Ulrich Kuli Einige einfache Enzymversuche Enzyme sind die Katalysatoren nahezu aller SlofIwechselvorgänge. Es sInd stets Proteine (Eiweißkörper). In jeder einzelnen Zelle ist eine Vielzahl von Enzymen ent- halten. Der Stoffwechsel ist Grundlage des gesamten Zellgeschehens, auch der Teilung und Differenzierung von Zellen, und liefert damit letztlich die Basis für das Verständ- nis morphologischer Vorgänge. Daraus er- hellt die außerordentUclte Bedeutung der Untersuchung von Enzymen. Auch im Un- terricht sollten Versuche mit Enzymen eInen gebilhrenden Platz einnehmen. Nun sind zahlreiche relativ einfache Enz.ymver- suche beschrieben worden. Dennoch gibt es manche Gebiete der Enzymchemie, für die bisher kaum einfache, auch für Schüler- übungen geeignete Experimente vorliegen. Im Folgenden seien daher einige Versuche dargestellt. die teils nicht allgemein be- kannt sind, teils neu entwickelt wurden, und die möglicherweise eine Lücke im An- gebot einfacher Experimente schließen können. Die einzelnen Versudl.e stehen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit- einander. Enzyml •• 1 mit mlf. des Gesdlmadlsslnnes Zur Einführung in die Untersuchung von Enzymen ist ein Versuch ganz ohne Geräte geeignet, der hier in Anlehnung an die An- 113 gaben von TANG beschrieben wird. Erfor- derlich sind nur Papaya-Früchte (Corica papalla), die bei uns In Dellkateßwaren- Geschäften häufig zu erhalten sind. Eine Frucht enthält bis zu mehrere hundert Sa- men. In diesen ist ein Senfölglucosid ent- halten, das Glucotropaeolin genannt wurde. Dieselbe Verbindung kommt nämlidl auch In der Kapuzinerkresse (Tropaeolum maius) vor. Senfölglucoside oder Glucoslnolale treten in verschiedenen Pfianzenfamllien auf. Besonders bekannt sind Jn dieser Hin- sicht die KreuzblUUer, deren charakterlsU- sdter Geruch, wie er vor allem beim Zer- reiben von Pflanzentellen auftritt, durch die Spaltung der Senfölglucoside zustande kommt. Dabei wird. der Zuckerrest der Ver- bindung abgespalten und das Senföl frei- gesetzt. Diese Reaktion wird durch ein En- zymgemisdt katalysiert, das man als Myro- sin bezeichnet hat (s. unten). In den Papaya-Samen Ist das Senfölgluco- sid vor allem im Endospenn, dem Speicher- gewebe im Innern des Samens. enthalten. Myrosin findet sich dagegen vorwiegend Im äußeren, gelatinösen Teil der Samenschale. Unter dem Mikroskop erkennt man den zweischldltigen Aufbau der Samenschale (vgl. BUd l): der äußere Tell besteht aus parenchymatischen, dünnwandigen Zellen. Er entsteht aus Teilen des äußeren Inte- guments und wird als Sarkotesta bezeich- net. Der innere Teil ist wesentlich härter. Er heißt Sklerotesta oder Endotesta. Diese besteht aus mehreren Schichten, die äußer- ste ist kleinzelUg und in der Regel dunkel gefärbt. Darunter liegen große Zellen mit Calc1umoxalat-Kristallen und eine Steln- zellschidtt (LINDNU). VersuchsduTch!ührung Man entnimmt aus dem Fruchtfleisch einen Papaya-Samen, entfernt den äußeren Teil der Samenschale (die Sarkotesta) und spült gut mit Wasser ab. Dann zersdlneldet man den Samen und stellt den Geschmack. des Sameninnern (Endospenn) mit der Zungen- spitze fest. Er ist mit süßlich bis schwach bitter zu beschreiben. Beim Kauen eines Endosperm-Stückchens tritt ganz langsam der scharfe Geschmack des Senföls auf, da auch im Endosperm gerlnge Mengen von Myrosin enthalten sind. Nach diesem ersten Versumsteil wird der Mund gut ausgespült. Dann bringt man einen neuen, diesmal vollständigen Samen (also mit der Sarko- testa) in den Mund und bricht die gelatinöse Smicht mit den Schneidezähnen auf. Diese j=\ / I-Glucose " //-[Hr[\ '=11 N- O- SO:f Senfölglucosid Ilier : Glucotropoeolin 114 Senföl Schicht erweist sich als nahezu geschmack- ·los. Nun beißt man den Samen durch. Sehr rasch tritt ein brennend scharfer Senföl- geschmack auf, da jetzt das Enzym dcr Sa- menschale unmittelbar mit dem Senföl- glucosid zusammenkommt. Erhitzt man intakte Papaya-Samen zweI Minuten lang in kochendem Wasser, so be- obachtet man beim Kauen eines Intakten Samens praktisch keinen Senfölgescbmack mehr. So kann die Hitzelabilltät des En- zyms nachgewiesen werden. Nebenbei seI erwähnt, daß die Papaya- Pflanze In ihrem Milchsaft eIn Enzym filhrt, das technisch gewonnen wird. Es handelt sich um das Papain, das protein- spaltend wirk.t. Papain dürfte unter aUen Enzymen höherer Pflanzen das am gcnaue- sten untersuchte sein. JsoUerunc eines einzelnen EDZYms Die Isolierung bzw. Anreicherung eines Enzyms war bis vor wenigen Jahren nicht als einfacher Versudl durchzufilhren. Dies hat sich mittlerweile geändert durch die Mögllchkeit, die Methode der GeIchromato- graphie anzuwenden. Hierzu werden hier zwei Experimente beschrieben, eines davon geht auf eine Arbeit von MELIUS zurUck. An Geräten werden nur eine klcine Zentri- fuge und eine 50 mi-Bürette benötigt. Fer- ner ist Sephadex-Gel erforderUdt. Hierbei handelt es sich um ein Polysaccharid (Dex- tran-)-Gel mit Poren. Läßt man ein Ge- misch von Makromolekülen. wie es alle Proteine sind. durdt das Gel hIndurchwan- dern, so werden kleine Moleküle rasch in die Poren elndlfIundieren. größere lang- samer, ganz große gar nicht (sie werden .. ausgeschlossen"). Spült man dann mit Puffer durch die Gelsdtic:ht hindurch, so wandern die ganz großen MolekUle am raschesten, kleinere folgen entsprechend ihrem Molekulargewicht (genauer: entspre- chend dem Logarithmus des Molekularge- wichts) jeweils langsamer. Käuflich sind nun verschiedene Sephadexgele in trocke- nem Zustand I. Sie unterscheiden sich dunn die Porengröße. Die im Folgenden unter- suchten Enzyme haben sehr hohe Moleku- largewichte, daher sind Gele mit großen Poren erforderlich. Dies sind die Sorten G-150 und G-200. Gearbeitet wird Jeweils belm pH-Optimum des gewünschten En- zyms mit Hilfe eines für dieses Enzym ge- eigneten Puffers. Als erstes Beispiel diene die Anrelcherung von Invertase aus Hefezellen. Die Invertase ist an der Oberfläche der Zellen lokalisiert, ihre Aufgabe ist es, Saccharose CRohrzuk- kerl des Nähnnediums der Hefe zu spalten, um die Spaltprodukte Glucose und Fruc- tose zum Abbau bereitzustellen. Die Hete- Invertase hat ein Molekulargewicht von ca. 270000. Versuchsdurchführung Zunäc:hst muß eine funktionsfähige Gel- Säule hergestellt werden. Hierzu läßt man 1-1,5 g Sephadex G-200 in 0,1 molarem Natriumacetatpuffer von pH 4.8 3 Tage lang quellen. (Herstellung des Puffers: 60 ml 1 n-NaOH mit 100 ml 1 n-Essigsäure ver- setzen, mit destilliertem Wasser auf 1000 ml auffüllen.) Dann schwemmt man das Gel mit Hilfe von Puffer möglichst luftblasen- frei In eine 50 mI-BUrette ein. An die Basis der BUrette bringt man zuvor einen Glas- woUestopfen. über dem eingeschwemmten Gel (Gelbett) sollen etwa 1-2 ml Puffer stehen bleiben. Wichtig ist, daß man die Säule oder Teile davon nie trocken laufen läßt, da sonst das Gelbett reißt und die Säule neu hergestellt werden muß. Mittlerweile hat man einen Hefeextrakt hergestellt. Hierzu werden 1 g Trockenhefe mit 5 ml etwa O,Bo/.iger Natriumbicarbonat- lösung zu einem Brei verrührt. Dann läßt man 24 Stunden lang bei 30--35° C stehen und zentrifugiert danach scharf ab. Die In- vertase befindet sich in dem bräunlichen überstand. Nun läßt man den Puffer der Säule genau bis zur Geloberfiäche abtropfen und bringt 2-3 ml Hefeextrakt mit einer kleinen Pi- pette vorsIchtig 50 auf das Gel auf, daß dieses nimt aufgerührt wird. Man läßt den Extrakt eindringen und hält dann während des Versuchs durch periodische Pufferzu- gabe den Pufferspiegel jeweils etwa 2-3 ml über der Geloberfläme. Die von der Säule abtropfende Flüssigkeit wird in Fraktionen von 2 bis 4 ml aufgefangen. Nach einer Zeit von P/t bis 3 Stunden tritt die Invertase aus. In der Regel ist dies an einer leichten Trübung oder einem Opaleszieren des Eluats 1: zu erkennen. Danach folgen andere Proteine mit zum Teil bräunlicher Farbe. Wenn bräunliche Lösung austritt, ist die Invertase bereits vollständig eluiert, so daß der Versudt beendet werden kann. Die ganze Gelchromatographie kann bei Zim- mertemperatur ausgeführt werden, da die Invertase ein wenig temperaturempfind- Heiles Enzym ist. DIe Invertase muß nun nachgewiesen wer- den. Eine relativ einfache, wenn auch nicht sehr genaue Möglichkeit ist die Durc:h1Uh- rong der Fehling-Reaktion auf reduzie- rende Zucker 3. Man entnimmt aus den ein- zelnen Fraktionen je 0,1 ml und pipettiert diese zu testende Lösung in je 2 m1 ver- Sarkolesla "' 'Wr- Sklerol t>Slo f.öl.!.-l- Endosperm mit Embryo BUd 1: Längsschnitt durch einen Samen der Papaya (CortClI papaya). dünnte Saccharoselösung. Dann läßt man bei Zimmertemperatur 20 Minuten stehen und führt anschließend die Fehling-Probe durch. Zum Vergleich ist jeweils eine Blindprobe mit destilliertem Wasser an- stelle der Sacmaroselösung anzusetzen, da vIele Proteine eine schwache Fehling-Reak- lion zeigen. In den Fraktionen. die Inver- tase enthalten, tritt eine sehr starke posi- tive Reaktion auf. Natürlich kann das Entstehen von Glucose und Fructose auch durdl beliebige andere Nachweise gezeigt werden, so etwa durch Papler- oder Dünnschichtchromatographie, durm Farbreaktlon mit Dinitrosalicylsäure usw. - Die angereicherte Invertase kann zu weiteren Experimenten mit Enzymen herangezogen werden (z. B. Stabilität gegen Hitze. Kälte, pR-Wert-Veränderung, Ionen; Messung der Gesmwindigkeit der enzym- katalysierten Reaktion usw.). Ebenso wie Invertase kann das Enzym Katalase aus Kartoffelknollen leicht ange- reichert werden. Die Katalase besitzt ein Molekulargewicht von etwa 250000 und ein pH-Optimum von 7. Sie tritt beim Aus- pressen von Kartoffelstückchen zu einem erheblichen Teil in den Preßsaft über, da sie in sehr kleinen Zellpartikeln, den Peroxisomen, enthalten ist. Allerdings ist das Enzym insgesamt weniger stabil als die Invertase. Um eine gute Ausbeute an Ka- talase zu erhalten, sollte man daher die Gelchromatographie bei möglichst tiefer Temperatur (optimal sind +4° C) durch- führen. Wir haben aber auch bei Zimmer- temperatur noch brauchbare Ergebnisse er- halten. Eine Funktion der Katalase besteht in der Spaltung von Wasserstoffperoxid unter Freisetzung von Sauerstoff: 2 R:O: -+ 2 HtO+Ot . Dadurdl kann das bei einigen Stoffwech- selvorgängen entstehende Wasserstoff- peroxid - ein starkes Zellgift - rasch un- schädlich gemacht werden. Zur Durchfüh- rung des Versuchs stellt man zunächst eine Sephadex-G-200-Säule mit Hilfe von 1/ 15 molarem Phosphatpuffer von pH- 7 her. Dieser Pu1Jer dient dann auch zur Elution nach dem Aufbringen von ca. 3 ml Kartof- felpreßsaft. Zur Herstellung gebrauchsfer- tigen Puffers mischt man von den käufli- chen Phosphatpuffer-Stammlösungen 1 Teil 115 KH: P04 mit 1,55 Tellen Na! HP04 • Der Nachweis der eluierten Katalase in den aufgefangenen Fraktionen kann mit ver- dünntem Wasserstoffperoxid erfolgen. Man setzt zu 2 ml etwa 0,3't,iger Wasserstoff- peroxidlösung 0,2 ml der jeweilJgen Frak- tion zu. Befindet sich aktive Katalase im Eluat, so tritt infolge der Sauerstoffent- wicklung ein deuUiches Schäumen auf. In manchen Fällen hört dieses allerdings bald wieder auf, insbesondere wenn die Wasser- stoffperoxid-Konzentration relativ hoch war. Syntheseleistung eines Enzyms Die meisten leicht zu demonstrierenden Enzymreaktionen sind Spaltungsreaktio- nen, so auch alle bisher hier beschriebenen. Daher mag es von Interesse sein, eine Syn- these-Reaktion näher zu betrachten. Das erforderliche Enzym - oder richtiger En- zymgemisch - ist im Kartolfelpreßsaft enthalten. Es handelt sich um die Phenol- oxidase(n). Diese Enzyme wirken, wie der Name ausdrückt, oxidierend auf Phenole. (phenole sind aromatische Verbindungen, die mindestens eine OH-Gruppe am aro- matischen Ring aufweisen.) Dabei entste- hen höher oxidierte Verbindungen, die dann häufig durch KondensaUonsreakUo- nen gefärbte Polymere bilden. Dadurch kommt die braune Verfärbung an Schnitt- flächen bei Kartoffeln, Apfeln und vIelen anderen pflanzlichen Materialien, häuftg audt von Herbarpflanzen, zustande. Die braun bis schwarz gefärbten Verbindungen werden als Melanine bezeichnet. Diese Polymere enthalten in der Regel unge- paarte Elektronen, besitzen also Radikal- charakter. Damit hängt ihre intensive Farbe zusammen. Bel den meisten höheren Pflanzen erfolgt die Melaninbildung aus- gehend von komplizierten Phenolkörpern, die als Catechine bezeichnet werden. Die gebildeten Polymeren heißen daher Cate- chin-Melanine. Daneben gibt es Melanine, die vorwiegend von der Aminosäure Di- hydroxyphenylalanin = Dopa aus gebildet werden: HO \ HO-( )-CHI-CH -[OOH I Dope NH, (Im FormelbIld sind die heiden phenoli- sdlen OH-Gruppen am Ring zu sehen.) Diese Dopa-Meianine treten vor allem bei Tieren auf; sIe sind wichtige Farbstoffe der dunkelgefärbten Chitinpanzer vieler In- sekten. Bei Pflanzen können sie naturge- 116 mäß nur bei Arten vorkommen, die Dopa enthalten. Es sind dies vor allem einige Hülsenfrüchtler, die auch dadurch auffal- len, daß sie im Herbarium eIne intensive Schwarzfärbung annehmen (Cutisus nlgri- cans, der Schwarzwerdende Geißklee, führt danach sogar seinen Namen). Mit Hilfe von käuflichen Dopa 4 läßt sich die Melaninbio- synthese leicht im Reagenzglas durdtfüh- ren. Versuchsdurch/ührung Man stellt eine verdünnte Dopa-Lösung her und setzt frischen Kartoffelpreßsaft zu. Nach wenigen Minuten beobachtet man eine tiefrote Farbe. Sie kommt zustande durch die beginnende Polymerisation unter Ausbildung freier Radikale. Nach einigen Stunden beginnt die Abscheidung schwar- zer Flocken von hochpolymerem und daher nicht mehr löslidlem Dopa-Melanin. - Apfelpreßsaft, der ebenfalls Phenoloxida- sen enthält. Ist für den Versudt nicht ge- eignet, da der hohe Säuregehalt in diesem Fall die Reaktionen stört. LIteraturhinweise: 1. Lm,u:., M. W. : DeutsChe Apotheker-Ztg. 111, 10&6-19 (1971). 2. Mll.ltl, P .: J . ehern. Educ. tt, 165-765 (lJil) . 3. Tue, C. 5 . : J . Chem. Educ. fT, 692 (1&70). Erlluterunlen: SephadeX 1.5t In der BRD erhlltllc:h bel der Deutschen Phannacla GmbH, 5 Frankfurt SO. Kurhessenstraße 95. Sephadex liefert auch die Firma CAai. ROT1I, Karlsruhe, PosUach 210 1&0. ~ g G 200 kosten ca. SO,- DM. Eluat: durdl DuUon herausgelOster Stolf In Lösung. Eluieren heißt, einen Stoft' von einem Adsorbens ablösen. Fehllngsche LOsung: Reag!!!nz zum Nachweis von Traubenzucker und Aldehyden. Lösung I : In $00 eml destilliertem Wasser löst man n,5 &: blaue KupfenuUatkrtst..lle. LOsung U : In 500 cml destilUertem WasSI!!r löst man 90 g Selgnettsalz und 30 g festes Natrium- hydroxid. Oie belden StammlOsungen lInd Jahrelang haltbar. Vor einem Nachweis gießt man gleiche Teile der LOsungen I und n zusammen, wobei eine Uefblaue Lösung entsteht. Zum Trauben- zuCkemachweis mischt man mit der zu prUfen- den SUbstanz oder LOsung und erhitzt. Enthllt sie Traubenzucker, so entsteht ein gelbroter bta rotbrauner Niederschlag von Kupfer(I)ox.Jd. Dopa kann ebenfalls von CAU. Ronr; bezogen werden. 5 g kosten ca. 11,- DM. Verfasser: Doz. Dr. Ulrlch Kuli, BiologisChes Institut der Universität Stuttgart, 7 Stuttgart 60, Ulmer Straße 227.