementelle Verschiebung zu erzielen [Lsd07]. Implizite Verfahren kommen hauptsächlich bei statischen Problemen, wie der Strukturmechanik, zum Einsatz. In der Blechumformsimulation wird diese Methode z. B. zur Berechnung der Rückfederung verwendet. Für die implizite Berechnung muss das Blechwerkstück entweder durch eine Fest-Los-Lagerung oder der Funktion „Inertia Relief“ (Trägheitsentlastung) festgehalten werden [Gri08]. 2.4.2 Modellierung von Schichtverbundwerkstoffen Die Modellierung von Schichtverbundwerkstoffen kann im Gesamtverbund, bei dem die umzu- formende Platine mit den Werkstoffkennwerten des Verbundes hinterlegt wird („verschmierte“ Kennwerte), erfolgen. Diese Vorgehensweise eignet sich vor allem für schnelle Berechnungen, deren Schwerpunkt auf der Machbarkeit von Bauteilen liegt. Vor allem aus der Berechnung von Faserverbundwerkstoffen sind geschichtete Schalen- oder Solid-Elemente bekannt (z. B. Layered oder Thick Shell). Dabei werden die Kennwerte der Einzelschichten berücksichtigt, jedoch können keine Aussagen bezüglich Delaminationen getroffen werden [Cha09]. 2 Stand der Technik 49 Alternativ werden die einzelnen Schichten modelliert und mit den entsprechenden Kennwerten zur Berücksichtigung von Delaminationen oder Dehnungen in den Grenzschichten hinterlegt. Hierfür wurden unterschiedliche Ansätze in kommerzielle Softwareprogramme implementiert und anhand einiger exemplarischer Untersuchungen im Folgenden zusammengefasst. Makinouchi entwickelte einen FE-Code für Biegeprozesse, der die Darstellung von Falten im Biegeschenkel und Deckblechverschiebungen ermöglicht [Mak89]. Schichtverbundwerkstoffe wurden mit dünnen, dämpfenden Zwischenschichten aus viskoelastischem Epoxidharz simu- lativ durch ein Federmodell im Programmsystem MSC Marc® abgebildet und anhand prak- tischer Versuche validiert [Kes96, Büs95]. 3D Schalenelemente (auch Solid-Shell-Elemente genannt) wurden ebenfalls für die gleiche Anwendung verwendet, da diese hohe Dehnungen und hohe Kontaktdrücke übertragen können [Har06]. Li et al. untersuchte schalldämpfende Verbunde im Scherzug-, Schälzug- und 3-Punkt-Biegeversuche, die er mit Hilfe eines ent- wickelten, nicht-linearen Modells und 2D Kohäsiv-Elementen ohne Vorhersage des Versagens in der Software Abaqus® simulierte [Li11]. Wang et al. simulierte mit einem nicht-linearen Federmodell schalldämpfende Verbunde in Abaqus® anhand der Kraftverläufe von Scher- zug- und Schälzugversuchen [Wan07]. Liu et al. ermittelte mit der dynamisch-mechanischen Analyse (DMA) das viskoelastische Verhalten schalldämpfender Verbunde und führte mit diesen Kennwerten FEM-Analysen in Abaqus® durch. Dabei zeigte sich, dass eine Erhöhung der Zwischenschichtdicke von 0,03 auf 0,1 mm nicht die Formänderung der Deckbleche beein- flusst, aber dafür die Schubspannung abnimmt. Eine Erhöhung der Umformgeschwindigkeit von 40 auf 80 m/s hat keinen Einfluss auf das Umformverhalten [Liu07]. Corona und Eisen- hower verwendeten ebenfalls Federelemente zur Darstellung der Zwischenschicht in Abaqus® und konnten somit den Einfluss der Klebstoffsteifigkeit nachweisen [Cor07]. Simulative Berechnungen eines Leichtbau-Schichtverbundwerkstoffs (Zwischenschicht der Dicke 0,8 mm aus Polypropylen) wurden von Nutzmann anhand eines runden Napfes im Programm- code LSDyna® durchgeführt. Die Deckbleche und die Zwischenschicht wurden mit Volumen- elementen modelliert. Mit zwei zusätzlichen Kontaktdefinitionen mit einem Versagens- kriterium wurde die Delamination zwischen den drei Einzelschichten abgebildet [Nut07]. Ein Vergleich der im Programmcode LSDyna® verfügbaren Kohäsivelemente zeigte, dass bei einer geeigneten Vernetzung auf Ersatzmodelle zurückgegriffen werden kann [Erh09]. Mosse modelliert mit Schalenelementen einen Verbund aus einem Faserverbundkern mit metal- lischen Deckblechen und Kontaktmodellen [Mos06b]. Zwischenschichten aus Polypropylen im Dickenbereich von 0,1 bis 1 mm wurden anhand von Scher- und Schälzugproben untersucht und anschließend zu Näpfen und doppelt gekrümmten Bauteilen umgeformt. Die numerischen Berechnungen dieser Versuche erfolgte durch Parsa im Programmsystem Abaqus® mit einer Zwischenschicht aus Kohäsivelementen [Par08, Par10]. Die Model- lierung von Verbunden mit einer Zwischenschicht aus Honigwaben wurde von Macaluso durchgeführt [Mac08]. Simulative Betrachtungen des Schichtverbundes Hylite mit einer 2.4 Finite Elemente Methode in der Blechumformung 50 Zwischenschicht aus Polypropylen bezüglich des Steifigkeitsverhaltens der Struktur im Pro- grammsystem ANSYS® zeigten, dass sowohl mit Solid- als auch mit Schalenelementen gute Ergebnisse im Vergleich zum Experiment erzielt werden [Huf08]. Adam simulierte das Steifig- keitsverhalten von Noppen- und Trapezblechen mit dem Programmsystem ANSYS® und MSC Marc® [Ada99]. Für die Verbindung einer Zwischenschicht aus Volumenelementen mit Deckblechen aus Schalenelementen können auch Rbe-Elemente (Rep-binding element), die ein unendlich steifes Element mit einem zentralen Knoten darstellen, verwendet werden. Eine automatische Generierung der Volumen- und Rbe-Elemente wurde für die Simulation von Schweißpunkten entwickelt [For09]. 2.4.3 Ansätze zur Zwischenschichtmodellierung Im Folgenden werden drei Modellierungen von Zwischenschichten vorgestellt, die alle drei Schichten von Sandwichwerkstoffen mit ihren spezifischen Werkstoffeigenschaften inklusive eines Versagensmechanismus für Delamination abbilden. 1. Modellierung der Zwischenschicht mit Kohäsivelementen Klebeverbindungen können vereinfacht mit Kohäsivelementen oder auch Grenzflächen- elementen dargestellt werden. Mit dem Kohäsivzonenmodell nach Barenblatt wird der Werk- stoff bis zum vollständigen Versagen beschrieben [Gro11]. Für dieses Modell gelten folgende Vereinfachungen: • Die Kohäsivzone ist klein gegenüber allen anderen Abmessungen. • Der Verlauf der Kohäsivspannungen und der damit einhergehenden Werkstofftrennung verändert sich für ein gegebenes Material unabhängig von der äußeren Belastung nicht. • Die Enden der gegenüberliegenden Rissflanken liegen eben aufeinander. Die Kohäsivzone in Bild 24 besitzt die Länge d ausgehend von der physikalischen Rissspitze. Der Bereich a beschreibt die bereits getrennten Rissflanken mit einer Trennung δ, die die Kohäsivspannungen σcoh wesentlich beeinflusst. Bild 24: Kohäsivzonenmodell nach Barenblatt [Gro11] Das Kohäsivgesetz t(δ) beschreibt das Werkstoffverhalten in der Kohäsivzone mit Hilfe der wirkenden Spannungen. Die spezifische Arbeit entspricht der Energiefreisetzungsrate bzw. der Bruchenergie GC nach Formel 31. 2 Stand der Technik 51 Bild 25 zeigt mögliche Spannungsverläufe σ in Abhängigkeit von der Werkstofftrennung δ, wobei der erste Verlauf dem Barenblatt-Modell entspricht, der zweite einem elastisch-plas- tischem Ansatz für Klebeverbindungen, der dritte wird für das Versagen von geschichteten Werkstoffen und der letzte wird z. B. für das Versagen von Beton verwendet [Gro11]. Bild 25: Spannungsverläufe für Kohäsivgesetze [Gro11] Außerdem werden die Beanspruchungen in eine Verschiebung normal zur Trennfläche (Zug Modus I), eine Verschiebung tangential zur Trennfläche (Scherung Modus II) und eine Kom- bination aus normaler und tangentialer Verschiebung (Modus III) unterschieden. Bild 26 zeigt das kombinierte Mixed-Mode Modell, das in dem Materialmodell Nr. 138 in LSDyna imple- mentiert ist [Lst09]. Dieses Modell kann in LSDyna einer Schicht von Volumenelementen, die die Dicke der Zwischenschicht besitzen, hinterlegt werden. Das Mixed-Mode Material- modell wird auch in der Option 11 der Tiebreak-Kontaktmodellierung hinterlegt [Hal07]. Die Schädigung tritt bei der Scherspannung S und der Zugspannung T ein und die Werte EN bzw. ET beschreiben die entsprechenden Steifigkeiten, die vergleichbar mit einer Federkenn- linie sind. Die Fläche unter der Kurve entspricht der Bruchenergie GC, die unter anderem das Klebeverhalten von der Schädigung bis zur vollständigen Trennung der Fügekomponenten beschreibt [Hal07]. Bild 26: Mixed-Mode Modell [Hal07] 2.4 Finite Elemente Methode in der Blechumformung 52 Die dargestellte resultierende Mixed-Mode Relativverschiebung δm der Deckbleche berechnet sich mit [Hal07]: Die Mixed-Mode Verschiebung zum Schädi