Konzept, Konstruktion und prototypische Umsetzung neuartiger intralogistischer Komponenten für die zukünftige flexible und wandlungsfähige Automobilmontage der Stückzahl eins Matthias Hofmann Juli 2022 Berichte aus dem INSTITUT FÜR FÖRDERTECHNIK UND LOGISTIK Institutsleiter: Prof. Dr.-Ing. Robert Schulz UNIVERSITÄT STUTTGART Konzept, Konstruktion und prototypische Umsetzung neuartiger intralogistischer Komponenten für die zukünftige flexible und wandlungsfähige Automobilmontage der Stückzahl eins Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Dipl.-Ing. Matthias Hofmann aus Geislingen an der Steige Hauptberichter: Univ.-Prof. (i. R.) Dr.-Ing. Dr. h.c. Karl-Heinz Wehking Mitberichter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Robert Schulz Mitberichter: Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Georg Kartnig Tag der mündlichen Prüfung: 24.03.2022 Institut für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart 2022 Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fördertechnik und Logistik der Universität Stuttgart. Mein Dank gilt allen, die in vielfältiger Weise zum Gelingen des vorliegenden Promotionsvorhabens beigetragen haben. Hervorheben darf ich zunächst Herrn Prof. Karl-Heinz Wehking (i.R.), den langjährigen Leiter des Instituts für Fördertechnik und Logistik (IFT), für dessen fachliche Betreuung der Arbeit, die über den Eintritt in den Ruhestand hinaus reichte und die Übernahme des Hauptberichts. Seinem Engagement ist es zu verdanken, dass zur Umsetzung für die in dieser Arbeit vorgestellten Konzepte und Komponenten erforderlichen Fördermittel eingeworben werden konnten und es gelang, beginnend von ersten Ideen und Entwurfsskizzen einige Bestandteile eines umfassenden neuartigen Produktionslogistikkonzeptes bis hin ins Prototypenstadium zu überführen. Gleichermaßen gilt mein herzlicher Dank Herrn Prof. Robert Schulz, der nach seiner Berufung zum Leiter des IFT ab 2019 das begonnene Vorhaben ebenso unterstützte. Herzlicher Dank gilt auch Herrn Prof. Georg Kartnig für die freundliche Übernahme des Mitberichts. Darüber hinaus danke ich allen Kolleginnen und Kollegen am IFT, von denen ich in Ausübung meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter Unterstützung erfuhr und besonders bei allen, die sich mit Rat und Tat beim Bau der Prototypen beteiligten. Nicht nur der Bau, sondern auch die Konzeption der hier gegenständlichen Komponenten konnte erst durch Fördermittel des Wissenschafts- und des Wirtschaftsressorts der Landesregierung Baden-Württemberg bewerkstelligt werden. Dank gilt an dieser Stelle auch der Geschäftsführung der Firma Pilz, die sich mit Sachspenden am Bau des Mini-Regalbediengerätes beteiligte. Mein besonderer Dank gilt abschließend all jenen, die mich in der langen Zeit der Bearbeitung des Vorhabens zu dessen Vollendung ermutigten, konstruktive Anmerkungen beisteuerten und mich mit Zuspruch motivierend begleiteten, allen voran meinen Eltern, die mir den Werdegang erst ermöglichten und stets den Rücken gestärkt und frei gehalten haben. I Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung.............................................................................................................................1 1.1 Ausgangslage und Problemstellung..............................................................................1 1.2 Zielsetzung der Arbeit...................................................................................................2 1.3 Forschungsgrundlage und thematischer Rahmen der Arbeit........................................3 2 Stand der Technik in der automobilen Endmontage.............................................................3 2.1 Prinzip der getakteten Fließbandmontage....................................................................4 2.2 Fließbandmontage im Spannungsfeld der Variantenvielfalt..........................................5 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik................................................................8 2.3.1 Elektrohängebahn...............................................................................................11 2.3.2 Schubplattform....................................................................................................15 2.3.3 Fahrerlose Transportfahrzeuge...........................................................................17 2.3.4 Zwischenfazit zum Stand der Technik.................................................................22 2.3.5 Erweiterter Stand der Technik Fahrerloser Transportfahrzeuge...........................23 2.4 Automatisierte Transport- und Materialbereitstellungssysteme zur Versorgung der Montage......................................................................................................................25 2.4.1 Automatisierte Routenzugfahrzeuge...................................................................27 2.4.2 Transport-FTF.....................................................................................................29 2.4.3 Fazit zum Stand der Technik...............................................................................31 3 Zielkonzept einer flexiblen und wandelbaren Produktionslogistik für die automobile Endmontage.......................................................................................................................32 3.1 Flexibilität und Wandlungsfähigkeit.............................................................................32 3.2 Leitbilder einer flexiblen und wandlungsfähigen Fördertechnik des Werkstück- und Materialflusses für die Automobilendmontage......................................................36 4 Anforderungen an die intralogistischen Prozesse hinsichtlich Flexibilität und Wandlungsfähigkeit im Kontext der automobilen Endmontage...........................................37 4.1 Montageträger............................................................................................................44 4.2 Materialbereitstellung..................................................................................................46 5 Komponenten des IFT-Produktionslogistikkonzeptes.........................................................49 5.1 Mobile Montageinsel...................................................................................................49 5.1.1 Technischer Aufbau der Mobilen Montageinsel...................................................52 5.1.2 Technischer Aufbau der Fahrzeugaufnahme mit integrierter Abladefunktion.......59 5.1.3 Verfahren zum Abladen eines Kraftfahrzeugs von der Mobilen Montageinsel.....68 5.2 Dynamisches Lager....................................................................................................72 5.2.1 Technische Ausgestaltung des Dynamsichen Lagers..........................................73 5.3 Mobiler Supermarkt mit Mini-Regalbediengerät..........................................................79 5.3.1 Technische Ausgestaltung der mobilen Transport- und Lagerungskomponenten 82 5.3.1.1 Mobile Regalmodule....................................................................................82 5.3.1.2 Schlepper-FTF.............................................................................................85 6 Konstruktion des Mini-Regalbediengerätes........................................................................92 7 Logistische Anwendungsszenarien des Mini-RBG...........................................................101 7.1 Anwendungsszenario Mobiler Supermarkt / Verbauort.............................................101 7.2 Anwendungsszenario Kommissionierzone................................................................103 8 Problemstellung Absicherung Mobiler Supermarkt...........................................................106 8.1 Übergeordnete Anforderungen und Rahmenbedingungen durch Gesetzgebung, Normung und Richtlinien..................................................................106 8.2 Grundzüge einer Risikobeurteilung...........................................................................107 8.2.1 Grenzen der Maschine......................................................................................109 II 8.2.2 Identifizierung der Gefährdungen und Risikoeinschätzung................................109 8.2.3 Risikobewertung................................................................................................113 8.2.4 Risikominderung................................................................................................113 8.3 Risikobeurteilung des Mini-Regalbediengerätes.......................................................114 8.3.1 Mechanische Gefährdungen am Mini-Regalbediengerät...................................118 8.3.1.1 Mechanische Gefährdung Nr.1 – Erfassen und Einziehen.........................120 8.3.1.2 Mechanische Gefährdung Nr.2 – Quetschen und Scheren........................121 8.3.1.3 Mechanische Gefährdung Nr.3 – Erfassen und Quetschen.......................122 8.3.1.4 Mechanische Gefährdung Nr.4 – Erfassen und Quetschen.......................122 8.3.1.5 Mechanische Gefährdung Nr.5 – Quetschen und Scheren........................124 8.3.2 Konzept zur Risikominderung............................................................................124 8.3.2.1 Risikominderung der mechanischen Gefährdung Nr.1 – Erfassen und Einziehen.............................................................................125 8.3.2.2 Risikominderung der mechanischen Gefährdung Nr.2 – Quetschen und Scheren............................................................................126 8.3.2.3 Risikominderung der mechanischen Gefährdung Nr.3 – Erfassen und Quetschen...........................................................................127 8.3.2.4 Risikominderung der mechanischen Gefährdung Nr.4 – Erfassen und Quetschen...........................................................................128 8.3.2.5 Risikominderung der mechanischen Gefährdung Nr.5 – Quetschen und Scheren............................................................................129 8.4 Konstruktive Maßnahmen zur Risikominderung........................................................130 8.4.1 Einhausung bewegter Teile der Hülltriebe.........................................................130 8.4.2 Nachweis der Standsicherheit...........................................................................131 8.4.3 Redundante Hubwerksbremse..........................................................................135 8.5 Fazit der Risikobeurteilung.......................................................................................136 9 Sicherheitsarchitektur und Bedienkonzept des Mini-Regalbediengerätes im Anwendungsszenario des Mobilen Supermarktes.......................................................137 9.1 Sensorkonzept mit Sicherheitslaserscannern...........................................................139 9.1.1 Steuerungssystem der berührungslos wirkenden Schutzeinrichtung.................146 9.2 Mensch-Maschine-Interaktion...................................................................................148 9.3 Maschine-Maschine-Interaktion................................................................................157 10 Zusammenfassung und Ausblick....................................................................................159 11 Literaturverzeichnis........................................................................................................163 Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 2.1: Elektrohängebahn (links) und Schubplattform mit Hubeinrichtung (rechts) am Beispiel der Endmontage von BMW........................................................9 Abbildung 2.2: Beispiele von Elektrohängebahnen mit abgehängten Schienensystemen.. .11 Abbildung 2.3: Gehänge von Elektrohängebahnen in nach unten geöffneter C-Form zur Aufnahme von Karosserien am Unterboden..............................11 Abbildung 2.4: Elektrohängebahnen mit in die Gehänge integrierter Schwenkvorrichtung..12 Abbildung 2.5: Elektrohängebahn mit darunter befindlichem Bandförderer als Standfläche des Montagepersonals.............................................................13 Abbildung 2.6: Montagepersonal in sitzender Arbeitshaltung auf Dreh-/ Rollstühlen...........13 Abbildung 2.7: Gehänge von Elektrohängebahnen mit Hubfunktion....................................14 Links: In die Tragarme des Gehänges integrierter Teleskophub..................14 Rechts: Zentral an der Fahrwerksanbindung des Gehänges positionierter Scherenhub............................................................................14 III Abbildung 2.8: Einzelne Schubplattform..............................................................................15 Abbildung 2.9: Plattformen in lückenlosem Schubverbund..................................................16 Abbildung 2.10: Schubplattformförderer mit Stehplattform in Holzbodenausführung.............17 Abbildung 2.11: Linienförmige Förderung der Werkstücke auf monofunktionalen FTF in den Endmontagen des Porsche 918 Spyder und des Audi R8.................18 Abbildung 2.12: Monofunktionales FTF als Werkstückträger in der Fertigung des Audi R8...19 Abbildung 2.13: FTF mit Hubfunktion zur ergonomischen Werkstückpositionierung.............20 Abbildung 2.14: Interaktion zwischen FTF mit Hubfunktion und Elektrohängebahn zur Werkstückübergabe (links) und der Hochzeit von Fahrwerk und Karosserie (rechts)................................................................20 Abbildung 2.15: Verladen und auf den Boden Absetzen eines fertig montierten BMW i3 mithilfe einer Säulenhubarbeitsbühne............................................21 Abbildung 2.16: Absetzen fertig montierter Porsche 918 Spyder vom FTF auf den Boden im end-of-line-Bereich......................................................................21 Abbildung 2.17: Achs- und Fahrwerkvormontage in der Produktion des Porsche Taycan.....23 Abbildung 2.18: Hochzeit in der Produktion des Porsche Taycan mittels FTF und EHB........24 Abbildung 2.19: Materialbereitstellung aus Regalsystemen zu beiden Seiten der Montagelinie...............................................................................25 Abbildung 2.20: Logistiksupermarkt für den Warenumschlag, die Kommissionierung und Beschickung von Transporteinheiten zum Verbauort............................26 Abbildung 2.21: Automatisiertes Zugfahrzeug eines Routenzuges........................................27 Abbildung 2.22: Automatisiertes Routenzugfahrzeug mit zweiachsigem Regal im Schlepp.. 28 Abbildung 2.23: FTF zum Transport von Regalmodulen........................................................29 Abbildung 2.24: Regaltransport im angehobenen Zustand....................................................30 Abbildung 2.25: FTF mit Ladungsträger als Einheit und integrierter Handhabungstechnik....30 Abbildung 3.1: Flexibilität und Wandlungsfähigkeit gem. Zäh et al. [Zäh05]........................35 Abbildung 4.1: Intelligente Pfadwahl innerhalb des Produktionslayouts..............................40 Abbildung 4.2: Zusammenfassung einzelner Module zu Workflowsegmenten....................41 Abbildung 4.3: Materialzuführung zu einer mobilen Montageinsel.......................................43 Abbildung 4.4: Im Aufbau befindlicher PKW auf der Mobilen Montageinsel.........................45 Abbildung 4.5: Fertig montierter PKW auf der Mobilen Montageinsel..................................45 Abbildung 4.6: Ware-zur-Person-Prinzip des Mobilen Supermarktes..................................48 Abbildung 5.1: Monofunktionales Transport-FTF mit Hubfunktion in der Produktion des Audi R8.................................................................................................50 Abbildung 5.2: Monofunktionales Transport-FTF mit Hubfunktion in der Manufakturproduktion des Porsche 918 Spyder..........................................50 Abbildung 5.3: Stationäre Schwenkeinheit in der Produktion des Audi R8..........................50 Abbildung 5.4: Mobiler manuell geführter Werkstückmanipulator auf Basis eines Elektrohubgabelwagens für die Produktion des Porsche 918 Spyder..........50 Abbildung 5.5: Hauptbaugruppen der Mobilen Montageinsel..............................................52 Abbildung 5.6: Positionierung der 4 Schwenkantriebe im Chassis der Mobilen Montageinsel – Ansicht von unten..................................................54 Abbildung 5.7: Verwendete Schwenkantriebe.....................................................................54 Abbildung 5.8: Hohlprofilfachwerkkonstruktion eines einzelnen Plattformsegmentes..........55 Abbildung 5.9: Stehplattform bestehend aus 4 verschraubbaren Einzelsegmenten............55 Abbildung 5.10: Elastischer, verwindungsfähiger Kontakt zwischen Plattform und Chassis mittels Polyurethan-Puffer (rot dargestellt). Schnitt durch Chassis und Plattform............................................................56 Abbildung 5.11: Überhang der Stehplattform bestehend zur Antriebsachse..........................56 Abbildung 5.12: Neigen des Werkstückträgers um dessen Querachse.................................57 Abbildung 5.13: Neigen des Fahrzeugträgers um dessen Längsachse.................................57 Abbildung 5.14: Aufbau des vollvariablen Fahrzeugträgers mit Linearverstellung der Aufnahmepunkte..........................................................................................58 Abbildung 5.17: Aufbau der Mobilen Montageinsel – Fahrzeugträger in Grundposition.........60 Abbildung 5.18: Vollvariabler Fahrzeugträger auf Untergrund abgeklappt in Abfahrstellung. 62 Abbildung 5.19: Aufbau der Mobilen Montageinsel – Fahrzeugträger gegen Basis verdreht.63 IV Abbildung 5.20: Führung des Fahrzeugträgers am Hubtischkopf mit einem Freiheitsgrad....63 Abbildung 5.21: Führung des Fahrzeugträgers mit zwei Freiheitsgraden..............................63 Abbildung 5.22: Fertig montierter PKW auf der Mobilen Montageinsel..................................65 Abbildung 5.23: Auffahrhebebühne.......................................................................................66 Abbildung 5.24: Plattform-Scherenhubprinzip einer Auffahrhebebühne................................66 Abbildung 5.25: Zwei-Säulenhebebühne...............................................................................67 Abbildung 5.26: Schwenkbar gelagerte Tragarme einer Zwei-Säulenhebebühne.................67 Abbildung 5.27: Teleskop-Säulenhebebühne........................................................................67 Abbildung 5.28: Abgeklappter Fahrzeugträger der Mobilen Montageinsel.............................68 Abbildung 5.29: Phase 1 des Abladeprozesses – beide Querträger verfahren synchron......69 Abbildung 5.30: Phase 2 des Abladeprozesses – Vorderwagen rollt auf dem Boden ab.......69 Abbildung 5.31: Phase 3 des Abladeprozesses – Schlitten fährt unter Fahrzeug, hinterer Querträger wird vom Fahrzeug gelöst............................................70 Abbildung 5.32: Phase 4 des Abladeprozesses – Schlitten fährt unter Fahrzeug, hinterer Querträger wird vom Fahrzeug gelöst............................................70 Abbildung 5.33: Phase 5 des Abladeprozesses – Schlitten fährt unter Fahrzeug, hinterer Querträger wird vom Fahrzeug gelöst............................................71 Abbildung 5.34: Dynamisches Lager.....................................................................................72 Abbildung 5.35: Funktionaler Aufbau des Dynamischen Lagers............................................74 Abbildung 5.36: Dynamisches Lager.....................................................................................75 Abbildung 5.37: Dynamisches Lager mit variabler Verstellung der Lagerplatzhöhe, z.B. zur Einlagerung von Endmontagefahrzeugen und Bodenmodulen.......77 Abbildung 5.38: Detailansicht Zahnstangenantriebe des Dynamischen Lagers....................78 Abbildung 5.39: Konzept des Mobilen Supermarktes, bestehend aus Mini- Regalbediengerät (Pos.1), FTF (Pos.2) und mobilen Regalmodulen (Pos.3). Materialübergabe in direkter Mensch-Maschine-Kollaboration.......80 Abbildung 5.40: Prototyp des Mobilen Supermarktes............................................................81 Abbildung 5.41: Mobile Regalmodule für die Teileversorgung und -lagerung im Mobilen Supermarktes.................................................................................83 Abbildung 5.42: Untenansicht Regalmodul............................................................................84 Abbildung 5.43: Kupplungsplatte der Regal-module..............................................................84 Abbildung 5.44: Aufbau des Schlepper-FTF..........................................................................85 Abbildung 5.45: Ansicht von unten des Schlepper-FTF mit drei Fahr-/ Lenkantrieben (Pos.1).................................................................................86 Abbildung 5.46: Kräfte am angetriebenen Rad......................................................................88 Abbildung 5.47: Schlepper-FTF mit Warenkorbgestell / Sonderladungsträger.......................90 Abbildung 5.48: Mobiler Supermarkt mit Kommissioniereinheit auf Basis eines FTF.............91 Abbildung 6.1: Hebe- und Anschlagpunkte am Mini-RBG...................................................92 Abbildung 6.2: Teleskopachse des Mini-RBG......................................................................93 Abbildung 6.3: Hauptbaugruppen des Mini-RBG.................................................................94 Abbildung 6.4: Horizontal- und Hubantrieb des Mini-RBG mit formschlüssigen Riementrieben...................................................................95 Abbildung 6.5: Hauptabmessungen des Mini-RBG – Seitenansicht....................................96 Abbildung 6.6: Hauptabmessungen des Mini-RBG – Vorderansicht....................................96 Abbildung 6.7: Fahrwegkonstellation mit maximalen Fahrwegen........................................97 Diagramm 6.1: Fahrtspiel eines Auslagerungsauftrages des Mini-RBG zu einer Übergabeposition mit maximalen Fahrwegen................................98 Abbildung 7.1: Anwendungsszenario des Mini-RBG am Verbauort...................................102 Abbildung 7.2: Anwendungsszenario des Mini-RBG in einer automatischen Kommissionierzone zur Beschickung von Regalmodulen für den Mobilen Supermarkt......................................................................103 Abbildung 7.3: Anwendungsszenario des Mini-RBG in einer automatischen Kommissionierzone zur Beschickung von FTF für den Einzeltransport von KLT.................................................................104 Abbildung 7.4: Anwendungsszenario des Mini-RBG in einer halbautomatischen Kommissionierzone.....................................................105 V Abbildung 8.1: Iterativer Prozess zur Risikobeurteilung und Risikominderung in Anlehnung an DIN EN ISO 12100..............................................................108 Abbildung 8.2: Risikograph in Anlehnung an DIN ISO/TR 14121-2...................................110 Abbildung 8.3: Risikomatrix in Anlehnung an DIN ISO/TR 14121-2...................................111 Abbildung 8.4: Risikoelemente in Anlehnung an DIN EN ISO 12100.................................111 Abbildung 8.5: Bestimmung des Performance Levels anhand des Risikographen gemäß DIN EN ISO 13849-1.....................................................................117 Abbildung 8.6: Übersichtsdarstellung der mechanischen Gefährdungen am Mobilen Supermarkt...................................................................................119 Abbildung 8.7: Mechanische Gefährdungen an den Antrieben der y- und z-Achse des Mini-RBG............................................................................................119 Abbildung 8.8: Mechanische Gefährdung durch Relativbewegung....................................121 Abbildung 8.9: Mechanische Gefährdung durch Relativbewegung zwischen Regalbediengerät und den an das Maschinenbett angrenzend befindlichen Regalmodulen....................................................123 Abbildung 8.10: Einhausung des Riementriebs an der Hubachse.......................................131 Abbildung 8.11: Statisches Ersatzsystem des Mini-RBG zur Bestimmung der Auflagerreaktionen des Fahrwerks......................................................132 Abbildung 8.12: Fahrwerkskonstellation des Mini-RBG.......................................................133 Abbildung 8.13: Maßgebende Ansicht für statisches Ersatzsystem in Abbildung 8.14.........134 Abbildung 8.14: Statisches Ersatzsystem des Mini-RBG zur Bestimmung der Kippneigung infolge Radlastverlagerung der Spuren 1 und 2 bei vollständig ausgefahrenem Teleskoptisch..................................................134 Abbildung 8.15: Sicherheits-Linear-Fangbremse am Hubgerüst des Mini-Regalbediengerätes...........................................................................136 Abbildung 9.1: Maßgebende Anwendungskonstellation am Mini-RBG für die Sicherheits-betrachtung.............................................................................138 Abbildung 9.2: Anbringung der Laserscanner auf der Abgabseite.....................................139 Abbildung 9.3: Bemessung der Schutzfeldzonierung auf der Abgabeseite des Mini-RBG.141 Abbildung 9.4: Erfassungsbereiche der Laserscanner am Mini-RBG................................142 Abbildung 9.5: Gefahren-/ Schutzfeldbereich (rot dargestellt) auf der Abgabeseite des Mini-RBG............................................................................................143 Abbildung 9.6: Schutzfeld / Gefahrenbereich am Mini-RBG während des Betriebs aller 3 Achsen............................................................................................144 Abbildung 9.7: Reduziertes Schutzfeld am Beginn des Andienungsprozesses, x- und y-Achse im SOS-Zustand, z-Achse aktiv.........................................144 Abbildung 9.8: Aktives Warnfeld während der Materialübergabe, wenn sich alle 3 Achsen im SOS-Zustand befinden.............................................................145 Abbildung 9.9: Aktives Warnfeld während der Materialübergabe mit Quittierzone (grün schraffiert)....................................................................146 Abbildung 9.10: Bestimmung des Performance Levels der Stufe d anhand des Risikographs für die sicherheitsbezogenen Teile der Steuerung des Mini-RBG............................................................................................147 Abbildung 9.11: Steuerungsarchitektur Kategorie 3 gem. DIN EN ISO 13849-1..................148 Abbildung 9.12: Zwei in y-Richtung versetzt stehende Personen (Nummern 1 und 2) entlang der x-Achse des Mini-RBG im Erfassungsbereich der Laserscanner.............................................................................................149 Abbildung 9.13: Darstellung der Blickrichtung bzgl. der Visualisierung der Laserscanner-Messdaten für die Abbildungen 9.13 und 9.14....................150 Abbildung 9.14: Visualisierung der Laserscannermessdaten am Mini-RBG im 3D-Raum.. .150 Abbildung 9.15: Gabelhubwagen im Erfassungsbereich der Laserscanner und zugehörige Visualisierung der Messdaten................................................151 Abbildung 9.16: Klassifizierung und Identifikation einer Person anhand spezifischer Merkmale (Extremitäten) mittels bildverarbeitender Sensorik und eines Radarsensors.............................................................153 VI Abbildung 9.17: Möglichkeit zur Bestimmung der x-Koordinate für die Übergabeposition anhand der Warteposition der Person entlang der x-Achse mittels Identifikation durch bildeverarbeitender Sensorik und Überlagerung mit den Laserscannerdaten gemäß des Sensorkonzeptes nach Korte.....................................................................153 Abbildung 9.18: Platzierung von ortsauflösenden Sicherheitsschaltmatten (grau mit gelber Schraffur) in der Übergabezone am Mini-RBG.................154 Abbildung 9.19: Zielgerichtete Signalisierung des Gefahrenbereichs (rot) und Information, diesen nicht zu betreten, bei Eintritt in den Warnbereich (gelb).................155 Abbildung 9.20: Signalisierung nach Beendigung der Fahrbewegung, das Material zu entnehmen..............................................................................156 Abbildung 9.21: Shared-Safety-Konzept des Mobilen Supermarktes für den An- und Abtransport von Regalmodulen per FTF.......................................158 Verzeichnis der Tabellen Tabelle 5.1: Legende zu den Abbildungen 5.17 bis 5.21 sowie 5.28 bis 5.33......................62 Tabelle 5.2: Legend zu Abbildung 5.36................................................................................77 Tabelle 8.1: Parameter des Pilz-Hazard-Rating Bewertungssystems................................115 Tabelle 8.2: Übersicht DPH-Werte.....................................................................................116 Tabelle 8.3: Übersicht PO-Werte.......................................................................................116 Tabelle 8.4: Übersicht PA-Werte........................................................................................116 Tabelle 8.5: Übersicht FE-Werte........................................................................................117 Tabelle 8.6: Übersicht PHR-Werte.....................................................................................117 Tabelle 8.7: Wertebereich der im Risikograph angewandten Parameter............................119 Tabelle 8.8: Risikoeinschätzung zu Mechanische Gefährdung Nr.1..................................121 Tabelle 8.9: Risikoeinschätzung zu Mechanische Gefährdung Nr.2..................................122 Tabelle 8.10: Risikoeinschätzung zu Mechanische Gefährdung Nr.3..................................123 Tabelle 8.11: Risikoeinschätzung zu Mechanische Gefährdung Nr.4...................................124 Tabelle 8.12: Risikoeinschätzung zu Mechanische Gefährdung Nr.5..................................125 Tabelle 8.13: Risikoeinschätzung zu Gefährdung Nr. 1 bei Umsetzung der Risikominderung............................................................................................126 Tabelle 8.14: Risikoeinschätzung zu Gefährdung Nr. 2 bei Umsetzung der Risikominderung............................................................................................127 Tabelle 8.15: Risikoeinschätzung zu Gefährdung Nr. 3 bei Umsetzung der Risikominderung............................................................................................128 Tabelle 8.16: Risikoeinschätzung zu Gefährdung Nr. 4 bei Umsetzung der Risikominderung............................................................................................129 Tabelle 8.17: Risikoeinschätzung zu Gefährdung Nr. 5 bei Umsetzung der Risikominderung............................................................................................130 VII Formelzeichen Formelzeichen Bedeutung Einheit a Beschleunigung m/s2 C Eindringabstand mm DPH Degree of Possible Harm - e Exzentrizität m F Häufigkeit und/oder Dauer einer Gefährdungs- exposition - FE Frequency of exposure - F N Normalkraft N F Stütz Stützkraft N F T Tangentialkraft N F U Umfangskraft N F (z ,erf ) Zugkraftbedarf N f R Rollwiderstandsbeiwert - g Gravitationskonstante m/s2 G Gewichtskraft N GR Radlast N H Höhe eines Schutzfeldes über Bezugsebene mm K Annäherungsgeschwindigkeit m/s M R Antriebsmoment Nm m Masse kg P Möglichkeit der Vermeidung einer Gefährdung - PA Possibility of Avoidance - PHR Pilz-Hazard-Rating - PO Probability of Occurence - R Reaktions-/Normalkraft N S Schwere einer Verletzung - S Mindest-Sicherheitsabstand mm s Wegstrecke m VIII Formelzeichen Bedeutung Einheit sFlex Flexibilitäts-Sicherheitsabstand m sPKW Fahrzeuglänge des größten in einer Linie gefertigten PKW m sSicherheit Sicherheitsabstand m sTakt Wegstreckenlänge eines Taktes m T Nachlaufzeit s t Zeitspanne s v Geschwindigkeit m/s α Steigungswinkel ° μ Kraftschlussbeiwert - ω Kreisfrequenz s-1 IX Abkürzungen und Indices Abkürzungen Abh. Abhängigkeit AKL Automatisches Kleinteilelager ASIL Automotive Safety Integrity Level B2B Business to Business B2C Business to Customer BWS Bewegliche Schutzeinrichtung bzw. beziehungsweise EHB Elektrohängebahn erf. erforderlich FTF Fahrerloses Transportfahrzeug GHz Giga-Hertz JIS Just-in-Sequence JIT Just-in-Time LiDAR Light Detection and Ranging. KLT Kleinladungsträger MRK Mensch-Roboter-Kollaboration max. maximal min. minimal RBG Regalbediengerät RFID Radio Frequency Identification SLS Safe Limited Speed SOS Safe Operating Stop TPS TOYOTA-Produktionssystem th. theoretisch UWB Ultra-Wide-Band VDA Verband der Automobilindustrie e.V. X Bildquellennachweis Quellenbezeichnung Bildquelle Audi AG Mediencenter der Audi AG, www.audi-mediacenter.com zuletzt aufgerufen am 8.07.2021 Automobili Lamborghini S.p.A. Lamborghini Media Center, www.media.lamborghini.com zuletzt aufgerufen am 13.07.2021 Bär Automation GmbH https://baer-automation.de/de/fts zuletzt aufgerufen am 23.10.2015 BMW AG Presseportal der BMW Group, www.press.bmwgroup.com zuletzt aufgerufen am 24.06.2021 Daimler AG Daimler Global Media Site, www.media.daimler.com zuletzt aufgerufen am 2.07.2021 Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG Pressedatenbank der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, www.presse.porsche.de zuletzt aufgerufen am 27.06.2021 IMS Handhabungstechnik GmbH Website der IMS Handhabungstechnik GmbH. www.ims-tec.de/ zuletzt aufgerufen am 23.10.2015 Magazino GmbH www.magazino.eu/produkte zuletzt aufgerufen am 8.07.2021 TestDriven www.testdriven.co.uk/2014-bmw-i3/, abgerufen am 23.10.2015. TruPhysics GmbH www.truphysics.com/trushelf zuletzt aufgerufen am 8.07.2021 Twin Busch GmbH www.twinbusch.de zuletzt aufgerufen am 21.02.2021 http://www.audi-mediacenter.com/ http://www.twinbusch.de/ http://www.truphysics.com/trushelf https://www.youtube.com/redirect?event=video_description&redir_token=QUFFLUhqbUVtZ1NhbDR0bklPR0M0bG1sc0g0RWtiYk4zZ3xBQ3Jtc0tsbmFNRUwwd0FoOEhSU19CZ1ljQ0FRZDRSeDhjZWcybWVsVDM2TjViVlB4WVc5cnhGYnBWTWpNaDEwdGRMajFGdV9lcGxFU0FuVGZYcWN0blZheFJJMjE1NzNGT2k2ajQ3TVdVVmRTNmpGZk52SDZOOA&q=http%3A%2F%2Fwww.testdriven.co.uk%2F2014-bmw-i3%2F http://Www.magazino.eu/produkte http://www.ims-tec.de/ http://www.presse.porsche.de/ http://www.media.daimler.com/ http://www.press.bmwgroup.com/ https://baer-automation.de/de/fts http://www.media.lamborghini.com/ XI Zusammenfassung Die Etablierung einer flexiblen und wandlungsfähigen Produktion für die effiziente Fertigung variantenreicher Automobile bis hin zu Losgrößen mit Stückzahl eins bedingt implizit die Abkehr von den bis dato bewährten Prinzipien der Fließbandmontage. Für die Produktionslogistik bedeutet dies nicht weniger als einen Paradigmenwechsel, indem damit die Ausrichtung sämtlicher logistischer Prozesse auf die getaktete Abarbeitung einer mit mehreren Tagen Vorlauf festgelegten Plansequenz hinfällig würde. Gleichwohl verlangt eine Produktion in einem flexiblen Layout ohne strikte Zeit- und Ortsbindung im Werskstückdurchlauf nach disruptiven fördertechnischen Ansätzen. Insofern bedarf es zur Etablierung einer flexiblen Fertigung in einem frei rekonfigurierbaren Layout den Anforderungen an Layoutflexibilität genügender Fördertechnik. Dies betrifft primär die Werkstückfördertechnik sowie Systeme der Materialbereitstellung, so dass die vorliegende Arbeit in übergeordneter Instanz die Forschungsfrage nach der technischen Übertragbarkeit eines produktionslogistischen Ansatzes einer Fertigung ohne Band und Takt auf die Prozess- und Betriebsmittelebene in Gestalt mobiler Komponenten adressiert. Des Weiteren ergibt sich hiervon abgeleitet einerseits die Frage, ob es gelingt, die PKW-Endmontage von Fließbandfördertechnik auf Fahrerlose Transportfahrzeuge zu verlagern, ohne dabei Abhängigkeiten zu statischen Einrichtungen zu schaffen, und ferner, ob es realisierbar ist, unter arbeitssicherheitstechnischen Gesichtspunkten ein kollaboratives Materialzuführsystem zu konzipieren, das auf automatisierten mobilen Komponenten basiert. Die vorliegende Arbeit hat insofern die Konzeption und Konstruktion der zur Umsetzung eines neuartigen Produktionslogistikkonzeptes, das auf eine losgrößenunabhängige Fertigung von Automobilen in einer nicht-getakteten Endmontage abzielt, erforderlicher intralogistischer Komponenten unter Berücksichtigung der Maßgabe der technischen Realisierbarkeit von Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zum Gegenstand. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet dabei die Darlegung der Konzeption, Konstruktion und die prototypische Umsetzung einer mobilen Montageinsel auf Basis eines Fahrerlosen Transportfahrzeuges, sowie eines mobilen kleinskaligen Mini- Regalbediengerätes für die automatisierte Handhabung und Andienung von Kleinladungsträgern in der Teilezuführung direkt am Verbauort in einer manuellen Montage respektive in Kommissionierzonen. Maßstab und Leitlinie für die konstruktive Ausgestaltung bilden dabei die Leitbilder der Wandlungsfähigkeit und deren Befähigern in Gestalt von Skalierbarkeit, Mobilität, Modularität sowie Universalität. So stellt die Mobile Montageinsel nicht nur einen adäquaten mobilen Ersatz für schienengebundene starre Fließband- Werkstückfördertechnik dar, sondern ist mit technischen Merkmalen versehen, die sie zu einem wandlungsfähigen – da insbesondere universell verwendbarem – mobilem Arbeitsplatz werden lassen. Für die zielgerichtete Materialbereitstellung an die Mobile Montageinsel bedarf es entsprechender Systeme, die ihrerseits ebenso den Anforderungen an Flexibilität und Wandlungsfähigkeit gerecht werden. Diesbezüglich bildet die konzeptionelle und zugleich konstruktive Umsetzung dahingehender Hardware einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt dieser Arbeit, wobei hier vorrangig die Umsetzung eines Mini-Regalbediengerätes zu nennen ist, welches innerhalb eines sogenannten Mobilen Logistiksupermarktes als semimobile Kommissionierreinheit für die automatisierte Handhabung und Bereitstellung von Kleinladungsträgern fungiert. Hierbei sind jedoch nicht nur rein konstruktive Merkmale gegenständlich, vielmehr wird darüber hinaus ein Sicherheits- und Bedienkonzept für die Anlage vorgestellt, um eine Materialandienung in direkter Mensch-Maschine-Interaktion zu ermöglichen. XII Abstract The establishment of flexible and convertible production for the efficient manufacture of variant-rich automobiles down to batch sizes of one implicitly requires a departure from the previously proven principles of assembly line production. For production logistics, this means nothing less than a paradigm shift, as the orientation of all logistics processes to the clocked processing of a planned sequence defined several days in advance would become obsolete. At the same time, production in a flexible layout without precise timing and location constraints in the workpiece throughput requires disruptive approaches for conveyor technology. In this respect, the establishment of flexible production in a freely reconfigurable layout requires conveyor technology that meets the requirements for layout flexibility. This primarily concerns workpiece conveyor technology as well as material provision systems, so that the present work addresses the research question of the technical transferability of a production logistics approach of manufacturing without belts and precise timing to the process and resource level in the form of mobile components.Furthermore, this raises the question of whether it is possible to shift the final assembly of automobiles from assembly line conveyor technology to automated guided vehicles without creating dependencies on static equipment, and whether it is possible to design a collaborative material provision system based on automated mobile components from the point of view of occupational safety. In this respect, the present work deals with the conception and design of the intralogistic components required for the implementation of a novel production logistics concept, which aims at a batch size-independent production of automobiles in a non-timed final assembly line, taking into account the technical feasibility of flexibility and convertibility. The main focus of the work is the presentation of the conception, design and prototypical implementation of a mobile assembly island based on an automated guided vehicle, as well as a mobile small-scale mini-storage and retrieval system for the automated handling and feeding of small load carriers in the parts provision directly at the point of assembly in a manual assembly or in picking zones. The guiding principles of convertibility and its enablers in the form of scalability, mobility, modularity and universality form the benchmark and guideline for the constructive design. Thus, the Mobile Assembly Island not only represents an adequate mobile replacement for rail-bounded rigid assembly line workpiece carrier technology, but is also equipped with technical features that make it a versatile - in particular because it can be used universally - mobile workstation. For the targeted provision of materials to the mobile assembly island, Appropriate systems are required which also meet the requirements for flexibility and convertibility. In this respect, the conceptual and constructive implementation of hardware for this purpose forms a further focus of this work, whereby the implementation of a mini-scale storage and retrieval system is of primary importance, which functions within a so-called mobile logistics supermarket as a semi-mobile picking unit for the automated handling and provision of small load carriers. However, not only the purely constructive features are relevant here, but also a safety and operating concept for the system is presented in order to enable material handling in direct man- machine interaction. 1 Einleitung 1 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage und Problemstellung Die Automobilproduzenten, Zulieferer sowie weite Teile des Maschinen- und Anlagenbaus sehen sich derzeit mit Herausforderungen bisher nicht da gewesenen Ausmaßes konfrontiert. Neben einem bereits deutlich spürbaren strukturellen Wandel der Mobilitätsformen haben im Jahr 2020 Handelskonflikte und epidemiologische Ereignisse die Bedürfnisse nach effizienten, losgrößenunabhängigen Fertigungskonzepten erneut verstärkt. Insbesondere für die großen OEM der Automobilbranche lässt das starre Fließbandprinzip ein höheres Maß an Fertigungsflexibilität – und damit einhergehender Ausbringungseffizienz – gemeinhin nicht zu. Demgegenüber sind es in kleinen und mittelständischen Betrieben ohne Fließfertigung gerade die manuellen Prozesse in Montage und Logistik, die in Verbindung mit einem kurzen Planungsvorlauf einerseits Flexibilität schaffen, andererseits aber infolge hoher Personalbindung die Gestehungskosten treiben und damit die Gewinnmargen im internationalen Wettbewerb schrumpfen lassen. Die Prozessstufen der Materialbereitstellungskette sind von besonderer Bedeutung, wenn es gilt, die Abläufe in der Produktionslogistik und Montage effizienter zu gestalten1. So sind insbesondere die Kommissionierung und Zuführung von Bauteilen und Materialien bis an den Verbauort nach wie vor stark von manuellen Tätigkeiten geprägt und dementsprechend infolge Personalbindung signifikante Kostenfaktoren in sämtlichen Sparten des Maschinen- und Anlagenbaus bzw. auch für das ganze produzierende Gewerbe der Metall- und Elektroindustrie. Vor dem Hintergrund der Produktion individualisierter, variantenreicher Serienprodukte bis hin zur Losgröße mit Stückzahl eins, kommt dies umso deutlicher zum Tragen. Aufgrund der bei den OEM der Automobilindustrie vorherrschenden Wertschöpfungstiefe erstreckt sich daher zwangsläufig die Problemstellung der Variantenvielfalt nicht nur auf die Fahrzeugproduzenten selbst, sondern auch auf deren Zulieferer, die vielfach kleine und mittelständische Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie darstellen, denn letztlich bedingt eine hohe Varianz an Endprodukten – wie z.B. Fahrzeugmodellen und -spezifikationen – auch eine hohe Bauteil- und Komponentenvarianz. In Konsequenz dessen werden die innerbetrieblichen Logistikprozesse branchenübergreifend zunehmend komplexer und umfangreicher. Bereits hieraus resultiert ein dringender Bedarf zur Rationalisierung der produktionslogistischen Prozesse in all jenen Betrieben, in denen aus einem großen Teilespektrum bedarfsgerecht die Bereitstellungssequenz für kleine Produktionslosgrößen gebildet werden muss. Die Prinzipien der Automobilmontage sind seit der Einführung der Fließbandserienfertigung gemäß Henry Ford und Frederick Taylor nahezu unverändert geblieben. Das zugrundeliegende Prinzip besteht nach wie vor aus sequenziell getakteten Arbeitsschritten obgleich sich die herzustellenden Produkte seither gravierend verändert haben. Der gesellschaftliche Stellenwert des Automobils, spezifische Einsatzzwecke und individuelle Ansprüche haben letztlich zu einer starken Ausdifferenzierung von Marktsegmenten geführt, die durch entsprechend breit gefächerte Produktportfolios der Automobilproduzenten bedient werden. Die sukzessive Abkehr von fossilen Brennstoffen bei den Antriebskonzepten wird mittelfristig dazu führen, dass die ohnehin bereits vorhandene Variantenvielfalt der Fahrzeughersteller noch weiter steigen wird. Vor dem Hintergrund der parallelen Fertigung von PKW-Baureihen mit Hybridantrieb oder gar rein elektrischem Antrieb 1 Vgl. Lotter 2012 [Lot12]. 2 1.1 Ausgangslage und Problemstellung neben konventionell mit Verbrennungsmotor angetriebenen Varianten in einer Montagelinie sowie umfangreicher Ausstattungs- und Individualisierungsoptionen, scheinen die Möglichkeiten zur effizienteren Gestaltung der klassischen Fließbandmontage trotz fortschreitender Automatisierung erschöpft. Infolge dessen rückt die Abkehr von den bekannten Fertigungsprinzipien zunehmend in den Fokus mittel- und langfristiger Unternehmensplanungen. Die Abkehr von der Fließbandfertigung verkörpert jedoch nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Automobilproduktion, zumal eine Produktion ohne Band und Takt die Entwicklung disruptiver förder- lager- und handhabungstechnischer Maschinen erfordert, denn die in den Endmontagelinien der Automobilproduktion anzutreffenden starren, schienengebundenen Fördertechniken, wie z.B. Elektrohängebahnen oder Schubplattformen, stehen dem Wunsch nach flexiblen, wandlungsfähigen Montage- und Produktionslogistiksystemen entgegen. 1.2 Zielsetzung der Arbeit Die Aufhebung der starren Taktung mit fest verketteter Abfolge von Bearbeitungsschritten bedarf einer grundlegenden strukturellen Neuausrichtung der produktionslogistischen Prozesse. Dies betrifft sowohl die Auftrags- und Materialflussplanung und -steuerung, als auch in besonderem Maß die Hardware der Materialfluss- und Werkstückträgersysteme. So werden neuartige Montageträger samt zugehöriger Fördertechnik sowie reaktionsschnelle Materialflusssysteme für die Teilebereitstellung benötigt, da durch die Aufhebung der getakteten Sequenzierung auch die Perlenkette in der Zuführung der Bauteile aufgelöst wird. Größere Flexibilität in der Montage bedingt daher geringere Reaktionszeiten in der Teilebereitstellung, so dass die Prinzipien und die zugehörige Hardware der Materialflusssysteme für die Zuführung vormontierter Baugruppen-, Komponenten- und Montagematerial einen zentralen – da zwingend zusammen zu betrachtenden – Bestandteil einer vollumfänglichen produktionslogistischen Neuausrichtung der automobilen Endmontage darstellen. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den prozessualen und technischen Anforderungen, die aus dem Wunsch nach einem höheren Grad an Flexibilität und Wandlungsfähigkeit in der Endmontage von Automobilwerken erwachsen. Dabei wird der Fokus auf die konstruktive Umsetzung zentraler Hardwarebestandteile eines dahingehenden logistischen Konzeptes, wie es Wehking und Popp [WP15], [Pop18] bereits 2015 respektive 2018 vorstellten, gerückt. Die für die vorliegende Arbeit übergeordnete Forschungsfrage lautet demnach: Lässt sich der produktionslogistische Ansatz einer Fertigung ohne Band und Takt technisch auf die Prozess- und Betriebsmittelebene in Gestalt mobiler Komponenten übertragen? Des Weiteren ergibt sich hiervon abgeleitet einerseits die Frage, ob es gelingt, die PKW-Endmontage von Fließbandfördertechnik auf FTF zu verlagern, ohne dabei Abhängigkeiten zu statischen Einrichtungen zu schaffen, und ferner, ob es realisierbar ist, unter arbeitssicherheitstechnischen Gesichtspunkten ein kollaboratives Materialzuführsystem zu konzipieren, das auf automatisierten mobilen Komponenten basiert. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet daher die Darlegung der Konzeption, Konstruktion und die prototypische Umsetzung einer mobilen Montage- und Logistikinsel auf Basis eines Fahrerlosen Transportfahrzeuges, sowie eines mobilen kleinskaligen Mini-Regalbediengerätes, das für die automatisierte Handhabung und Andienung von Kleinladungsträgern in der Teilezuführung am Verbauort in einer manuellen Montage respektive in Kommissionierzonen Anwendung finden soll. Hierbei handelt es sich um eine Anlage, die in direkter Mensch-Maschine-Interaktion dem 1.2 Zielsetzung der Arbeit 3 Personal das zum jeweiligen Zeitpunkt benötigte Material automatisiert andient. Um dies zu realisieren, bedarf es sowohl intuitiver Bedienstrukturen mit Interaktionsschnittstellen als auch eines über den Stand der Technik hinausgehenden Sicherheitskonzeptes, um eine effektive und zugleich sichere Kollaboration zu gewährleisten. Eine dahingehende konzeptionelle Ausgestaltung verschiedener Realisierungsvarianten ist ebenso Bestandteil dieser Arbeit. Insofern hat die vorliegende Arbeit die grundsätzliche Umsetzbarkeit der zur Realisierung einer Automobilendmontage ohne Band und Takt erforderlichen zentralen Hardwarekomponenten zum Gegenstand. Vor diesem Hintergrund richtet sich der Fokus der Abhandlung nicht auf die detaillierte Darstellung einzelner partikulärer Lösungsansätze, vielmehr nimmt sich die Arbeit die Darlegung eines umfangreichen Konzeptes mit diversen Komponenten zur Aufgabe, nicht nur in konstruktiver Hinsicht, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der übergeordneten prozessualen Anforderungen des Anwendungsszenarios hinsichtlich Flexibilität und Wandlungsfähigkeit. Die Ergebnisse der Arbeit in Gestalt von Funktionsprototypen bilden sodann für einen folgenden use case die konstruktive Basis indem die hier vorgestellten Lösungsprinzipien lediglich noch einer spezifischen Anpassungskonstruktion zu unterziehen sind. 1.3 Forschungsgrundlage und thematischer Rahmen der Arbeit Am Institut für Fördertechnik und Logistik (IFT) wurden beginnend im Jahr 2014 im Rahmen mehrerer vom Land Baden-Württemberg geförderter Projekte Logistikkonzepte und zugehörige Hardware für die Neuausrichtung der Automobilproduktion hin zu höherer Flexibilität und Wandlungsfähigkeit unter Zugrundelegung einer Abkehr von den Prinzipien der getakteten Fließbandmontage entwickelt. Diese am IFT durchgeführten Forschungstätigkeiten waren thematisch am Forschungscampus ARENA2036 (Active Research Environment for the Next Generation of Automobiles) angesiedelt. Die vorliegende Arbeit steht daher im engen Bezug zu der theoretischen Arbeit Popps aus dem Jahr 2018 [Pop18], in der „Neuartige Logistikkonzepte für eine flexible Automobilproduktion ohne Band“ vorgestellt worden sind. 2 Stand der Technik in der automobilen Endmontage Die Fertigung eines Automobils bzw. die Wertschöpfungskette innerhalb eines Automobilwerkes lässt sich grundsätzlich in die vier Bereiche, Presswerk, Rohbau, Lackiererei und Montage untergliedern.2 Gemäß der 2018 zur Überarbeitung zurückgezogenen VDI-Richtlinie 2860 umfasst die Montage sämtliche Vorgänge, die den Zusammenbau geometrisch bestimmter Körper aus Einzelteilen zum Ergebnis haben.3 Hinsichtlich der Montage im Kontext der Automobilindustrie ist zwischen Vormontage von Baugruppen und Funktionseinheiten sowie der Endmontage, bei der das komplette Fahrzeug aus all seinen Bestandteilen gefügt wird, zu differenzieren. Insbesondere in der Serienfertigung von Automobilen ist in der Endmontage das Fließlinienprinzip die vorherrschende Produktionsmethode.4 Für die nachfolgende Betrachtung und die vorliegende Arbeit im Gesamten ist ausschließlich die Endmontage gegenständlich. 2 Vgl. Ihme 2006 S.10 ff [Ihm06] und Kratzsch 2000 S. 107 [Kra00]. 3 Vgl. auch Warnecke et al. 1975 [WLK75]. 4 Vgl. Richter 2006 S.102 [Ric06]. 4 2 Stand der Technik in der automobilen Endmontage Hinsichtlich des in Kapitel 2.3 dargelegten Stands der Technik bezüglich der eingesetzten fördertechnischen Anlagen in Gestalt von Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTF) erfolgt eine in zeitlicher Hinsicht differenzierte Betrachtung für den Zeitraum vor und nach dem Jahr 2016. Der Stand der Technik hinsichtlich der Ausprägung von FTF für die automobile Endmontage hat sich ab der Veröffentlichung erster auf den Verfasser zurückgehender Forschungsergebnisse – insbesondere im Zuge der Offenlegung der in Kapitel 5.1 beschriebenen patentierten Mobilen Montageinsel – nachhaltig verändert, so dass es dies zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Arbeit zu berücksichtigen gilt und der Zeitraum nach 2016 als im Ergebnis der bis dahin veröffentlichten Forschungsergebnisse bereits als erweiterter Stand der Technik zu betrachten ist. 2.1 Prinzip der getakteten Fließbandmontage Henry Ford legte mit der Einführung des Fließbandprinzips in der Automobilfertigung im frühen 20. Jahrhundert den Grundstein für die Massenproduktion des Automobils und damit der Etablierung der motorisierten Individualmobilität. Bis dahin verkörperte das Automobil ein Luxusgut, dessen Besitz und Nutzung lediglich einer wohlhabenden Gesellschaft vorbehalten war. Ford konzentrierte ab 1909 die Fahrzeugproduktion auf lediglich einen Typ PKW – das Model-T. Dem lag der Ansatz Henry Fords zugrunde, ein standardisiertes Fahrzeug mit einheitlicher Ausstattung – und sogar Lackierung – möglichst kostengünstig herzustellen, um über die Preisgestaltung neue Käuferschichten zu erschließen und damit die automobile Fortbewegung in der Breite der Gesellschaft zu verankern. Indem Ford seine Entwicklung und Fertigung auf lediglich ein Modell fokussierte, schien für ihn festgestanden zu haben, dass zur Erlangung des Ziels, einer signifikanten Senkung der Gestehungskosten, ein untrennbarer kausaler Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Produkts, der Art der Fertigung sowie des Stückzahlaufkommens bestünde. So zielte bereits die Konzeption des Model-T auf die Belange der Produktionsmethode – sprich der massenweisen Herstellung mit exakt definierten, invarianten und in sequentieller Abfolge zu vollziehenden Arbeitsschritten ab. Der auf Henry Ford zurückgehende und überlieferte Satz „a customer can have a car painted any colour that he wants so long as it is black“ hat sich damit zum Inbegriff für auf dem Fließband gefertigter Güter und deren Invarianz entwickelt. Eine Serienproduktion mit hohem Stückzahlaufkommen bei geringer Varianz hat sich fortan in der Automobilproduktion zu einem Paradigma entwickelt.5 Bei dem als umgangssprachlich als „Fließband“ bezeichneten Produktionsprinzip handelt es sich um eine getaktete Fließmontage6, bei der die Arbeitsschritte sequentiell innerhalb einer definierten Zeitvorgabe vollzogen werden.7 Eine Fließmontage stellt ein komplexes logistisches System dar, bei dem gemäß Kropik8 ein hoher Synchronisierungsgrad zwischen Mensch, Maschine, Material und Methode besteht. Wie bei anderen logistischen Systemen, besteht auch hier das Ziel darin, eine hohe Effektivität zu erzielen, was sich im Ergebnis anhand des Durchsatzes bzw. Ausstoßes bemisst. Anders als beispielsweise bei der Baustellen- oder Einzelplatzmontage9, sollen sich hier die Montageobjekte / Werkstücke in einem kontinuierlichen Fluss mit größtmöglicher Durchflussleistung durch die Teilsysteme und Stationen befinden.10 Grundsätzlich ist per Definition der Montageorganisation hinsichtlich der Fortbewegung der Werkstücke von Station zu Station zwischen der kontinuierlichen 5 Vgl. MacDuffie et al. [DSF96]. 6 Vgl. Pröbster 2015 S. 9 [Prö15]. 7 Vgl. Kratzsch 2000 S.7 [Kra00] und Boysen 2005 [Boy05]. 8 Vgl. Kropik 2021 S. 38 [Kro21]. 9 Vgl. Seliger 2018 [Sel18]. 10 Vgl. Wehking 2020 S. 35 [Weh20]. 2.1 Prinzip der getakteten Fließbandmontage 5 Förderung und einem getakteten Aussetzbetrieb des Förderelements zu differenzieren. Erfolgt lediglich eine getaktete Förderung im Aussetzbetrieb, handelt es sich um eine Taktstraßenmontage, wohingegen bei kontinuierlicher Förderung der Werkstücke eine Fließmontage vorliegt. Die Abgrenzung dieser beiden Prinzipien zur Inselmontage, bei der die Werkstücke ebenfalls von Insel zu Insel bewegt werden, besteht in der Taktung und somit der Orts- und Zeitbindung des Werkstück- und Materialflusssystems. Eine weitergehende Charakterisierung der Fließmontage erfolgt letztlich anhand des Zustandes des Werkstückes in den Stationen, während Montagearbeiten vollzogen werden, indem zwischen stationärem Verweilen in der Station – bei stationärer Fließmontage – und stetiger Bewegung – bei kontinuierlicher Fließmontage – differenziert wird.11 Abhängig von den Montageinhalten sind in der Endmontage von Automobilwerken Taktstraßen- als auch Fließmontagesysteme koexistent. So bestehen Abschnitte, die als Taktstraße betrieben werden, als auch solche, bei denen die Montageprozesse in kontinuierlicher oder stationärer Fließmontage durchgeführt werden. Die Taktzeit definiert die Zeitspanne, die für die Erledigung von Arbeitsinhalten, die einer Montagestation zugewiesen sind, dem Personal zur Verfügung steht. Die Festlegung der Taktzeit ist Resultat der kapazitiven Auslegung einer Linie12, die auch Austaktung genannt wird. Für die Errechnung der Taktzeit sind daher zahlreiche Faktoren, wie z.B. das Montagelayout, die Absatzprognose eines Produktes – und der damit einhergehende Soll- Ausstoß –, die Gesamt-Montage- bzw. Durchlaufzeit eines Werkstücks, die zur Verfügung stehende Nettoarbeitszeit der Belegschaft sowie die Belegungsdichte einer Station, maßgebend. Insofern ist die Taktzeit eine für ein jeweiliges Werk bzw. eine Linie individuelle Größe. In der Fertigung von Großvolumenmodellen deutscher Automobilhersteller finden sich daher vielfach Taktzeiten im Bereich zwischen 60 und 90 Sekunden13, während bei kleineren Serien im Luxussegment, das sich durch noch höheren Individualisierungsgrad auszeichnet, längere Takte von bis zu 5 Minuten14 anzutreffen sind. 2.2 Fließbandmontage im Spannungsfeld der Variantenvielfalt Zunehmende Modellvielfalt, geradezu überbordende Ausstattungsoptionen und alternative Antriebskonzepte führten indessen zu einer immensen Steigerung des Komplexitätsgrades hinsichtlich der Austaktung einer Linie und einem Spannungsfeld zwischen dem Produktionsprinzip, das auf die massenweise Herstellung invarianter Produkte ausgelegt ist, und der faktischen Varianz, die es in den produktionstechnischen und logistischen Prozessen abzubilden gilt.15 So berichteten beispielsweise Röder und Tibken [RT06] bereits 2006 von bis zu 227 theoretisch möglichen Varianten der Mercedes C-Klasse mit all ihren Karosserievarianten.16 Bereits aufgrund der Karosserieform unterscheiden sich die Varianten fundamental in der benötigten Bearbeitungsdauer. Hinzu kommen vielfältige Ausstattungsoptionen, den Antrieb und Fahrwerk betreffend, Komfort- und Innenausstattung und nicht zuletzt ein breites Spektrum an Assistenzsystemen mit Sensorik, Steuergeräten und Aktorik. Dies führt dazu, dass selbst bei Zugrundelegung einer Linie, auf der nur eine 11 Vgl. Seliger 2018 [Sel18]. 12 Vgl. Roscher 2008 S.19 [Ros08]. 13 z.B. Audi, BMW, Mercedes. 14 z.B. Porsche 911, Audi A8. 15 Vgl. Bauernhansl et al. 2020 [BFD20]. 16 Karosserievarianten sind z.B. Limousine mit Stufenheck, Kombi, Coupé, 4-türiges Coupé, Cabrio. 6 2.2 Fließbandmontage im Spannungsfeld der Variantenvielfalt Modellreihe produziert17 wird, de facto eine Variantenfließfertigung vorliegt. Es ist daher Aufgabe der Produktionsprogrammplanung die Problemstellungen, die sich aus der nominell konträren Anforderungskonstellation, resultierend aus Produktmerkmalen und Fertigungsmethode, zumindest insoweit aufzulösen, als dass das gewünschte Mindestmaß an Ausstoß und Produktivität erzielt wird. Mit der Produktionsprogrammplanung geht die Festlegung einer Produktionsreihenfolge / Sequenzierung einher. Bei der Sequenzbildung wird eine homogene Auslastung der Arbeitsstationen und deren Personal angestrebt. Aufgrund der stark divergierenden Bearbeitungszeitbedarfe der verschiedenen PKW- Konfigurationen wird daher ein sogenannter Modellmix18 produziert, um eine Vereinbarkeit der einheitlichen Endmontagedurchlaufzeit trotz variierender Bearbeitungszeiten der Werkstücke zu erzielen. Die Durchlaufzeit stellt eine infolge des Fließbandprinzips mit konstanter Taktung – und damit zwangsweise einhergehender Fördergeschwindigkeit der Werkstückträger – eine feste Größe dar, der infolge Modell- und Ausstattungsvarianz stark variierende Bearbeitungsumfänge und Montagezeitbedarfe entgegenstehen. Der Modellmix bildet daher einen zur Einhaltung der Taktung erforderlichen Mittelwert der Montagezeitbedarfe. Bereits bei der initialen Auslegung einer Fließlinie und Bemessung der an einer Station zu vollziehenden Umfänge, wird mit einem durchschnittlichen Arbeitsaufkommen gerechnet.19 In Konsequenz dessen ist über das Produktionsprogramm – respektive den Modellmix – eine Nivellierung der Bearbeitungsbedarfe der Werkstücke bezogen auf die Kapazitäten der Stationen herbeizuführen, da Werkstücke mit über- als auch unterdurchschnittlichen Bearbeitungsaufwänden infolge Kundenkonfiguration bestehen. In diesem Zusammenhang wird von Über- und Unterlast des Personals an einer Station gesprochen. Einen besonders hohen Komplexitätsgrad birgt daher die Eintaktung von mit Hybridantrieb ausgestatteten Fahrzeugen. Diese unterscheiden sich derart grundlegend von konventionell mit Verbrennungsmotor angetriebenen PKW, dass sich dies zwangsläufig auch in der Abfolge und den Umfängen der Montageprozesse niederschlägt. Die Einhaltung der Taktung kann nur erreicht werden, indem durch vorausgehende und nachfolgende Fahrzeugkonfigurationen mit niedrigerem Montagezeitbedarf der erforderliche Zeitvorsprung für die aufwendigeren Hybridvarianten aktiv generiert wird.20 Hierzu werden Sequenzierungsregeln21 angewandt. Diese Regeln berücksichtigen die jeweiligen Bedarfe und definieren, welche Varianten und Fahrzeuge mit bestimmten Ausstattungsoptionen (z.B. Schiebedach) in einem Betrachtungszeitraum in welcher Abfolge und maximaler Anzahl in den Fertigungsablauf eingesteuert und montiert werden können. Bereits dies lässt erkennen, dass in kapazitiver Hinsicht nicht nur bzgl. des Gesamtproduktionsaufkommens, sondern vielmehr auch konkret einzelne technische Merkmale betreffend, weitreichende Einschränkungen bestehen, die es erschweren, das Produktionsaufkommen auf die Nachfragesituation hin auszurichten. Dies belegt eine im Rahmen des Forschungsprojekts „FlexProLog - Neuausrichtung der Produktionslogistik für eine bezahlbare Elektromobilität“ am IFT durchgeführten Datenerhebung, nach der in der Fließfertigung eines namhaften deutschen Automobilherstellers nur ein gewisser Prozentsatz des gesamten Produktionsaufkommens auf Hybrid- oder Elektrovarianten einer Fahrzeugbaureihe entfallen kann, vgl. Popp 2018 [Pop18]. Die Sequenzbildung unterliegt neben der Einhaltung 17 Aus einer Erhebung durch Stäblein und Aoki [SA15] geht hervor, das dies bei deutschen Automobilherstellern mehrheitlich anzutreffen ist. Demnach unterscheiden sich in dieser Beziehung deutsche Automobilwerke, in denen durchschnittlich 1,6 verschiedene Modelle produziert werden, offenbar fundamental von japanischen, in denen durchschnittlich 3,8 verschiedene Modelle in einer Montagelinie produziert werden. 18 Vgl. Becker 2006 S.306 [Bec06] und Meyr 2004 S.451 [Mey04]. 19 Vgl. Boysen 2005 [Boy05] und Dörmer 2013 S.21ff [Dör13]. 20 Vgl. Stäblein und Aoki 2015 S. 261 [SA15] sowie Meyr 2004 S. 451 [Mey04]. 21 Vgl. Dörmer 2013 [Dör13] und Boysen et al. 2011 [BGR11]. 2.2 Fließbandmontage im Spannungsfeld der Variantenvielfalt 7 kapazitiver Grenzen weiteren Restriktionen, wie z.B. der Bauteilverfügbarkeit und Terminverbindlichkeiten. Die Komplexität der Programmplanung korreliert somit unweigerlich mit der durch das Produktions- und Logistiksystem abzubildenden Varianz. Dennoch existieren auch bei deutschen Herstellern Werke, die eine deutlich überdurchschnittliche Varianz abbilden können. Zu nennen sind hier beispielsweise das BMW-Werk in Regensburg, sowie die Porsche-Werke in Zuffenhausen und Leipzig. BMW produziert am Standort Regensburg Modelle der 1er, 2er, 4er, X1 und X2 Serie sowie BMW M-Modelle auf einem Hauptband.22 Porsche produziert am Stammwerk in Zuffenhausen die Mittelmotorsportwagen Boxster und Cayman, sowie alle Modellvarianten des 911 inklusive der Rennsportfahrzeuge.23 Insofern bestehen in manchen deutschen Automobilwerken nicht nur hinsichtlich der Materialbereitstellung Just-in-Time, siehe Kapitel 2.4, deutliche Parallelen zum Produktionsprinzip, das insbesondere TOYOTA schon seit mehreren Jahrzehnten erfolgreich praktiziert und namentlich als TOYOTA-Produktionssystem (TPS) bekannt ist. Das TPS soll die Vorzüge einer handwerklichen Fertigung hinsichtlich Qualität mit jenen der Kosteneffizienz einer Massenfertigung verbinden, ohne jedoch an deren Inflexibilität gebunden zu sein.24 Dem TPS liegt der Ansatz einer schlanken Produktion ohne Lagerhaltung zugrunde.25 Der Absatzerfolg Toyotas, aber auch anderer asiatischer Hersteller, ist wohl mitunter deren Strategie, die darauf abzielt, Fahrzeuge mit bereits hohem Grundausstattungsniveau26 – und dementsprechend niedrigerer Varianz – kosteneffizient zu produzieren27, um entsprechend attraktive Endkundenpreise realisieren zu können, geschuldet. Insofern relativieren sich die durch Stäblein und Aoki [SA15] erhobenen Daten bzgl. der pro Linie abgebildeten Fahrzeugmodelle im Vergleich deutscher und japanischer Hersteller, wenn man eine Betrachtung der Varianz insgesamt vornimmt. Der Bericht weist dementsprechend auch die mit den Modellen verknüpfte Variantenvielfalt aus. Sie verglichen dabei die meistverkauften Modelle von je fünf OEMs28. Dabei sind bereits die Unterschiede in der Anzahl der verfügbaren Antriebsvarianten mit durchschnittlich 9,2 bei den deutschen zu 5,6 bei den japanischen beachtlich. Deutlich signifikanter fällt jedoch das Verhältnis der ab Werk erhältlichen Sonderausstattungen mit 65,4 zu 11,6 aus. Nicht zuletzt diese Zahlen belegen den hohen Komplexitätsgrad für die Produktionsprogrammplanung und Austaktung der Linien deutscher Hersteller im Premiumsegment, das sich gemeinhin durch eine große Angebotsvielfalt29 auszeichnet. Die Untersuchungen legen nahe, dass zur Beurteilung der Flexibilität einer Linie nicht nur die darauf produzierte Anzahl unterschiedlicher Modelle herangezogen werden kann, sondern vielmehr auch die Produktvarianz der jeweiligen Modelle. In der Hinsicht bestehen fundamentale Unterschiede zwischen den deutschen Premiumherstellern und japanischen, aber auch amerikanischen Automobilherstellern. Sowohl die japanischen, als auch die amerikanischen Hersteller versuchen die Varianz ihrer Produktportfolios zu limitieren. Beiden gemein ist das Ziel, die Kosten über das Stückzahlaufkommen positiv beeinflussen zu können. Die Ausprägungen derer Maßnahmen sind jedoch höchst unterschiedlich und in gewisser Weise wohl auch historisch gewachsen. So zeichnete sich das Angebot US-amerikanischer Automobilmarken dadurch aus, dass sie die Modellvielfalt begrenzten, dem Kunden jedoch weitreichende Sonderausstattungsoptionen anboten. Demgegenüber waren die Produktportfolios japanischer Marken seit je her von einer 22 Vgl. Bericht 2020 der BMW Group [BMW20]. 23 Vgl. Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG [PAG20]. 24 Vgl. Becker 2006 [Bec06]. 25 Vgl Monden 2012 [Mon12]. 26 Vgl. Becker 2007 S. 9ff [Bec07]. 27 Vgl. Rinza und Boppert 2007 [RB07]. 28 OEM ist die Abkürzung für Original Equipment Manufacturer und bezeichnet im engeren Sinne einen Erstausrüster. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich der Begriff auch als Synonym für die Automobilproduzenten etabliert. 29 Vgl. Becker 2007 [Bec07]. 8 2.2 Fließbandmontage im Spannungsfeld der Variantenvielfalt größeren Modellvielfalt geprägt, wobei die Modelle durch sehr eingeschränkte Wahlmöglichkeiten an paketweisen Ausstattungslinien und wählbarer Einzelausstattungen nur in geringem Umfang variierten.30 Insofern ist nachvollziehbar, dass angesichts der hohen Varianz die Produktion deutscher Automobilmarken von PKW des Premiumsegments eine nachfrage- und auftragsorientierte Ausrichtung (Build-to-Order) aufweist, während bei amerikanischen und japanischen Volumenherstellern – respektive dem asiatischen Raum insgesamt – mit deutlich weniger variantenreichen Modellportfolios, das Produzieren auf Halde (Build-to-Stock) immer noch vorherrscht und insoweit noch größere Anleihen an den von Henry Ford bei Einführung der Fließfertigung im Automobilbereich verfolgten Zielen, nimmt. Ungeachtet der Frage, ob die Begrenzung der Varianz einer vorherrschenden Marktphilosophie und Käuferverhaltens geschuldet ist, oder eine Anpassungsfunktion – im Sinne einer fertigungsgerechten Produktgestaltung – an die Inflexibilität des Fließbandproduktionsprinzips, bleibt festzustellen, dass die hiesigen Automobilhersteller mit deren ausdifferenzierten Modellpaletten in Kombination mit weitreichenden Ausstattungsoptionen eine Sonderstellung einnehmen, wenn es darum geht, durch planerische Maßnahmen eine hohe Varianz in einer Fließbandfertigung abzubilden. 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik Eine Montage, die dem Fließbandprinzip unterliegt zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Werkstücke zumindest zwischen den Stationen in einem kontinuierlichen Fluss befinden.31 Indem sich die Endmontage dem Grunde nach in verschiedene Abschnitte mit spezifischen Montageinhalten und Tätigkeitsfeldern des Personals unterteilen lässt, erfolgt eine dahingehende nominelle und ebenso in technischer Hinsicht motivierte Einteilung in Abschnitte, so dass anhand der Montageinhalte die Endmontagelinie in Sektionen unterteilt wird.32 Die Diversität der Montageinhalte impliziert damit einhergehende prozessuale und ergonomische Gesichtspunkte, die sich in einem breiten Anforderungsspektrum an Werkstückträger-, Handhabungs- und Fördertechnik niederschlagen. Kratzsch [Kra00] untergliedert die Endmontage in die Bereiche Inneneinbau, Fahrwerk, Fertigmontage, Einfahrbereich und Wagenfertigstellung. Diese Differenzierung unterstreicht die Diversität der Prozesse in den Fertigungsstadien eines PKW. Um die höchst unterschiedlichen Inhalte der Endmontage von Automobilen zu bewerkstelligen, erfolgt die Montage – zumindest in der Großserie – bis dato nicht durchgängig auf einem Werkstückträger mit zugehöriger Fördertechnik. Vielmehr lassen sich in den Montagelinien konkrete Zuordnungen verschiedener fördertechnischer Systeme zu den Sektionen, anhand derer die technischen Anforderungen an die Werkstückträger-, Handhabungs- und Fördertechnik hervorgehen, ausmachen. Insofern impliziert die nominelle Einteilung der Endmontage in Abschnitte auch, dass zur Bewerkstelligung der Montagevorgänge an die Werkstückträger und Handhabungstechnik ebenso differenzierte Anforderungen bestehen, die einen Wechsel dieser letztlich erforderlich machen können. Dementsprechend kommen bis weilen in den Endmontagelinien auch verschiedene Fördertechniken zum Einsatz. Inwieweit ein Wechsel der Fördertechniken zum Durchlaufen der Sektionen erforderlich ist und welche Systeme zum Einsatz kommen, ist letztlich von der Produktgestaltung und der individuellen 30 Vgl. MacDuffie et al. 1996 [DSF96]. 31 Vgl. Wehking 2020 S.35 [Weh20] und Seliger 2018 [Sel18]. 32 Vgl. Kratzsch 2000 S.111 [Kra00] und Jesse 2017 S.17 [Jes17]. 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 9 Montageplanung abhängig. Einerseits nehmen die technischen Möglichkeiten der Werkstückträgerfördertechnik Einfluss auf die Montageabläufe, andererseits bestehen auch im Zuge der Produktgestaltung Spielräume, die Komplexität der Anforderungen an die Montagetechnik zu verringern und damit bereits im Produktentstehungsprozess monetären Einfluss auf die hardwaretechnische Ausgestaltung der Endmontage zu nehmen. Gleichwohl sind dieser Einflussnahme auch Grenzen gesetzt, indem hinsichtlich der Montageabfolge Restriktionen bestehen, die sich in Gestalt von Vorranggraphen33 niederschlagen. Die Werkstückfördertechnik stellt insofern Einflussgröße und zugleich Resultat der Montageplanung dar. Dementsprechend ist der Fördertechnik in der Endmontage der Automobilfertigung eine weit aus größere Bedeutung beizumessen, als die Primärfunktion des Längs-, Quer- und Vertikalförderns von Werkstücken, da in die Werkstückfördertechnik Ergonomie- und Handhabungsfunktionen integriert sind respektive sich Restriktionen hinsichtlich der Zugänglichkeit von Montagestellen ergeben. Zudem besteht stets eine Korrelation zwischen Fortbewegung des Werkstücks und dem Montagepersonal, so dass dies in der Gesamtheit zu betrachten ist. Die kontinuierliche oder absätzige Fortbewegung des Werkstücks innerhalb des Layouts kann dabei auf unterschiedliche Art erfolgen, so dass diverse Förderprinzipien Anwendung finden können. Die Taktzeit entspricht der Zeitspanne, die ein Werkstück in einer Station verbringt respektive es zum Durchlaufen der Station benötigt. Unter Zugrundelegung einheitlicher Abmessungen der Stationen innerhalb einer Montagelinie spiegelt sich die Taktzeit in der Fördergeschwindigkeit der Werkstückträger insofern wieder, als dass die Fördergeschwindigkeit so zu wählen ist, dass die gewünschte Taktzeit erreicht wird. Dem Prinzip der einheitlichen Taktung einer Linie folgend, finden in Fließbandsystemen der automobilen Endmontage mehrheitlich noch starre Fördersysteme, wie z.B. Elektrohängebahnen, Schubglieder- und Bandförderer sowie Tragkettenförderer Anwendung, vgl. Abbildung 2.1. Abbildung 2.1: Elektrohängebahn (links) und Schubplattform mit Hubeinrichtung (rechts) am Beispiel der Endmontage von BMW. Quelle: BMW AG Starr impliziert im vorliegenden Kontext insbesondere die Unveränderlichkeit – respektive nur mit großem Aufwand zu bewerkstelligende Änderung der Förderstrecke – die z.B. ein aufgeständertes beziehungsweise Flur- oder Unterflurschienensystem darstellt, an das die einzelnen Förderelemente bzw. Werkstückträger gebunden sind. Hinzu kommt bei einigen 33 Vorranggraphen stellen graphische Darstellungen der Abfolge von Montageprozessen dar, bei denen technologische Abhängigkeiten bestehen und es der Einhaltung einer Reihenfolge bedarf, vgl. Seliger 2018 [Sel18]. 10 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik Fördersystemen eine mechanische Kopplung der Förderelemente, wenn diese, wie z.B. bei Tragketten- oder Gurtförderern34, über ein gemeinsames Zugmittel miteinander verbunden sind. Die Abstände der Förderelemente / Werkstückträger zueinander bemisst sich nach der Taktzeit, so dass bei einer konstanten Fördergeschwindigkeit an einer definierten Stelle, z.B. dem Beginn einer Station, im zeitlichen Abstand der Taktzeit das nächste Werkstück eintrifft. Für den zurückgelegten Weg innerhalb einer Zeitspanne gilt bei einer linearen, nicht beschleunigte Fortbewegung: s = v t (1) Die Strecke, die ein Takt umfasst, bemisst sich nach der Länge des Werkstücks zuzüglich eines Sicherheitsabstandes. Jesse [Jes17] berichtet in seiner Dissertation von der Linienkonfiguration in Werken des Volkswagen Konzerns. Er weist die streckenmäßige Taktlänge wie folgt aus: sTakt = sPKW + s Sicherheit + sFlex (2) wobei Mit einer aufgrund der Linienkonfiguration definierten Taktzeit tTakt und Strecke des Taktes sTakt ergibt sich daraus die Fördergeschwindigkeit vF der Werkstücke. Aufgrund des Prinzips der einheitlichen Taktung ist der Abstand zwischen den Werkstückträgern auch bei solchen Fördersystemen einzuhalten, bei denen die einzelnen Förderelemente über einen eigenen Antrieb verfügen und nicht etwa über z.B. ein gemeinsames Zugelement gekoppelt sind. Fördertechnikelemente, die dem Bereich der Stückgutfördertechnik zuzuschreiben sind und über einen eigenen Antrieb verfügen, sind beispielsweise Elektrohängebahnen und Fahrerlose Transportfahrzeuge. Nachfolgend werden ausschließlich die im Hinblick auf die Zielstellung der vorliegenden Arbeit und der damit einhergehenden Abgrenzung und Weiterentwicklung des Stands der Technik hinsichtlich des Werkstückmaterialflusses in der automobilen Serienendmontage relevantesten Fördertechniken vorgestellt. 34 Vgl. Wehking 2020 S. 545 ff. [Weh20]. s zurückgelegter Weg [m] v Geschwindigkeit [m/ s] t Zeitspanne [ s ] sTakt Wegstreckenlänge eines Taktes [m] sPKW Fahrzeuglänge des größten in der Linie gefertigten PKW [m] sSicherheit Sicherheitsabstand [1m ] sFlex Flexibilitäts-Sicherheitsabstand [0,1m ] 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 11 2.3.1 Elektrohängebahn Elektrohängebahnen (EHB) stellen flurfreie Horizontalförderer dar, deren Schienen entweder an der Decke abgehängt, vgl. Abbildung 2.2, oder aufgeständert befestigt sind. Abbildung 2.2: Beispiele von Elektrohängebahnen mit abgehängten Schienensystemen. Quelle: ROFA Industrial Automation AG. Die als Gehänge, vgl. Abbildung 2.3 bezeichneten Förderelemente einer Elektrohängebahn verfügen über Fahrwerke mit eigenem Reibradantrieb, so dass jedes der Gehänge unabhängig von einander angetrieben ist. Abbildung 2.3: Gehänge von Elektrohängebahnen in nach unten geöffneter C-Form zur Aufnahme von Karosserien am Unterboden. Quellen: ROFA Industrial Automation AG, BMW AG. 12 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik Aufgrund des kraftschlüssigen Antriebsprinzips ist die Steigfähigkeit einer Elektrohängebahn eingeschränkt und korreliert insbesondere mit der Nutzlast und den Kraftschlussverhältnissen des Rad-Schiene-Kontaktes. Zur Überwindung von größeren Höhenunterschieden z.B. für den Wechsel von Ebenen können daher Hub- und Senkstationen vorgesehen werden. Für Richtungswechsel, die sich aufgrund der Radien nicht durch Kurven realisieren lassen, werden Drehscheiben eingesetzt. Indem jedes Gehänge über einen eigenen Antrieb verfügt, sind diese zunächst von einander unabhängig. Eine Spreizung der Taktzeit unter Ausnutzung der Abstände zwischen den Gehängen als Puffer zur Kompensation von unter- oder überdurchschnittlichen Bearbeitungsaufwendungen eines Werkstücks kommt jedoch nicht infrage, da es planerisches Ziel ist, die Taktbindung aus Gründen der Effizienz einzuhalten und die Nivellierung der Bearbeitungszeiten über den Modellmix herzustellen.35 Insofern wird eine per definitionem der Kategorie der Unstetigförderer zugehörige Elektrohängebahn36 im Kontext der Fließbandfertigung dennoch im weiteren Sinne als Stetigfördertechnik eingesetzt. Neben der Grundfunktion des Förderns eines Werkstücks, können über Elektrohängebahnen auch handhabungstechnische Funktionen abgebildet werden. In zahlreichen Automobilwerken sind Elektrohängebahnen anzutreffen, deren Gehänge mit einer Schwenkeinheit zur Drehung des Werkstücks um dessen Längsachse ausgerüstet sind, um hierdurch eine ergonomische Montage z.B. am Unterboden zu ermöglichen, oder allgemein eine bessere Zugänglichkeit zu bewerkstelligen. Dabei werden Schwenkwinkel von annähernd 90° erreicht, siehe Abbildung 2.4. Inwieweit diese Funktion erforderlich ist, hängt von der konstruktiven Gestaltung des PKW und in letzter Konsequenz der individuellen Montageplanung ab. Gleiches gilt auch für die Frage, ob bei den betreffenden Montagetätigkeiten eine Relativbewegung zwischen dem Werkstück und dem Personal bestehen darf, oder es technischer Lösungen bedarf, die eine Fortbewegung der am Werkstück arbeitenden Personen grundsätzlich ermöglichen, oder gar eine Synchronität in der linearen Bewegung herstellen müssen. Abbildung 2.4: Elektrohängebahnen mit in die Gehänge integrierter Schwenkvorrichtung. Quellen: Daimler AG, BMW AG. Soll zwischen den an der Montage beteiligten Personen und dem Werkstück keine aus der Förderung des Werkstücks resultierende Relativbewegung bestehen, bzw. diese etwa durch Laufbewegung des Menschen kompensiert werden müssen, sind technische Systeme vorzusehen, die eine Form von Personenfördertechnik begleitend zur Werkstückfördertechnik 35 Vgl. Küber et al. 2016 [Küb16]. 36 Vgl. Wehking 2020 S. 645 ff [Weh20]. 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 13 darstellen. Dies kann beispielsweise in Form von sogenannten Mitlaufbändern erfolgen, die eine Art Bandförderer darstellen, auf denen das Personal während der Montage steht, vgl. Abbildung 2.5. Das Band läuft dabei synchron zum Werkstück mit gleicher Fördergeschwindigkeit, so dass keine Relativbewegung zwischen der Standfläche der Mitarbeiter:innen und dem Werkstück besteht. Abbildung 2.5: Elektrohängebahn mit darunter befindlichem Bandförderer als Standfläche des Montagepersonals. Quelle: BMW AG. Für Montageinhalte, die eine weniger hohe Positionstreue zwischen Werkstück und den montierenden Personen erfordern, können hilfsweise auch auf Rollen gelagerte Stühle zum Einsatz kommen, vgl. Abbildung 2.6, um eine durch die menschliche Bewegung initiierte Positionsverlagerung in ergonomischer Arbeitshaltung zu erzielen. Abbildung 2.6: Montagepersonal in sitzender Arbeitshaltung auf Dreh-/ Rollstühlen. Quellen: Daimler AG, BMW AG. 14 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik Zur Unterstützung ergonomischer Arbeitsverhältnisse, der Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Höhenniveaus, ohne dabei das Bezugsniveau des Schienensystems ändern zu müssen, sowie für Übergabe- und Fügeprozesse, wie z.B. der Hochzeit37, können die Gehänge von Elektrohängebahnen auch mit einer Hubfunktion versehen sein. Die konstruktive Ausführung reicht hierbei von in die Tragstruktur der Gehänge integrierte Teleskopschubglieder, bis hin zu Scherenhubvorrichtungen, vgl. Abbildung 2.7. Abbildung 2.7: Gehänge von Elektrohängebahnen mit Hubfunktion. Links: In die Tragarme des Gehänges integrierter Teleskophub. Rechts: Zentral an der Fahrwerksanbindung des Gehänges positionierter Scherenhub. Quellen: Daimler AG, ROFA Industrial Automation AG. 37 Als Hochzeit wird im Automobilbau das Fügen der Karosserie mit dem Fahrwerk samt Antriebsstrang bezeichnet. 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 15 2.3.2 Schubplattform Schubplattformförderer werden aufgrund ihrer Ausprägung, wie sie im Kontext der Automobilproduktion anzutreffen sind, der Boden- oder Flurfördertechnik zugeschrieben, wenngleich deren grundsätzlicher Aufbau teilweise Anleihe bei klassischen Unterflurförderern nimmt. Dies ist insbesondere für jene Bereiche im Layout zutreffend, wo die Plattformen bündig mit dem Bodennniveau ebenerdig verlaufen. In diesen Bereichen ist deren Schienen- und Antriebssystem unterflur angeordnet, so dass sich lediglich die Fördergutaufnehmer auf Bodenniveau respektive darüber befinden. Klassische Unterflurförderer stellen Stetigförderer dar, bei denen die einzelnen Fördergutaufnehmer durch ein gemeinsames Zugelement in Form z.B. einer Schleppkette miteinander verbunden sind.38 Schubplattformförderer hingegen, wie sie im automobilen Produktionskontext Anwendung finden, zeichnen sich durch das Förderprinzip aus, welches auf Schub basiert. Die Plattformen stellen mit Holz oder Metallboden belegte Rahmen mit Fahrwerken ohne eigenen Antrieb dar. Abbildung 2.8 zeigt im Vordergrund eine Schubplattform, wobei die Antriebe außerhalb der Plattform seitlich an die Schienen angeflanscht sind. Über diese, in das Schienensystem integrierte Reibradantriebe, wird den Plattformen kinetische Energie zugeführt. Abbildung 2.8: Einzelne Schubplattform. Quelle: ROFA Industrial Automation AG. Bezüglich der Größe der Plattformen ist zwischen solchen Systemen, die lediglich die Vorrichtung zur Aufnahme des Werkstücks umfassen, bis hin zu solchen, die gleichzeitig die Standfläche für das Montagepersonal darstellen und dementsprechend großflächig angelegt sind, zu unterscheiden. Diese Ausprägung als Kombination aus Werkstückträger und Arbeitsplattform ist montagetechnischen Ergonomieanforderungen geschuldet, wonach zwischen den Mitarbeiter:innen und dem Werkstück keine Relativbewegung bestehen sollte. Diese Anforderung ist jedoch weder allgemein gültig noch für alle Montagevorgänge durchweg zutreffend, so dass auch jene Systeme ohne Standfläche für Personen vielfach anzutreffen sind, da sie schlichtweg platzsparender sind. Um jedoch bei diesen Systemen in jenen Bereichen, in denen sensible Montagetätigkeiten vollzogen werden, die es erfordern, 38 Vgl. Wehking 2020 S. 532 ff [Weh20]. 16 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik dass zwischen Personal und Werkstück keine Relativbewegung besteht – respektive das Personal dies durch Laufbewegung kompensieren müsste – zu ermöglichen, werden ebenso wie im Kontext von Elektrohängebahnen, vgl. Kapitel 2.3.1, sogenannte Mitlaufbänder installiert, die beidseits parallel im direkten Anschluss an die Werkstückträgerplattformen verlaufen. Dass sich trotz der Föderbewegung des Werkstücks die Relativposition zu den montierenden Personen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht ändern sollte, ist auch hier direkter Ausfluss montagetechnischer und ergonomischer Anforderung, die nicht für alle Montageinhalte und Bandabschnitte, bei den Schubplattformen als Montageträger eingesetzt werden, Geltung besitzen. Am Ende des Taktes verlassen die Mitarbeiter:innen die Plattform – beziehungsweise die Position auf dem Mitlaufband – wieder, um sich auf dem Laufstreifen zurück an die angestammte Position zu begeben und dort das nächste Werkstück zu bearbeiten. Innerhalb des Layouts von Schubplattformförderern ist zwischen verschiedenen Funktionszonen zu unterscheiden. Hinsichtlich der Anordnung der Plattformen und der Antriebe ist grundsätzlich zwischen solchen Zonen, wo sich die Plattformen in einem Schubverbund in direktem Kontakt zu einander befinden und solchen zu unterscheiden, wo die Plattformen einzeln und im Abstand gefördert werden. In einem lückenlosen Verbund befinden sich die Plattformen insbesondere dort, wo manuelle Tätigkeiten vollzogen werden. Dementsprechend sind dort die Plattformen in einem lückenlosen Verbund ohne Spalt, um eine gefahrlose Zugänglichkeit zu ermöglichen, vgl. Abbildung 2.9. Abbildung 2.9: Plattformen in lückenlosem Schubverbund. Quellen: ROFA Industrial Automation AG, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. Weitere funktionale Bereiche innerhalb des Layouts sind beispielsweise Umsetzer, Drehscheiben und Heber etc., wo die Plattformen nicht aneinander gestoßen ,sondern auf Lücke gefördert werden und es einer Vereinzelung bedarf. An welchen und wie vielen Stellen innerhalb einer Fördestrecke Antriebe vorzusehen sind, ist daher bereichsabhängig und ist zunächst dadurch bedingt, in welcher Konstellation sich die Plattformen zu einander befinden – im Schubverbund, oder einzeln. Befinden sich die Plattformen im Schubverbund korreliert die Platzierung von Antriebseinheiten – und damit den Stellen, an denen dem Schubverbund kinetische Energie zugeführt wird – mit den zu bewegenden Lasten und den 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 17 davon abhängigen Fahrwiderständen. Demzufolge werden innerhalb einer Förderstrecke in einem definierten Zeitpunkt stets nur eine begrenzte Anzahl an Plattformen aktiv durch externe Reibräder angetrieben, so dass durch das Antreiben einzelner Plattformen die Förderbewegung einer zusammenhängenden Kette der ohne Lücke aneinander gestoßenen Plattformen initiiert wird, indem durch die Einleitung kinetischer Energie an einzelnen Plattformen die davor befindlichen geschoben werden, woraus letztlich die Namensgebung dieses Fördersystems resultiert. In den Bereichen, wo manuelle Tätigkeiten vollzogen werden und sich das Personal auf die Plattformen begibt, sind die Schienen unterflur angeordnet, damit die Plattformen ebenerdig auf Höhe des Bodenniveaus verlaufen und zum Betreten keine Stufe oder Absatz überwunden werden muss, vgl. Abbildung 2.10. Auf diese Weise werden Stolperstellen vermieden, eine deutliche Abgrenzung der bewegten Teile zum Boden, wie mit der gelb/schwarzen Markierung in Abbildung 2.10 zur Kenntlichmachung des Übergangs, trägt darüber hinaus zum Arbeitsschutz bei. Abbildung 2.10: Schubplattformförderer mit Stehplattform in Holzbodenausführung. Quelle: Audi AG. Wie in Abbildung 2.10 zu sehen, können Schubplattformen mit einer Hubfunktion versehen sein, um das Werkstück in eine für die Mitarbeiter:innen ergonomische Lage zu bringen, oder zur Unterstützung von Fügeprozessen, insbesondere der Hochzeit, wo über die Hubfunktion von Plattform, oder Plattform und Elektrohängebahn kombiniert, das Fahrwerk in die Karosserie eingefahren wird. 2.3.3 Fahrerlose Transportfahrzeuge Der für die Erstellung der vorliegenden Arbeit und die hierin beschriebenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten maßgeblichen Ausgangspunkt stellt das Jahr 2013 dar. Bis dato existierten vereinzelte Beispiele der Automobilfertigung – mehrheitlich aus der Kleinserie – bei denen Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) als Werkstückträger in der Endmontage von PKW und nicht nur einzelner Vormontagebaugruppen, wie z.B. Motor-Getrieebeinheit, eingesetzt wurden. Wenngleich die FTF auch nicht durchgängig über alle Gewerke der 18 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik Endmontage hinweg eingesetzt wurden, so markierte bereits die partielle Nutzung von FTF seinerzeit eine deutliche Motivation zur Abkehr von den starren Förderprinzipien, auch wenn mit den FTF eine Art Linie mit Taktung abgebildet wurde. Mehrheitlich fand sich diese Konstellation bis dato in Kleinserien- und Manufakturfertigungen exklusiver Fahrzeuge mit geringer Stückzahl oder gar limitierter Stückzahl, wie dem Audi R8 bzw. dem Porsche 918 Spyder und u.a. auch Fahrzeugen der Marke Lamborghini wieder. Besondere Erwähnung darf daher die Produktion des BMW i3, dem ersten in Großserie von BMW in Leipzig produzierten batterieelektrisch angetriebenen PKW, finden. Hier werden in diversen Bandabschnitten FTF als Werkstück- und Montageträger eingesetzt. Weitere Beispiele für Produktionen, in denen FTF zum Einsatz kamen, fanden sich bei den Auftragsfertigern39 MAGNA und VALMET Automotive, die hinsichtlich ihrer Marktposition per se eine größere Strukturflexibiltät aufgrund einer höheren Frequenz in der auftragsbezogenen Layoutumgestaltung benötigen. Allen vorgenannten Beispielen gemein war jedoch, dass es sich allesamt um monofunktionale FTF handelte mit bzw. teilweise auch ohne Hubvorrichtung zur Anpassung der vertikalen Position des Werkstücks. Die FTF fungierten dabei in definierten Bandabschnitten als reines Werkstücktransportmittel, so dass deren Einsatz und Funktionsumfang qualitativ dem einer Schubplattform ohne Standfläche für das Personal ähnelte, vgl. Abbildungen 2.11 und 2.12. Abbildung 2.11: Linienförmige Förderung der Werkstücke auf monofunktionalen FTF in den Endmontagen des Porsche 918 Spyder und des Audi R8. Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Audi AG. Obgleich das Förderprinzip auf FTF – und damit autarken im Sinne von singulären und nicht an einander gekoppelten Werkstückträgern – basiert, wird bei den in Abbildung 2.11 gezeigten Beispielen eine Fließfertigung in Anlehnung an eine klassische Fließbandlinie vollzogen. Dementsprechend wird dabei ein Maß an Flexibilität genutzt, indem z.B. bedarfsgerecht eine individuelle Anpassung der Fördergeschwindigkeit jedes einzelnen Werkstückträgers oder auch eine Ausschleusung aus der Linie z.B. bei mangelhaften oder 39 MAGNA und Valmet Automotive fertigen oftmals gleichzeitig marken- und modellübergreifend Fahrzeuge im Auftrag von Automobil OEM. Die Auslagerung der Produktion an solche Auftragsfertiger kann unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen. Beweggründe sind bspw. die temporäre Erweiterung der Fertigungskapazität, aber auch eine generelle Auslagerung aufgrund der mangelnden Rentabilität zur Einrichtung einer Fertigung beim OEM aufgrund der zu erwartenden Stückzahlen eines Produktes. So wurde bei Valmet Automotive in den 1990 er Jahren z.B. der Porsche Boxster der Baureihe 986 und der Opel Calibra gefertigt. Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind u.a. die Mercedes Modelle A-Klasse und GLC. MAGNA Steyr produzierte als Produktionspartner der BMW Group am Standort Graz zwischen 2004 und 2010 über 600.000 Einheiten des BMW X3 der Baureihe X83. Darüber hinaus ist die Fertigung des Geländewagens Mercedes G-Klasse seit 1979 vollumfänglich bei Magna Steyr beheimatet. 2.3 Montageträger- und Werkstückfördertechnik 19 fehlenden Teilen erfolgen kann, wenngleich das volle Potential, welches FTF bieten, nicht ausgeschöpft wird, indem keine auftrags- bzw. konfigurationsabhängige Pfadwahl in einem darauf ausgelegten Fertigungslayout erfolgt. Bei der in der Abbildung 2.12 ersichtlichen Montagesituation wird über eine an der Decke aufgehängte Hebevorrichtung der Motor in das Chassis eines Audi R8, das sich auf einem FTF befindet, gefügt. Anders als bei dem in Abbildung 2.14 dargestellten Fügeprozess bei der Hochzeit aus Fahrwerk und Karosserie, erlaubt es die Bauweise des R8, den Motor von oben in das Chassis zu fügen, so dass dieser Vorgang auf dem FTF vollzogen werden kann. Bei der in Abbildung 2.14 enthaltenen Momentaufnahme der Hochzeit aus Karosserie und Fahrwerk ist die Situation hingegen dergestalt, dass das Fügen des komplett auf einem FTF vormontierten Fahrwerks mit Antriebsstrang von unten in die auf der EHB befindlichen Karosserie mittels Hubfunktion des FTF gefügt wird. Insofern zeigt sich auch an dieser Stelle, dass die Abfolge der Montagevorgänge, die hierfür erforderliche Handhabungstechnik und Vorrichtungen, sowie die Beschaffenheit und Funktionsumfang der Werkstückträger mit der konstruktiven Ausprägung des Produktes korreliert. Abbildung 2.12: Monofunktionales FTF als Werkstückträger in der Fertigung des Audi R8. Quelle: Audi AG. Zwei der insgesamt drei an dem in obiger Abbildung gezeigten Fügeprozess des Motors beteiligten Monteure stehen auf dem Boden der Werkhalle. Das FTF befindet sich im Stillstand, so dass gem. obiger Definition in Kapitel 2.1 ein stationärer Zustand des Werkstückträgers innerhalb der