Mess- und Diagnoseverfahren für ein neuartiges Feldbus-System mit Mehrträger-Datenübertragung Von der Fakultät Informatik, Elektrotechnik und Informationstechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Alexander Knaub aus Atbassar (Kasachstan) Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. Joachim Speidel 1. Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. habil. Helmut Beikirch 2. Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. Stephan ten Brink Tag der Mündlichen Prüfung: 18.10.2018 Institut für Nachrichtenübertragung der Universität Stuttgart 2018 Diese Dissertation entstand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekts 16M3199B „Netzintegration von Test- und Diagnose-Tools für die innovative Mehr-Punkt-Kommunikation in der Industrie-Automation (TOOLNet)“. Danksagung In erster Linie gilt mein Dank meinem Betreuer Prof. Joachim Speidel für das Ermöglichen und die sehr gute Betreuung meines Promotionsvorhabens. Ich bin besonders dankbar, dass Prof. Speidel auch nach Übergabe der Institutsleitung an Prof. ten Brink mein Forschungsprojekt geleitet hat. Sein Vertrauen in meine Arbeit und die wertvollen Anregungen haben mir sehr geholfen, die Arbeit zum erfolgreichen Abschluss zu bringen. Dem ersten Mitberichter und Projektpartner Prof. Beikirch danke ich für die Begutachtung meiner Dissertation. Dem zweiten Mitberichter und Leiter des Instituts für Nachrichtenübertragung Prof. ten Brink danke ich darüber hinaus für die tolle Möglichkeit, an seinem Institut zu forschen. Die kleinen Nebenprojekte wie Webdemos oder LyX-Templates waren zudem willkommene Erfolgserlebnisse, wenn das Hauptprojekt mal kurz ins Stocken geriet. Das Verbund-Forschungsprojekt TOOLNet, in dessen Rahmen diese Dissertation entstand, wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert, dem ich ebenfalls meinen Dank aus- sprechen will. Auch den Projektpartnern an den beteiligten Hochschulen und Unternehmen danke ich für die erfolgreiche Zusammenarbeit und die fruchtbaren Diskussionen im Verlauf des Projekts. Meine Arbeit basiert auf den Ergebnissen meiner Vorgänger, welche die Konzepte des neuartigen Feldbussystem mit Mehrträger-Übertragung im Vorgängerprojekt erarbeitet haben. Hierfür geht mein Dank insbesondere an meine ehemaligen Kollegen Dr. Breuninger, Dr. Hagmeyer und Dr. Handte. Thomas Handte verdient darüber hinaus einen besonderen Dank für die Betreuung meiner Diplomar- beit und für die anschließende Hilfestellung bei der Einarbeitung in meine Rolle als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Den Studenten, die unter meiner Betreuung ihre Abschlussarbeiten geschrieben haben, danke ich für die spannende Zusammenarbeit, aus der ich selbst vieles lernen konnte – entweder von ihnen oder mit ihnen zusammen während der oft zu langen Besprechungen. Allen meinen damaligen Kollegen am Institut danke ich für das angenehme Arbeitsklima, für das pünktliche Auffüllen der Kiosk-Kasse und für die „freiwillige“ Teilnahme am jährlichen Tag der Wissenschaft. Das Support-Team des Instituts hat durch die Pflege der IT- und Laborinfrastruktur sowie durch die Verwaltungstätigkeiten zum Erfolg meiner Arbeit beigetragen, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Nicht zuletzt danke ich meiner Familie und meinen Freunden für die emotionale Unterstützung und Motivierung. Die meiste Unterstützung und Opferbereitschaft hat meine liebe Frau Katharina aufge- bracht, dafür bin ich ihr ganz besonders dankbar. Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis v Notationen und Operatoren ix Symbolverzeichnis xi Kurzfassung xv Abstract xv 1 Einführung 1 2 Grundlagen 4 2.1 Beschreibung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.1.1 Systemanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 2.1.2 Systemarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1.3 Einordnung in das ISO/OSI-Schichtenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1.4 Übertragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.1.5 Aufbau der Sende- und Empfangsalgorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.1.6 Kanaleigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2.1.7 Prototypische Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.2 Systemdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2.1 Diagnoseparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2.2 Plattformen für die Implementierung der Diagnosewerkzeuge . . . . . . . . 17 3 Ankopplung von Diagnosewerkzeugen an das Netzwerk 20 3.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.2 Simulationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.3 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3.4 Auswirkungen für den Entwurf der Ankopplungsschaltung . . . . . . . . . . . . . . 26 4 Diagnose mittels konventioneller Messtechnik 28 i Inhaltsverzeichnis 4.1 Entwurf der Algorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.2 Aufzeichnung des Signals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2.2 Abtastratenwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.2.3 Erhöhung der effektiven Auflösung der Analog-Digital-Wandlung durch Über- abtastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.3 Interpolationstiefpassfilter für die Abtastratenwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.3.1 Minimale Anforderungen an den Frequenzgang des Filters . . . . . . . . . . 38 4.3.2 Quantitative Anforderung an die Filterordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.3.3 Anforderungen an die Filterordnung zur Verringerung des Quantisierungsrau- schens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.3.4 Approximation der Filter-Übertragungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.3.5 Auswertung der Unterdrückung von Spiegelspektren . . . . . . . . . . . . . 46 4.3.6 Auswertung der Unterdrückung des Quantisierungsrauschens . . . . . . . . 49 4.4 Implementierung des Interpolationstiefpassfilters in Polyphasenstruktur . . . . . . . 55 4.5 Schätzung der Abtastratenabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.5.1 Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4.5.2 Schätzung der Abtastratenabweichung im Downlink . . . . . . . . . . . . . 60 4.5.3 Besonderheit der Schätzung für lange Aufzeichnungen . . . . . . . . . . . . 65 4.5.4 Schätzung der Abtastratenabweichung im Uplink . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.6 Korrektur der Abtasttaktabweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4.7 Darstellung der Diagnoseergebnisse am Bildschirm . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4.8 Begrenzende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5 Hardwarebasiertes Werkzeug für die Echtzeit-Diagnose 71 5.1 Diagnoseschnittstelle des Empfängers im FPGA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.2 Diagnoseverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 5.2.1 Direkte Auswertung von Zwischenergebnissen der Demodulation . . . . . . 74 5.3 Weiterführende Diagnosealgorithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.3.1 Auswertung des SFO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.3.2 Schätzung der Signallaufzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5.3.3 Topologieschätzung (Ausblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6 Zusammenfassung 83 A Parameter und Herleitungen 85 A.1 Systemparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 A.2 Erhöhung des Signal-Rausch-Verhältnisses durch die Abtastratenwandlung . . . . . 86 ii Inhaltsverzeichnis A.3 Auswertungskriterium zur Unterdrückung der Spiegelspektren . . . . . . . . . . . . 87 A.4 Varianz der Schätzung SFO-bedingter Phasendrehung im Downlink . . . . . . . . . 92 Literaturverzeichnis 99 iii Abkürzungsverzeichnis ADC Analog-Digital-Umsetzer (Engl: analog-to-digital converter) AFE analoge Sende-/Empfangsschnittstelle (Engl.: analog front end) AS-Interface Aktuator-Sensor-Interface ASIC anwendungsspezifische integrierte Schaltung (Engl.: application-specific integrated circuit) BCH Bose-Chaudhuri-Hocquenghem (ein fehlerkorrigierender Code) BER bit error ratio BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung CCDF komplementäre Verteilungsfunktion (Engl.: complementary cumulative distribution functi- on) CSL Verbindugsschicht (Engl.: connection sublayer) DAC Digital-Analog-Umsetzer (Engl: digital-to-analog converter) DFT diskrete Fourier-Transformation DL Downlink DLL Sicherungsschicht (Engl.: data link layer) des ISO/OSI-Referenzmodells DMT Discrete Multitone (ein Mehrträger-Modulationsverfahren) DMT-MA DMT mit Mehrfachzugriff (Engl: DMT multiple access) DQPSK differenzielle QPSK) DSL digital subscriber line DSO digitales Speicheroszilloskop DTFT zeitdiskrete Fourier-Transformation, (Engl.: discrete-time Fourier transform) DVB-T digitales terrestrisches Fernsehen (Engl.: digital video broadcasting - terrestrial) EDW eigenständiges Diagnosewerkzeug FAN field area network FDR Reflexionsmessungen im Frequenzbereich (Engl.: frequency domain reflectometry) FFT schnelle Fourier-Transformation (Engl.: fast Fourier transform) FIR endlich lange Impulsantwort (Engl.: finite impulse response) FPGA field programmable gate array (programmierbarer Logikbaustein) GLUT OpenGL Utility Toolkit GUI grafische Benutzungsoberfläche (Engl.: graphical user interface) ICI inter-carrier interference (Zwischenträger-Interferenz) v Abkürzungsverzeichnis IDFT inverse diskrete Fourier-Transformation IIR unendlich lange Impulsantwort (Engl.: infinite impulse response) IoT Internet of Things ISI Intersymbolinterferenz ISO Internationale Standardisierungsorganisation ITU International Telecommunication Union LDS Leistungsdichtespektrum LS least squares (kleinste quadratische Abweichung) LSM Modul zur Langzeit-Systembeobachtung LTE Long Term Evolution MAC Medienzugriffssteuerung (Engl.: medium access control) MAU Medienanschlusseinheit (Engl.: medium attachment unit) MDS Modulations- und Demodulationsschicht (Engl.: modulation dependent sublayer) NS Nullsymbol OFDM orthogonaler Frequenzmultiplex (Engl.: orthogonal frequency division multiplexing) OSI Kommunikation in offenen Systemen (Engl.: Open Systems Interconnection) PHY physikalische Schicht (Engl.: physical layer) des ISO/OSI-Referenzmodells PLC Kommunikation über Energieverteilungsnetze (Engl.: powe line communication) PLL Phasenregelschleife (Engl.: phase-locked loop) ppm parts per million QAM Quadratur-Amplituden-Modulation QPSK Quadraturphasenumtastung (Engl.: quadrature phase-shift keying) RSA Echtzeit-Spektrumanalysator (Engl.: real-time spectrum analyzer) SFO Abtastratenabweichung (Engl.: sampling frequency offset) SINR Signal-zu-Interferenz-und-Rausch-Verhältnis (Engl.: signal-to-interference-and-noise ra- tio) SNR Signal-Rausch-Verhältnis (Engl.: signal-to-noise ratio) SPS speicherprogrammierbare Steuerung TDD time division duplex (Zeitduplex) TDR Reflexionsmessungen im Zeitbereich (Engl.: time domain reflectometry) TS Trainingssequenz UART Universal Asynchronous Receiver Transmitter UL Uplink USB Universal Serial Bus VCXO spannungsgesteuerter Quarzoszillator (Engl: voltage controlled crystal oscillator) VISA Virtual Instrument Software Architecture VSA Vektorsignalanalyse vi Abkürzungsverzeichnis WLAN wireless local area network ÜF Übertragungsfunktion vii Notationen und Operatoren a skalare variable a (kursive Schrift) a Vektorvariable a (aufrechte, fette Schrift) a(t) skalare Funktion a, abhängig vom wertekontinuierlichen Skalar t (kursiv, runde Klammern, z.B. Zeitfunktionen) an skalare variable a, abhängig vom wertediskreten Parameter n (kursiv mit tiefgestellten In- dex, z.B. abgetastete Signale) arg{a} Phasenwinkel der komplexen Zahl a a∗ komplex konjugierte Zahl zu a â Schätzwert des Parameters a ‖·‖2 2 Signalenergie E [·] Erwartungswertoperator F {a} Fouriertransformation von a Im{a} Imaginärteil der komplexen Zahl a Re{a} Realteil der komplexen Zahl a ix Symbolverzeichnis β Formparameter für die Kaiser-Fensterfunktionen γ Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) γ0 SNR des Bussignals vor der Aufzeichnung γG SNR nach der Abtastung γG,int SNR nach der Abtastratenwandlung mit realer Interpolation γG,K SNR nach der Abtastratenwandlung mit idealer Interpolation Γ Ausbreitungskoeffizient einer Leitung ∆ϕ Phasendifferenz zweier QAM-Symbole ∆ϕF,k Zuwachs der Phasendrehung durch SFO pro Rahmen auf dem Unterträger k ε Relative Abweichung der Abtastraten ζ Relative Abweichung der Abtasttaktperioden η Mit Nb,1 Normalisierte Filterordnung κq Dynamikbereich des Analog-Digital-Wandlers eines Messgeräts λ Wellenlänge der stehenden Welle auf einem Leitungssegment ν Index eines Übertragungsrahmens ρ Steilheitsparameter, Verhältnis der Filter-Übergangsbreite zur DMT-Signalbandbreite σ2 ϕ,k Varianz des Phasenrauschens des Unterträgers k σ2 A Mittlere Leistung der Interferenz durch Aliasing σ2 A,µ Mittlere Leistung der Interferenz durch µ-tes Spiegelspektrum σ2 q Gemeinsame Varianz des Quantisierungs- und des Begrenzungsrauschens eines Messgeräts σ2 q,K Durch Überabtastung verringerte Varianz des Quantisierungsrauschens eines Messgeräts σ2 R Varianz des Rauschens vor der Abtastung durch ein Messgerät σ2 R,G Gemeinsame Varianz aller dem Signal vor der Demodulation überlagerten Rauschanteile σ2 S Varianz des DMT-Signals τi j Signallaufzeit zwischen zwei Teilnehmern: τi j zwischen i und j τ̃i j Effektive Signallaufzeit zwischen zwei Teilnehmern bei Synchronisierung auf ein Master- Signal: τ̃i j von i zu j ϕSFO k Durch den SFO verursachte Phasendrehung ϕH k Phase der Kanalübertragungsfunktion ψ Relative Standardabweichung xi Symbolverzeichnis Ω Kreisfrequenz Ω = 2π f ωADC Kreisfrequenz, normiert auf die Abtastfrequenz fADC ωDAC Kreisfrequenz, normiert auf die Abtastfrequenz fDAC ωup Kreisfrequenz, normiert auf L · fADC b Koeffizientenvektor eines FIR-Filters b̃i Koeffizientenvektor eines FIR-Teilfilters in einer Polyphasenstruktur BQ Auflösung des Analog-Digital-Wandlers in Bits C Proportionalitätskonstante, in verschiedenen Kontexen verwendet Cin Eingangskapazität einer Schaltung C Menge der komplexen Zahlen D Distanzmatrix D̃ Modifizierte Distanzmatrix e Eulersche Zahl; Basis des natürlichen Logarithmus f Frequenz fADC Taktfrequenz des Analog-Digital-Umsetzers fDAC Taktfrequenz des Digital-Analog-Umsetzers fmax Maximale Frequenz eines bandbegrenzten analogen Signals H̃ ( jΩ) Kanal-Übertragungsfunktion zwischen zwei Systemteilnehmern. Fourier-Transformation einer zeitkontinuierlichen Impulsantwort H ( e jωADC ) Kanal-Übertragungsfunktion zwischen zwei Systemteilnehmern. Periodische Fourier- Transformation einer zeitdiskreten Impulsantwort Hb ( e jωup ) Frequenzkontinuierliche Übertragungsfunktion des FIR-Filters mit dem Koeffizientenvek- tor b k Diskrete Frequenz K Überabtastungsfaktor eines Messgeräts L Faktor der Aufwärtstastung bei der Abtastratenwandlung Li Länge des Leitungsstücks i, i ∈ N l Diskrete Zeit nach der Abtastung M Faktor der Abwärtstastung bei der Abtastratenwandlung m Diskrete Zeit nach der Aufwärtstastung n Diskrete Zeit nach der Abwärtstastung, Zeitindex für DMT-Abtastwerte NA Anzahl an Abtastwerten, in verschiedenen Kontexten verwendet NA,F Dauer eines Übertragungsrahmens in Abtastwerten NA,TS Dauer der Trainingssequenz in Abtastwerten Ñb,η Zur Verringerung des Rauschens erhöhte Länge des Koeffizientenvektors b eines FIR- Filters Nb,η Länge des Koeffizientenvektors b eines FIR-Filters xii Symbolverzeichnis NDMT Anzahl an DMT-Unterträger NF Anzahl an aufgezeichneten Übertragungsrahmen NGI Länge des Schutzintervalls in Abtastwerten NH DFT-Länge bei der Untersuchung von Filter-Übertragungsfunktionen NSym Anzahl an DMT-Symbolen pro Uplink- oder Downlink-Teilrahmen Q Ein Zwischenergebnis in der SFO-Schätzung R Anzahl an Übertragungsrahmen in einem Übertragungszyklus r Anzahl an Übertragungsrahmen pro Übertragungszyklus, während denen ein Slave aktiv ist Rin Ohmscher Eingangswiderstand einer Schaltung R Menge der reellen Zahlen s Index eines DMT-Symbols innerhalb eines Übertragungsrahmens t Kontinuierliche Zeit TADC Taktperiodendauer des Analog-Digital-Umsetzers TDAC Taktperiodendauer des Digital-Analog-Umsetzers W ( e jωDAC ) Zeitdiskrete Fourier-Transformierte von wn wϕ k,s,ν ( σ2 ϕ,k ) Realisierung des Phasenrauschens mit der Varianz σ2 ϕ,k im Symbol s und Rahmen ν w∆ϕ k,s,ν ( σ2 ϕ,k ) Realisierung des Rauschens einer Phasendifferenz mit der Varianz σ2 ϕ,k im Symbol s und Rahmen ν Wk,s,µ QAM-Symbol auf Unterträger k im DMT-Symbol s innerhalb des Rahmens µ wn Abgetastetes DMT-Signal nach der Abtastratenumsetzung ỹ(t) Zeitkontinuierliches DMT-Signal am Eingang eines ADC Ỹ ( jΩ) Fourier-Transformierte von ỹ(t) yl Zeitdiskretes DMT-Signal nach der Abtastung durch ein ADC Y ( e jωADC ) Zeitdiskrete Fourier-Transformierte von yl yup,m Abgetastetes DMT-Signal nach der Aufwärtstastung Yup ( e jωup ) Zeitdiskrete Fourier-Transformierte von yup,m yint,m Abgetastetes DMT-Signal nach der Aufwärtstastung und Tiefpassfilterung zur Interpolation Yint ( e jωup ) Zeitdiskrete Fourier-Transformierte von yint,m Z Menge der ganzen Zahlen Zin Eingangsimpedanz der analogschnittstelle eines empfangenden Systemteilnehmers ZL Wellenwiderstand einer Leitung Zout Ausgangsimpedanz der analogschnittstelle eines sendenden Systemteilnehmers xiii Kurzfassung Die zunehmende Automatisierung der industriellen Prozesse stellt hinsichtlich Datenraten und Feh- lersicherheit immer höhere Anforderungen an die eingesetzten Feldbusnetzwerke. Aus diesem Grund wurde in früheren Arbeiten ein neuartiges Feldbussystem erarbeitet, welches auf dem Mehrträger- Modulationsverfahren discrete multitone (DMT) basiert. Diese Arbeit befasst sich mit den Verfahren zur Systemdiagnose des neuartigen Feldbussystems auf der Modulationsebene. Hierfür werden verschiedene Konzepte der Diagnosewerkzeuge ausgearbeitet und umfassend diskutiert. Anhand von Simulationsergebnissen werden Anforderungen an die Ein- gangsimpedanz der Diagnosewerkzeuge ermittelt, sodass das Anschließen der Diagnosewerkzeuge an die Busleitung eine möglichst geringe Änderung des Systemzustands hervorruft. Es wird das Po- tenzial der Systemdiagnose mittels Messgeräten wie z.B. schnellen Speicheroszilloskopen aufgezeigt und der erforderliche Algorithmus zur Abtastratenwandlung beschrieben. Bei der hierfür notwendi- gen Interpolationsfilterung kann das Quantisierungsrauschen des Analog-Digital-Umsetzers verrin- gert werden. Der Einfluss der Dimensionierung des Interpolationsfilters auf die Signalqualität wird analytisch und mit Simulationen untersucht. Zudem werden verschiedene Verfahren zur Schätzung und Korrektur der Abtasttaktabweichung beschrieben und hinsichtlich der Schätzgenauigkeit mit- einander verglichen. Für eine lückenlose Verfolgung der über das Netzwerk übertragenen binären Daten müssen Diagnosewerkzeuge die DMT-Demodulation sehr schnell in Hardware vornehmen. Ein für diesen Zweck entwickeltes Diagnosewerkzeug auf Basis eines FPGA mit einer flexiblen Da- tenschnittstelle zu einem Diagnoseprogramm wird vorgestellt. Abschließend werden die hierdurch ermöglichten Diagnosealgorithmen beschrieben, einschließlich eines Ausblicks auf die Rekonstruk- tion der Netzwerktopologie anhand der Kanalmessungen. Abstract The increasing grade of automation in industrial processes continuously demands for higher data rates and error robustness from the exploited fieldbus networks. This was the reason that in previous works a novel fieldbus system has been developed that is based on the modulation technique discrete multitone (DMT) which was not used in fieldbus systems before. This thesis deals with methods for the diagnosis of the novel fieldbus system on the modulation layer. We elaborate and discuss various concepts for the architecture of diagnosis tools. Basing on simulation results we derive requirements on the input impedance of diagnosis tools to ensure that connecting a tool to the fieldbus network introduces as little influence as possible to the state of the whole system. We show the potential of the system diagnosis using a measurement instrument like a fast storage oscilloscope and we describe the required algorithm of the sampling rate conversion. The interpolation filtering involved here can help reducing the quantization noise, so we analyze in detail analytically and by simulations the influence of the filter design parameters onto the signal quality. Furthermore, various methods for the estimation and correction of the sampling frequency offset are described and compared with regard to the estimation accuracy. For a continuous monitoring of the binary data transferred over the network, the DMT demodulation needs to be implemented in hardware. Thus, we present a diagnosis tool based on a field programmable gate array (FPGA) with a flexible communication interface towards a diagnosis software. Finally we describe some diagnosis algorithms enabled by the demodulation in hardware including an introduction into the field of the topology reconstruction based on the channel measurements. Kapitel 1 Einführung Seit dem 18. Jahrhundert ist Automatisierungstechnik Bestandteil der produzierenden Industrie. Die Industrieautomatisierung begann mit Maschinen, die sich entweder durch mechanische Rückkopp- lung selbst regelten (Dampfmaschine von James Watt mit ihrem Fliehkraftregler, 1788) oder durch mechanische Steuerungen Befehlssequenzen abarbeiteten (Nockenschalter, nach dem Vorbild der Walzenspieldose von Antoine Favre-Salomon ab 1796). Die Nutzung von Elektrizität und später der Mikroelektronik führte in den frühen 1970er Jahren dazu, dass die Steuerung und Regelung der Ma- schinen digital programmiert werden konnten. Seitdem können diese sogenannten speicherprogram- mierbaren Steuerungen (SPS) immer komplexere Prozesse steuern und regeln. Die Steuerung eines Fertigungsprozesses von einer zentralen Stelle aus erfordert, dass die SPS mit den am Prozess beteiligten Sensoren und Aktuatoren über längere Entfernungen hinweg kommuni- ziert. Bis in die 1990er Jahre wurden hierfür parallele Verbindungen mittels Kabelbäumen verwendet, die mit wachsenden Systemen auch den Verdrahtungsaufwand erhöhten. Die Einführung von Feld- bussystemen ermöglichte, dass sich die Ein- und Ausgabedaten mehrerer Sensoren und Aktuatoren durch geeignete Multiplexverfahren einen gemeinsamen Anschluss einer SPS teilen konnten. Die heutzutage in einem Fertigungsbetrieb vorhandenen Netzwerke werden oft in Hierarchieebenen eingeteilt. Dabei stehen betriebsweit aufgespannte Rechnernetze der Betriebsleitung (bei Großkon- zernen sind das oft weltweite Intranets) weiter oben als anlagenweite Netze von Steuerungsrechnern in der Prozessleitebene, welche wiederum über den Netzen einzelner SPS und anderer Automatisie- rungsgeräte stehen. Die unterste Hierarchieebene (Feldebene) wird weitgehend von Feldbusnetzen bzw. field area networks (FANs) vertreten [1]. Es existiert eine Vielzahl von verschiedenen Feldbussystemen, welche die Feldebene je nach Anforde- rung und Einsatzzweck in eine weitere Hierarchiestruktur aufteilen. Insbesondere werden heute Netze auf der Systembusebene, die der Vernetzung von Automatisierungsgeräten untereinander dienen, von Netzen auf der Sensor-Aktuator-Ebene unterschieden, Diese stellen eine Verbindung zwischen einer SPS und den zahlreichen Sensoren und Aktuatoren her [2]. 1 Kapitel 1. Einführung Feldbusse übertragen in den Fertigungsbetrieben vor allem prozessrelevante Daten. Auf der Sensor- Aktuator-Ebene sind das diverse Ein- und Ausgabedaten. Die Zuverlässigkeit der Datenübertragung beeinflusst maßgeblich die Produktqualität und den Produktionsfluss. Heutige FANs sind so ausge- reift, dass sie nicht nur diese Anforderungen erfüllen, sondern auch für sicherheitskritische Funktio- nen eingesetzt werden [3]. So werden über FANs mitunter Daten von diversen Sicherheitssensoren sowie Abschaltbefehle übertragen, mit denen Gefahr für Mensch und Maschine erkannt und abge- wendet werden kann. Aufgrund der immer weiter fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung der Produktion steigen die Anforderungen an die Feldbussysteme ständig. Die Konzepte „Industrie 4.0“ [4] oder „Internet of Things (IoT)“ [5] streben an, dass immer mehr physikalische Objekte Daten über ih- ren aktuellen Zustand zum Abruf bereitstellen. Für die Feldbussysteme bedeutet dies die Anbindung von immer mehr einfachen Geräten, was auch zu höherem Bedarf an Datenraten führt. Dies betrifft insbesondere die Netze auf der Sensor-Aktuator-Ebene und bringt die aktuellen Systeme an ihre Ka- pazitätsgrenzen. Aus diesem Grund ist in dem durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Tech- nik geförderten Forschungsprojekt „Interdisziplinäre System- Infrastrukturen für die Gerätetechnik“ von einem Verbund aus Hochschulen und Industrieunternehmen ein neuartiges Feldbussystem entwi- ckelt worden [6–8], welches eine deutlich höhere Leistungsfähigkeit als bisher eingesetzte FANs der Sensor-Aktuator-Ebene besitzt. Dieses neue Feldbussystem verwendet das Mehrträger-Modulationsverfahren discrete multitone (DMT). Ebenso kabelgebunden wird DMT auch im Standard digital subscriber line (DSL) zur Datenübertra- gung eingesetzt [9,10]. Für den Einsatz in drahtlosen Systemen wie digitales terrestrisches Fernsehen (DVB-T), drahtlose lokale Netzwerke bzw. wireless local area networks (WLANs) oder in dem als Long Term Evolution (LTE) bekannten Mobilfunk der 4. Generation [11–13] eignet sich orthogonaler Frequenzmultiplex (OFDM) besser, der nach gleichem Prinzip funktioniert aber besser für Bandpass- kanäle anwendbar ist, sodass sich DMT als die Basisband-Variante von OFDM definieren lässt. Diese Modulationsverfahren, die den aktuellen Stand der Technik darstellen, sind vor allem dafür bekannt, dass damit stark frequenzselektive Kanäle wie z.B. stark verzweigte Kabelnetzwerke oder Funkkanä- le mit ausgeprägter Mehrwegeausbreitung mit relativ geringem Implementierungsaufwand für die Kanalentzerrung im Empfänger zur Datenübertragung verwendet werden können [14]. Diese Arbeit beschäftigt sich mit Diagnosealgorithmen für das neuartige Feldbussystem, welche ins- besondere die Aspekte des Übertragungsverfahrens abdecken. Hierzu gehört die Untersuchung der Geräte und Verfahren, mit welchen die Diagnosedaten gesammelt werden können, die Kriterien der Anbindung der Geräte an das zu untersuchende Netzwerk, sowie die Herleitung einiger effizienter Algorithmen, mit denen Aussagen über den Systemzustand gemacht werden können. Anders als Teilnehmeranschlussnetze wie DSL oder LTE werden die FANs oft von Anlagenbetreibern installiert und gewartet, die wenig bis keine technische Kenntnis über das jeweils zugrundeliegende 2 Übertragungsverfahren besitzen. Andererseits sind die Zuverlässigkeitsanforderungen an ein FAN viel höher als an ein lokales Netzwerk wie WLAN. Deshalb bieten die Gerätehersteller den Anwen- dern Test- und Diagnosewerkzeuge zur Unterstützung bei der Inbetriebnahme des Netzes oder bei der Fehlersuche an. Die Verfügbarkeit solcher Werkzeuge für ein Feldbussystem ist wichtig, damit dieses System eine hohe Akzeptanz erlangen kann. DMT ist jedoch auch bei den Herstellern von Automati- sierungssystemen noch wenig bekannt und die Diagnose ist zudem deutlich komplexer als bei verbrei- teten bitseriellen Übertragungsverfahren. Daher ist es ein Ziel dieser Arbeit, Diagnosealgorithmen zu erarbeiten und vorzustellen, welche den Entwicklern von Endgeräten und Diagnosewerkzeugen hel- fen können, die Ergebnisse von bisherigen Arbeiten an dem neuartigen DMT-basierten System in ihre Produkte und Dienstleistungen zu integrieren. Die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Bil- dung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekts „Netzintegration von Test- und Diagnose- Tools für die Innovative Mehr-Punkt-Kommunikation in der Industrie- Automation (TOOLNet)“ er- arbeitet [15–17]. Weitere Ergebnisse des Projekts wurden unter anderem in [18–22] vorgestellt und betreffen Themen wie die optische oder drahtlose Datenübertragung, den Entwurf von Analogschal- tungen für Endgeräte und Diagnosewerkzeuge sowie die Möglichkeiten der grafischen Darstellung des Systemzustands. Der weitere Aufbau dieser Arbeit ist folgendermaßen gegliedert. Kapitel 2 gibt eine Einführung in die Funktionsweise des betrachteten Feldbussystems und liefert theoretische Grundlagen, die für das Ver- ständnis der weiteren Inhalte der Arbeit von Vorteil sind. In Kapitel 3 wird die Problematik der rück- wirkungsarmen Ankopplung eines Diagnosegeräts an das Leitungsnetzwerk adressiert. Den Großteil der Arbeit nimmt das Kapitel 4 ein, in welchem die Verwendung eines digitalen Speicheroszilloskops zur Analyse des Signals auf der Leitung diskutiert wird. Im Kapitel 5 wird die Verwendung einer spe- ziellen digitalen Hardware für die Systemdiagnose angesprochen, bevor einige der darauf basierenden Diagnosealgorithmen vorgestellt werden. Das Kapitel 6 gibt schließlich einen zusammenfassenden Überblick über die Ergebnisse der Arbeit. 3 Kapitel 2 Grundlagen 2.1 Beschreibung des Systems Wie im Einführungskapitel erwähnt, wurde das dieser Arbeit zugrunde liegende neuartige Feldbussys- tem in früheren Arbeiten spezifiziert und dimensioniert. Die Veröffentlichung [23] gibt einen Über- blick, während die Dissertationen [18] und [24] besonders detailliert auf das Verhalten der realen Implementierungen bzw. auf den neuartigen Fehlerschutzmechanismus (teilweise auch in [25] veröf- fentlicht) eingehen. In diesem Kapitel werden, basierend auf den genannten Vorarbeiten, nur die Haupteigenschaften des Systems vorgestellt, sodass eine Basis für das Verständnis der dort eingesetzten Algorithmen sowie der Begriffe und Formelzeichen, welche in späteren Teilen dieser Arbeit verwendet werden, gegeben ist. 2.1.1 Systemanforderungen Das Entwicklungsziel für das neuartige Feldbussystem nach [18, 23–25] war die Verwendbarkeit auf der Sensor-/Aktuator-Ebene, ähnlich dem System Aktuator-Sensor-Interface (AS-Interface) [26]. Da das herkömmliche System [26] in den bestehenden Industrieanlagen weit verbreitet ist, wurde das neuartige System mit der primären Anforderung entwickelt, in den Anlagen bereits installierte Ka- belnetzwerke als Übertragungsmedium verwenden zu können. Das einfache Herstellen von Verbin- dungen und Verzweigungen hat maßgeblich zur Marktakzeptanz und Verbreitung des herkömmlichen Systems beigetragen, deshalb war auch für das neuartige Bussystem die bis auf eine maximale Lei- tungslänge weitgehende Unabhängigkeit von der Netztopologie notwendig. Da es direkt die Abläufe der Fertigungsprozesse sicherstellen muss, hat ein Sensor-Aktuator-Feldbus generell die Anforderung einer sehr hohen Fehlersicherheit (Bitfehlerrate in der Größenordnung von 4 2.1. Beschreibung des Systems 10−12) und sehr kleinen Antwortzeiten bzw. Latenzen (wenige ms). Obwohl die zunehmende Auto- matisierung von Fertigungsprozessen immer höhere Datenraten in den Sensor-Aktuator-Netzwerken erfordert, bleiben diese in der Größenordnung von einigen kbit/s pro Teilnehmer und sind im Vergleich mit Systemen höherer Ebenen eher gering. Dennoch sind höhere Datenraten unentbehrlich für die wachsende Digitalisierung von Fertigungs- prozessen und das herkömmliche System kann mit seinem bitseriellen Übertragungsverfahren diesen Bedarf nicht decken, ohne dabei die oben genannten Qualitätsanforderungen zu verletzen. 2.1.2 Systemarchitektur Das Feldbusnetz dient in der Regel der Anbindung von mehreren prozessnahen Sensoren und Aktua- toren an eine zentrale Steuereinheit oder an ein anderes Netz. Daher sind die Rollen der Netzteilneh- mer so verteilt, dass ein Netz immer einen zentralen Knoten, den sogenannten Master enthält, welcher der höheren Ebene den Zugriff auf mehrere Peripherieknoten, sogenannte Slaves ermöglicht. Obwohl alle Netzteilnehmer an eine gemeinsame Zweidrahtleitung angeschlossen sind, kommunizieren die Slaves nicht direkt miteinander, sondern nur mit der über den Master erreichbaren Steuereinheit. Die Datenübertragung vom Master in Richtung zu den Slaves wird dabei als Downlink (DL) und von den Slaves zum Master als Uplink (UL) bezeichnet. Um Kollisionen zu vermeiden, dürfen die Slaves nur dann Senden, wenn der Master dies nicht tut. Deshalb und um die Echtzeitkommunikation zu ermöglichen, erfolgt die Datenübertragung zyklisch, sodass in einem Zyklus zuerst der Master und dann die Slaves senden. Somit sind DL und UL durch Zeitmultiplex bzw. Englisch time division duplex (TDD) zeitlich voneinander getrennt. Die vom Mas- ter im DL übertragenen Daten geben unter anderem vor, welche Slaves in der nachfolgenden UL- Phase eine Antwort senden sollen. Dieses Verhalten ist als Polling bekannt und findet auch im her- kömmlichen Feldbussystem Anwendung [26]. Der große Unterschied des neuartigen Systems liegt darin, dass durch Frequenzmultiplex mehrere Slaves in einem Zyklus angesprochen werden können. Die hierfür notwendigen Verfahren der Medienzugriffssteuerung (MAC) wurden in [7, 27] erarbeitet. Da diese Arbeit sich mit der Systemdiagnose auf der Modulationsebene befasst, geht der Abschnitt 2.1.4 detailliert darauf ein, wie die oben beschriebenen Systemeigenschaften durch entsprechende Modulation erreicht werden. 2.1.3 Einordnung in das ISO/OSI-Schichtenmodell Zur einheitlichen Charakterisierung der Kommunikation in offenen Systemen, Engl.: Open Systems Interconnection (OSI) und zur eindeutigen Zuordnung der Anwendbarkeit späterer Standards veröf- fentlichte die International Telecommunication Union (ITU) 1994 eine Richtlinie für ein Referenz- modell, welches die verschiedenen Aspekte der Kommunikation auf sieben Schichten anordnet [28]. 5 Kapitel 2. Grundlagen Nr. Bezeichnung 7 Anwendung 6 Darstellung 5 Sitzung 4 Transport 3 Netzwerk 2b Sicherung (DLL) CSL 2a MAC 1 Bitübertragung (PHY) MDS MAU Senden Empfangen Bild 2.1: ISO/OSI-Referenzmodell mit seinen 7 Schichten Die Internationale Standardisierungsorganisation (ISO) hat dieses Modell zum Standard für offene Kommunikationssysteme, d.h. Systeme, welche offen zur Verwendung mit Geräten verschiedener Hersteller sind, erklärt [29]. Bild 2.1 zeigt die sieben standardisierten Schichten. Die unteren bei- den Schichten, Datensicherungsschicht (DLL) und physikalische Schicht (PHY) sind für diese Arbeit von besonderem Interesse und sind entsprechend Bild 2.1 in je zwei Unterschichten aufgeteilt, näm- lich Verbindugsschicht (CSL) und MAC bzw. Modulations- und Demodulationsschicht (MDS) und Medienanschlusseinheit (MAU). In den meisten Kommunikationssystemen werden digitale Daten übertragen. Diese werden entwe- der von Anwendungen generiert (z.B. Texte, Zahlenwerte oder Befehlscodes) oder sie stammen zwar aus der analogen Welt, werden jedoch vor der Übertragung durch einen Analog-Digital-Umsetzer (ADC) digitalisiert. Daher werden die Algorithmen der Informationsübertragung aller Schichten des OSI-Modells1 als Programme für Computer bzw. Mikrocontroller oder als digitale Logikschaltungen implementiert. Letztere werden entweder als dedizierte integrierte Schaltkreise aufgebaut oder auf 1Die Menge aller an der Kommunikation beteiligten Algorithmen und die definierten Schnittstellen zwischen den ein- zelnen Schichten werden als Protokollstapel bzw. Englisch „protocol stack“ bezeichnet. 6 2.1. Beschreibung des Systems programmierbare Logikbausteine, sogenannte field programmable gate arrays (FPGAs), program- miert. Da diese digital erzeugten Sendesignale jedoch als analoge Signale über physikalische Kanäle (Span- nungs- und Stromsignale im Kabel, elektrische und magnetische Feldstärke bei Funkstrecken oder Lichtleistung in einem Lichtwellenleiter) übertragen werden sollen, ist die MAU als die unterste Schicht für die Verbindung der digital implementierten Kommunikationsalgorithmen mit dem ana- logen Kanal notwendig. Die analoge Sende-/Empfangsschnittstelle (AFE) ist ihr Hauptbestandteil und ist für die (ggf. einstellbare) analoge Verstärkung und Filterung des Signals sowie für den Schutz der digitalen Schaltungen vor Spannungsspitzen verantwortlich. Ein Digital-Analog-Umsetzer (DAC) in der Sende- und ein ADC in der Empfangsrichtung, zusammen mit entsprechenden Schaltungen zur Takterzeugung, sind ebenfalls Teil der MAU und dienen der eigentlichen Umsetzung zwischen ana- logen Signalen und digitalen Daten. Die Komponenten der MAU sind digital an die Komponenten der MDS angebunden, deren Hauptauf- gabe es ist, die mit der MAC-Schicht auszutauschenden binären Datensätze einerseits und die ADC- bzw. DAC-Abtastwerte andererseits effizient und zuverlässig ineinander umzuwandeln. Durch die ge- eignete Modulation soll die MDS die optimale Ausnutzung der vom Kanal zur Verfügung gestellten Ressourcen durch die Sendedaten erreichen. Hierfür sind unter anderem auch Algorithmen zur Kanal- schätzung und -Entzerrung sowie zur Fehlerschutzcodierung und -Decodierung wichtige Bestandteile der MDS. Die im Schichtenmodell über der MDS liegende MAC-Schicht tauscht mit der MDS die binären Sende- und Empfangsdaten aus, und führt außerdem Aufgaben zur Überwachung der Zeit- und Fre- quenzressourcen des Netzwerks und der Verwaltung des Zugriff der Systemteilnehmer darauf durch. Hierfür wertet sie zum Beispiel die von der MDS bereitgestellten Daten der Kanalschätzung aus und gleicht sie mit den von der CSL-Schicht stammenden Informationen über die Ressourcenanforderun- gen durch die Teilnehmer aus. Durch Sammeln bzw. Stellen dieser Anforderungen ist die CSL-Schicht für die Datenflusskontrolle verantwortlich. Die Komponenten ab der dritten Schicht des Referenzmodells aufwärts dienen dem Erstellen, Aufbe- reiten und dem Interpretieren bzw. Darstellen der zu übertragenden Informationen. Im betrachteten System dient der Master der Vermittlung der Sensoren- bzw. Aktuatorendaten z.B. an eine SPS. Da in Feldbussystemen der Sensor-Aktuator-Ebene solche Einsatzszenarien häufig der Fall sind, spe- zifizieren diese Systeme meist nur die unteren Schichten des Protokollstapels bis zur CSL [2, 30]. Auf der Seite des Slaves können die darüber liegenden Schichten durch die direkt angeschlossenen Sensoren bzw. Aktuatoren zur Anwendungsschicht vereint werden; der Master dient als Gateway zu einer SPS – entweder direkt oder über ein FAN höherer Ebene – muss also keine höheren Schichten implementieren. 7 Kapitel 2. Grundlagen 2.1.4 Übertragungsverfahren Das neuartige Feldbussystem [23] verwendet DMT als Modulationsverfahren, das eine reellwertige Basisbandvariante von OFDM ist. Hierbei wird die verwendete Bandbreite in NDMT schmalbandige Unterträger aufgeteilt, die unabhängig voneinander moduliert werden können. Durch die exklusive Zuweisung einzelner Unterträger an verschiedene Slaves wird mittels Frequenzmultiplex das gleich- zeitige Ansprechen von mehreren Empfängern im Downlink ermöglicht. Dieses Mehrfachzugriffsver- fahren wird im Folgenden DMT mit Mehrfachzugriff (DMT-MA) genannt. Beim Senden im Uplink modulieren die Slaves ebenfalls nur die ihnen hierfür zugeteilten Unterträger mittels der Quadratur- Amplituden-Modulation (QAM) und alle übrigen mit einem Null-Signal. Durch die Orthogonalität der Unterträger kann der Master die Daten der einzelnen Slaves auseinanderhalten. OFDM im allgemeinen und DMT speziell hat die Eigenschaft, dass die Übertragung bei hinreichen- der Dimensionierung des Schutzintervalls zwischen benachbarten DMT-Symbolen frei von Intersym- bolinterferenz (ISI) ist [31]. Durch das Senden der zyklischen Fortsetzung eines jeden DMT-Symbols während des ihm vorausgehenden Schutzintervalls lässt sich die Wirkung des Übertragungskanals auf die konstante Änderung der Amplitude und der Phase der Symbole beschränken, mit denen die ein- zelnen Unterträger moduliert werden. Da zur Modulation einzelner Unterträger differenzielle Quadra- turphasenumtastung (DQPSK) verwendet wird und die übertragene Information der Phasendifferenz zweier aufeinander folgenden Symbole entnommen wird, hebt sich der Kanaleinfluss auf und es be- steht kein Bedarf an einer empfängerseitigen Entzerrung [32]. Die verbleibende frequenzabhängige Dämpfung des Signals durch den Kanal beeinflusst das Signal- Rausch-Verhältnis (SNR), das auf den einzelnen Unterträgern wirksam ist. Die Bitfehlerrate ist vom SNR abhängig und das für das System entwickelte neuartige Fehlerschutzverfahren, welches in [24, 25] vorgestellt und ausgewertet wird, ermöglicht eine mittlere Restfehlerwahrscheinlichkeit von 10−12 mit tolerierbarer Sendewiederholungsrate von 10−3 bei SNR-Werten um 11dB. Es basiert auf einem verkürzten Bose-Chaudhuri-Hocquenghem (BCH)-Kanalcode sowie auf der Auswertung einer Me- trik zur Erkennung von möglichen Decodierfehlern [24, 25]. Um eine zuverlässige Kommunikation zu gewährleisten, weist die MAC-Schicht des Masters den Slaves jene Unterträger zu, welche ein hinreichend gutes SNR aufweisen. Es wird ein blinder Schätz- algorithmus für das SNR verwendet, welcher die Streuung der Symbolphasen am Ausgang der dif- ferenziellen Demodulation auswertet [18]. Bei der Trägerzuweisung wird auch ausgenutzt, dass die Frequenzselektivität des Kanals ortsabhängig ist (vgl. hierzu Abschnitt 2.1.6), wodurch an den Posi- tionen von jeweiligen Teilnehmern unterschiedliche Unterträger in Frage kommen können. Die Prozedur der automatischen Systemkonfiguration ist mit erhöhtem Datenratenbedarf sowie mit besonders strengen Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Übertragung verbunden, sodass für diesen Anwendungsfall sowie für weitere Verwaltungsaufgaben fest definierte Unterträger reserviert sind. Diese sind in regelmäßigen Abständen über den gesamten verwendeten Frequenzbereich verteilt 8 2.1. Beschreibung des Systems Träger- zuweisung Kanal- codierg QPSK Mapping Differenzielle Modulation IDFT Rahmen- formung Referenz- symbol SNR- Schätzung Träger- auflösung Kanal- decodierung QPSK Demapping Differenzielle Demodulation DFT Symbol- extraktion Sende- daten Träger- belegung Empf.- daten Träger- qualität DAC ADC VCXO Bild 2.2: Blockschaltbild des betrachteten Übertragungsverfahrens und können bei Bedarf auch alle von einem einzelnen Slave im Uplink mit Daten moduliert werden, falls dieser Slave dazu vom Master aufgefordert wird. 2.1.5 Aufbau der Sende- und Empfangsalgorithmen Das Bild 2.2 zeigt ein Blockschaltbild der DMT-Modulation und -Demodulation in der MDS, einge- bettet zwischen den benachbarten Schichten MAC und MAU. Die Implementierung der Master- und Slave-MDS ist im betrachteten System weitgehend identisch, lediglich die Schnittstellen-Blöcke hin zur MAU und zur MAC-Schicht haben leicht unterschiedliche Funktionen zu erfüllen. Die Kernkom- ponente der MDS ist die inverse diskrete Fourier-Transformation (IDFT) bzw. die diskrete Fourier- Transformation (DFT), welche der eigentlichen Modulation und Demodulation der insgesamt NDMT orthogonalen Unterträger dient. NDMT wird zu einer Zweierpotenz gesetzt, sodass die DFT und die IDFT sehr effizient mithilfe des Algorithmus der schnellen Fouriertransformation (FFT) implemen- tiert werden kann [33, 34]. Zur Modulation der für den jeweiligen Sender benötigten sogenannten „aktiven“ Unterträger wird DQPSK verwendet, die restlichen „inaktiven“ Uterträger werden mit Nullen moduliert. Durch die IDFT werden gleichzeitig die NDMT Unterträger moduliert und zu einem DMT-Symbol überlagert, welches 2 ·NDMT Abtastwerte lang ist. Auf diese Weise werden nacheinander NSym DMT-Symbole generiert und gesendet, wobei jedes Symbol mit NGI Abtastwerten nach vorne zyklisch fortgesetzt wird, um das Schutzintervall zu füllen. Danach legt jeder Sender eine Sendepause ein, sodass durch zeitversetztes Senden durch den Master und die Slaves TDD möglich wird. Ein Zyklus aus einer Master- und einer Slave-Symbolsequenz wird im betrachteten System und weiter in dieser Arbeit als Übertragungsrahmen oder vereinfacht als „Rahmen“ bezeichnet. Ein Übertragungsrahmen umfasst vor der Digital-Analog-Wandlung NA,F Abtastwerte und besteht aus je einem Downlink- und Uplink- 9 Kapitel 2. Grundlagen 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 2 −0,5 0 0,5 1 Zeit [ms] Si gn al sp an nu ng [V ] TS DL-Ref DL-Daten UL-Ref UL-Daten NS Bild 2.3: Signal auf der Leitung mit farblich markierten Bestandteilen eines Übertragungsrahmens. Es gilt NSym = 20. Teilrahmen, die jeweils durch ein Nullsymbol (NS) voneinander getrennt sind. Die Nullsymbole de- finieren Zeitschlitze, während welcher weder der Master noch die Slaves senden. Durch diese Pausen wird erreicht, dass eine Umstellung der MAU und der MAC-Schicht zwischen Sende- und Empfangs- betrieb erfolgen kann. In Bild 2.2 dient der Block „Rahmenformung“ der Einhaltung der richtigen Ab- folge von Sende- und Ruhezeiten. Das erste von NSym gesendeten DMT-Symbolen eines Teilrahmens ist ein Referenzsymbol, welches zur differenziellen Modulation und Demodulation benötigt wird. Der Master sendet vor dem Referenzsymbol zusätzlich eine Trainingssequenz (TS), die allen Slaves be- kannt ist, sodass diese durch Anwendung einer Kreuzkorrelation im Block „Symbolextraktion“ den Rahmenstart erkennen können. Ein Slave muss dabei auch die Anzahl an ADC-Taktperioden N̂A,F zwischen zwei empfangenen Trainingssequenzen erfassen, damit eine eventuelle Abweichung des Abtasttaktes erkannt und eine Nachregelung durch die MAU veranlasst werden kann. In der Master- Implementierung dieses Blocks entfällt die Rahmenerkennung und es muss lediglich die festgelegte Zeit bis zum Eintreffen der Antwort aller Slaves abgewartet werden. Bild 2.3 zeigt die Zeitbereichsdarstellung eines Signals, wie es auf der Leitung gemessen werden kann, über die ein Master mit drei Slaves Daten austauscht. Es sind zwei vollständige Übertragungs- rahmen dargestellt, durch farbliche Hervorhebung wird die relative Dauer der TS sowie der Referenz- symbole angedeutet. Man erkennt die mit einem NS voneinander getrennten Downlink- und Uplink- Teilrahmen. Beim Teilrahmen höherer Amplitude handelt es sich bei diesem Beispiel um den Down- link, wobei der Master zum Zwecke der eventuellen Schätzung der Kanalqualität alle Unterträger mit zufälligen Daten moduliert. Im Uplink-Teilrahmen sind bei den drei Slaves nur jeweils zwei explizit zugewiesene Unterträger aktiv, was zur geringeren Signalamplitude führt. 10 2.1. Beschreibung des Systems 0 2 4 6 8 10 −100 −90 −80 −70 −60 −50 −40 Frequenz [MHz] L ei st un gs di ch te [d B m /k H z] (a) Downlink-Phase: Master sendet 0 2 4 6 8 10 −100 −90 −80 −70 −60 −50 −40 Frequenz [MHz] L ei st un gs di ch te [d B m / kH z] (b) Uplink-Phase: 3 Slaves senden gleichzeitig Bild 2.4: Leistungsdichtespektren des Down- und Uplinksignals, gemittelt jeweils über einen Über- tragungsrahmen Diese unterschiedliche Trägerbelegung ist im Bild 2.4 deutlich zu erkennen, welches die Frequenz- bereichsdarstellung des in Bild 2.3 dargestellten Signalverlaufs zeigt. Da der Master alle aktiven Un- terträger mit DQPSK-Symbolen gleicher Amplitude moduliert, folgt der Verlauf der im Bild 2.4a dargestellten Leistungsdichte dem Betragsquadrat der Kanal-Übertragungsfunktion des Netzwerks zwischen dem Master und dem zufällig gewählten Messpunkt, an dem das Messgerät angeschlossen wurde. Um einen eventuellen gleichzeitigen Betrieb herkömmlicher Feldbussysteme auf demselben Lei- tungsnetz und somit die Verwendung von bereits installierten Netzwerken zu ermöglichen, wird in dem hier vorgestellten neuartigen System ein Frequenzband im unteren Teil des Spektrums freige- halten, indem die DMT-Unterträger unterhalb der Unterträgernummer kmin niemals für die Daten- übertragung aktiv sind. Um die nach der Digital-Analog-Wandlung einzusetzenden analogen Filter einfach halten zu können, werden auch im oberen Teil des Spektrums alle Unterträger oberhalb der Unterträgernummer kmax von der Datenübertragung ausgeschlossen. Dies erkennt man im Bild 2.4a an den steilen Flanken des dargestellten Spektrums. Aus dem Spektrum in Bild 2.4b kann man keine Aussage über die Übertragungsfunktion (ÜF) des Kanals von einzelnen Slaves zum Messgerät treffen, weil jeder Slave vom Master mit einer individu- ellen Sendeverstärkung konfiguriert werden kann und weil einzelne Slaves jeweils nur einen kleinen Teil des Spektrums ausnutzen. Man erkennt jedoch die sechs schmalbandigen Unterträger, welche zusammen zu einem relativ schwachen Signal im Zeitbereich (Bild 2.3) überlagert werden. Außer den sechs modulierten DMT-Unterträgern sind zwei Spitzen bei ca. 260kHz und ca. 5,1MHz zu se- hen. Dies sind schmalbandige Störsignale, welche von Außen in die Leitung einkoppeln oder durch 11 Kapitel 2. Grundlagen Sender (Master) Slave 1 direkt an Leitung Verzweigung Slave 3 am Ende der Leitung Slave 2 am Ende einer Stichleitung Zout U0 Zin Zin Zin Bild 2.5: Mögliche Ursachen von Reflexionen in einem verzweigten Feldbusnetzwerk. Rote Pfeile deuten Reflexionen an den grau hinterlegten Fehlanpassungsstellen an. parasitäre Effekte von analogen Schaltungen erzeugt werden. 2.1.6 Kanaleigenschaften Wie auch das herkömmliche Feldbussystem nach [26], nutzt das hier beschriebene neuartige Sys- tem [23] ein Zweidrahtleitungsnetzwerk als Übertragungskanal. In [18] wurde unter anderem die Erweiterung des Systems für die Verwendung faseroptischer (Teil-)Netzwerke erarbeitet, hier wird der Schwerpunkt jedoch auf kabelgebundene Übertragung gelegt. Das im beschriebenen Feldbussystem eingesetzte Kabel ist eine unverdrillte und ungeschirmte Zwei- drahtleitung [35]. Mithilfe der Durchdringungstechnik lassen sich sehr einfach Slaves an die Leitung anschließen oder Leitungsverzweigungen herstellen [26]. Somit können beliebige Netzwerktopolo- gien entstehen, welche sich im Laufe der Zeit auch ändern können. Die Netzteilnehmer besitzen AFEs, die hochohmig ausgelegt werden, um die Reflexionen gering zu halten, falls sie direkt an die Leitung angeschlossen werden [7]. Ein hochohmiges AFE am Ende einer Leitung oder eine Verzwei- gungsstelle verursachen jedoch durchaus Reflexionen, die zurück ins Netzwerk gelangen. Bild 2.5 veranschaulicht an einem Beispielsystem mit einem Master und drei Slaves, wie diese Reflexionen zustande kommen. Da Slave 1 im Beispiel aus Bild 2.5 direkt an der Leitung angeschlossen ist und |Zin| � |ZL| gilt, verursacht er nur eine geringe Reflexion. Der Master und die beiden anderen Slaves schließen jeweils einen Leitungsabschnitt mit Zout bzw. Zin ab und reflektieren ein eintreffendes Signal zur Verzwei- gungsstelle hin. Diese stellt ein Dreitor dar, dessen Eingangsimpedanz an einem jeden Tor durch die 12 2.1. Beschreibung des Systems 0 2 4 6 8 10 0 20 40 60 80 100 Frequenz f [MHz] Im pe da nz [Ω ] Re{ZL} Im{ZL} |ZL| (a) Wellenwiderstand ZL 0 2 4 6 8 10 0 5 10 15 20 Frequenz f [MHz] D äm pf un g [N p / km ] Re{Γ} Im{Γ} 0 100 200 300 400 Ph as en ko ef fiz ie nt [ra d / km ] (b) Ausbreitungskoeffizient Γ Bild 2.6: Leitungsparameter der verwendeten Zweidrahtleitung Parallelschaltung von Eingangsimpedanzen der Teilnetze an den beiden anderen Toren gebildet wird. Selbst bei der Annahme, dass die Impedanzen an allen Leitungsenden an ZL angepasst sind, beträgt die Eingangsimpedanz der Leitungsverzweigung an allen drei Toren ZL/2 [36], sodass an allen Toren Reflexionen entstehen können. An einer gegebenen Position überlagern sich somit im Allgemeinen mehrere reflektierte Signale, welche durch die Leitung jeweils eine eigene Dämpfung und Verzöge- rung erfahren. Die Überlagerung aller Reflexionen an der Anschlussstelle eines Empfängers entspricht der von Funkkanälen bekannten Mehrwegeausbreitung und führt zu einer frequenzselektiven ÜF des Kanals zwischen dieser Position und der Position des zurzeit aktiven Senders. Die frequenzabhän- gigen Werte der Leitungsparameter (Wellenwiderstand ZL und Ausbreitungskoeffizient Γ) sowie der Eingangsimpedanz der Teilnehmer Zin verursachen weitere Frequenzselektivität. Die Webdemo [37] ist ein vereinfachtes interaktives Beispiel für die durch Reflexionen verursachte Frequenzselektivität von Leitungsnetzwerken. Im Kapitel 3 werden Ergebnisse von Simulationen an Leitungsnetzwerken vorgestellt. Hierzu wurde ein Simulationsmodell verwendet, wie es in [36, 38] vorgestellt und in [18, 24] zu Kanalsimulationen des betrachteten Feldbussystems eingesetzt wurde. Wie auch dort, wurden in der vorliegenden Arbeit die in [39] messtechnisch bestimmten Leitungsparameter verwendet. Bild 2.6a zeigt den aus diesen Parametern berechneten Wellenwiderstand, in Bild 2.6b ist der Ausbreitungskoeffizient zu sehen, aufgeteilt in den Realteil (Dämpfungskoeffizient α =Re{Γ}) und den Imaginärteil (Phasenkoeffizient β = Im{Γ}). Im herkömmlichen Bussystem nach [26] führt die Frequenzselektivität wegen der relativ niedrigen Übertragungsrate zu keinen nennenswerten Einbußen in der Signalqualität. Beim hier betrachteten neuartigen System ist die verwendete Bandbreite mit bis zu 10MHz jedoch deutlich höher und dem Effekt der Frequenzselektivität des Kanals muss durch den Einsatz eines Schutzintervalls sowie durch 13 Kapitel 2. Grundlagen die dynamische Unterträgerzuweisung an die Teilnehmer entgegengewirkt werden. 2.1.7 Prototypische Implementierung Die Funktionalität der für das neue Feldbussystem entwickelten Algorithmen ist auf einer Prototy- penplattform nachgewiesen worden [18, 24, 40]. Diese basiert auf einem programmierbaren Logik- baustein bzw. FPGA, welcher hauptsächlich die MDS und teilweise MAC-Komponenten beinhaltet. Für weitere, weniger Rechenintensive Algorithmen der MAC ist ein Mikrocontroller vorhanden. Der FPGA ist über ein Schnittstellen-Schaltkreis [41] mit einem USB-Anschluss verbunden, sodass ein Prototyp an einen PC angeschlossen werden kann. Von dem PC aus kann insbesondere der Mikro- controller mit Betriebsparametern versorgt werden und es können die der MAC-Schicht vorliegenden Statusinformationen abgerufen und auf einer grafischen Benutzungsoberfläche angezeigt werden. Zum Leitungsnetz hin ist die Prototypenplattform mit einem DAC und einem ADC ausgestattet, für die wie auch für den FPGA ein spannungsgesteuerter Quarzoszillator (VCXO) das Taktsignal lie- fert. Wie in [18] verdeutlicht wird, ist in OFDM-Systemen eine möglichst hohe Übereinstimmung der Taktfrequenzen im Sender und Empfänger notwendig, sodass die Steuerbarkeit des Oszillators sehr wichtig ist. Erkennt ein Slave während der im Abschnitt 2.1.4 erwähnten Symbolextraktion eine Abweichung, kann die im FPGA implementierte MDS den VCXO nachregeln. Die Prototypen kön- nen über austauschbare AFEs, welche als Aufsteckplatinen verschiedene Ankopplungseigenschaften aufweisen können, auf das Kabelnetzwerk zugreifen. Für die Fertigung der Master- und Slave-Endgeräte mit dem Ziel der Vermarktung ist eine FPGA- basierte Implementierung nicht geeignet, weil die Fertigungs- und somit die Produktkosten durch die Anwender nicht tragbar sind. Zum Vergleich sei hier anzugeben, dass insbesondere in FANs der Sensor-Aktuator-Ebene der Preis von einfachen Endgeräten unter 100C sein kann [1]. Da in Fer- tigungsprozessen immer mehr Sensoren und Aktuatoren eingesetzt werden, sollen auch die künf- tig herzustellenden Endgeräte des neuartigen Feldbussystems kostengünstig sein. Um dies zu errei- chen, müssen sogenannte application-specific integrated circuits (ASICs) entwickelt werden, welche in Massenfertigung produziert werden können. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in der Herstellung und in der Anwendung wird der Funktionsumfang der künftigen ASICs soweit wie möglich reduziert, sodass diese nur die für den Feldeinsatz benötigten Komponenten enthalten. Dies betrifft neben der Optimierung der Algorithmen insbesondere die Reduktion der Anzahl der Ein- und Ausgangspins des Chips, weil dies außer den Herstellungskosten den Energieverbrauch, die elektromagnetische Verträg- lichkeit und die verwendbare Taktrate beeinflusst. 14 2.2. Systemdiagnose 2.2 Systemdiagnose Obwohl OFDM in vielen Übertragungssystemen eingesetzt wird und zum Stand der Technik gewor- den ist, ist es ein komplexes Übertragungsverfahren. Es ermöglicht zwar eine relativ zuverlässige und in vielerlei Hinsicht eine effiziente Kommunikation, die notwendigen Algorithmen sind jedoch sehr empfindlich gegenüber Unzulänglichkeiten der eingesetzten Hardware. Außerdem sind durch die viel- fältigen Topologiemöglichkeiten Szenarien möglich, bei denen nicht für alle Teilnehmer einwandfreie Kommunikation ermöglicht werden kann. Hinzu kommt, dass das System noch nicht die Reife für die Standardisierung erreicht hat. Insbesondere die Algorithmen der MAC-Schicht sind zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit nicht ausgereift, sodass eine suboptimale Trägerzuweisung möglich ist und die Schwächen der Algorithmen aufgedeckt und behoben werden müssen. In der Industrie herrschen bisher Systeme mit bitserieller Übertragung vor, deshalb sind die Herstel- ler von Netzkomponenten für das neuartige System und vor allem die künftigen Anlagenbetreiber mit dem verwendeten Mehrträger-Modulationsverfahren nicht vertraut. Daher müssen komplexe Mess- verfahren in einem weiteren Schritt auf eine einfache Handhabung umgesetzt werden, sodass insbe- sondere Anwender ohne viel Hintergrundwissen in der Modulation (z.B. Elektroinstallateure) mit der Installation und dem Betrieb des Systems zurechtkommen. Neben einem stark automatisierten Aufbau der Verbindung zwischen dem Master und allen (neu) angeschlossenen Slaves ist hierfür die Möglich- keit der Diagnose eines Systems sehr wichtig. Es erfordern insbesondere, aber nicht ausschließlich, folgende Aufgaben eine Diagnose am System: • Prüfung des Systems auf Fehlerfreiheit bei der Inbetriebnahme • Sicherstellung, dass nach einer Netzveränderung (Hinzufügen/Entfernen/Verschieben von Lei- tungssegmenten und Slaves) das System weiterhin fehlerfrei läuft • Erkennung eines Fehlerfalls • Im Fehlerfall Suche nach der Ursache und deren Behebung Für diese Aufgaben muss ein Anlagenbetreiber oder ein entsprechender Dienstleister über Diagno- sewerkzeuge verfügen, welche zum einen den richtigen Einblick in den Systemstatus bieten, zum anderen jedoch keine tiefen Kenntnisse der Datenübertragung erfordern. 2.2.1 Diagnoseparameter Der Begriff der Systemdiagnose umfasst die Ermittlung von Metriken, welche den Systemzustand beschreiben, und soweit wie Möglich das Herleiten von Aussagen darüber, ob ein Fehlerfall vorliegt bzw. aufzutreten droht, wie schwerwiegend der Fehlerfall ist und was die Ursache des Fehlers ist. Für die Diagnose eines Kommunikationssystems auf der Modulationsebene kommen unter anderem folgende Metriken als Diagnoseparameter in Frage. 15 Kapitel 2. Grundlagen • Die Bitfehlerhäufigkeit, häufig mit dem englischen Begriff bit error ratio (BER) bezeichnet, ist die Hauptmetrik für die Qualität einer digitalen Datenübertragung, weil sie das direkte Maß für die Zuverlässigkeit der Kommunikation ist. Allerdings ist für die Bestimmung der BER eine möglichst genaue Kenntnis der gesendeten Daten erforderlich. Da ein Fehlerkorrekturcode ein- gesetzt wird, ist es möglich, die Bitfolgen vor und nach dem Kanaldecoder zu vergleichen bzw. die Anzahl der korrigierten Bitfehler auswerten. Unter der Annahme, dass der Kanaldecoder alle Bitfehler erfolgreich korrigieren kann, entspricht die Bitfolge am Ausgang des Kanaldeco- ders der gesendeten Sequenz. Da dies nur unterhalb einer Schwelle der BER gegeben ist und weil bei sehr seltenen Bitfehlern nur eine ungenaue Aussage möglich ist, hat die Ermittlung der BER eine obere und eine untere Auflösungsgrenze. • Ein niedriges Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) führt zu einer hohen BER. Daher ist das SNR ein weiteres Maß, mit dem die Signalqualität quantifiziert werden kann. Insbesondere bei BER- Werten unterhalb ihrer unteren Auflösungsgrenze kann der Wert des SNR eine quantitative Si- gnalbeurteilung ermöglichen. Im Fall der Mehrträger-Modulationsverfahren kann das SNR pro Unterträger angegeben werden. Im betrachteten Feldbussystem muss ein Unterträger ein vorge- gebenes Mindest-SNR aufweisen, um einem Systemteilnehmer zugewiesen werden zu können. Die Menge an Unterträgern mit hinreichend hohem SNR an einer Stelle im Netzwerk bestimmt somit die Systemkapazität, also die Fähigkeit des Systems, einen oder mehrere Slaves an dieser Stelle ins Netzwerk aufzunehmen. Die Ursache eines niedrigen SNR liegt in einer niedrigen Signal- oder in einer hohen Rauschleistung. Für genauere Aussagen ist die Auswertung weite- ren Metriken erforderlich. • Die Signalleistung beeinflusst zusammen mit der Rauschleistung direkt das SNR. Eine gerin- ge Signalleistung kann mehrere Ursachen haben, hierzu zählen unter anderem eine niedrige Verstärkung im Sender oder Empfänger und eine starke Dämpfung durch den Übertragungs- kanal. Vor allem im Hinblick auf die Kanaldämpfung ist angesichts der Frequenzselektivität zwischen der mittleren Gesamtleistung eines Signals und der mittleren Signalleistung in einem Frequenzintervall zu unterscheiden. Die Gesamtleistung kann im Zeitbereich anhand der ge- messener Signalamplitude ermittelt werden. Im Frequenzbereich bietet es sich für Mehrträger- Modulationsverfahren an, die mittlere Leistung der QAM-Symbole zu bestimmen, mit denen ein empfangener Unterträger moduliert wurde. Eine zu hohe mittlere Signalleistung kann auf eine übermäßige Verstärkung hindeuten, die zu nichtlinearen Verzerrungen durch Sättigungs- effekte der analogen Verstärker oder zu einem hohen Begrenzungsrauschen am ADC führen kann. • Der Verlauf des Signalspektrums, also der Fourier-Transformierten des DMT-Signals ermög- licht einen schnellen Überblick über die frequenzselektive ÜF des Kanals, sodass evtl. ohne eine Bestimmung des SNR pro Unterträger eine Aussage über die Systemkapazität an einer Stelle im Netzwerk möglich sein kann. Des Weiteren kann das Vorhandensein von Tälern oder Spitzen 16 2.2. Systemdiagnose in relevanten Intervallen des Spektrums einen Hinweis darauf geben, ob das mit anderen Mit- teln bestimmte niedrige SNR durch den frequenzselektiven Kanal oder durch schmalbandige Störsender verursacht wurde. • Eine Abweichung der Taktfrequenzen bzw. der sampling frequency offset (SFO) zwischen dem Master und einem Slave kann zu einer erheblicher Beeinträchtigung der Signalqualität führen. Da jeder Slave mittels eines VCXO seinen Takt an den des Masters angleicht und dies je nach eingesetztem VCXO nur in einem bestimmten Bereich möglich ist, kann eine stark von der Spezifikation abweichende Taktfrequenz des Masters dazu führen, dass ein oder mehrere Sla- ves nicht zuverlässig an der Kommunikation teilnehmen können. Wird ein Diagnosewerkzeug mit einer genauerer Takterzeugung als in der MAU des Masters eingesetzt, kann es durch ent- sprechende Algorithmen feststellen, ob die vom Master verwendete Taktfrequenz innerhalb der Spezifikation liegt. • Eine zu hohe Signallaufzeit zwischen einem Slave und dem Master kann zu erhöhter ISI füh- ren. Bietet ein Diagnosewerkzeug die Möglichkeit, die Signallaufzeiten zu messen, so können evtl. zu lange Signalleitungen als mögliche Ursachen für beobachtete Störungen der Kommu- nikation festgestellt werden. Ist es durch weitere Algorithmen möglich, eine Rekonstruktion der Topologie eines Leitungsnetzwerks durch die Beobachtung der darüber übertragenen Si- gnale durchzuführen, so kann dies z.B. die Suche nach zu langen Leitungssegmenten in einer Fertigungsanlage mit wenig übersichtlicher Kabelführung erleichtern. 2.2.2 Plattformen für die Implementierung der Diagnosewerkzeuge Je nach Komplexität und Einsatzzweck sind verschiedene Typen von Diagnosewerkzeugen denkbar. Allen ist gemeinsam, dass sie auf die Signale zugreifen, mit denen die Geräte über das Leitungsnetz- werk kommunizieren. Die folgenden Abschnitte zählen mögliche Plattformen für Diagnosewerkzeuge auf und gehen auf die jeweiligen Stärken und Schwächen ein. Konventionelles Messgerät Hierbei handelt es sich um ein Oszilloskop, Spektrumanalysator oder ein anderes Universalmessgerät, die nicht nur die für diese Arbeit relevanten Funktionalitäten besitzen, sondern auch in anderen Gebie- ten eingesetzt werden können. Die nur gelegentliche Verwendung eines solchen Geräts zur Diagnose am Feldbussystem kann insbesondere für Anlagenbetreiber vorteilhaft sein, die es im industriellen Produktionsumfeld vielfältig einsetzen können, was eine Investition besonders rechtfertigt. Eventuell ist für die Systemdiagnose eine systemspezifische Erweiterung des Messgeräts notwendig. Falls die- se nicht vom Gerätehersteller als eine in das Messgerät integrierbare Zusatzoption angeboten wird, 17 Kapitel 2. Grundlagen kann sie von einem Dritthersteller als ein Diagnoseprogramm entwickelt werden, welches sich nur mancher Funktionen des Messgeräts bedient (vgl. [42] für AS-Interface). Diese Arbeit geht im Kapitel 4 auf den Einsatz konventioneller Messtechnik zur Systemdiagnose des betrachteten Feldbussystems ein. Dort werden auch die Einschränkungen von solchen Messgeräten beschrieben, die eine möglichst umfangreiche Diagnose erschweren. Zudem enthalten die univer- sell einsetzbaren Geräte je nach Preisklasse Funktionen und Eigenschaften, welche für die alleinige Systemdiagnose nicht erforderlich sind, wodurch ihr Anschaffungspreis für den Anwender unverhält- nismäßig hoch sein kann. Systemspezifisches Werkzeug Die Einschränkungen von konventionellen Messgeräten können durch die Entwicklung eines Mess- werkzeugs speziell für den Zweck der Diagnose des jeweiligen Systems überwunden werden. Hier und weiter wird ein solches Gerät als ein eigenständiges Diagnosewerkzeug (EDW) bezeichnet. Ein EDW weist hinsichtlich des Zugriffs auf das Bussignal, der Leistungsfähigkeit seiner Komponenten sowie hinsichtlich der implementierten Diagnosefunktionen genau die erforderlichen Eigenschaften auf. Die Grundfunktionalität eines EDW ist das relativ kurzzeitige Mitverfolgen der Kommunikation im Netzwerk sowie die Extraktion und Interpretation von jenen übertragenen Datensätzen, welche einen Rückschluss auf den Systemzustand erlauben, z.B. [43] für Profibus. Parallel dazu kann es durch die Analyse des erfassten Bussignals zusätzliche Aussagen über die Systemreserven ermögli- chen. Da die Frequenzselektivität des Kanals stark ortsabhängig sein kann, ist es erforderlich, dass das EDW bei Bedarf portabel an verschiedenen Stellen im Netzwerk an die Leitung angeschlossen werden kann. Das Kapitel 5 beschreibt den Entwurf und die Implementierungsaspekte eines solchen Werkzeugs bezüglich der MDS-Algorithmen. Wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit deutlich wird, kann ein EDW, welches speziell für das hier betrachtete Feldbussystem entworfen wurde, sehr komplex aufgebaut sein. Es ist zu erwarten, dass die ASICs, welche nach der Markteinführung die Algorithmen der physikalischen Schicht in den Master- oder den Slave-Endgeräten implementieren und in Massenproduktion gefertigt werden, nicht über die für den Einsatz in einem Diagnosewerkzeug benötigten speziellen Schnittstellen verfügen werden. Hier bieten sich stattdessen FPGA-gestützte Lösungen an. Da die Diagnosewerkzeuge üblicherweise in viel geringeren Stückzahlen im Vergleich zu den Endgeräten benötigt werden, würden sie ebenfalls einen hohen Anschaffungspreis haben und insbesondere für die Hersteller von Systemkomponenten sowie Dienstleister attraktiv sein, jedoch weniger für Anlagenbetreiber. 18 2.2. Systemdiagnose Werkzeuge zur Systemüberwachung Ein Modul zur Langzeit-Systembeobachtung, im Folgenden als LSM abgekürzt, kann als eine Son- derform des oben beschriebenen EDW aufgefasst werden und unterscheidet sich von diesem darin, dass es für einen längeren bis unbegrenzten Zeitraum mit dem Netzwerk verbunden bleibt. Auf diese Weise kann es Veränderungen im Netzwerk mitverfolgen, sporadische Fehler oder kritische Ereignis- se protokollieren und auf Anfrage einen Langzeitbericht erstellen, vgl. [44] für AS-Interface. Hierfür sind unter anderem ein Langzeitspeicher für die aufgezeichneten Daten sowie eine oder mehrere Schnittstellen für den Abruf des Protokolls notwendig. Es bietet sich an, ein LSM möglichst kompakt zu halten, damit es bequem in das Netzwerk integriert werden kann. So ist es denkbar, ein LSM ledig- lich mit den Funktionen der Ereignisprotokollierung auszustatten und für die Auswertung der Daten einen PC oder ein EDW zu verwenden. In dieser Form wäre ein LSM einfacher und kostengünstiger als ein EDW, sodass es von Anlagenbetreibern ins System aufgenommen werden und im Fehlerfall Diagnosedaten liefern kann, welche einem schnelleren Auffinden und Beheben der Fehler dienen. Die im Kapitel 5 erläuterten Anforderungen an die MDS eines EDW sind auch für ein LSM gültig. Es ist vorstellbar, dass manche Funktionen eines LSM auch von einem diagnosefähigen Slave über- nommen werden können. Ein solches Slave-Endgerät bindet dann nicht nur die Sensoren und/oder Aktuatoren an das Netzwerk an, sondern es kann mit einem Ereignisspeicher ausgestattet sein, Dia- gnosedaten aufzeichnen und diese entweder im Uplink der Feldbuskommunikation oder über eine anderweitige Schnittstelle an den Master oder an ein EDW weitergeben. Da auch ein diagnosefähiger Slave die in seinem ASIC implementierten MDS-Algorithmen nutzen müsste, wären die erkennba- ren Ereignisse im Vergleich zu einem LSM möglicherweise eingeschränkt, z.B. nur auf Nachrichten, welche an eben diesen Slave adressiert waren. Eine genaue Abgrenzung der Funktionalität eines LSM kann erst nach der Veröffentlichung bzw. Markteinführung des neuartigen Systems durch die Indus- trie vorgenommen werden. Daher werden in dieser Arbeit die diagnosefähigen Slaves nicht gesondert behandelt. 19 Kapitel 3 Ankopplung von Diagnosewerkzeugen an das Netzwerk 3.1 Anforderungen Das betrachtete Feldbussystem ist so ausgelegt, dass das Netz durch das Herstellen von Verzweigun- gen und durch das Zuschalten neuer Teilnehmer sehr einfach erweitert werden kann. Der leitende Kontakt zwischen zwei Leitungssegmenten wird dabei besonders einfach mithilfe der Durchdrin- gungstechnik hergestellt [26]. Die verzweigte Zweidrahtleitung bildet ein Übertragungsmedium, das von allen Teilnehmern verwendet wird (shared medium). Da die Leitungssegmente weder an ihren Enden noch an Anschluss-Stellen der Systemteilnehmer oder an Verzweigungsstellen angepasst sind, entstehen an diesen Punkten Reflexionen, die wie im Kapitel 2 beschrieben zu einer frequenzselekti- ven ÜF des Netzwerks führen, welche an jeder Stelle im Netzwerk unterschiedlich sein kann. Die im Abschnitt 2.1.4 beschriebene differenzielle Modulation in Kombination mit der dynamischen Zuweisung von besonders günstigen DMT-Unterträgern an die einzelnen Systemteilnehmer sorgen beim hier betrachteten neuartigen System dafür, dass die Datenübertragung trotz der Frequenzselek- tivität des Netzwerks gewährleistet werden kann. Beim Zu- oder Abschalten von Slaves oder bei der Erweiterung des Netzes durch neue Leitungssegmente ändern sich im Allgemeinen die Übertragungs- funktionen einzelner Teilnehmer. Falls dabei ein oder mehrere Teilnehmer ein so stark verringertes SNR erfahren, dass die Anforderungen an die Bitfehlerrate nicht aufrecht erhalten werden kann, fin- det eine automatische Neukonfiguration des Netzes statt, bei welcher der Master die Zuweisung der DMT-Unterträger an die Slaves vornimmt [23, 45]. Muss unter diesen Voraussetzungen ein Diagnosegerät auf die Leitung zugreifen, um die Kommuni- kation zu beobachten, so kann es im Allgemeinen ebenfalls zu Reflexionen kommen, wodurch sich manche oder im schlimmsten Fall alle Übertragungsfunktionen ändern können. Falls dabei ein bis- her verwendeter Unterträger unbenutzbar werden würde, würde ein entsprechender Algorithmus der 20 3.2. Simulationsmodell MAC-Schicht eine Neukonfiguration des Netzes auslösen. Dieses Szenario ist unerwünscht, denn die Aufgabe eines Diagnosewerkzeugs ist es, Information über den Zustand des Netzes zu liefern, der vor dem Anschließen des Werkzeugs herrschte, was nach der Neukonfiguration nicht mehr möglich ist. Liegt in einem anderen Fall vor dem Messvorgang für mehrere Slaves eine schlechte Übertragung vor, kann das Anschließen des Diagnosewerkzeugs konstruktive Interferenz bei diesen Slaves so hervor- rufen, dass sich für diese Slaves die Übertragungsqualität verbessert, was ebenfalls eine Fehlmessung zur Folge hätte und nicht auftreten darf. Selbst wenn eine Neukonfiguration des Systems nicht ausgelöst wird, muss beachtet werden, dass das Signal auf der Leitung an der Anschlussstelle möglichst präzise vom Diagnosewerkzeug erfasst wird. Werden durch dessen Zuschalten Reflexionen verursacht, ändert sich die zu messende Spannung und die Messung entspricht nicht dem tatsächlichen Zustand des Netzes. 3.2 Simulationsmodell Die automatische Neukonfiguration des Netzes kann ausgelöst werden, wenn der Master im Uplink oder mindestens einer der Slaves im Downlink eine signifikante Änderung des geschätzten SNR, ver- ursacht durch die Änderung der ÜF, erfährt. Im Folgenden wird zunächst allgemein der Einfluss des Kanals auf das SNR diskutiert, danach wird die Auswirkung der durch ein Diagnosegerät veränderten ÜF betrachtet. Der Kanal vom Master zu einem Slave besitzt die ÜF H̃ ( jΩ) ∈ C mit Ω = 2π f , welche die Fourier- Transformierte der zeitkonuierlichen Kanal-Impulsantwort h̃(t) ∈ R ist. Für zeitdiskrete Signale (im Sender vor dem DAC und im Empfänger nach dem ADC) mit der Abtastrate fADC sind die Spektren und Übertragungsfunktionen periodisch und es gilt die frequenzkontinuierliche periodische Kanal- Übertragungsfunktion H ( e jωADC ) = fADC ∞ ∑ µ=−∞ H̃ ( jΩ) ∣∣∣ Ω=(ωADC−2πµ)· fADC (3.1) mit ωADC = 2π f/fADC = Ω/fADC. Nach einer Abtastung der ÜF im Frequenzbereich mit 2NDMT/fADC gilt Hk = H ( e jωADC )∣∣ ωADC=k· fADC 2NDMT 2π fADC (3.2) = |Hk| · e jϕH k , k = 0,1 . . . ,2NDMT−1. (3.3) Weil h̃(t) reell ist, besitzen die unterschiedlichen Darstellungen der ÜF die folgenden Symmetrieei- genschaften: 21 Kapitel 3. Ankopplung von Diagnosewerkzeugen an das Netzwerk H̃ ( jΩ) = H̃∗ (− jΩ) (3.4) H ( e jωADC ) = H∗ ( e j(µ2π−ωADC) ) , µ ∈ Z (3.5) Hk = H∗2NDMT−k (3.6) Unter Einhaltung der Bedingung, dass das Schutzintervall länger als die Kanal-Impulsantwort dimen- sioniert ist, ist das empfangene Signal nach der DFT frei von ISI. Die Wirkung des Kanals kann dann mit jeweils einem komplexwertigen Koeffizienten für jeden Unterträger beschrieben werden: Wk,s = Xk,s · |Hk| · e jϕH k , (3.7) wobei Xk,s bzw. Wk,s das auf dem Unterträger k im DMT-Symbol s gesendete bzw. empfangene QAM- Symbol ist. Der Betrag der ÜF beeinflusst entsprechend dem Wiener-Chintschin-Theorem [46] direkt das Leistungsdichtespektrum (LDS) des empfangenen Signals und damit das SNR. Somit wirkt sich jede durch die Anschaltung eines Diagnosewerkzeugs verursachte Änderung des Betrags der ÜF in einem veränderten SNR aus. Die differenzielle Demodulation bildet die Differenz der Phase zweier aufeinander folgender Symbole Wk,s und Wk,s−1, sodass die zeitlich unveränderliche Phasendrehung durch den Kanal keine Auswir- kung auf das SNR hat, vorausgesetzt der richtigen Dimensionierung des Schutzintervalls. Auf diese Weise hat auch ein durch den Anschluss des Diagnosewerkzeugs geänderter Phasengang des Ka- nals keine Auswirkung auf das SNR nach der differenzieller Demodulation. Die Voraussetzung kann jedoch verletzt werden, wenn sich durch die veränderte Phase der Kanal-ÜF die Signallaufzeiten signifikant ändern, was im Folgenden erläutert wird. Die Länge des Schutzintervalls wurde in dem betrachteten System hinreichend groß ausgelegt, um im Master die unterschiedlichen Signal-Umlaufzeiten der einzelnen Slaves ausgleichen zu können [18]. Diese Beziehung ist qualitativ im Bild 3.1 dargestellt. Zwei Slaves besitzen durch die Synchronisation auf die Trainingssequenz eine um die Signallaufzeit τi (i = 1,2) verschobene Zeitbasis und fangen zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit dem Senden im Uplink an. Da der Master davon ausgehen muss, dass bereits in unmittelbarer Nähe Slaves an das Leitungsnetz angeschlossen sind, deren Signale nach einer sehr kurzer Laufzeit beim Master eintreffen, wendet dieser zur Symbolextraktion die Zeitbasis mit τmin = 0 an. Darüber hinaus wertet der Master die Signale aller Slaves gleichzeitig aus. Diese starre Symbolextraktion ist in Bild 3.1 durch die grün und blau hinterlegten Bereiche verdeutlicht. Die Antwort weiter entfernt liegender Slaves trifft nach der jeweils doppelten Signallaufzeit 2τi (i = 1,2) beim Master ein (angedeutet durch Schraffuren). Die Uplink-Signale aller Slaves überlagern sich auf der Leitung, sodass das extrahierte Zeitbereichssignal am Eingang der DFT im Master für weiter 22 3.2. Simulationsmodell Symbol s−1 Schutzintervall von Symbol s Symbol s... t Slave 1, nah am Master keine ISI dank Schutzintervall Slave 2, weit entfernt Rest-ISI möglich wg. Verzögerung Rest-ISI 2τ12τ1 2τ22τ2 > 2τ1 Bild 3.1: Prinzipdarstellung der Auswirkung von Laufzeitdifferenzen bei der Fensterung im Uplink. Grün und blau: Fensterung am DFT-Eingang im Master, Orange abklingende Funktionen: Angedeutete Impulsantworten, rote Überlappung der Impulsantwort mit dem blauen Fens- ter: Rest-Intersymbol-Interferenz. entfernt liegende Slaves einen größeren Teil des Schutzintervalls enthält. Bei einem Kanal mit konstantem Betragsverlauf der ÜF würden diese Laufzeitunterschiede nur eine Phasendrehung des demodulierten Signals verursachen, welche wie oben beschrieben dank der dif- ferenziellen Demodulation keinen Einfluss auf das SNR ausübt. Bei realen Netzen mit Mehrwegaus- breitung dient das Schutzintervall besonders auch dazu, den Einfluss der ISI zu minimieren, welche von der Kanalimpulsantwort (angedeutet durch die abklingende Funktion am Anfang des jeweili- gen Schutzintervalls im Bild 3.1) verursacht wird. Da auf der Leitung sehr viele (theoretisch unend- lich viele) Reflexionen möglich sind, kann eine Rest-ISI verbleiben, welche das effektive Signal-zu- Interferenz-und-Rausch-Verhältnis (SINR) beeinflusst. Bei einer signifikanten Änderung der Signal- laufzeit durch die Ankopplung eines Diagnosewerkzeugs kann die im Master wirksame Rest-ISI vor allem für weiter entfernte Slaves höher oder niedriger werden, was, wie oben erwähnt, zu vermeiden ist. Das in den Slaves wirksame SNR ist dagegen nicht von der Laufzeitänderung betroffen, weil sich die Slaves durch die Rahmenerkennung implizit die richtige Zeitbasis für die Symbolextraktion im Downlink beschaffen. Es wurden Systemsimulationen durchgeführt, um die Übertragungsfunktion der Leitungsverbindung zwischen dem Master und einem beliebigen Slave vor (H̃0 ( jΩ)) und nach dem Hinzuschalten eines Diagnosewerkzeugs (H̃ ( jΩ)) zu vergleichen. Dabei wurden der Betrag und die Phase der Übertra- gungsfunktion ausgewertet. Wie Abbildung 3.2 zeigt, waren die Länge L0 der Anschlussleitung zum Werkzeug (im Bild: Tool), dessen effektive Eingangskapazität Cin und Eingangswiderstand Rin sowie die Position L1 der Anschlussstelle die untersuchten Parameter, wobei die Länge der Leitung im Feld- bussystem L1 +L2 = 200m betrug und am fernen Ende 128 Slaves angeschaltet waren. Bis auf die Stelle, an der das Werkzeug an das Netzwerk angeschlossen ist, wies das simulierte Netzwerk keine Verzweigungen auf und es galt die gleiche ÜF zwischen dem Master und jedem Slave. Um die Rückwirkung der Hinzuschaltung eines Diagnosewerkzeugs zu beurteilen, wurde die maxi- male Änderung der Signallaufzeit ∆τmax bzw. des Betrags der Übertragungsfunktion ∆HdB,max über 23 Kapitel 3. Ankopplung von Diagnosewerkzeugen an das Netzwerk Master Tool 128 Slaves RinCin L1 L2 L0 Bild 3.2: Simulationsmodell „Diagnosewerkzeug zwischen Master und allen Slaves“ dem gesamten relevanten Frequenzbereich von 1MHz < f < 10MHz entsprechend den Gleichungen (3.8) und (3.9) mit Ω = 2π f ermittelt. ∆τmax = max 1MHz<Ω/2π<10MHz ∣∣∣∣∣−arg H̃ ( jΩ)+ arg H̃0 ( jΩ) Ω ∣∣∣∣∣ (3.8) ∆HdB,max = ( max 1MHz<Ω/2π<10MHz { 20log10 ∣∣∣H̃ ( jΩ) ∣∣∣−20log10 ∣∣∣H̃0 ( jΩ) ∣∣∣})dB (3.9) Bei der Ermittlung von ∆τmax wurde angenommen, dass der Kanal näherungsweise einen linearen Phasengang besitzt, sodass die Signallaufzeit gleich der Phasenlaufzeit ist: τ = τG =− d dΩ arg H̃ ( jΩ) = τph =− arg H̃ ( jΩ) Ω (3.10) 3.3 Ergebnisse Bild 3.3a zeigt die von der Anschaltung des Diagnosegeräts verursachte Veränderung der Signal- laufzeit ∆τmax, normiert auf die Abtastperiodendauer 1/fADC mit fADC = 15MHz als eine bivariate Funktion der (hier rein Ohmschen) Eingangsimpedanz Rin des Werkzeugs sowie der Länge L0 der Zuleitung zum Zugriffspunkt im Feldbussystem, der sich L1 = 180m vom Master und L2 = 20m von den Slaves entfernt befindet. Man sieht an der Farbskala rechts vom Schaubild, dass sich die Lauf- zeit nur um einen Bruchteil der Abtastperiodendauer ändert (∆τmax · fADC < 0,1 für alle Rin und L0), sodass diese geringfügige Änderung nicht von einem Systemteilnehmer detektierbar ist. Bild 3.3b dagegen zeigt, dass der Betrag der ÜF des Netzwerks sehr stark vom Eingangswiderstand des Werkzeugs und der für das Anschalten eingefügten Zuleitung abhängig ist. Man erkennt, dass die Länge L0 der Zuleitung einen starken Einfluss besitzt, denn auf dieser Leitung können stehende Wel- len entstehen, welche zu hohen Werten von ∆HdB,max führen können, wenn L0 in der Größenordnung der entstehenden Wellenlänge λ entsprechend Gleichung (3.11) liegt. 24 3.3. Ergebnisse 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 101 102 103 L0 [m] R in [k Ω ] 0,02 0,04 0,06 0,08 ∆τmax · fADC (a) Normierte Änderung der Signallaufzeit ∆τmax · fADC 0 0,5 1 1,5 2 100 101 102 103 L0 [m] R in [k Ω ] 0,5 1 1,5 2 ∆HdB,max (b) Änderung des Betrags der ÜF ∆HdB,max Bild 3.3: Durch die Zuschaltung eines Diagnosewerkzeugs verursachte maximale Änderung der Si- gnallaufzeit ∆τmax · fADC (a) und des Betrags der ÜF ∆HdB,max (b) zwischen dem Master und den 128 Slaves als Funktion des Eingangswiderstands des Diagnosewerkzeugs Rin und der Länge L0, dargestellt als Heatmaps mit den dazugehörigen Farbskalen rechts vom jeweiligen Schaubild. Es gilt Cin = 0, L1 = 180m und fADC = 15MHz. λ ( f ) = 2π Im{Γ( f )} (3.11) Mit Im{Γ(10MHz)} ≈ 350km−1 aus Bild 2.6 beträgt die kleinstmögliche Wellenlänge λ min ≈ 18m bei f ≈ 10MHz. Es ist im Bild 3.3b zu sehen, dass es erst durch die Wahl von L0� λ min mit einer hochohmigen Ankopplung möglich ist, die Betragsänderung ∆HdB,max der ÜF gering zu halten. Bei einer realisierten Schaltung bewirken die eventuellen Koppelkondensatoren, der zur Gleichtakt- unterdrückung und zur galvanischen Trennung notwendige Übertrager sowie parasitäre Eingangska- pazitäten von Verstärkern eine frequenzabhängige Eingangsimpedanz des Diagnosewerkzeugs. Der Einfluss der Frequenzabhängigkeit wurde daher durch Verändern der Eingangskapazität Cin des Werk- zeugs bei gleichbleibend hohem Ohmschem Eingangswiderstand von Rin = 100kΩ und bei vernach- lässigbar kleiner Länge (L0 = 0) der Zuleitung simuliert. Wie man aus Bild 3.4a erkennt, erzeugt die Eingangskapazität des Werkzeugs einen beträchtlichen Einfluss auf den Betrag der Übertragungs- funktion durch den mit steigender Frequenz abnehmenden Betrag seiner Eingangsimpedanz, wie es in Bild 3.4b veranschaulicht wird. Es fällt auch auf, dass die Rückwirkung des Diagnosewerkzeugs auf den Betrag der ÜF vor allem in der Nähe zu den Netzteilnehmern hoch ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die an der An- schlussstelle entstehenden Reflexionen einen kurzen Leitungsabschnitt durchlaufen müssen, um am 25 Kapitel 3. Ankopplung von Diagnosewerkzeugen an das Netzwerk Cin = 0pF Cin = 10pF Cin = 20pF 0 50 100 150 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Entfernung L1 der Ankopplung zum Master [m] B et ra gs än de ru ng de rÜ F ∆ H dB ,m ax (a) Ortsabhängige Betragsänderung der ÜF mit der Ein- gangskapazität Cin als Parameter 0 2 4 6 8 10 103 104 105 Frequenz [MHz] E in ga ng si m pe da nz | Z in | [ Ω ] (b) Frequenzabhängiger Betrag der Eingangsimpedanz mit der Eingangskapazität Cin als Parameter Bild 3.4: Änderung des Betrags der ÜF des Kanals ∆HdB,max abhängig von L1 (a) sowie der Betrag der Eingangsimpedanz (b) mit der Eingangskapazität des Diagnosewerkzeugs Cin als Parameter. In allen Simulationen ist Rin = 100kΩ. Master oder an einem Slave wieder reflektiert zu werden. Hierdurch verlängert sich die Impulsantwort auf der Leitung, was zu stärkerer Frequenzselektivität führt. 3.4 Auswirkungen für den Entwurf der Ankopplungsschaltung Je nachdem, ab welcher quantitativen Änderung des SNR die Algorithmen der MAC-Schicht ei- ne Neukonfiguration des Systems auslösen, sind die Anforderungen an die Eingangsimpedanz der Anschlussschaltung des Diagnosewerkzeugs mehr oder weniger streng. In jedem Fall ist jedoch die Länge L0 der Zuleitung zum AFE des Werkzeugs möglichst kurz zu halten. Der Wert L0 ≈ 0 kann erreicht werden, wenn sich die Eingangsschaltung zur Signalverstärkung direkt an der Anschlussstel- le befindet, z.B. ähnlich den Slaves im herkömmlichen System [26], sodass die Verstärkerschaltung mittels Durchdringungstechnik mit der Leitung verbunden werden kann. Ist die Anschlussschaltung so ausgelegt, dass ihre Eingangsimpedanz weitgehend unabhängig von den weiteren Komponenten des Diagnosewerkzeugs ist, kann das verstärkte Signal dann ohne eine zusätzliche Rückwirkung auf das Busnetzwerk über eine dämpfungsarme und abgeschirmte Leitung (z.B. Koaxialkabel) zum ADC des Diagnosewerkzeugs geführt werden. Aus Bild 3.4a geht hervor, dass die Eingangskapazität Cin von unter 10pF den Betrag der ÜF und folg- 26 3.4. Auswirkungen für den Entwurf der Ankopplungsschaltung lich das von den Teilnehmern geschätzte SNR um nicht mehr als 0,3dB ändert. Dies entspricht einer Eingangsimpedanz mit |Zin| > 2kΩ im gesamten relevanten Frequenzbereich von ca. 1 bis 10MHz. Ist die geforderte Rückwirkung noch geringer, so muss der Betrag der Eingangsimpedanz des Diagno- sewerkzeugs im gesamten relevanten Frequenzbereich noch höher sein. Wie aus Bild 3.3b ersichtlich ist, ist ab |Zin|> 10kΩ keine Rückwirkung auf das SNR mehr feststellbar. Der Entwurf einer Schaltung, welche diese strengen Anforderungen (hoher Betrag der Eingangsim- pedanz bzw. geringe Eingangskapazität) erfüllt, ist aufgrund von schwer vermeidbaren parasitären Kapazitäten aufwendig. Eine Schaltung mit Durchdringungstechnik und einer Impedanzwandlung mittels eines Übertragers wurde z.B. in [17] verwirklicht. Ein anderer vielversprechender Ansatz, der in [17, 20] verfolgt wurde, ist ein rückwirkungsarmer Abgriff des Bussignals über das elektroma- gnetische Wechselfeld außerhalb des ungeschirmten Kabels mittels einer kapazitiven oder induktiven Feldmessung. 27 Kapitel 4 Diagnose mittels konventioneller Messtechnik Mithilfe aktueller Messgeräte können heutzutage gängige Modulationsverfahren getestet werden. Hierzu zählen eigenständige Signalanalysatoren sowie Mehrzweckgeräte wie digitale Speicheroszil- loskope (DSO) oder Echtzeit-Spektrumanalysatoren (RSA), welche mit Software-Modulen zur Vek- torsignalanalyse (VSA) erweitert werden können. Diese Werkzeuge sind meist darauf ausgerichtet, Mobilfunk- oder Rundfunksignale in der Bandpasslage im Zeit- und/oder Frequenzbereich hinsicht- lich deren Qualität oder Konformität mit entsprechenden Standards und Spezifikationen wie GSM oder DVB-T. Auf diese weise bieten diese Geräte Unterstützung bei der Produktentwicklung oder bei der Netzplanung und -Diagnose. Das hier untersuchte neuartige Feldbussystem stellt noch keinen Industriestandard dar, sodass hier- für keine solchen kommerziellen Produkte verfügbar sind. Obwohl die auf dem Markt vorhandenen Lösungen im gewissen Rahmen parametrisierbar sind, sind sie nicht so weit anpassbar, dass sie die spezifische Demodulation des vorliegenden DMT-Signals vornehmen könnten. Die Gründe sind die systemspezifische Abtastrate, die Synchronisation auf eine Trainingssequenz sowie die Rahmenstruk- tur mit der Aufteilung in den Down- und Uplink einschließlich der Nullsymbole. Andererseits besitzen die modernen Messgeräte oft hochwertige ADCs, die es erlauben, das Signal aufzuzeichnen und später mit Signalverarbeitungsalgorithmen zu analysieren. Die Vorgehensweise und die Ergebnisse der Entwicklung werden in den folgenden Abschnitten beschrieben. 4.1 Entwurf der Algorithmen Ein Messgerät zur Analyse des Bussignals muss folgende Eigenschaften aufweisen: • Ein ADC mit mindestens der vom System geforderter Abtastrate, um alle DMT-Unterträger zu erfassen (nach dem Parametersatz im Anhang A.1 ca. 15MHz); 28 4.1. Entwurf der Algorithmen • Genügende Tiefe des Aufzeichnungsspeichers, um mit geeigneter Abtastrate mehrere Übertra- gungsrahmen des Signals lückenlos zu erfassen; • Konfigurierbarkeit durch Dritthersteller-Software, um Aufzeichnungsparameter zu setzen, eine Aufzeichnung zu starten und das digitalisierte Signal in das Diagnoseprogramm zu laden. Aktuell am Markt verfügbare DSO und RSA weisen diese Eigenschaften auf und sind generell ent- sprechend Bild 4.1 aufgebaut. Die Unterschiede zwischen beiden Gerätetypen liegen vor allem im AFE bzw. der digitalen Signalverarbeitung. Während die RSA vor der A/D-Wandlung einen Heterodyn- Empfänger einsetzen, um große Frequenzbereiche bis über 50GHz abzudecken [47], weisen DSO hier mehrere Kanäle mit einstellbaren Eingangsimpedanzen und vertikalen Messbereichen auf. Die digitale Signalverarbeitung führt in einem RSA immer eine DFT durch, in einem DSO findet an dieser Stelle meist eine Signalaufbereitung für die Anzeige im Zeitbereich statt, je nach Einstellung mit weiteren spezifizierbaren mathematischen Funktionen. Diese Signalverarbeitung sowie die darauf folgende Darstellung der Ergebnisse nimmt eine Zeit in Anspruch, welche in den Speicheroszillosko- pen deutlich länger sein kann als die erfasste und dargestellte Zeitspanne. Dies führt zu sogenannten Totzeit-Phasen, zu denen keine Aufzeichnung erfolgen kann. Der Begriff „real-time“ in der Bezeichnung von aktuellen Spektrumanalysatoren deutet auf die Fä- higkeit der RSA hin, das Spektrum im Gegensatz zu Speicheroszilloskopen lückenlos darzustellen. Hierfür wenden die RSA die Kurzzeit-Fourier-Analyse auf Signalsegmente an, wodurch die Länge der Signalsegmente begrenzt ist. Nimmt man die bei den DSO üblichen Totzeit-Phasen in Kauf, so sind sowohl hohe Abtastraten als auch lange Aufzeichnungen möglich. Zu messendes Signal AFE Speicher Digitale Signalverarbeitung AnzeigeA D Bild 4.1: Prinzipieller Aufbau eines DSO oder RSA Moderne Speicheroszilloskope bieten dem Anwender alle die Möglichkeit, das erfasste Signal mittels einer in Software oder in Hardware implementierter DFT vom Zeit- in den Frequenzbereich zu wan- deln, wodurch sie den RSA sehr ähnlich sind. Bild 4.2 zeigt beispielhaft, wie ein DSO zur Anzeige eines Signals im Zeitbereich und im Frequenzbereich konfiguriert werden kann. Sowohl RSA als auch DSO namhafter Hersteller bieten über die Programmierschnittstelle Virtual In- strument Software Architecture (VISA) [48] die Möglichkeit, das Zeitbereichssignal in ein anwender- spezifisches Programm zu laden. Da das Anzeigen eines Signals im Zeitbereich die primäre Aufgabe der DSO ist, wurden die im Folgenden vorgestellten Algorithmen an einem DSO, nämlich am RTE 1104 des Herstellers Rohde & Schwarz [49], getestet. Generell lassen sich die Algorithmen jedoch auch an geeigneten RSA oder an Oszilloskopen, welche über Universal Serial Bus (USB) an einen PC anschließbar sind wie denen des Herstellers Pico Technology [50], anwenden. 29 Kapitel 4. Diagnose mittels konventioneller Messtechnik Bild 4.2: Darstellung eines Signals im Zeit- (oben) und Frequenzbereich (unten) mittels eines DSO Die in dieser Arbeit vorgestellten Algorithmen bauen wie in Bild 4.3 gezeigt auf den Komponenten eines DSO auf. Die als Konfiguration gekennzeichneten Pfade veranschaulichen die Parametrisierung der DSO-Funktionen und -Komponenten über die Schnittstelle VISA. Ein schematischer Überblick des Programmablaufs ist in Bild 4.4 zu sehen. Vom Anwender wird das Gerät über die Schnittstelle VISA mit den notwendigen Einstellungen programmiert, die ein Aufzeichnen des anliegenden Spannungssignals in einer Binärdatei ermöglichen. Danach erfolgt die Demodulation entsprechend Bild 4.5. Die (Zwischen-) Ergebnisse werden dann dem Anwender prä- sentiert. Die in Bild 4.5 farblich hervorgehobenen Komponenten der Signalverarbeitung, nämlich die Abta- stratenwandlung (im folgenden auch als Abtastratenumsetzung bezeichnet) und die Schätzung sowie Korrektur des SFO. sind für die Systemdiagnose mittels eines DSO von besonderer Bedeutung, daher gehen die nächsten Abschnitte detailliert darauf ein. 30 4.2. Aufzeichnung des Signals GUI Datei AFE A D Speicher & digitale Signalverarbeitung Anzeige Diagnose- funktionen Konfiguration Daten Bild 4.3: Konfiguration der Messgerät-Komponenten durch das Diagnoseprogramm und dessen Zu- griff auf das gemessene Signal 4.2 Aufzeichnung des Signals 4.2.1 Grundsätzliches Nach [51] ist bekannt, dass die in einem analogen Signal enthaltene Information verlustfrei wieder- hergestellt werden kann, falls das Signal mit der Frequenz fmax bandbegrenzt ist und mit beliebiger Abtastfrequenz fADC ≥ 2 fmax abgetastet wird (sog. Nyquist-Shannon-Abtasttheorem). Für die Abtas- tung von Signalen, die durch digitale Modulation wie DMT entstehen, ist zur Detektion der gesende- ten Information im Allgemeinen nicht der exakte Verlauf des Signals, sondern nur dessen Werte zu bestimmten äquidistanten Zeitpunkten von Bedeutung. Daher muss ein Empfänger hierfür die Abtas- tung zu genau vorgegebenen Zeitpunkten durchführen: Bei Mehrträger-Modulationsarten wie DMT muss die Abtastrate des Empfängers mit der Taktfrequenz fDAC des DAC im Sender übereinstimmen, auch wenn dabei das Abtasttheorem nicht eingehalten wird. Liegt eine Abtastratenabweichung bzw. Englisch sampling frequency offset (SFO) vor, beeinflusst dies die Signalqualität negativ. Die Aus- wirkung des SFO auf das DMT-basierte Feldbussystem sowie passende Algorithmen, mit denen das SFO geschätzt und kompensiert werden kann, werden in [18] ausgewertet. Ist ein DMT-Signal durch den ADC eines DSO abzutasten, können die üblichen Signalverarbeitungs- schritte der DMT-Demodulation also nur dann direkt auf die Abtastwerte angewandt werden, wenn die Abtastrate fADC genau den Wert fDAC der DAC-Taktfrequenz im Sender besitzt. Da ein DSO einen vom Werk aus definierten Satz an unterstützten Abtastraten aufweist, erfolgt die Aufzeichnung meist aus mindestens einem der folgenden Gründe nicht mit der DAC-Frequenz des Senders: • Das verwendete DSO kann die benötigte Abtastrate meist nicht bereitstellen. • Wenn eine der vom DSO bereitgestellten Abtastraten der benötigten entspricht und das DSO mehrere Abtastraten zur Auswahl anbietet, stimmt bis auf eine Abtastrate keine mit der DAC- Frequenz des Senders überein. • Eine höhere Abtastrate als die benötigte kann das Quantisierungsrauschen des ADC verringern 31 Kapitel 4. Diagnose mittels konventioneller Messtechnik Benutzerdefinierte Einstellungen lesen Einstellungen setzen Vertikalskalierung Aufzeichnung & Speicherung Demodulation Anzeige Neue Sequenz angefordert? ja nein Abtastrate SFO Korrektur an/aus Trigger Abtastrate Speichertiefe DFT Ausgang (I/Q) DQPSK-Phasenwerte SNR Bild 4.4: Ablauf des DSO-basierten Diagnoseprogramms und so der begrenzten Auflösung des ADC teilweise entgegenwirken. In diesen Fällen kann das Signal als ein analoges aufgefasst werden. Solange das Abtasttheorem erfüllt ist, wodurch sein Verlauf auch zwischen den Abtastzeitpunkten exakt rekonstruierbar ist, kann das aufgezeichnete Signal durch Abtastratenwandlung in ein Signal gewünschter bzw. erforderlicher Abtastrate überführt werden. Das bedeutet, dass das Messgerät eine Überabtastung des Bussignals um den Faktor K durchführen muss. Wird das DMT-Signal von einem DAC mit der Taktrate fDAC generiert, besitzt es Spektralanteile im Bereich | f |< fmax = fDAC/2. Die vom DAC eventuell erzeugten Spektralanteile oberhalb von fDAC/2 tragen keine Nutzinformation und werden vom sogenannten Anti- Imaging-Filter nach dem DAC unterdrückt. Somit ist das DMT-Signal mit fmax = fDAC/2 bandbegrenzt und es gilt für die Wahl der Abtastrate am Messgerät fADC > 2 · fmax = fDAC (4.1) sodass K = fADC fDAC > 1. (4.2) 32 4.2. Aufzeichnung des Signals Abtastraten- wandlung Rahmen- erkennung DFT SFO-Schätzung & Korrektur DQPSK- Demodulation BCH- Decodierung SNR- Schätzung aus Datei zur Anzeige Bild 4.5: Signalverarbeitung zur Demodulation des Bussignals Ist K < 1, so entspricht das erfasste Signal nicht dem auf der Leitung, weil die Spektralanteile ober- halb fADC/2 durch den Aliasing-Effekt in den Frequenzbereich 0≤ f < fADC/2 abgebildet werden. Die Auswirkung für ein DMT-Signal ist, dass zum einen die Unterträger oberhalb fADC/2 nicht erfasst wer- den und zum anderen, dass diejenigen im Bereich fADC− fDAC/2≤ f < fADC/2 durch Überlagerung mit den von oberhalb fADC/2 stammenden Spektralanteilen verfälscht werden. 4.2.2 Abtastratenwandlung In den Prototypen nach [40], deren Signal zum Test der entwickelten Diagnosealgorithmen verwendet wird, ist ein mit 26MHz schwingender VCXO im Einsatz. Aus dessen Takt generiert eine digitale Phasenregelschleife (PLL) auf einem FPGA den Takt für die DACs und ADCs. Die Taktfrequenz wird dabei zuerst um den Faktor vier auf 104MHz erhöht und dann um den Faktor sieben auf den Wert von fDAC = 26 · 4/7 MHz≈ 14,857MHz reduziert. Die Messgeräte ihrerseits bieten einen vordefinierten Satz an Abtastraten fADC, welche jeweils ein ganzzahliger Bruchteil der maximal einstellbaren, ebenfalls ganzzahliger Frequenz sind und somit im Allgemeinen nicht mit der oben genannten Taktrate der DACs und ADCs im betrachteten Feldbus- system übereinstimmen. Allerdings ist der Überabtastfaktor K rational, sodass folgendes gilt: K = fADC fDAC = M L . (4.3) Es lassen sich also für jede einstellbare ADC-Frequenz fADC eines DSO ganzzahlige Faktoren L und M finden, mit denen das erfasste Signal wie in Bild 4.6 gezeigt in ein Signal mit der erforderlichen Abtastfrequenz überführt werden kann. Nach der Abtastung des analogen Signals ỹ(t) mit der Frequenz fADC liegt ein zeitdiskretes Signal yl nach Gleichung (4.4) vor: 33 Kapitel 4. Diagnose mittels konventioneller Messtechnik A D ↑ L Hb L ↓M fADC ỹ(t) yl yup,m yint,m wn Bild 4.6: Abtastratenwandlung mit ganzzahligen Faktoren yl = ỹ(t)|t=l· 1 fADC , l ∈ Z. (4.4) Zunächst erfolgt eine Aufwärtstastung mit dem Faktor L, indem in yl zwischen allen benachbarten Abtastwerten (L−1) Nullen eingefügt werden: yup,m = yl für m = L · l 0 sonst , m ∈ Z. (4.5) Das Spektrum Yup ( e jωup ) von yup,m mit ωup = 2π f/L fADC enthält dabei die Spiegelspektren (Aliases) des aufgezeichneten Bussignals. Um diese Spiegelspektren zu unterdrücken, erfährt das Signal yup,m eine Filterung mit dem Interpolationstiefpassfilter Hb. Dieses Filter besitzt die ÜF Hb ( e j2π f · 1 L fADC