ZIRIUS Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung Universität Stuttgart Institut für Sozialwissenschaften Abt. für Technik- und Umweltsoziologie DIALOGIK gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung Stuttgarter Beiträge zur Risiko- und Nachhaltigkeitsforschung Sozialwissenschaftliche Determinanten von Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Alexander Schrage Sandra Wassermann Jessica Berneiser Michael Waschto Sebastian Gölz Angepasste Version Nr. 36 / Juni 2021 ZIRIUS Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart Sozialwissenschaftliche Determinanten von Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Alexander Schrage Sandra Wassermann Jessica Berneiser Michael Waschto Sebastian Gölz Angepasste Version Nr. 36 / Juni 2021 ISSN 1614-3035 ISBN 978-3-938245-35-4 Institut für Sozialwissenschaften Abt. für Technik und Umweltsoziologie Universität Stuttgart Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart Tel: 0711/685-83971, Fax: 0711/685-82487 E-Mail: cordula.kropp@sowi.uni-stuttgart.de Internet: http://www.uni-stuttgart.de/soz/tu DIALOGIK gemeinnützige GmbH Lerchenstr. 22, 70176 Stuttgart Tel: 0711/3585-216 4, Fax: 0711/3585-216 0 E-Mail: info@dialogik-expert.de Internet: www.dialogik-expert.de/ ZIRIUS Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart Seidenstr. 36, 70174 Stuttgart Tel: 0711/685-83971, Fax: 0711/685-82487 E-Mail: cordula.kropp@zirius.uni-stuttgart.de Internet: http://www.zirius.eu Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE Heidenhofstr. 2, 79110 Freiburg Tel: 0761/4588-0, Fax: 0761/4588-9000 E-Mail: Internet: https://www.ise.fraunhofer.de Ansprechpartnerin ZIRIUS: Sandra Wassermann Tel: 0711 / 685-84812 sandra.wassermann@zirius.uni-stuttgart.de Ansprechpartnerin Fraunhofer ISE: Jessica Berneiser Tel: 49 761 4588 5896 jessica.berneiser@ise.fraunhofer.de Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung......................................................................... 10 2 Vorgehensweise der Literaturrecherche .................... 13 3 Investitionsentscheidungen aus psychologischer Perspektive ...................................................................... 14 3.1 Behaviorale Perspektive auf Investitionsentscheidungen ............................................................................................... 14 3.1.1 Theory of Planned Behavior (Ajzen 1987) .......................... 15 3.1.2 Purchase Prediction Model (Korcaj et al. 2015) .................. 16 3.1.3 Prospect Theory ...................................................................... 19 3.1.4 ABC-Model (Guagnano et al. 1995) ..................................... 21 3.2 Kombination und Integration investitionsrelevanter Variablen .............................................................................. 22 3.3 Fazit ...................................................................................... 27 4 Investitionsentscheidungen aus soziologischer Sicht 28 4.1 Allgemeine Investitionsdeterminanten ........................... 29 4.1.1 Der Einfluss des politischen Rahmens ................................ 29 4.1.1.1 Erhöhte Wirtschaftlichkeit durch politische Anreize und Vergütungen ............................................................................. 30 4.1.1.2 Die regulatorische Wirkung des politischen Rahmens ....... 32 4.1.1.3 Policies als Soft Power ............................................................. 33 4.1.1.4 Der politische Rahmen als Investitionsbarriere aufgrund fehlender Konsistenz ................................................................ 34 4.1.2 Legitimitätsorientierung der Akteure ................................. 35 4.2 Investitionsentscheidungen in sektoralen Transitionen ............................................................................................... 37 4.2.1 Nischen und Regimes als Unterscheidungsraster ............. 38 4.2.1.1 Regime und das Investitionsverhalten von Regimeakteuren ..................................................................................................... 38 4.2.1.2 Nischen und das Investitionsverhalten von Nischenakteuren ....................................................................... 42 4.2.2 Die Transition von der Nische zum Regime ...................... 45 4.2.2.1 Institutionelle Strategien ......................................................... 47 4.2.2.2 Blockade und „Countervailing Power“ ................................. 48 4.2.2.3 Inkorporation und Transformation ....................................... 49 4.3 Besonderheiten der lokalen Ebene ................................... 50 4.3.1 Lokale Netzwerke und Kulturen ......................................... 51 4.3.2 Der Einfluss lokaler Nischenakteure auf das Investitionsverhalten ............................................................. 53 4.4 Fazit ...................................................................................... 58 5 Ausblick .......................................................................... 60 5.1 Erste Ansätze und Grenzen der Integration ................... 60 5.2 Geplante Vorgehensweise ................................................. 63 6 Schlussfolgerung ........................................................... 66 7 Literaturverzeichnis ...................................................... 67 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Theory of Planned Behavior (Aijzen 1985-1987). ......... 15 Abbildung 2: PV purchase prediction model von Korcaj et al. 2015, basierend auf der Theory of Planned Behavior (Ajzen 1985,1987) ............................................................................................................. 18 Abbildung 3: Prospect Theory Wertfunktion (Kahneman/Tversky, 1979) .................................................................................................... 20 Abbildung 4: Eigene Darstellung in Anlehnung an die TPB (Ajzen 1985,1987), aufbauend auf dem PV purchase prediction model (Korcaj et al. 2015) ............................................................................. 26 Abbildung 5: Soziologische Einflussgrößen auf Investitionsentscheidungen. ............................................................ 58 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 9 Förderhinweis Dieser Bericht wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Verbund- vorhaben: Open source Energiesystemmodellierung – Einfluss von so- ziokulturellen Faktoren auf Transformationspfade des deutschen Energiesystems (Sozio-E2S)“ erstellt. Das diesem Bericht zugrundelie- gende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirt- schaft und Energie unter dem Förderkennzeichen 03ET4041B geför- dert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. 10 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 1 Einleitung Energiesystemmodelle sind für die Gestaltung der Transition des deutschen Energiesektors von großer Wichtigkeit, da aus ihnen Ein- schätzungen bezüglich dessen zukünftiger Entwicklung abgeleitet werden können (vgl. Holtz et al. 2015: 42). Die Modellierung erlaubt ein Verständnis von dynamischen Prozessen wie der Energiewende, welches für Politik und Wissenschaft von Interesse ist (vgl. ebd. 2015: 46). Da Energiesystemmodelle oft auch als Grundlage für politische Entscheidungen dienen, ist es wichtig, Erkenntnisse aus Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zu kombinieren (vgl. Grubb et al. 2015: 291). Nur so kann der Vielschichtigkeit von Investitionsentscheidungen, den ihnen zugrundeliegenden Kriterien und Auswirkungen auf das Energiesystem insgesamt, begegnet werden. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur werden Investoren häu- fig als homogene Gruppe beschrieben, welche bei der Investitionsent- scheidung in eine Technologie einer Logik der Profitmaximierung fol- gen (vgl. Bergek et al. 2013: 568-571). Dies liegt unter anderem daran, dass der Fokus oft auf professionellen Investoren und großen Energie- versorgungsunternehmen liegt und der betrachtete Zeitraum recht kurz ist (vgl. Bergek et al. 2013: 571; Grubb et al. 2015: 294f.). Im Gegensatz dazu interessiert sich die sozialwissenschaftliche For- schung auch für andere Akteursgruppen (wie private Haushalte, Ge- nossenschaften) und kann zudem auf Ansätze zurückgreifen, die sekt- orale Transitionen wie z.B. die Energiewende explizit als eine langfris- tige Entwicklung versteht, die verschiedene soziale und technische Wandlungsprozesse umfasst (vgl. Grubb et al. 2015: 294f.). Aus sozial- wissenschaftlicher Perspektive sind Investitionsentscheidungen daher immer durch verschiedene Faktoren beeinflusst, welche nicht wirt- schaftlicher Natur sein müssen (vgl. Berardi 2013: 521; Smink et al. 2015: 89). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 11 Im Forschungsprojekt „Sozio-E2S“ wird nun ein Energiesystemmodell entwickelt, welches Transformationspfade des deutschen Energiesys- tems über zukünftige Investitionen in erneuerbare Energieerzeu- gungstechnologien simuliert und dabei auch den Einfluss soziokultu- reller Faktoren auf das Investitionsverhalten verschiedener Akteurs- gruppen (Energieversorger, Stadtwerke, Projektierer, Genossenschaf- ten, Privathaushalte) im Modell abbilden will.1 Diese Kombination klassischer ökonomischer Theorie und der sozialwissenschaftlichen Transitionsforschung zur Integration sozialwissenschaftlicher Fakto- ren in ein Energiesystemmodell ist dabei eine methodische Herausfor- derung (vgl. ebd. 2015: 290f.), die auch innerhalb der wissenschaftli- chen Gemeinschaft kritisch hinterfragt wird (siehe Kapitel 5.1). In einem ersten Schritt wurde in dem Projekt eine Überblicksstudie zu den gängigen psychologischen und soziologischen Erklärungsfakto- ren angefertigt. Parallel wurde mit den Projektpartnern, die für die Energiesystemmodellierung zuständig sind, eine Methode entwickelt, wie die aus Sicht der Sozialwissenschaften relevanten Größen in das Energiesystemmodell integriert werden können. In einem nächsten Schritt werden dann empirische Studien zum aktuellen Verhalten un- terschiedlicher Akteurstypen sowie in einem Gruppendelphiverfah- ren eine Abschätzung für ihr zukünftiges Verhalten vorgenommen, um diese Daten dann anschließend in das Energiesystemmodell ein- fließen zu lassen. Die im ersten Schritt erarbeitete Überblicksstudie steht nun im Zent- rum dieser Veröffentlichung. Im abschließenden Ausblickkapitel wer- den wir zudem perspektivisch darauf eingehen, welche Chancen und Grenzen die Literatur aufzeigt, sozialwissenschaftliche Größen in Energiesystemmodelle zu integrieren und welche Konsequenzen dar- aus für „Sozio-E2S“ resultieren (siehe Kapitel 5). 1 Als Investition wird hierbei die Errichtung neuer Anlagen zur Energieerzeu- gung verstanden, nicht das zur Verfügung stellen von Kapital. Dadurch wer- den beispielsweise institutionelle Akteure wie Banken oder Versicherungen nicht berücksichtigt. 12 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien In den Sozialwissenschaften gibt es verschiedene Theorien und Mo- delle zur Erklärung von Investitionsentscheidungen in innovative Technologien. Zudem wurde in vielen empirischen Studien zur Ener- giewende untersucht, wie unterschiedliche Akteure in erneuerbare Energien investieren und durch welche Faktoren diese Entscheidun- gen beeinflusst werden. Die vorliegende Überblickstudie fasst die so- zialwissenschaftliche (psychologische und soziologische) Literatur zur Erklärung des Investitionsverhaltens von Akteuren zusammen. Die dargelegten Theorien, Meta- und Fallstudien entstammen verschiede- nen Subdisziplinen und legen daher unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte, was die betrachteten Einflussgrößen, Akteure und Technologien betrifft. Da bei der Integration sozialwissenschaftlicher Daten in ein Modell eine Komplexitätsreduzierung notwendig ist, wird die folgende Darstellung der theoretischen Grundlagenliteratur sich auf deren zentrale Kernpunkte fokussieren, sodass eine tieferge- hende Darstellung ausbleibt. Diese Überblickstudie verfolgt dabei mehrere Ziele: Zum einen dient sie als theoretische Grundlage für das Energiesystemmodell „Sozio- E2S“. Da dieses als Open Source Modell angelegt wird, kann diese Überblickstudie als Anhaltspunkt für wissenschaftliche Arbeiten die- nen, die eine Ergänzung und Spezifizierung des Modells zum Ziel ha- ben. Auch zukünftigen – unabhängig von „Sozio-E2S“ durchgeführten – Modellierungsvorhaben, welche sowohl Wirtschafts- als auch Sozi- alwissenschaften kombinieren, kann sie als Anhaltspunkt und Inspira- tion relevanter Faktoren dienen und einen ersten Überblick zentraler Studien und Theorien geben. In diesem Sinne soll sie auch interessier- ten Lesern aus Wissenschaft und Politik – unabhängig von konkreten Modellierungsvorhaben – einen Einblick in den Beitrag sozialwissen- schaftlicher Forschung und Erklärungsansätzen gesellschaftlicher Transitionen wie der deutschen Energiewende geben und somit zu ei- nem breiteren Verständnis beitragen. Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 13 2 Vorgehensweise der Literatur- recherche Die Literaturrecherche zu den Faktoren für Investitionsentscheidun- gen aus psychologischer Sicht wurde in einem ersten Schritt über eine generelle Suche in zwei Literaturdatenbanken durchgeführt. Über Google Scholar sowie den Recherchekatalog der Universitätsbibliothek Frei- burg wurde über Journals, Bucheinträge und Projektberichte nach dem Einfluss sozialwissenschaftlicher Faktoren auf nachhaltige Investiti- onsentscheidungen gesucht. Die Recherche erfolgte anhand der Be- griffe investment decision, investment new technology, investment rene- wable energy, social influences + investment, discrete choice + technology, social influence technology diffusion und PV system purchase intention. In einem zweiten Schritt wurde gezielter, anhand der vorliegenden Quel- len, nach passenden Studien gesucht. Zum einen wurden psychologi- sche Modelle verwendet, die die theoretische Grundlage vieler Studien in diesem Kontext bilden. Zum anderen wurden, aufbauend auf die- sen, zusätzliche sozialwissenschaftliche Faktoren ermittelt, die einen globalen Einfluss auf das Investitionsverhalten besitzen können. Die Literaturrecherche zu den Faktoren für Investitionsentscheidun- gen aus soziologischer Sicht erfolge ebenfalls in einem ersten allgemei- nen Schritt über Google Scholar sowie den Recherchekatalog der Universi- tätsbibliothek Stuttgart. Nachdem diese erste Literatur ausgewertet wurde, wurde in einem zweiten Schritt spezifischer in Zeitschriften nach Autoren und einzelnen Studien gesucht. Neben empirischen Stu- dien, etwa zum Investitionsverhalten in Photovoltaik (PV) und Ons- hore-Windkraft, wurden v.a. konzeptionelle Arbeiten aus den Berei- chen der Innovations- und Organisationssoziologie sowie der Transi- tion-Literatur berücksichtigt. 14 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 3 Investitionsentscheidungen aus psychologischer Perspektive Im Forschungsprojekt „Sozio-E2S“ konzentrieren sich die psychologi- schen Erklärungsansätze auf die Investitionsentscheidungen von Pri- vathaushalten. Investitionsentscheidungen von korporativen Akteu- ren wie Energieversorgern oder Stadtwerken werden mit soziologi- schen Ansätzen (siehe Kapitel 4) erklärt. 3.1 Behaviorale Perspektive auf Inves- titionsentscheidungen Menschliche Entscheidungsprozesse sind oftmals unbewusst, automa- tisiert und weniger rational als in vielen Theorien oftmals angenom- men (vgl. Kahneman et al. 1982). Das Ausmaß dessen ist allerdings un- ter anderem davon abhängig, wie bedeutsam und kostspielig eine Ent- scheidung ist. Im Gegensatz zu einem routinierten Lebensmittelein- kauf, ist die private Investition in erneuerbare Energiesysteme, wie in eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher, aufgrund der hohen Kosten, dem Aufwand und der damit verbundenen Unsicherheit im Ergebnis eine komplexe Entscheidung. Hierbei wird zwar wahrschein- lich zwischen umfangreich gesammelten Informationen abgewogen, dennoch können implizite Einflüsse, wie Emotionen oder Normen, durchaus eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen. Entscheidungsverhalten zu erklären und besonders, vorherzusagen, stellt dadurch eine schwierige Herausforderung dar. Dafür werden in der psychologischen Forschung Modelle entwickelt, die menschliches Verhalten und dessen Prädiktoren genauer darstellen. Im Folgenden werden verschiedene etablierte Theorien erläutert, die sich für Inves- titionsentscheidungen in diesem Bereich als relevant erwiesen haben. Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 15 3.1.1 Theory of Planned Behavior (Ajzen 1987) Die Theory of Planned Behavior (Theorie des geplanten Verhaltens - TPB) ist eine Theorie, die menschliches Verhalten durch die Bewertung der persönlichen Einstellung dem Objekt oder Verhalten gegenüber und der subjektiven Norm bezüglich des auszuführenden Verhaltens er- klärt. Sie ist eine der am meist genutzten Theorien zur Erklärung menschlichen Verhaltens in verschiedenen Bereichen, von Investment Verhalten (vgl. East 1993) bis hin zur Aufrechterhaltung von Sportak- tivität (vgl. Ahmad et al. 2014). Die Theorie besagt, dass die Intention, ein bestimmtes Verhalten auszuführen, durch die persönliche Einstel- lung einem Verhalten gegenüber, den subjektiven Normen und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle vorhergesagt werden kann (vgl. Ajzen 1987). Die Verhaltensintention wiederum, die als motivati- onale Komponente für Verhaltensausführung betrachtet wird, stellt ei- nen guten Prädiktor für tatsächliches Verhalten dar (vgl. Ajzen 1991). Die grundlegende Annahme von Ajzen (1991) ist dabei: je stärker die Intention ein Verhalten auszuführen, desto wahrscheinlicher sollte dieses Verhalten auch gezeigt werden. Abbildung 1: Theory of Planned Behavior (Aijzen 1985-1987). (Quelle: Eigene Darstellung). 16 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Die Einstellung (attitude) gegenüber einem Verhalten stellt das Aus- maß dar, in welchem das Verhalten als positiv und vorteilhaft emp- funden wird. Je nachdem, ob beispielsweise ein Elektroauto in seiner Gesamtheit als positiv oder negativ betrachtet wird, beeinflusst dieser Eindruck, ob einer persönlichen Kaufentscheidung zugestimmt wird oder nicht. Die subjektive Norm bezieht sich auf die wahrgenommene soziale Er- wartung, das entsprechende Verhalten auszuführen oder auch nicht zu zeigen. In der TPB setzt sich diese aus deskriptiven Normen, dem wahrgenommenen Gruppenverhalten, und injunktiven Normen, den wahrgenommenen Erwartungen der sozialen Gruppe, zusammen (vgl. Korcaj et al. 2015). Je höher beispielsweise der Anteil an PV Anla- gen in der Nachbarschaft ist, desto höher sollte die wahrgenommene Norm sein, in eine solche zu investieren. Verhalten sollte weiterhin wahrscheinlicher sein, wenn die Person das Gefühl hat, ihr Verhalten kontrollieren zu können, also über ausreichend Ressourcen dafür zu verfügen. Je mehr Geld, zeitliche und kognitive Kapazitäten für Infor- mations- und Angebotsbeschaffung ein Individuum beispielsweise hat, desto wahrscheinlicher sollte es also sein, dass dieses in erneuer- bare Energien investiert. 3.1.2 Purchase Prediction Model (Korcaj et al. 2015) Aufbauend auf der TPB konnten Korcaj und Kollegen (2015) in ihrem PV purchase prediction model potentielle Vorläufer der Einstellung ge- genüber dem Investitionsobjekt PV-Anlage identifizieren. Da in „Sozio- E2S“ bei privaten Haushalten v.a. die Investitionsbereitschaft in PV- Anlagen mit Batteriespeicher untersucht werden soll, erscheinen diese Faktoren auch hierfür relevant. Weiterhin können diese auch durch leichte Abänderung auf Elektroautos angewendet werden. In ihrem Modell unterscheiden die Autoren zwischen kollektiven Vor- teilen und individuellen Vorteilen. Alle Faktoren im Modell sind Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 17 durch vorangegangene Forschung als bedeutsame Einflussgrößen be- legt. Das Gesamtmodell ist in Abbildung 2 dargestellt. Unter kollektiven Nutzen fassen Korcaj et al. (2015) ökologische Vorteile, also die positiven Auswirkungen auf die Umwelt durch erneuerbare Energiesysteme, die der Allgemeinheit zu Gute kommen. Umwelt- freundliche Technologien zu benutzen, wird oftmals von befragten Personen als sehr wichtig eingeschätzt (vgl. Jager 2006). Allerdings gibt es gegensätzliche Befunde in der Literatur zu der tatsächlichen Be- deutung von Umweltbewusstsein für entsprechende Handlungen (vgl. Diekmann/Preisendörfer 2003). Auch in der Studie von Korcaj et al. (2015) spielte der Nutzen für die Umwelt eine eher untergeordnete Rolle. Außerdem untersuchten sie die Wichtigkeit gesamtökonomischer Vorteile für Deutschland, diese hatten allerdings keinen bedeutsamen Einfluss auf die Einstellung gegenüber PV-Anlagen und werden deswegen auch für „Sozio-E2S“ nicht genutzt. Unter die individuellen Kosten und Nutzen fassen Korcaj und Kolle- gen (2015) folgende Faktoren: - Autarkie Obwohl Eigenheimbesitzer und Eigenheimbesitzerinnen na- türlich noch abhängig vom Energienetz sind, wird eine PV Anlage (mit Speicher) dennoch mit Unabhängigkeit assozi- iert. Jager (2006) fand heraus, dass vor allem Personen mit ei- nem hohen Problembewusstsein eine Unabhängigkeit vom Energieanbieter als wichtig erachten. - Finanzieller Vorteil Hierbei wird der finanzielle Nutzen berücksichtigt, den eine PV-Anlage durch vergütete Stromeinspeisung oder Eigennut- zen bringt. Dies ist insofern wichtig, da der Anschaffungs- preis oftmals einer der größten Hinderungsgründe für eine Investition ist (vgl. Zhang et al. 2012) - Sozialer Status Eine Investition kann den sozialen Status und damit das An- sehen im sozialen Umfeld erhöhen. In der Studie von Korcaj 18 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien et al. (2015) waren die Versuchspersonen nicht der Meinung, dass dieses Motiv für ihre Entscheidung relevant war – eine Pfadanalyse ergab jedoch das Gegenteil. Der wahrgenom- mene Status Vorteil war der stärkste Prädiktor für die Einstel- lung gegenüber einer PV-Anlage (vgl. Korcaj et al. 2015). - Wahrgenommene Gesamtkosten Diese bestehen aus monetären und nicht-monetären Kosten, die mit der Anschaffung einer PV-Anlage (mit Speicher) asso- ziiert werden. Im Vergleich zu Autarkie, sozialem Status und finanziellem Nutzen spielten die Gesamtkosten in der be- schriebenen Studie eher eine kleine Rolle. Auf diesem Modell aufbauend werden unter 3.2 noch weitere, techno- logieunspezifische Einflussgrößen in das Schaubild integriert und die- ses somit erweitert. Anmerkung: 1+2 = kollektiver Nutzen, 3-6 = individueller Nutzen Abbildung 2: PV purchase prediction model von Korcaj et al. 2015, basierend auf der Theory of Planned Behavior (Ajzen 1985,1987) (Quelle: Eigene Darstellung). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 19 3.1.3 Prospect Theory Die Prospect Theory von Kahneman und Tversky (1979) stellt eine Al- ternative zur Erwartungsnutzentheorie dar, die als normatives Modell rationaler Entscheidungen in den Wirtschaftswissenschaften etabliert ist, allerdings empirisch einigen Einschränkungen unterliegt (vgl. Kahneman/Tversky 1979). Die Prospect Theory hingegen ist eine de- skriptive Theorie menschlichen Verhaltens unter Unsicherheit, die das tatsächliche Verhalten von Menschen beschreibt. Da sie Entscheidun- gen unter Unsicherheit abbildet, ist sie auch für die Themenbereiche relevant, die in „Sozio-E2S“ untersucht werden sollen. Investitionen in PV-Anlagen mit Batteriespeicher sowie die Anschaffung eines Elekt- roautos sind kostspielige Investitionen, die teilweise von Unsicherheit in Bezug auf Technologieentwicklung und Verbreitung geprägt sind. Besonders Elektroautos weisen zumindest in der Wahrnehmung von Menschen immer noch einige Defizite auf, die für ihr Mobilitätsverhal- ten relevant sind, wie z.B. die Reichweite und Ladeinfrastruktur (vgl. Proff/Fojcik 2010). In der Prospect Theory wird menschliches Risikoverhalten durch eine S-förmige Wertfunktion abgebildet, welche in Abbildung 3 dargestellt ist. Die Prospect Theory umfasst zwei Hauptelemente: Zum einen ist die Wertfunktion konkav für Gewinne, konvex für Verluste und steiler für Verluste als für Gewinne (vgl. Schweizer 2005). Eine Einheit eines Verlustes wird ungefähr doppelt so groß empfunden wie eine gleiche Einheit eines Gewinns. Bei einem Glücksspiel mit einer 50 prozentigen Wahrscheinlichkeit, 100 $ zu verlieren, akzeptieren die meisten Men- schen beispielsweise das Spiel erst, wenn eine 50 prozentige Wahr- scheinlichkeit besteht, 200 $ zu gewinnen (vgl. Tversky/Kahneman 1992). Dieses Phänomen wird auch als loss aversion bezeichnet (vgl. Kahneman/Tversky 1984). In Zusammenhang mit loss aversion be- schreiben Kahneman et al. 1991 den status quo bias (vgl. Samuel- son/Zeckhauser 1988). Dieser besagt, dass Individuen eine starke Ten- denz dazu haben, im Status Quo zu bleiben und diesen gegenüber Ver- änderungen vorzuziehen, da die potenziellen Verluste, die mit einer 20 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Veränderung einhergehen, schwerer wiegen als die Vorteile durch eine Veränderung. Zum anderen ist die Wahrscheinlichkeitsskala nichtlinear transfor- miert, in dem Sinne, dass kleine Wahrscheinlichkeiten bzw. kleine Werte schwerer wiegen als hohe Wahrscheinlichkeiten oder große Werte. Damit ist gemeint, dass der Unterschied zwischen 3 € und 4 € eine größere Relevanz hat als der Unterschied zwischen 3000 € und 3001 €, obwohl der objektive Wert, 1 €, der gleiche ist. Weiterhin ist im Gegensatz zur Erwartungsnutzentheorie der jeweilige Referenzpunkt individuell und erfahrungsabhängig (vgl. Kahneman/ Tversky 1979). Eine neue Technologie wird also nicht rein objektiv an- hand ihres tatsächlichen Nutzens, sondern anhand des subjektiv wahr- genommenen Nutzens als potentielle Verbesserung oder Verschlech- terung im Vergleich zur bekannten Technologie bewertet. Gerade bei Elektrofahrzeugen stechen bisher die Verluste im Vergleich zu her- kömmlichen Antrieben deutlich hervor, seien es die Reichweite, der Preis oder auch die Infrastruktur, um die Batterie zu laden. Diese scheinen bei potentiellen Kundinnen und Kunden deutlich schwerer zu wiegen als die Gewinne, wie eine CO2-Einsparung und die geringe- ren Verbrauchskosten. Abbildung 3: Prospect Theory Wertfunktion (Kahneman/Tversky, 1979) (Quelle: Schweizer 2005). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 21 3.1.4 ABC-Model (Guagnano et al. 1995) Das Attitude-Behavior-Context Modell (ABC Modell) von Guagnano et al. (1995) ist ein Modell umweltrelevanten Verhaltens, in welchem Ver- halten als eine Funktion aus persönlichen Einstellungen und Kon- textfaktoren betrachtet wird (vgl. Stern 2000). Einstellungsbezogene Variablen bedeuten hierbei verschiedene persönliche Überzeugungen, allgemeine Dispositionen, Normen und Werte (vgl. ebd.). Als Kon- textfaktoren werden vielfältige Einflüsse genannt, wie beispielsweise finanzielle Anreize oder Restriktionen, rechtliche Möglichkeiten, poli- tische Förderung oder auch soziale Einflüsse (vgl. ebd.). Der Zusam- menhang zwischen Einstellung und Verhalten sollte dann hoch sein, wenn die Kontextfaktoren nur einen geringen Einfluss auf die Verhal- tensausführung haben. Spielen die Kontextfaktoren jedoch eine große Rolle, sollte der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten gering ausgeprägt sein (vgl. Guagnano et al. 1995). Wenn ein Elektro- auto beispielweise über dem finanziellen Budget liegt, wird dieses nicht erworben werden, auch wenn die Einstellung diesem gegenüber eine sehr positive ist. Das ABC-Modell steht zudem in Einklang mit dem Campbell Paradigma, welches besagt, dass die Wahrscheinlich- keit umweltfreundlichen Verhaltens sowohl von der individuellen Umwelteinstellung als auch von der Schwierigkeit, ein spezifisches Verhalten auszuführen, abhängt (vgl. Campbell 1963). Kastner und Matthies (2016) verwendeten das Modell, um den Ein- fluss von internalen Faktoren, wie Wertorientierung, und externalen Faktoren, wie finanziellen Anreizen, auf die Investitionsbereitschaft in Solarthermie zu bestimmen. In einem discrete choice Experiment konnten sie zeigen, dass neben Investitionskosten, dem Kostenein- sparpotenzial, dem CO2-Einsparpotenzial und der Garantielaufzeit auch einen signifikanten Einfluss hatte, von welcher Quelle (Energie- beratung, Bekannte, etc.) die Solarthermie-Anlage empfohlen wurde und ob diese als glaubwürdig eingeschätzt wurde (vgl. Kast- ner/Matthies 2016). Außerdem zeigten auch die internalen Faktoren, in dieser Studie verschiedene Wertorientierungen, neben den genann- 22 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien ten externalen Faktoren einen signifikanten Einfluss auf die Investiti- onsbereitschaft. Kastner und Matthies (2016) fanden zudem Interakti- onen zwischen internalen und externalen Faktoren. Beispielsweise wa- ren Menschen mit hoher ökologisch-sozialer Wertorientierung (im Vergleich zu Menschen mit geringerer Ausprägung) empfänglicher für CO2-Einsparpotenziale, wohingegen Investitionskosten eine gerin- gere Rolle für ihre Investitionsentscheidung spielten. Die Ergebnisse dieser Studie sprechen also dafür, Strategien zur Erhöhung der Inves- titionsbereitschaft zielgruppenspezifisch an die jeweiligen Werte und Einstellungen anzupassen. Da auch in „Sozio-E2S“ sowohl externale Faktoren, wie Preis und politische Förderung, sowie internale Fakto- ren, wie Umwelteinstellung und sozialer Einfluss, untersucht und mit- einander kombiniert werden sollen, stellt diese Vorgehensweise ein potentielles Studiendesign dar. 3.2 Kombination und Integration in- vestitionsrelevanter Variablen Weil das Modell der TPB (vgl. Ajzen 1985, 1987) eine geeignete Grund- lage bildet, um zusätzliche Variablen einzubauen und Korcaj et al. (2015) dieses schon erweitert haben, wird es auch in „Sozio-E2S“ für die Integration zusätzlicher Variablen aus der Literatur verwendet. Subjektive Norm Ein allgemeines Problem bei Fragebogendaten ist, dass Menschen in- korrekte Annahmen darüber haben, welche Faktoren für sie bei einer Investitionsentscheidung tatsächlich relevant sind (vgl. Nolan et al. 2008). Menschen unterschätzen meist, wie stark ihre Entscheidungen und Handlungen durch das Verhalten ihrer sozialen Umgebung be- stimmt sind (vgl. ebd.). Beispielsweise führte in der Studie von Nolan und Kollegen (2008) die alleinige Zusatzinformation über das Energie- Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 23 sparverhalten der Nachbarn zu den größten Effekten (vs. Kosten spa- ren, Umweltschutz, Benefits für die Gemeinde), jedoch beurteilten die Probanden dies als am wenigsten wichtig. Zudem konnten Bollinger und Gillingham (2012) zeigen, dass die In- vestitionsbereitschaft in weitere PV Anlagen durch die Verbreitung dieser in der eigenen Straße bzw. in der Nachbarschaft mit der glei- chen Postleitzahl vorhersagt werden kann. In dieser Studie, die mit Daten aus kalifornischen Wohnorten durchgeführt wurde, erhöhte die zusätzliche Installation einer PV-Anlage die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Investition um 0,78%. Da die Ergebnisse aus real vorliegen- den Verbreitungsdaten stammen, können hier Effekte sozialer Er- wünschtheit ausgeschlossen werden und es besteht eine hohe ökologi- sche Validität, da nicht nur die Intention, sondern das tatsächliche Ver- halten erhoben wurden. Mögliche Erklärungen dafür sind, dass eine größere Anzahl an PV-Anlagen in der Nachbarschaft zum einen die Aufmerksamkeit auf das Thema lenkt, zum anderen wird womöglich ein Bedürfnis geweckt, sich der Entscheidung der Mehrheit anzu- schließen (vgl. Busic-Sontic/Fuerst 2018). Weiterhin können, in Ein- klang mit der Prospect Theory, Kontakte in der Nachbarschaft durch Erfahrungen mit PV-Anlagen dazu beitragen, Unsicherheit im Ent- scheidungsprozess und bezüglich des Produktes zu reduzieren (vgl. ebd.). Eine Investitionsentscheidung unterliegt dementsprechend so- zialen Einflüssen und somit dem objektiven und subjektiv wahrge- nommenen Verhalten der sozialen Umgebung. Auch wenn soziale Status Benefits und subjektive Normen in der The- orie unterschiedliche Konstrukte erfassen, wird dennoch angenom- men, dass diese in Zusammenhang miteinander stehen (siehe Abbil- dung 4). Technologieaffinität Erneuerbare Energietechnologien werden oftmals als unsichere Tech- nologien wahrgenommen (vgl. Masini/Menichetti 2012), besonders, wenn sie noch in der Entwicklung stecken und keine große Marktreife erlangt haben. Zudem sind sie meist mit einem vergleichsweise hohen Anschaffungspreis verbunden, aber auch mit der Möglichkeit, zukünf- tig größere Gewinne einzufahren (vgl. ebd.). Diese Kombination kann 24 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien als technologische Unsicherheit oder Risiko aufgefasst werden, das ri- sikofreudigere und technologieaffinere Menschen eher bereit sind, hinzunehmen (vgl. ebd.). Besonders im Bereich der Early Adopters scheint Risikofreude bezüglich neuer, materieller Güter und Innovati- onen eine relevante Einflussgrößer zu sein (vgl. Schelly 2014). Wir neh- men an, dass Technologieaffinität bzw. technologische Risikobereit- schaft direkt auf die Einstellungskomponente der TPB wirkt. Politische Förderanreize Die meisten Länder fördern den Ausbau erneuerbarer Energien durch verschiedene politische und finanzielle Anreizsysteme (vgl. Ren21 2016). Es herrscht allgemeiner Konsens, dass politische Fördermaß- nahmen erfolgreich darin sind, neue Technologien auf dem Markt zu implementieren (vgl. Hassett/Metcalf 1995; Hoppmann et al. 2013). Auch aus subjektiver Sicht der potenziellen Käuferinnen und Käufer werden verfügbare finanzielle Anreize als wichtige Faktoren für eine Kaufabsicht wahrgenommen (vgl. Kwan 2012). Als effektive Maßnah- men haben sich beispielsweise Einspeisevergütungen und Marktprä- mien erwiesen, insofern sie richtig angewendet werden (vgl. Hopp- mann et al. 2013). In einer Studie von Achtnicht und Madlener (2014) waren für 27,5% der Befragten Subventionen und für 20,3% der Befrag- ten Kredite mit niedrigem Zinssatz Gründe, in erneuerbare Energie- systeme zu investieren. Andersherum gaben 35,3 Prozent der Befrag- ten an, dass mangelnde Kreditverfügbarkeit und eine zu komplexe Förderungslandschaft sie an einer Investition hinderten. Benutzerfreundlichkeit Ein weiterer Faktor, der indirekt eine Kaufabsicht beeinflusst, ist die Benutzerfreundlichkeit einer Technologie. Was die Benutzerfreund- lichkeit einer Anlage betrifft, so sollte deren Bedienung als einfach wahrgenommen werden (vgl. Davis et al. 1989; Fathema et al. 2015). Gerade aus der Perspektive der Politik, die auf eine Zunahme der In- vestitionen durch Privatpersonen abzielt, ist interessant, dass im Kon- text von PV-Anlagen Nicht-Nutzende im Vergleich zu Nutzenden an- nehmen, diese seien mit mehr Aufwand verbunden und müssen häu- figer gewartet werden (vgl. Dobers et al. 2015; Zhai/Williams 2012). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 25 Komfort wird beispielsweise als eine der ausschlaggebenden Variab- len für eine Investitionsentscheidung in ein Elektroauto betrachtet (vgl. Sammer et al. 2011). Elektroautos werden aus Nutzersicht am ge- wohnten Standard konventioneller Pkws evaluiert (siehe auch Prospect Theory, Kapitel 3.1.3). Falls ein bedeutsamer Mehraufwand in der Nut- zung von Elektroautos wahrgenommen wird, stellt dies einen limitie- renden Faktor dar, der sich negativ auf einen Kaufanreiz auswirken kann. Moralische Normen Schwartz (1977) nimmt in seinem Norm-Activation-Modell an, dass eine persönliche moralische Verpflichtung ein essentieller Aspekt für umweltfreundliches Verhalten ist. Dafür muss eine Person wahrneh- men, dass eine Bedrohungslage besteht (hier zum Beispiel eine Klima- katastrophe) und dass ihre Handlungen zur Verschlimmerung oder Lösung des Problems beitragen (vgl. Wittenberg et al. 2018). Wenn ein Individuum folglich eine hohe persönliche moralische Norm verspürt, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, sollte eine höhere Be- reitschaft vorliegen, in erneuerbare Energien zu investieren. Kontextfaktoren Als Kontextfaktoren werden hier berücksichtigt, ob beispielsweise ein neues Auto gebraucht wird oder eine PV-Anlage technisch überhaupt installiert werden kann. Darunter kann auch fallen, dass zeitliche oder situative finanzielle Limitierungen eine Investitionsentscheidung hin- auszögern oder behindern. Wie auch mit dem Campbell Paradigma angesprochen, sind andere Autoren der Meinung, dass psychologische Variablen, wie Einstellung und persönliche Normen eher bei low-cost und einfachen Verhaltens- weisen relevant sind, wie beispielsweise bei Recycling, Wasser- und Heizenergie sparen. Bei kostenintensiven Entscheidungen spielen laut Aronson und Stern (1984) eher ökonomische und finanzielle Erwägun- gen eine Rolle. Einstellungsbezogene Faktoren seien bei großen Inves- titionen, wie einer energetischen Sanierungen oder auch einer PV- Speicher Anlage, weniger relevant, außer bei einer entsprechend ho- hen Ausprägung dieser Variablen (vgl. Campbell 1963). In „Sozio- 26 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien E2S“ werden diese Faktoren dennoch miterhoben, um die Größe des Einflusses mit dem von externalen Faktoren, wie Preis, Qualität oder Fördermaßnahmen zu vergleichen. Außerdem sollen potentielle Inter- aktionen zwischen einstellungsbezogenen und externalen Variablen untersucht werden. Anhand dessen können geeignetere Policy-Emp- fehlungen gegeben werden, die unterschiedliche Ziele verfolgen (z.B. Informationskampagnen vs. finanzielle Anreizprogramme). Anmerkung: Externale Faktoren beispielhaft für die Investition in eine PV-Anlage Abbildung 4: Eigene Darstellung in Anlehnung an die TPB (Ajzen 1985,1987), aufbauend auf dem PV purchase prediction model (Kor- caj et al. 2015) (Quelle: Eigene Darstellung). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 27 3.3 Fazit Die Investitionsentscheidung in eine neue Technologie kann als kog- nitiv anstrengender Prozess beschrieben werden. Der Überblick über die psychologische Literatur zeigt, dass verschiedene Faktoren existie- ren, die das Investitionsverhalten von Konsumentinnen und Konsu- menten beeinflussen. Es wurden Modelle erläutert, die für den Kon- text als relevant erscheinen und anhand derer, verschiedene Variablen miteinander kombiniert werden können. Dazu zählen zum einen die „härteren“, externalen Faktoren, wie Preis, Amortisationszeit oder staatliche Förderung, zum anderen aber auch die „weicheren“, inter- nalen Faktoren, wie Umwelteinstellung, Technologieaffinität oder so- ziale Normen. Diese Faktoren können in ihrer Einflussstärke variieren, je nachdem wie verbreitet die Technologie zu einem gewissen Zeit- punkt bereits ist. Weiterhin ist der Einfluss von harten Faktoren poten- tiell davon abhängig, wie stark die einstellungsbezogenen Variablen ausgeprägt sind, ob die Faktoren also miteinander interagieren. Für eine Modellierung zukünftiger Szenarien bedeutet das, die wichtigs- ten Faktoren auszuwählen und modellierbar zu gestalten, um Trans- formationspfade mithilfe dieser individuellen Entscheidungshierar- chien abbilden zu können. 28 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 4 Investitionsentscheidungen aus soziologischer Sicht Soziologische Studien zur Transition des Energiesystems, sowie der Entwicklung von und Investition in erneuerbare Energieerzeugungs- technologien befassen sich meist aus einer retrospektiven Sicht mit den Technologien PV und Onshore-Windkraft, die beide bereits einen ho- hen Grad der Marktdurchdringung erreicht haben. Daher werden im Folgenden die zentralen Ergebnisse dieser Fallstudien verallgemeinert und durch theoretische Literatur ergänzt. Ein inhaltlicher Schwer- punkt liegt hierbei auf der Institutionentheorie und der Mehrebenen- perspektive (multi-level perspective; kurz: MLP) die durch Aspekte anderer Teilgebiete der Organisations- und Innovationssoziologie er- gänzt werden. Wir schlagen vor, die Einflussgrößen in drei Gruppen zu unterteilen: (1) allgemeine, d.h. akteurs- und technologieübergreifende Investiti- onsdeterminanten, (2) Investitionsdeterminanten, die sich je nach Rei- fegrad einer Technologie unterscheiden, sowie (3) Besonderheiten und Unterschiede auf lokaler Ebene. Letztere erscheinen gerade vor dem Hintergrund der regionalen Auflösung des „Sozio-E2S“-Modells auf Landkreisebene sinnvoll und tragen den Unsicherheiten der auf loka- ler Ebene stattfindenden Innovationsprozessen neuer Technologien Rechnung. Andere Autoren strukturieren relevante Einflussgrößen ei- ner Investitionsentscheidung unterschiedlich, indem sie wie beispiels- weise Chau/Tam zwischen den Kategorien Technologie, Organisation und Umwelt unterscheiden (vgl. Chau/Tam 1997, zitiert nach Schmitt 2008: 42). Dies mag im Hinblick auf die Erstellung eines Modells viel- leicht hilfreich sein, allerdings wird in der vorliegenden Überblickstu- die von einer solchen Unterteilung abgesehen, da diese die Komplexi- tät einer Investitionsentscheidung – die gerade durch die sozialwissen- schaftliche Organisations- und Innovationsforschung hervorgehoben wird – zu sehr reduziert. Ob Individuum oder Organisation, eine In- vestition in eine Technologie ist mehr als die reine Adoption (vgl. Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 29 Geels 2002: 1259). So ist ein Akteur, der in eine Technologie investiert, nicht einfach als reiner Konsument zu betrachten, dessen Entschei- dung von technologiebezogenen Eigenschaften, innerorganisationalen Ressourcen und Umweltfaktoren (wie dem politischen Rahmen) be- einflusst wird. Wie in den folgenden Kapiteln beschrieben wird, beein- flusst ein Akteur auch seine Umwelt und die Entwicklung und Ver- breitung einer Technologie durch strategisches Handeln, welches über eine rein wirtschaftliche Investitionsentscheidung hinausgeht (vgl. Smink et al. 2015: 86f.). 4.1 Allgemeine Investitionsdetermi- nanten In diesem Kapitel werden allgemeine Faktoren betrachtet, welche eine Investitionsentscheidung technologie- und akteursübergreifend beein- flussen. Zu ihnen zählen der politische Rahmen sowie die Legitimitäts- orientierung der Akteure. 4.1.1 Der Einfluss des politischen Rahmens Der politische Rahmen ist einer der aus sozialwissenschaftlicher Per- spektive am meisten betrachteten Einflussfaktoren von Investitions- entscheidungen. Dies liegt auch daran, dass das Themengebiet des Energiesystems von hoher politischer Relevanz ist und der Energie- markt daher seit jeher politisch reguliert wird (vgl. Berkel 2013: 54). Der politische Rahmen ist ein Faktor, welcher sich somit auf alle Ak- teure und Technologien auswirkt, er beeinflusst diese jedoch in unter- schiedlicher Art und Weise, je nach Investorentyp und Marktdurch- dringung der Technologie (vgl. Bergek et al. 2013: 577 ⁠; Wüstenha- gen/Menichetti 2012: 4). 30 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Der politische Rahmen beeinflusst das Investitionsverhalten auf drei verschiedene Arten: Indem er (1) durch wirtschaftliche Fördermaß- nahmen (direkte und indirekte Anreize) die Wirtschaftlichkeit einer Investition erhöht, indem er (2) durch nicht-wirtschaftliche Policies (wie Grenzwerte und Auflagen) bestimmte Akteure zu Investitionen verpflichtet, oder als (3) indirekte soft power bestimmte Technologien legitimiert und somit Unsicherheiten auf Seiten der Akteure verrin- gert.2 Dafür ist es notwendig, dass die unterschiedlichen politischen Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind und einen konsistenten Po- licy-Mix bilden. Dieser sollte langfristig gelten, um eine Langzeitorien- tierung zu bieten. 4.1.1.1 Erhöhte Wirtschaftlichkeit durch politische Anreize und Vergütungen Eine Möglichkeit, wie der politische Rahmen Investitionsentscheidun- gen von Akteuren in bestimmte Technologien beeinflussen kann, ist mittels wirtschaftlicher und finanzieller Instrumente. Diese können in Form von Anreizen (z.B. Fördergelder, verringerte Darlehenszinsen) Investitionen – technologieübergreifend oder -spezifisch – fördern, o- der aber als Abschreckungsmaßnahme (z.B. in Form von Steuern, Ab- gaben oder Gebühren) von Investitionen in andere Technologien ab- halten (vgl. Borrás/Edquist 2013: 1516). Besonders bei grünen Innova- tionen und Nischentechnologien ist der politische Rahmen wichtiger als andere (Produkt- oder Prozess-)Faktoren, da er effektiv Unsicher- heiten bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Investitionen abbauen kann und somit einen Markt für sie schafft (vgl. Hojnik/Ruzzier 2016: 38⁠; Jacobsson/Lauber 2006: 259 ⁠; Reichardt/Rogge 2016: 75). Daher soll- ten Policies nicht nur etablierte Akteure ansprechen, sondern eine möglichst breite Basis potentieller Investoren (vgl. Wüstenhagen/Me- nichetti 2012: 4), da je nach Marktreife einer innovativen Technologie 2 In der wissenschaftlichen Literatur gibt es alternative Klassifizierungen des politischen Rahmens. Die hier gewählte Dreiteilung ist jedoch die am weites- ten verbreitete (vgl. Borrás/Edquist 2013: 1515f). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 31 meist unterschiedliche Akteurstypen als Investoren auftreten (siehe Kapitel 4.2.1). Dabei ist nicht zu vergessen, dass der politische Rahmen nicht von ungefähr kommt, sondern das Ergebnis von Akteurskonstel- lationen ist, welche diesen beeinflussen (siehe Kapitel 4.2.2) (vgl. Ja- cobsson/Lauber 2006: 259 ⁠; Mautz 2012: 153-156⁠; Smink et al. 2015: 86f.).3 Ein häufig genanntes Beispiel für den Einfluss des Politischen Rah- mens auf Investitionsentscheidungen ist die Entwicklung von PV in Deutschland (vgl. Dewald/Truffer 2012: 415f.⁠; Ornetzeder/Rohracher 2013: 856; Hoppmann 2015: 541 ⁠; Karakaya et al. 2015: 1091).4 Vor dem „Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien“ (EEG) gab es bereits einige Jahre lang erste lokale Initiativen und Vorreiter, wie den Aache- ner Solarverein. Diese inspirierten die im Jahr 1998 neu gebildete rot- grüne Regierungskoalition, um schließlich im Jahr 2000 eine bundes- weite Einspeisevergütung für erneuerbare Energien mit dem EEG zu etablieren. In der Folge stieg auch das Interesse neuer – profitorientier- terer – Investoren (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 100 ⁠; Jacobsson/Lauber 2006: 265). So war in Deutschland besonders im Zeitraum von 2009 bis 2011 die Profitorientierung ein wichtiges Kriterium bei der Gründung neuer Unternehmen im Bereich PV und Onshore-Windkraft. Dies lag an ebendiesen neu geschaffenen politischen Rahmenbedingungen zur Förderung von PV-Anlagen (vgl. Holstenkamp/Kahla 2016: 117).5 Auch die zuletzt gesunkenen Investitionen in erneuerbare Energien können mit wirtschaftlichen Politikinstrumenten erklärt werden. So sehen Gamel et al. (2016) die gekürzte Förderung durch das novellierte 3 Beispielsweise ist die Einspeisevergütung für PV-Anlagen erst durch lokale Initiativen entworfen worden und wurde dann erfolgreich beworben, bis es zu einer Umsetzung auf nationaler Ebene kam (vgl. Dewald/Truffer 2012: 410). 4 Andere Studien bewerten den Einfluss des politischen Rahmens, sowohl na- tional als auch auf regionaler Ebene, geringer und heben andere Faktoren her- vor (siehe folgende Kapitel) (vgl. Dewald/Truffer 2012: 415f.). 5 Die Autoren bezeichnen besagten Zeitraum in Deutschland als PV „gold rush“. Die gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung machte eine Investition in diese Technologie finanziell interessanter und zog so Investoren mit hohen Return on Investment-Erwartungen an. 32 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien EEG als ausschlaggebend für den Investitionsrückgang an (vgl. Gamel et al. 2016: 29). Nicht nur im Zusammenhang von Photovoltaik und Onshore-Wind- kraft waren politische Rahmenbedingungen wie das EEG und das „Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung“ (EnWG) wesentli- che Antriebskräfte für Investitionen. Auch im Bereich der Offshore- Windkraft wurden dadurch Projekte finanziell attraktiver und Inves- titionen nahmen zu (vgl. Reichardt/Rogge 2016: 68). 4.1.1.2 Die regulatorische Wirkung des politischen Rahmens Abgesehen von der bisher genannten Anreizfunktion können Policies auch regulierend – und somit direkter – in den Markt eingreifen. Im Kontext der Innovationspolitik werden regulatorische Instrumente häufig dazu verwendet, Rahmenbedingungen für bestimmte Techno- logien zu schaffen (vgl. Borrás/Edquist 2013: 1516). Beispielhaft ge- schieht dies durch die Etablierung von Mindestanforderungen bezüg- lich des Anteils erneuerbarer Energien im Strommix oder von Emissi- onsgrenzwerten, die das Investitionsverhalten von Akteuren beein- flussen. So investieren Akteure in bestimmte Technologien, um Aufla- gen zu erfüllen oder Strafen vorzubeugen (vgl. Mignon/Bergek 2016: 308). Allerdings – so zeigen Studien zur Bewertung von politischen Förder- maßnahmen durch professionelle Investoren – ist die politische Förde- rung ein zweiseitiges Schwert: Zwar können Policies Investitionen be- günstigen, jedoch auch leicht von diesen abschrecken (vgl. Hampl 2012: 10). Nicht nur die „objektive“ Intention von Policies und deren Auswirkungen ist wichtig (wie die bereits angesprochene Einspeise- vergütung), sondern deren Interpretation durch die Akteure, welche unterschiedlich ausfallen kann. So kann zu viel Regulation abschre- ckend wirken, auch wenn sie Anreize für Investitionen zum Ziel hat (vgl. Chassot et al. 2014: 147). Nichtwirtschaftliche Policy-Faktoren (so zum Beispiel bürokratischer Aufwand, Risiko sich ändernder Bestim- mungen) können in der Bewertung schwerer wiegen als der Vorteil Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 33 aus wirtschaftlichen Fördermaßnahmen oder die erwartete Gewinn- aussicht und somit von einer Investition abhalten (vgl. ebd. 2014: 144). Dies trifft in besonderem Maße zu, wenn die verschiedenen gesetzli- chen Regelungen, die den politischen Rahmen bilden, in sich nicht konsistent sind und somit keine verlässliche Langzeitorientierung bie- ten (vgl. Fuchs 2017: 249 ⁠; Negro et al. 2007: 932). Ein Beispiel für den Einfluss regulativer Anforderungen liefern Fuchs/Hinderer (2016), die in ihm den Grund für zuletzt rückläufige Investitionen in erneuerbare Energien sehen. Sie weisen auf mögliche negative Auswirkungen des Ausschreibungs-Modells für Investitio- nen auf die für die bisherige Energiewende wichtigen, kleinen Heraus- forder-Akteure hin (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 100f.). 4.1.1.3 Policies als Soft Power Abgesehen von den bisher beschriebenen Funktionen, eine Investition in eine Technologie wirtschaftlich attraktiver zu gestalten oder not- wendige Rahmenbedingungen zu schaffen, kann der politische Rah- men das Investitionsverhalten von Akteuren auch indirekt über seine Symbolkraft beeinflussen. Er kann beispielsweise bestimmte Erwar- tungen wecken (siehe „guiding visions“, Kapitel 4.3.1), den Informati- onsaustausch zwischen Akteuren fördern (siehe Kapitel 4.3.2) (vgl. Ka- rakaya et al. 2015: 1092 ⁠; Bohnsack et al. 2016: 29) oder durch Förderung von Forschung und Entwicklung erst zu deren Generierung beitragen (vgl. Loiter/Norberg-Bohm 1999: 89-92). Eine andere Möglichkeit der Förderung von Investitionen ist die Bereitstellung komplementärer Güter oder Dienstleistungen (wie Beratung, Information, Bildungspro- gramme, oder Infrastrukturen) (vgl. Fabrizio/Hawn 2013: 1099f. ⁠; Walker et al. 2010: 2656; Borrás/Edquist 2013: 1517f.). So werden die ersten Investitionen in ausschließlich innerdeutsche Offshore-Wind- kraftanlagen von staatlich finanzierten Forschungsprojekten begleitet, um den interessierten Akteuren unter anderem genauere Wirtschaft- lichkeitsberechnungen zu ermöglichen (vgl. BSH 2017: o. S.). Das Besondere an diesen Politikinstrumenten liegt darin begründet, dass sie keinen direkten Einfluss oder Zwang auf die Akteure ausüben. 34 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Diese sollen vielmehr durch Hilfestellungen, normative Appelle oder Empfehlungen zu einem bestimmten (Investitions-)Verhalten bewegt werden. In diesem Verständnis fungiert die Politik nicht als Regulator (siehe Kapitel 4.1.1.2), sondern als Koordinator innerhalb eines Gover- nance-Netzwerkes (vgl. Borrás/Edquist 2013: 1516). 4.1.1.4 Der politische Rahmen als Investitionsbarri- ere aufgrund fehlender Konsistenz Neben den skizzierten drei Dimensionen, in denen der politische Rah- men Investitionsentscheidungen beeinflussen kann, nämlich regulativ, durch wirtschaftliche Anreize und mittels Soft Power. Gerade bei nachhaltigen Transitionen wie der Energiewende ist jedoch zu beden- ken, dass die verschiedenen politischen Maßnahmen nicht isoliert von- einander wirken, sondern einen Instrumentenmix bilden. Dieser kann sowohl Innovationen in innovative Technologien fördern, als auch das bestehende System destabilisieren (vgl. Kivimaa/Kern 2016: 205). Damit dieser Instrumentenmix Investitionen in erneuerbare Energien fördert ist es wichtig, dass er in sich konsistent ist. Damit ist gemeint, dass die einzelnen ihn bildenden Gesetze und Maßnahmen nicht in Konflikt6 zueinander stehen, sondern Synergien bilden (vgl. Borrás/Edquist 2013: 1521f.; Del Río et al. 2010: 544f.; Del Río 2014: 267). Außerdem sollte er möglichst langfristig gelten, um verlässliche Kal- kulationen für zukünftige Investitionen zu erlauben und bestehende Unsicherheiten effektiv zu reduzieren (vgl. Negro et al. 2007: 932 ⁠; Ohl- horst 2009: 141 ⁠; Reichardt/Rogge 2016: 71 ⁠; Wüstenhagen/Menichetti 2012: 8). Gerade bei Nischentechnologien, die von verschiedenen Un- sicherheiten und Handlungsbedingungen begleitet werden (siehe Ka- pitel 4.2.1.2), herrschen unterschiedlichste Anforderungen an die Poli- tik (vgl. Mautz 2012: 160). 6 Diese Konflikte können horizontal oder vertikal sein. Horizontal meint dabei zwischen verschiedenen Instrumenten, vertikal zwischen verschiedenen ad- ministrativen Ebenen (vgl. Del Río 2014: 267, 276-281). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 35 Der politische Rahmen kann auch dann eine Investitionsbarriere dar- stellen, wenn dieser auf eine generelle Förderung aller Innovationen oder innovativen Technologien abzielt, ohne spezielle Schwerpunkte zu setzen. Werden alle Technologien staatlich gefördert, ist unklar, welche Rolle sie jeweils im zukünftigen Energiesystem spielen sollen (vgl. Kemp et al. 1998: 178). Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der politische Rahmen ein bedeut- samer Erklärungsfaktor von Investitionsentscheidungen sein kann. 4.1.2 Legitimitätsorientierung der Akteure Neben den angesprochenen politischen Rahmenbedingungen ist die Legitimitätsorientierung von Akteuren ein weiterer Faktor, welcher alle Investorentypen betrifft. Die organisationssoziologische Instituti- onentheorie zeigt, dass sich Akteure nicht immer rational verhalten und daher bei Investitionen nicht die Profitorientierung im Vorder- grund stehen muss (vgl. Munir 2002: 1405, zitiert nach Bergek et al. 2013: 579). Sie hebt die Bedeutung der Umwelt einer Organisation und den dort vorherrschenden Normen (vgl. Fabrizio/Hawn 2013: 1100), sozialer Erwünschtheit und ideologischen Verpflichtungen hervor (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 99). Damit Akteure ihr wirtschaftliches Überleben sichern, bedarf es an Le- gitimität in ihrem Umfeld. Nur so kann der Zugang zu Ressourcen (wie Wissen, Technologien, oder Finanzkraft) aufrechterhalten wer- den (vgl. Mignon/Bergek 2016: 308). Hierfür müssen Akteure sich nach Institutionen richten (vgl. Hojnik/Ruzzier 2016: 34). Diese beeinflus- sen, wie und welche Informationen Akteure wahrnehmen und mit welchen Kriterien sie diese interpretieren. Institutionen können for- mell (z.B. der bestehende politische Rahmen, technische Standards) o- der informell (z.B. Normen, Werte, Erwartungen) sein (vgl. Mig- non/Bergek 2016: 307f.⁠; Smink et al. 2015: 87). Scott (1995) unterschei- det zwischen regulativen, normativen und kulturell-kongnitiven Re- geln (vgl. Scott 2001: 52). Vor allem im Kontext von Unsicherheit – wel- che charakteristisch für die Entwicklung neuer Technologien ist (siehe 36 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Kapitel 4.2.1.2) – richten sich Akteure nach Institutionen. Somit beden- ken professionelle Investoren nicht nur den zu erzielenden Profit, son- dern berücksichtigen auch Umwelterwartungen bei der Investitions- entscheidung. Aldrich/Fiol (1994) unterscheiden zwischen kognitiver und soziopoli- tischer Legitimität. Kognitive Legitimität bezeichnet das Wissen über die neue Aktivität oder Technologie, welches notwendig ist, um in ei- nem Industriesektor zu bestehen. Sozio-politische Legitimität hinge- gen beschreibt die Bedeutung, die einer Aktivität – wie der Investition in eine bestimmte Form der Energiegewinnung – von Politik und Ge- sellschaft zugeschrieben wird (vgl. Aldrich/Fiol 1994; Bohnsack et al. 2016: 18). Doch Akteure richten sich bei ihren Investitionsentscheidungen nicht nur nach bestehenden Institutionen, um Legitimität zu erlangen. Der Fortbestand einer Institution lässt sich nur dadurch erklären, dass diese durch die Handlungen der Akteure immer wieder reproduziert wird (vgl. Geels/Schot 2007: 403). Außerdem sind Akteure keine pas- siven „rule follower“ (vgl. ebd. 2007: 403), sondern schaffen selbst Le- gitimität für bestimmte Technologien und etablieren entsprechende Regeln und Standards, um bessere Bedingungen für sich zu schaffen (siehe institutionelle Strategien, Kapitel 4.2.2.1) (vgl. Bohnsack et al. 2016: 16⁠; Smink et al. 2015: 86f.). So lässt sich die Existenz von Institu- tionen dadurch erklären, dass diese von Interessensgruppen vorange- trieben und unterstützt wurden (vgl. Smink et al. 2015: 89). Neben dieser Legitimitätsorientierung können Akteure auch auf Rou- tinen und Regeln zurückgreifen, die sich in einem Feld herausgebildet haben. An solchen Routinen wird auch in neuen Feldern (z.B. bei neuen Technologien) festgehalten, auch wenn diese dafür nicht ange- bracht sind (siehe Pfadabhängigkeiten, Kapitel 4.2.1.1) (vgl. Bergek et al. 2013: 579). Eine weitere Motivation zur Investition kann die Orientierung an an- deren Organisationen im Feld sein. Damit wird das Phänomen des „Isomorphismus“ erklärt. Das Investitionsverhalten von Akteuren gleicht sich an, weil (1) der gesetzliche Rahmen Investitionen in grüne Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 37 Technologien verlangt („coercive pressure“), (2) die best practices der Konkurrenz beobachtet und aufgrund ihres Erfolgs imitiert werden („mimetic pressure“), oder (3) bestimmte Investitionen von den Kun- den oder Geldgebern als wünschenswert betrachtet werden („norma- tive pressure“) (vgl. Zhu et al. 2012, zitiert nach Hojnik/Ruzzier 2016: 35). Bei den normativen Erwartungen müssen professionelle Investo- ren dabei zwei verschiedenen Umwelten gerecht werden: Der profes- sionellen Umwelt, in welcher Kriterien wie Effizienz und Effektivität überwiegen, und der institutionellen Umwelt („the right thing to do“) (vgl. Mignon/Bergek 2016: 308). 4.2 Investitionsentscheidungen in sekt- oralen Transitionen Im vorherigen Kapitel wurden Investitionsdeterminanten skizziert, welche sich – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – auf alle Ak- teure auswirken und alle Technologien betreffen. Wie Studien zeigen, können sich die Motive zur Investitionsentscheidung jedoch je nach Akteur und Technologie unterscheiden (vgl. Holstenkamp/Kahla 2016: 116). In diesem Kapitel wird daher thematisiert, inwiefern sich Faktoren in ihrer Funktionsweise und ihren Auswirkungen danach unterscheiden, wie etabliert eine Technologie auf dem Markt ist. Das Investitionsverhalten und die Innovationsstrategien von Akteuren un- terscheiden sich demnach, ob es sich um eine Regime- oder um eine Nischentechnologie handelt. In diesem Kapitel wird zunächst diese Unterscheidung zwischen Nischen und Regimes erläutert, bevor ihre Auswirkung auf das Investitionsverhalten verschiedener Akteure dis- kutiert wird, die in ihnen aktiv sind. 38 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 4.2.1 Nischen und Regimes als Unterschei- dungsraster Ein häufig genutztes Konzept für die Analyse sektoraler Transitionen ist die der sozialwissenschaftlichen Transitionsforschung entstam- mende Mehrebenenperspektive (multi-level perspective; kurz: MLP). Sie unterscheidet zwischen Nischeninnovationen, soziotechnischen Regimen und soziotechnischen Landschaften. Sektorale Transitionen werden als Zusammenspiel dieser drei Ebenen verstanden. Diese kön- nen dabei sehr unterschiedlichen Transitionspfaden folgen (vgl. Geels/Schot 2007; de Haan/Rotmans 2011). Innerhalb von Nischen und Regimes wirken unterschiedliche Faktoren auf die in ihnen aktiven Akteure ein, welche deren Investitionsverhalten beeinflussen. Die fol- genden drei Kapitel zeigen, inwiefern Investitionsentscheidungen von Akteuren sich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu Nischen und Regimes unterscheiden, da diese nicht nur einer kurzfristigen Logik der Profit- maximierung folgen, sondern Investitionen in bestimmte Technolo- gien (oder das Unterlassen von Investitionen in andere) auch das Er- gebnis strategischen Kalküls sind (vgl. Smink et al. 2015: 89). 4.2.1.1 Regime und das Investitionsverhalten von Regimeakteuren Unter einem soziotechnischen Regime wird ein stabiler Komplex aus Komponenten wie wissenschaftlichem Wissen, Nutzerpraktiken, Technologien und ihren Charakteristiken, die im regulatorischen Rah- men, Institutionen und Infrastrukturen eingebettet sind. Im Gegensatz zur Nische (siehe Kapitel 4.2.1.2) ist ein Regime relativ stabil und kann äußeren Einflüssen standhalten (vgl. Rip/Kemp 1998: 338-340). Ein Re- gime beschränkt sich dabei nicht auf einen Wirtschaftssektor. Es um- fasst neben Firmen – deren Bedeutung insbesondere die Evoluti- onsökonomie bei der Selektion und Variation technologischer Ent- wicklungen betont (vgl. Dosi 1982: 157) – Akteure aus unterschiedli- Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 39 chen Sektoren wie Politiker (vgl. Hess 2013), Wissenschaftler oder Ver- braucher. Neben diesen Akteuren konstituiert sich ein Regime auch aus den ihm immanenten Nutzerpraktiken (vgl. Shove et al. 2015; Cass/Faulconbridge 2016), Marktregeln, dem politischen Rahmen (siehe Kapitel 4.1.1) und den Machtkämpfen, die auf dessen Beeinflus- sung abzielen (vgl. Kukk et al. 2016; Meadowcroft 2009), Leitideen, Standards, Normen und Wissen (vgl. Geels 2002; Smith 2007). Bezogen auf „Sozio-E2S“ oder andere Energiesystemmodelle werden jene Firmen als Regimeakteure betrachtet, die das bisherige System der Energieerzeugung als Alteingesessene geprägt haben. Dabei handelt es sich um die Unternehmen, welche ein organisationales Feld auf- grund ihres Wissens dominieren und von den dort bestehenden Prak- tiken profitieren (vgl. Smink et al. 2015: 87). Sie sind, verglichen mit Nischenakteuren, aufgrund ihrer Ressourcen eher im Stande techno- logische Entwicklungen in eine bestimmte Richtung zu steuern (wel- che ihre Position im Markt weiter stärkt). Um nicht ihren Status zu ge- fährden, engagieren sie sich für gewöhnlich weniger in radikalen In- novationen, sondern bevorzugen inkrementelle Verbesserungsinno- vationen (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 98f.). Dementsprechend investie- ren sie in etablierte Technologien, welche einen entsprechenden Reife- grad besitzen, und verbessern diese durch inkrementelle Innovationen (vgl. Geels 2002: 1260). Da Nischentechnologien von (technologischen und wirtschaftlichen) Unsicherheiten geprägt sind (siehe Kapitel 4.2.1.2), schrecken Regimeakteure häufig vor einer Investition zurück (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 99 ⁠; Hess 2013: 849 ⁠; Wüstenhagen/Teppo 2006: 69). Durch dieses eher risikoscheue Investitionsverhalten wird ihr Status quo gesichert und ihre dominante Position auf dem Markt nicht gefährdet. Eine wichtige Erklärung für dieses eher zurückhaltende Investitions- verhalten bietet die Evolutionstheorie (vgl. Nelson/Winter 1982; Dosi 1982), auf die sich die MLP in ihrer Regimeperspektive bezieht. Als zentralen Erklärungsfaktor für das Innovationsverhalten von Organi- sationen sehen die Evolutionstheorien den evolutionären Mechanis- mus, nämlich die Selektion durch die Umwelt. Hier wird die Analogie 40 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien zur Biologie deutlich: es werden Variationen von Produkten und Pro- zessen entwickelt. Es erfolgt eine Selektion in der Organisationsum- welt (wobei die wichtigste Umwelt einer Marktorganisation der Markt darstellt). Schließlich kommt es zu Anpassungen (vgl. Nelson/Winter 1977). Zentral in diesem Ansatz ist das Konzept der Pfadabhängigkeit. Der Begriff geht auf David (1985) zurück, der am Beispiel der Schreib- maschinentastatur positive Rückkopplungseffekte („feedback loops“) skizziert. Die ursprüngliche Anordnung der Buchstaben (im englisch- sprachigen Raum „QWERTY“, für die sechs ersten Buchstaben), ist zu- nächst als Zufall entstanden, war zu der Zeit der mechanischen Schreibmaschinen auch sinnvoll, da sie ein sehr schnelles Schreiben verhinderte, was die Arbeit an den mechanischen Maschinen auch nur behindert hätte. Nach und nach setzten selbstverstärkende Effekte ein, da die Bürokräfte auf diesen Maschinen geschult wurden und diese dementsprechend von Unternehmen gekauft wurden. Mit diesem Bei- spiel soll verdeutlicht werden, dass v.a. „history matters“ (David 1985) und weniger Effizienzüberlegungen eine technische Entwicklung be- gründen. In diesem Verständnis wird Pfadabhängigkeit wie folgt de- finiert: „[…] die dynamische Eigenschaft eines Allokationsverfahrens, unabhängig davon, ob das dabei herauskommende Ergebnis effizient ist oder nicht“ (Puffert 2000: 1). Ergänzend zu diesen Überlegungen hat Arthur den Gedanken der „increasing returns“ (Arthur 1994) ent- wickelt, der dann auch bald in den Sozialwissenschaften, dort v.a. in institutionentheoretischen Arbeiten aufgegriffen wurde, um damit insbesondere auch die Pfadabhängigkeit von Institutionen zu erklä- ren: „In an increasing returns process, the probability of further steps along the same path increases with each move down the path. This is because the relative benefits of the current activity compared with other options increase over time. To put it a different way, the costs of exit – of switching to some previously plausible alternative – rise” (Pierson 2000: 252). Die MLP mit ihrer soziotechnischen Betrachtung eines Sektors verweist nun auf die zusätzlichen wechselseitigen Ver- stärkungseffekten von Akteursverhalten, Technologien und Institutio- nen. Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 41 Unruh (2000) hat zudem darauf verwiesen, dass bei großen techni- schen Systemen, das Phänomen der Pfadabhängigkeit besonders zum Tragen kommen kann. Denn gerade neuen Technologien im Energie- bereich sind mit dem bisherigen System nur schwer kompatibel. Diese Tatsache stellt ein enormes Investitionshemmnis für etablierte Akteure dar (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 14). So limitieren technologische Aspekte wie Laufzeiten oder benötigte Infrastrukturen die Anknüpf- barkeit neuer Technologien an das bestehende System, da bisher getä- tigte Investitionen hohe Sunk Costs darstellen und aufgrund von Ska- leneffekten Preisvorteile gegenüber neuen Technologien besitzen (vgl. Schmitt 2008: 41f.). Pfadabhängigkeiten müssen jedoch nicht zwin- gend technologisch sein, sondern (wie oben bereits skizziert) können auch Geschäftsmodelle und -Praktiken betreffen. Bestehende Regeln sind so geschaffen, dass sie etablierte Techniken und Praktiken unter- stützen und koordinieren, dienen jedoch gleichzeitig auch als Eintritts- barrieren für radikale Neuerungen (vgl. Unruh 2000). Diese müssen unter Umständen „verlernt“ werden, um auf sich ändernde Umwelt- einflüsse wie sich etablierende Nischentechnologien zu reagieren (vgl. Neij et al. 2017: 275). Durch die bisherigen Investitionen wird ein spe- zifischer Wissens- und Kompetenzvorsprung erlangt, welcher sich nicht auf andere Technologien übertragen lässt. Regimeakteure besit- zen häufig wenig Wissen über eine Nischentechnologie und müssen sich dieses erst aneignen, was ein Investitionshindernis darstellt (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 14). So ist auch zu erklären, dass Alteinge- sessene, selbst wenn diese bereits früh in eine Innovation investieren, dabei wenig Erfolg haben (vgl. Wüstenhagen/Menichetti 2012: 6). Die skizzierten Mechanismen führen dazu, dass Regime typischer- weise stabil und nicht offen für radikale Neuerungen oder alternative Ideen sind. Pfadabhängigkeiten führen dazu, dass Regimeakteure am ehesten in diejenige Technologie investieren, die sich am besten in das bestehende Geschäftsmodell einfügen (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 16). So erklärt sich, warum große Energieversorger lange Zeit große, zentrale Anlagen gegenüber kleineren, dezentralen bevorzug- ten (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 100 ⁠; Reichardt/Rogge 2016: 72). 42 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 4.2.1.2 Nischen und das Investitionsverhalten von Nischenakteuren Während inkrementelle Verbesserungsinnovationen typisch für Re- gimeaktivitäten sind, finden radikale, pfadbrechende Innovationen üblicherweise in geschützten Nischen statt, da sich deren Selektions- kriterien vom Regime unterscheiden (vgl. Geels 2002: 1260f.). Nischen ähneln Regimes in ihrer Struktur, jedoch unterscheiden sie sich bezüg- lich ihrer Größe und Stabilität. Nischen bilden die kleinste und insta- bilste Struktureinheit der MLP (vgl. Markard/Truffer 2008: 606). Es handelt sich bei ihnen um vor dem Selektionsdruck des Regimes ge- schützte Orte (vgl. Geels/Schot 2007: 400; Rip/Kemp 1998). Die dort entwickelten Technologien befinden sich noch im frühen Stadium der Entwicklung und müssen sich erst – wenn sie es in ihrer Entwicklung überhaupt so weit schaffen – auf dem Markt gegen die etablierten Re- gimetechnologien behaupten (vgl. Geels/Kemp 2012; Jacobsson/Lau- ber 2006: 259 ⁠; Ohlhorst 2009: 45 ⁠; Ornetzeder/Rohracher 2013: 857 ⁠; Seyfang et al. 2014: 22). Dies ist notwendig, da Nischen durch einen hohen Grad verschiedener Unsicherheiten gekennzeichnet sind. Bei der Etablierung von Nischen können verschiedene Phasen unter- schieden werden, beispielsweise (1) die Bildung eines neuen Marktes und (2) dessen Expansion (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 12). Damit sich Nischen trotz der beschriebenen Unsicherheiten etablieren, ist ge- rade in einem frühen Entwicklungsstadium eine Abschirmung von dem im Regime herrschenden Selektionsdruck (aufgrund des Standes der Wissenschaft, Marktregeln, dominante Nutzerpraktiken, etablierte Industriestrukturen, etablierte technische Infrastrukturen etc.) not- wendig (vgl. Rip/Kemp 1998). Diese Abschirmung kann zum einen ak- tiv und gezielt erfolgen, etwa durch „strategisches Nischen Manage- ment“ (vgl. Kemp et al. 1998). Die Nischenabschirmung kann aber auch passiv erfolgen. So können lokale Besonderheiten wie z.B. geo- grafisch abgelegene Gegenden, die z.B. von den typischen Regime-Inf- rastrukturen abgeschnitten sind, genutzt werden um alternative Tech- nologien und Praktiken zu erproben (siehe Kapitel 4.3). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 43 Wie in Regimen werden Investitionsentscheidungen auch in Nischen nicht rein wirtschaftlich begründet, sondern von verschiedenen Fakto- ren beeinflusst. Während Regimeakteure wie bereits beschrieben meist in etablierte Technologien investieren, treiben Nischenakteure (auch Herausforderer, „challenger“ genannt) hingegen eher radikale Inno- vationen in Form neuer Erzeugungstechnologien voran, welche im Konflikt zu dem etablierten Regime stehen. Hierfür initiieren sie Lern- prozesse, bauen soziale Netzwerke auf und formulieren Visionen be- züglich der zukünftigen Rolle „ihrer“ Nischentechnologie im gesam- ten Energiesystem (vgl. Smith/Raven 2012; Raven et al. 2016). Da bei Investitionen in radikale Neuentwicklungen, wie es die erneu- erbaren Energietechnologien zu Beginn waren, neues Wissen benötigt wird, suchen Akteure nach externen Wissensquellen und engagieren sich stärker in Netzwerken, als bei Innovationen, welche das Kernge- schäft betreffen (vgl. Hojnik/Ruzzier 2016: 37 ⁠; Wildt-Liesveld et al. 2015: 158). Neij et al. betonen in diesen von Unsicherheit geprägten Ni- schenentwicklungen die Wirkung von Netzwerken für Lernprozesse mit dem Begriff „learning by interacting“ (vgl. Neij et al. 2017: 276). Durch die Kontakte in Netzwerken werde Wissen aus unterschiedli- chen Themenfeldern verbreitet, vernetzt, und so Unsicherheit redu- ziert (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 12 ⁠; Wuebker et al. 2015: 169). So sind gerade im Anfangsstadium lokale Stakeholder oder Unterstützer (wie z.B. PV Installateure) als vertrauensvolle Informationsquellen wichtig (siehe Kapitel 4.3.2) (vgl. Neij et al. 2017: 278). Wie bereits angesprochen dienen Investitionen unter anderem dem Zweck Legitimität zu gewinnen oder aufrecht zu erhalten, also Um- welterwartungen zu erfüllen (siehe Kapitel 4.1.2). Diese Erwartungen an eine Technologie, beispielsweise bezüglich deren zukünftigem Ent- wicklungspotential durch Effizienzsprünge, können sich je nach Ni- schen- oder Regimezugehörigkeit von Akteuren unterscheiden (vgl. Geels/Schot 2007: 405). Besonders wichtig sind bei Nischen die Erwar- tungen der Stakeholder (vgl. Hojnik/Ruzzier 2016: 34). Gerade bei Un- sicherheit, die charakteristisch für Nischentechnologien ist, ist der Ein- fluss des organisationalen Netzwerks groß (vgl. Hampl 2012: 37f.). Ne- ben dem beschriebenen Schutz vor den Einflüssen des Regimes ist eine 44 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Vernetzung daher eine, wenn auch nicht ausreichende, so doch not- wendige Voraussetzung (vgl. Seyfang et al. 2014: 23) (siehe Kapitel 4.3.1). Unter Erwartungen sind jedoch nicht nur das von Akteuren erwartete Investitionsverhalten zu verstehen, sondern auch die mit einer Tech- nologie verbundenen Erwartungen. In Netzwerken wird daher neben Faktenwissen zur Weiterentwicklung einer Technologie auch Wissen 2. Ordnung erlangt, wie eine Technologie verbreitet werden kann (vgl. Schot/Geels 2008: 541 ⁠; Seyfang et al. 2014: 23f.). Dafür ist die Schaffung einer gemeinsamen Vision bezüglich einer Technologie und deren Nutzung nötig, die diese vom Regime unterscheidet (vgl. Schmitt 2008: 41f.). Aufgrund der für Nischen charakteristischen Unsicherheiten ist diese gerade dort von Bedeutung (vgl. Dewald/Truffer 2012: 404 ⁠; McEachern/Hanson 2008: 2580). Unter solchen „guiding visions“ ver- steht man „[…] Wertvorstellungen […] [und] grundlegende Kausalan- nahmen über gesellschaftliche Zusammenhänge, Probleme, die Wirk- samkeit bestimmter Politikinstrumente etc.“ (Ohlhorst 2009: 69f.), die somit die Investitionsentscheidung beeinflussen. Diese „[…] kultu- relle[n] Orientierungsmuster und Leitbilder“ (ebd. 2009: 242) unter- scheiden sich je nach Innovationsphase, sodass verschiedene Akteure angesprochen werden (vgl. ebd. 2009: 242f.). Ihre Bedeutung wird gleichbedeutend eingeschätzt als die der technologischen Entwicklung (vgl. Wüstenhagen/Menichetti 2012: 3) oder des politischen Rahmens (vgl. Späth/Rohracher 2010: 453), wenn sie bestimmte Voraussetzun- gen erfüllen (vgl. ebd. 2010: 456). Die Bedeutung, die einer Technologie von Akteuren zugeschrieben wird, kann konfliktreich sein, da unterschiedliche Interessen kollidie- ren können (vgl. ebd. 2010: 454). Dies gilt nicht nur für Netzwerke von Konkurrenzunternehmen, sondern auch bei Sektor übergreifenden Netzwerken von unterschiedlichen Akteurstypen kann mangelndes Vertrauen unter den Beteiligten zu Konflikten führen (vgl. Ha- mann/April 2013: 14). Da eine von allen Beteiligten geteilte Vision er- forderlich ist, dienen Change Agents und Intermediäre (siehe Kapitel 4.3.2) als Vermittler der verschiedenen Interessen (vgl. Backhaus 2010: 90⁠; Hamann/April 2013: 14). Durch eine geteilte Vision wird auch ein Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 45 moralischer Imperativ geschaffen, um eine Selbstverpflichtung der Akteure („compliance“) zu erreichen (vgl. Späth/Rohracher 2010: 454). Daher ist die Formulierung von „guiding visions“ (vgl. ebd. 2010: 450) ein zentraler Bestandteil in der Strategie von Change Agents (siehe Ka- pitel 4.3.2) und Nischenakteuren (siehe Kapitel 4.2.1.2), um einen sozi- otechnischen Wandel herbei zu führen (vgl. Bohnsack et al. 2016: 28⁠; Späth/Rohracher 2010: 450). Wie gezeigt wurde, gibt es in Nischen aufgrund der ihr immanenten Unsicherheiten verschiedene nichtwirtschaftliche Faktoren, die ihre Entwicklung beeinflussen. Dies gilt insbesondere für lokale Besonder- heiten (siehe Kapitel 4.3) (vgl. Ohlhorst 2009: 45). Aus diesem Grunde können Sozialwissenschaften gerade bei Nischentechnologien Bei- träge zur Erklärung des Investitionsverhaltens leisten. 4.2.2 Die Transition von der Nische zum Re- gime Bisher wurden Regimes und Nischen sowie die Handlungslogiken der in ihnen agierenden Akteure gesondert voneinander betrachtet. Bei ihnen handelt es sich jedoch nicht um starre Konstrukte, sie verändern sich permanent und beeinflussen sich gegenseitig. Ebenso wandeln sich im Zeitverlauf die Motive von Akteuren für Investitionen in eine bestimmte Technologie (vgl. Berardi 2013: 522f.). Im Laufe der Zeit än- dert sich dabei sowohl die Interessen der Akteure, als auch die Ak- teurskonstellation in Allianzen und Netzwerken. Eine genaue Betrach- tung der involvierten Akteure und ihrer Netzwerke ist für die Investi- tionsanalyse wichtig, denn „[w]elcher technische Entwurf sich durch- setzt, wird nicht von technologischen Parametern bestimmt, sondern ist abhängig von den Konflikten und Koalitionen der beteiligten Ak- teure“ (vgl. Ohlhorst 2009: 42). Solange neue Technologien in ihrer Nische verharren, können sie ge- schützt von den Einflüssen des dominanten Regimes überleben. Kommt es zum sogenannten „up-scaling“, dem Etablierungsprozess 46 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien außerhalb der Nische, zeigen sich die aufgrund der Radikalität der Ni- schentechnologie von Anfang an angelegten Konflikte mit dem Re- gime deutlich (vgl. Seyfang et al. 2014: 25 ⁠; Wildt-Liesveld et al. 2015: 155). Dabei findet nicht nur ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien statt, sondern auch zwischen den bisher dominanten Akteuren des Regimes einerseits und den Herausforderer-Akteuren andererseits, die sich nun aufmachen, die Nische zu verlassen, um sich mit ihren neuen Technologien erfolgreich am Markt zu etablieren. So kann es bei der Interaktion von Nische und Regime zu einem soge- nannten „institutionellen Wandel“ kommen. Dieser Begriff entstammt der sozialwissenschaftlichen Institutionentheorie und legt den Fokus nicht auf die (Nischen- und Regime-)Technologien, sondern die be- troffene Industrie. Er beschreibt den Moment, in dem sich die etablier- ten institutionellen Regeln einer Industrie verändern, beispielsweise als Konsequenz eines neuen politischen Rahmens, technologischer Standards oder Geschäftsmodelle (vgl. Bohnsack et al. 2016: 17). Wenn Akteure nicht nur in bestimmte Technologien investieren, sondern darüber hinaus mit bestehenden institutionalisierten Praktiken, Re- geln und Standards brechen und versuchen, diese durch neue zu er- setzen, bezeichnet man sie als „institutional entrepreneurs“ (vgl. ebd. 2016: 18). Um gegen die Etablierung von Nischen-Innovationen und einen mög- lichen institutionellen Wandel vorzugehen, bedienen sich Regimeak- teure je nach Technologie verschiedener Strategien. Diese umfassen (1) institutionelle Strategien, die (2) Blockade einer Innovation oder deren (3) Transformation und Inkorporation (vgl. Hess 2013: 848). Der dis- ruptive Charakter einer Nischentechnologie kann dabei von den etab- lierten Akteuren unterschiedlich eingeschätzt werden (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 16). Somit unterscheiden sich auch die im Folgenden beschriebenen Strategien der Regimeakteure als Reaktion auf eine ex- pandierende Nischentechnologie. Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 47 4.2.2.1 Institutionelle Strategien Wenn die etablierten Akteure durch Investitionen in innovative Tech- nologien ihre Marktposition nicht gefährden möchten oder aufgrund von Pfadabhängigkeiten nicht ohne weiteres können, versuchen sie deren Etablierung am Markt durch institutionelle Strategien zu behin- dern. Wie bereits in den Kapiteln 4.1.1 und 4.1.2 angesprochen, beeinflussen Institutionen wie der gesetzliche Rahmen oder etablierte Praktiken nicht nur die Investitionsentscheidung von Akteuren, sondern werden von diesen gezielt erzeugt und unterstützt (vgl. Bohnsack et al. 2016: 16⁠; Smink et al. 2015: 86f.). In der Hoffnung, dass ihr Geschäftsmodell das dominierende auf dem Markt wird und sich ihre Marktstellung dementsprechend verstärkt. Unter institutionellen Strategien versteht man daher diejenigen Akteursstrategien, mit denen die alteingeses- sene Akteure auf eine Beeinflussung (Veränderung oder Festigung) des externen Umfelds (politischer Rahmen, Institutionen) abzielen (vgl. Smink et al. 2015: 87f.). Man kann verschiedene Typen institutioneller Strategien unterschie- den: (1) Informationsstrategien oder (2) technischen Strategien. Infor- mationsstrategien sollen die Legitimität einer Innovation mindern, in- dem (a) potenzielle negative Folgen beschrieben werden, (b) Praktiken als unethisch oder unangebracht betitelt werden, oder (c) nach einem Wandel des regulativen Rahmens verlangt wird (vgl. ebd. 2015: 89). Dies geschieht direktem Wege über Interaktionen mit politischen Akt- euren (sogenannte „Corporate Political Activities“, kurz: CPA, im Volksmund auch Lobbying genannt), oder auf indirektem Wege durch die Einflussnahme auf die politische Stimmung der allgemeinen Öf- fentlichkeit mittels Unterstützung verschiedener sozialer Bewegungen oder (Bürger-)Initiativen (sogenanntes „Advocacy Advertising“ und „Constituency Building“) (vgl. Ohlhorst 2009: 239 ⁠; Smink et al. 2015: 87⁠, 89f.). Regimeakteure investieren jedoch auch unabhängig von ihrer strategi- schen Ausrichtung in andere Technologien, um neue Märkte zu erkun- 48 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien den (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 14). Um die eigene Glaubwür- digkeit und die Legitimität einer etablierten Technologie nicht durch Investitionen in eine Nischentechnologie selbst zu gefährden, gründen Regimeakteure für strategische Investitionen in diese Innovationen häufig Tochterunternehmen, welche unter einem anderen Namen agieren (vgl. ebd. 2012: 14). Beispiele für Informationsstrategien sind die Forderung nach einer marktbasierten Regelung, da diese für die alteingesessenen Akteure (auf Grund ihrer dominanten Position) weniger bedrohlich erscheinen als ein gesetzlicher Lösungsweg (vgl. Smink et al. 2015: 90). Technische Strategien zielen auf die Festlegung von Standards ab, die sich am Regime orientieren und somit als Barrieren die Produktions- kosten der Nischentechnologie erhöhen oder den Markteintritt gänz- lich unmöglich machen (vgl. ebd. 2015: 90). Institutionelle Strategien sind gerade im Energiesektor bedeutsam, da in ihm politische Akteure wie Regierungen aktiv an der Marktbildung beteiligt sind (vgl. Bohnsack et al. 2016: 17). So wird die Interaktion zwischen Nische und Regime nicht nur zum Wettkampf wirtschaftli- cher Akteure und Interessen, sondern auch verschiedener (nationaler oder regionaler) Regierungen und ihren politischen Zielen (vgl. ebd. 2016: 17f.). Beispiele für derartige Strategien sind das Lobbying für Ka- pazitätsmärkte oder eine strategische Reserve für Braunkohle (vgl. Reeg et al. 2015). 4.2.2.2 Blockade und „Countervailing Power“ Sind die Regimeakteure mit ihrer institutionellen Strategie nicht er- folgreich, können sie eine Transition aktiv destabilisieren, indem sie „[…] zu ‚nichtkooperativen Spielern‘ werden, die weiter primär ihre […] Partialinteressen verfolgen“ (Mautz 2012: 159). In diesem Fall kommt es zu einer direkten Konfrontation mit den Nischenakteuren. Es bilden sich bestimmte Akteursallianzen („advocacy coalitions“) heraus. Etablierte Regimeakteure können die Etablierung von Ni- schen-Technologien mit ihren politischen und wirtschaftlichen Res- Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 49 sourcen blockieren (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 100). Mit ihren Koaliti- onen erzeugen sie „countervailing power“, um ihre dominante Posi- tion in einem sich verändernden Feld zu sichern (vgl. Hess 2013: 849). Beispielsweise können sie gerichtliche Prozesse durch verschiedene Instanzen initiieren, welche die Diffusion der Nischentechnologie be- hindern (vgl. Ohlhorst 2009: 152f.). Nischenakteure hingegen müssen, um dennoch erfolgreich zu sein, nicht nur auf gemeinsame (wirtschaftliche) Interessen, sondern auf Werte und Visionen (siehe „guiding visions“, Kapitel 4.2.1.2) zurück- greifen, um gemeinsam mit anderen Akteuren (z.B. Verbraucherver- bänden, Gewerkschaften, Landwirten, Regierungen) ein Netzwerk o- der eine Koalition zu bilden und so ein Gegengewicht zu erzeugen (vgl. ebd. 2009: 49). Die gemeinsamen Visionen sorgen dafür, dass die Allianzen dauerhaft bestehen, wovon ihr Erfolg abhängt (vgl. Mautz 2012: 161). 4.2.2.3 Inkorporation und Transformation Im Laufe der Zeit ist mit zunehmender Etablierung einer Nischentech- nologie eine Verschiebung der verschiedenen Akteursallianzen zu be- obachten, da auch Regimeakteure beginnen, sich für sie zu interessie- ren (vgl. Ohlhorst 2009: 232). Dies liegt daran, dass mit zunehmender Etablierung die Wirtschaftlichkeit einer Nischentechnologie zunimmt oder zumindest weniger hinterfragt wird (vgl. Noll et al. 2014: 337). Gelingt es den Regimeakteuren nicht, durch die bisher beschriebenen Strategien die Etablierung der Nische zu verhindern, ändern die etab- lierten Akteure ihre Strategie weg von einer Blockade hin zu einer Übernahme und Transformation der Technologie. Bei dieser Strategie wird stark in die innovative Nischentechnologie investiert. Es werden Joint Ventures gegründet, um Zugang zu Wissen und neuen Märkten zu gelangen (vgl. Pinkse/van den Buuse 2012: 15-17). Alternativ wer- den die kleinen Herausforderer Akteure aufgekauft. Dadurch wird die Organisation der Herausforderer bewusst dem Regime angepasst, o- der aber die Alteingesessenen können von deren erlangtem Wissen 50 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien und den gebildeten Netzwerken profitieren und die Technologieent- wicklung entscheidend beeinflussen (vgl. Smink et al. 2015: 88). Eine andere Ursache einer Veränderung kann darin liegen, dass Her- ausforderer aufgrund des größer werdenden Umfangs ihrer Aktivitä- ten gezwungen sind, sich eigenständig zu verändern und dem Regime anzupassen (vgl. Hess 2013: 849). So kann eine Transformation und zunehmende Professionalisierung lokaler Initiativen dadurch entste- hen, dass eine Angleichung an das Regime nötig ist, um Kapital von Dritten (Banken etc.) zu erhalten. Auch die Nischeninnovation unterläuft durch den Einfluss der Altein- gesessenen eine Veränderung, welche ursprünglich von Herausforde- rern nicht vorgesehen war (vgl. ebd. 2013: 854). Ursprünglich ist die Nische als Gegensatz zum Regime entstanden, bei der Adoption durch die Regimeakteure findet allerdings ein Übersetzungsprozess statt. Durch das Engagement der Regimeakteure wird ihre technologische Entwicklung modifiziert, sodass die Innovation an ihrer anfänglichen Radikalität verliert und sich dem Regime anpasst (vgl. Geels/Schot 2007: 406 ⁠; Ornetzeder/Rohracher 2013: 859 ⁠; Smink et al. 2015: 88). So verändern sich im Zeitverlauf sowohl die Nischentechnologie in ihrer Anwendung, als auch die Akteure und ihre Handlungsstrategien. 4.3 Besonderheiten der lokalen Ebene Im vorherigen Kapitel wurden – Bezug nehmend auf die sozialwissen- schaftliche Transitionsforschung – Unterschiede im Investitionsver- halten zwischen Akteuren und Technologien mit der analytischen Dif- ferenzierung von Regime und Nische und den damit verbundenen Einflussgrößen und Handlungslogiken erklärt. Davon abgesehen gibt es jedoch auch regionale Unterschiede im Investitionsverhalten. Ge- rade auf lokaler Ebene können neu entstehende Akteursnetzwerke die Entwicklung von Technologien vorantreiben (vgl. Mautz 2012: 164). Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 51 Die Relevanz der lokalen Ebene wurde in der Transitionsforschung lange Zeit nicht beachtet, die Bedeutung geographischer Nähe unter- schätzt. Lokale Einheiten wie Gemeinden und Kommunen wurden zwar als geographischer Kontext betrachtet, jedoch nicht als Initiator für Investitionen (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 98). So wird die MLP häu- fig für ihre fehlende geographische Skalierung kritisiert (vgl. Coenen et al. 2010: 16). Der Fokus auf der lokalen Ebene entstammt geographischen Studien der Innovationsdiffusion (vgl. McEachern/Hanson 2008: 2580). Diese betonen, dass gleiche Phänomene in unterschiedlichen Region unter- schiedliche Effekte auslösen können (vgl. Coenen et al. 2010: 17). Wäh- rend Zhang et al. (2011) die Bedeutung von lokalen Policies in Japan (im Gegensatz zu nationalen wie dem EEG in Deutschland) hervorhe- ben (vgl. Zhang et al. 2011: 1963), kommen Dewald/Truffer (2012) für Deutschland zu einem anderen Ergebnis: Politische Fördermaßnah- men (sowohl national als auch regionalspezifisch) und geophysikali- sche Gegebenheiten können nur einen Teil der regionalen Unter- schiede im Ausbau erklären. Auf lokaler Ebene seien demnach zusätz- liche Faktoren von Bedeutung, die auch den Unterschied im Investiti- onsverhalten zwischen verschiedenen Regionen erklären können (vgl. Dewald/Truffer 2012: 415f.). 4.3.1 Lokale Netzwerke und Kulturen In einem lokalen Kontext können Netzwerke allein dadurch entstehen, dass sich mit geographischer Nähe die sozialen Interaktionen zwi- schen Akteuren erhöhen (vgl. Bauwens 2016: 25). Netzwerke kommen sowohl in formeller als auch in informeller Art vor. Beide Arten sind bei einer Investitionsentscheidung von Relevanz. Wie Hampl (2012) zeigt, sind formelle lokale Netzwerke beispielsweise in der Risikoka- pitalindustrie von Bedeutung, da sich professionellen Investoren in wenigen Standorten (Börsenplätze) konzentrieren (vgl. Hampl 2012: 40f.). Andere Studien zeigen die Bedeutung von lokalen Netzwerken im Kontext von der Entwicklung einzelner Firmen und Technologien. 52 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien Formell verbreiten diese ihr Wissen beispielsweise über ihr Zulieferer- netz oder an Kunden. Informell gelangt Wissen über die Mitarbeiter und deren persönliche Kontakte an Außenstehende (vgl. Neij et al. 2017: 276 ⁠-279). Durch Vorgänge auf lokaler Ebene können ähnliche (In- vestitions-)Entscheidungen von Akteuren somit nicht nur durch Mi- mesis aufgrund einer Konkurrenzsituation entstehen, sondern weil beide zeitgleich durch informelles Lernen die gleichen Schlüsse ziehen und daraufhin handeln (vgl. Neij et al. 2017: 276). Die Bedeutung des Wissensaustausches wird auch in den Konzepten der „learning regions“ oder auch „regional innovation systems“ be- tont. Sie legen den Schwerpunkt auf die Kapazität lokaler Einheiten, durch die Kombination von formellen und informellen Wissensarten (Fachwissen, Praxiswissen) dieses schneller zu verbreiten und Innova- tionsprozesse durch entstehende Synergien zu beschleunigen (vgl. ebd. 2017: 275f.). Diese Prozesse werden auch als „knowledge co-crea- tion“ (vgl. Wildt-Liesveld et al. 2015: 167) bezeichnet. Sie sind gerade in Nischen für deren Entwicklung bedeutsam, besonders in Kombina- tion mit Visionen bezüglich des einzuschlagenden Pfades (siehe Kapi- tel 4.3.1), wofür die Interessen verschiedener Akteure vermittelt wer- den müssen (siehe Kapitel 4.3.2) (vgl. ebd. 2015: 156). Abgesehen von den angesprochenen Effekten durch Wissensaus- tausch durch Netzwerke können sich „Lokalkulturen“ herausbilden, die zu einer regional unterschiedlichen Verbreitung von Technologien beitragen. So zeigen Holstenkamp/Kahla (2016) nicht nur unterschied- liche Motive zur Investition in kommunalen Energieprojekten (com- munity renewable energy; kurz: CRE) auf nationaler Ebene – durch den Vergleich von Studien in Dänemark und Deutschland – auf, son- dern auch regionale Unterschiede innerhalb Deutschlands. Im Ver- gleich mit Dänemark seien finanzielle Motive nicht dominant, weshalb Investitionen von Privatpersonen in CRE als ein besonderer Typ von sozialem Investment zu verstehen seien. Dies solle allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass finanzielle Motive nicht auch in Deutschland ein wichtiger Faktor seien. Regionale Unterschiede inner- halb Deutschlands zeigt ein Vergleich von Nord- mit Süddeutschland: Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien 53 So ist der finanzielle Aspekt in Norddeutschland wesentlich wichtiger, als in Süddeutschland (vgl. Holstenkamp/Kahla 2016: 117). Bauwens (2016) unterscheidet daher zwischen zwei Grundtypen von lokalen Initiativen: „communities of place“ und „communities of inte- rest“. Zuerst genannte entstehen aufgrund eines Gemeinschaftsge- fühls, einer lokalen Identität. Letztere entstehen später, wenn eine Technologie entwickelt ist, und legen Wert auf den finanziellen Nut- zen der Investition (vgl. Bauwens 2016: 29). Ein anderes Beispiel für lokale Unterschiede ist die Entwicklung von Energiegenossenschaften in Deutschland. Bauwens et al. (2016) erklären die ungleiche Entwick- lung von Windenergiegenossenschaften in Süd- und Norddeutsch- land über die generelle Bedeutung des Genossenschaftsmodells in ge- wissen Kernregionen (Baden-Württemberg, Weser-Ems, Franken) (vgl. Bauwens et al. 2016: 142). Fuchs/Hinderer (2016) sehen ebenfalls einen Zusammenhang zwischen der regionalen Verteilung von 100% Bio-Initiativen und Protesten gegen Atomkraft oder infrastrukturelle Großprojekte (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 102). Lokale Kulturen können erklären, warum sich Technologien in der finanziell nicht ertragrei- chen Frühphase gerade in manchen Regionen ausbreiten und in ande- ren nicht. 4.3.2 Der Einfluss lokaler Nischenakteure auf das Investitionsverhalten Auf lokaler Ebene werden die bisher angesprochenen Effekte der Netzwerkbildung, Wissensverbreitung und Schaffung einer lokalen Kultur durch besondere Akteure vorangetrieben. Da diese sich geo- graphisch unterschiedlich verteilen, kommt es zu regional unter- schiedlichen Entwicklungen bei der Herausbildung der in Kapitel 4.3.1 genannten Faktoren (vgl. Bohnsack et al. 2016: 17). Zu ihnen zählen, neben dem im Kapitel 4.1.1 beschriebenen (nationalen) politischen Rahmen, auch die Regierungen auf Länder- sowie kommunaler Ebene. Diese können durch ihre Fördermaßnahmen geeignete Rahmenbedin- gungen auf lokaler Ebene schaffen – welche durchaus im Gegensatz 54 Schrage, A. et al.: Investitionsentscheidungen in erneuerbare Energietechnologien zum nationalen Energiesystem sein können – um Investitionen in er- neuerbare Energien attraktiver machen (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 97). Bei dieser direkten Förderung spielt häufig das Motiv der regionalen Wertschöpfung eine Rolle, so auch im Falle von Offshore-Windkraft (vgl. Ohlhorst 2009: 205f., 223f.). In Österreich war das Motiv der regi- onalen Wertschöpfung für die Investition in erneuerbare Energieer- zeugungstechnologien sogar von größerem Einfluss als der Umwelt- schutzgedanke oder das Ziel, den Energieverbrauch zu reduzieren (vgl. Späth/Rohracher 2010: 453). Andererseits beteiligen sich Städte und Gemeinden im Kontext der Re-Kommunalisierung der Energie- versorgung vermehrt selbst aktiv an der Energiewende (vgl. Fuchs/Hinderer 2016: 101), indem sie a