Untersuchungen zur Strömung und Verbrennung im Einspritzgebiet von LOX/H2- Raketenbrennkammern Von der Fakultät Luft- und Raumfahrttechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung vorgelegt von %ODåHQNR ,YDQþLü aus Zagreb Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. M. Aigner Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. habil. D. Brüggemann Tag der mündlichen Prüfung: 10. April 2001 Institut für Verbrennungstechnik Universität Stuttgart 2001 hjjkhjkhkhkhkjhkjhkj iii Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand am Forschungszentrum Lampoldshausen des DLR1 in der Arbeitsgruppe Treibstoffaufbereitung. Derem Leiter, Herrn Dr.-Ing. W.O.H. Mayer, danke ich für die hervorragenden Arbeitsbedingungen und die ständige Unterstützung, wodurch Wesentliches zum Gelingen der Arbeit beigetragen wurde. An der Universität Stuttgart wurde die Arbeit am Institut für Verbrennungstechnik durch Herrn Prof. Dr.-Ing. M. Aigner betreut, bei dem ich mich herzlich für die kritische Durchsicht dieser Arbeit, die vielen Anregungen und die Übernahme des Amtes des Hauptberichters bedanke. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. G. Krülle für die vielen konstruktiven und spannenden Diskussionen, die ihren Niederschlag in dieser Arbeit fanden. Darüber hinaus konnte ich in ihm einen vorbildlichen Wissenschaftler und zugleich einen guten Lehrer kennenlernen. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr.-Ing. D. Brüggemann für die Übernahme des Amtes des Mitberichters, und dafür, daß er die Entwicklung der Arbeit schon frühzeitig mit Interesse verfolgt und unterstützt hat. Sehr herzlich möchte ich mich auch bei allen Mitarbeitern des DLR Lampoldshausen bedanken, die durch ihr Mitwirken Anteil an der vorliegenden Arbeit nahmen. Ganz besonders denke ich dabei an die tatkräftige Unterstützung des Prüfstandsteams von P8. Schließlich möchte ich auch ein Dankeschön meiner Ehefrau Jelena aussprechen, die mir während einer arbeitsreichen Zeit mit viel Motivation und Geduld zur Seite stand. %ODåHQNR ,YDQþLü Göttingen, im Jahre 2001 1 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. jhjhkjhkjhkjhkjhkjh vInhaltsverzeichnis 1. Einleitung.......................................................................................................................... 1 1.1 Einführung und Zielsetzung........................................................................................ 1 1.2 Stand der Forschung ................................................................................................... 2 1.3 Gliederung der Arbeit ................................................................................................. 5 2. Grundlagen........................................................................................................................ 7 2.1 Thermodynamische Zustandsänderungen im transkritischen Bereich .......................... 7 2.1.1 Gleichgewichtsbedingungen zwischen Flüssig- und Gasphase einer H2/O2-Mischung.............................................................................................. 8 2.1.2 Phänomene an der Phasengrenze ..................................................................... 9 2.2 Mischvorgänge unter Berücksichtigung einer Phasengrenze ..................................... 11 2.2.1 Stabilitätsanalyse der Phasengrenzfläche und Zerfallsmechanismen .............. 11 2.2.1.1 Vorgänge am flüssigen Kernstrahl – Primärzerfall ........................... 12 2.2.1.2 Vorgänge an abgelösten Partikeln – Sekundärzerfall........................ 13 2.2.2 Stoffübergänge an der Phasengrenze ............................................................. 15 2.3 Charakterisierung des Einspritz- und Treibstoffaufbereitungsprozesses..................... 18 3. Experimentelle Ergebnisse............................................................................................... 22 3.1 Untersuchung der Zündprozesse ............................................................................... 22 3.2 Stationäre Versuche bei höheren Druckstufen........................................................... 31 3.2.1 Versuche bei unterkritischem Druck (30 bar)................................................. 32 3.2.2 Versuche bei überkritischem Druck (60 bar).................................................. 37 4. Die Ergebnisse der numerischen Simulation .................................................................... 43 4.1 Die Überprüfung der Netzunabhängigkeit der durchgeführten Simulationen............. 43 4.2 Parameterstudien zur Auslegung der Modellbrennkammer mit Hilfe von CFD ......... 44 4.3 Untersuchungen bei 30 und 60 bar Brennkammerdruck ............................................ 45 4.3.1 Die Ergebnisse der 30 bar Simulationen ........................................................ 46 4.3.2 Die Ergebnisse der 60 bar Simulationen ........................................................ 48 4.3.3 Der Vergleich zwischen den 30 bar und 60 bar Simulationen ........................ 51 4.4 Der Vergleich zwischen experimentellen Ergebnissen und numerischer Simulation.. 53 4.4.1 Der Vergleich bei 30 bar ............................................................................... 54 4.4.2 Der Vergleich bei 60 bar ............................................................................... 56 5. Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen...................................................... 59 5.1 Die Rolle der Zeit- und Längenskalen in der Modellierung der turbulenten Verbrennung .......................................................................................... 59 5.2 Übersicht der wesentlichen Modelle zur Berechnung turbulenter Verbrennungsvorgänge in reagierenden Scherschichten............................................ 70 5.3 Die chemischen Zeitskalen der H2/O2-Verbrennung.................................................. 76 5.4 Die turbulenten Skalen.............................................................................................. 81 5.4.1 Die numerisch simulierten Zeitskalen............................................................ 82 5.4.2 Die experimentell ermittelten Längenskalen .................................................. 84 5.4.2.1 Untersuchung von Längenskalen innerhalb der reagierenden Scherschicht .................................................................................... 85 5.4.2.2 Untersuchung der Scherschichtverbreiterung ................................... 93 vi Inhaltsverzeichnis 5.4.3 Der Vergleich der experimentellen mit den numerischen Skalen ................... 96 5.4.3.1 Der Vergleich der Längenskalen...................................................... 97 5.4.3.2 Die Umrechnung der experimentellen Längenskalen in Zeitskalen... 99 5.5 Berechnung der lokalen Damköhler- und Karlovitzzahlen ...................................... 100 5.6 Die Einteilung der Zustände im Borghi-Diagramm ................................................. 102 6. Diskussion der Ergebnisse ............................................................................................. 105 6.1 Beurteilung der Auswerteprozedur und Aussagekraft der gewonnenen Daten ......... 105 6.2 Die Auswirkungen auf die Vorstellung der Prozesse in Raketenbrennkammern ...... 107 7. Zusammenfassung und Ausblick ................................................................................... 112 8. Literaturverzeichnis....................................................................................................... 114 9. Anhang.......................................................................................................................... 122 9.1 Physikalische Prozesse beim Mischen von Fluiden ................................................. 122 9.1.1 Makroskopische Mischvorgänge ................................................................. 122 9.1.2 Mikroskopische Mischvorgänge .................................................................. 124 9.2 Das CFD-Programm Aeroshape 3D (AS3D)........................................................... 125 9.2.1 Die Erhaltungsgleichungen.......................................................................... 126 9.2.2 Die physikalischen Modelle......................................................................... 128 9.3 Der Prüfstand P8 .................................................................................................... 131 9.4 Der Prüfstand M3 ................................................................................................... 133 9.5 Ergänzende Bild- und Diagrammsammlung............................................................ 134 vii Bezeichnungen Lateinische Symbole A Fläche m2 c Spezifische Wärmekapazität J/kg K D, d Durchmesser m E Energie J f Brennweite m h Spezifische Enthalpie J/kg h Plank’sches Wirkungsquantum Nm2 I Impulsstromverhältnis - I Intensität - K Korrelationsfaktor - k Turbulente Energie m2/s2 L Länge, Relaxationslänge m lrec Recesslänge m M Massenstromverhältnis - m Masse kg P Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion - [P] Parachor (N/m)1/4/(mol/m3) p Druck Pa Q Wärme J R, r Radius m T Temperatur K t Zeit s tmat Injektorwandstärke m u, v, w Geschwindigkeit m/s V Volumen m3 v Molares Volumen m3/mol w Chemische Umsatzrate kg/s x Axiale Position m X Molenbruch - Y Massenbruch - y Ringspaltbreite m Z Mischungsbruch - Griechische Symbole α Volumenanteil der Flüssigkeit - β Konstante im Arrheniusgesetz - ε Dissipationsrate m2/s3 µ Dynamische Viskosität Ns/m2 η Kolmogorov-Längenmaß m Λ Taylor’sches Längenmaß m ν Kinematische Viskosität m2/s ρ Dichte kg/m3 χ Skalare Dissipation 1/s viii κ Isentropenkoeffizient - Γ Gammafunktion - Σ Oberflächenelement im Kontrollvolumen 1/m λ Wellenlänge m ε6-12 Parameter des Lennard-Jones (6-12) Potentials Nm σ Grenzflächenspannung N/m σ6-12 Parameter des Lennard-Jones (6-12) Potentials m Indizes a Aussen ae Aerodynamisch c Kritisch, chemisch ch Brennkammer g Gas ges Gesamt F Flamme f Flüssigkeit i,j Stoffkomponenten i Innen init Initial inj Injektor int Integral k, kol Kolmogorov krit Kritisch lam Laminar m Macleod-Sudgen Korrelation min Minimal P1, P2 Meßort 1, Meßort 2 p Konstanter Druck r Reduzierte Größe s Staupunkt st Stöchiometrisch t Turbulent throat Düsenhals σ Strahloberfläche tr Tropfen v Konstantes Volumen win Fensterkühlung Dimensionlose Kennzahlen Da Damköhlerzahl Ka Karlovitzzahl Le Lewiszahl Re Reynoldszahl Sc Schmidtzahl ix We Weberzahl Ma Machzahl Tu Turbulenzgrad Abkürzungen LOX Liquid Oxygen, Flüssigsauerstoff GH2 Gasförmiger Wasserstoff LN2 Flüssigstickstoff SSME Space-Shuttle Haupttriebwerk CARS Coherent Anti-Stokes Raman Spectroscopy AS3D Aeroshape 3D, Simulationsprogramm CFD Computational Fluid Dynamics LES Large Eddy Simulation, Grob Struktur Simulation DNS Direkte Numerische Simulation PDF Probability Density Function, Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion EBU Eddy-Breakup Modell EDC Eddy-Dissipation Concept HM60 Ariane 5 Hauptriebwerk HM7 Ariane 4 Oberstufentriebwerk RMS Root Mean Square, Mittelwert ROF Massenverhältnis: Oxydator - Kraftstoff jhvfhvfkjvhckjkjchkjhcjk 1 Einleitung 1.1 Einführung und Zielsetzung In modernen Raketentriebwerken spielen die Einspritzung und die Aufbereitung der Treib- stoffe eine grundlegende Rolle. Sie beeinflussen maßgebend die nachgeschalteten Prozesse in der Brennkammer und in der Düse [1]. Die Treibstoffkombination H2/O2 wird bei Haupt- stufentriebwerken, wie z.B. beim Space Shuttle Main Engine (SSME) oder dem Vulcain, am häufigsten benutzt. Hierbei wird das Prinzip der Koaxialinjektion angewandt, bei dem in ei- nem Innenröhrchen der Oxidator (O2) mit einer Geschwindigkeit von ca. 20 m/sec und in ei- nem koaxialen Außenröhrchen der Brennstoff (H2) mit ca. 10-facher Geschwindigkeit in die Brennkammer einströmen. Begründet durch die Volumenkapazität der Tanks werden die Treibstoffe in flüssiger Form mitgeführt. Das hat zur Folge, daß die kryogenen Treibstoffe, je nach Triebwerkszyklus, eine Einspritztemperatur von unter 100 K erreichen können. Infolge der Komplexität der Vorgänge im Einspritzgebiet und im besonderen in der reagierenden Scherschicht, werden Injektionselemente vornehmlich durch Versuch ausgelegt [2]. Ziel die- ser Arbeit ist es, die Vorgänge beim Einspritzen, Vermischen und Verbrennen der Treibstoffe zu untersuchen, Abhängigkeiten aufzudecken und die Zeit- und Längenskalen der relevanten Prozesse zu quantifizieren, und zwar im Hinblick auf eine detaillierte Beschreibung der do- minierenden turbulenten Verbrennungsmechanismen. Motivation für die angestrebten Untersuchungen ist die Optimierung der bisherigen Ausle- gungsphilosophie, die bis heute auf der Grundlage von Versuchen basiert (`trial and error`), und bei der man sich auf die Erfüllung integraler Leistungsdaten beschränkt. Es soll ein bes- seres Verständnis der physikalischen Zusammenhänge geschaffen werden, wodurch die Ent- wicklung neuer Modellansätze realisierbar wird. Mit Hilfe verbesserter numerischer Simulati- onsprogramme werden die Anzahl der Versuche und damit auch die Entwicklungskosten dra- stisch reduziert. Einen Schwerpunkt dieser Arbeit stellt das Problem der Interaktion zwischen der turbulenten Strömung und der Verbrennung dar [3]. Die Komplexität und die Abhängigkeiten der domi- nierenden Einzelprozesse beim Einspritzen, beim turbulenten Vermischen und beim Verbren- nen sind gekennzeichnet durch eine starke Kopplung der verschiedenen physikalischen Grö- ßen. Hierbei muß man die extremen Randbedingungen (Hochdruck, kryogene Treibstoffe, hohe Dichtegradienten, etc.), unter welchen die Einspritzung und die Treibstoffaufbereitungs- prozesse ablaufen, berücksichtigen. Bei der Treibstoffkombination von H2/O2 befindet man sich bei einem Brennkammerdruck von 100 bar, der in etwa dem nominellen Brennkammer- druck vom Vulcain-Triebwerk entspricht, im thermodynamisch überkritischen Zustand. Das heißt, daß oberhalb der kritischen Mischungstemperatur die Bildung einer Phasengrenze nicht mehr möglich ist. Der Übergang vom unter- zum überkritischen Zustand bringt eine drasti- sche Änderung der Phänomenologie des Aufbereitungsprozesses mit sich. Im unterkritischen Zustand bildet sich eine diskrete Phasengrenze aus und Oberflächenspannungseffekte spielen eine große Rolle. Nähert man sich dem kritischen Punkt, nimmt die Oberflächenspannung bis auf null ab. Diesen Zustand nennt man transkritisch, und die Phänomenologie der Aufberei- tungsprozesse ähnelt der Mischung eines dichten Gases mit einem ummantelndem dünnerem Gas [4]. 2 1 Einleitung Im Rahmen dieser Arbeit werden schwerpunktmäßig die Vorgänge in der reagierenden Scher- schicht untersucht. Dabei werden experimentelle Ergebnisse mit numerischen Simulationen verglichen, Diskrepanzen aufgezeigt und deren Ursachen herausgearbeitet. Die Strömungs- mechanik und die chemische Verbrennung werden separat untersucht, und deren verschiedene Interaktionsmöglichkeiten detailliert analysiert. Aus diesen Analysen lassen sich konkrete Schwachpunkte der vorhandenen Modelle ausarbeiten, die die Anwendbarkeit nur auf be- stimmte Betriebsbedingungen einschränken. Ein zukünftiges Ziel ist es somit, die Modelle dahingehend zu verallgemeinern, daß sie für die gesamte Brennkammer angewandt werden können, d.h. daß die unterschiedlichen Verbrennungsregimes, die an verschiedenen Orten in der Brennkammer dominierend auftreten, durch das Modell beschrieben werden. 1.2 Stand der Forschung Die Simulation von Mehrphasenverbrennungsvorgängen unter hohen Drücken, die in moder- nen Raketenantriebssystemen beobachtet werden können, stellt eine große Herausforderung auf mehreren Fachgebieten dar. Zusätzlich zu den klassischen Problemen einer inkompressi- blen turbulenten Strömung kommen bei reagierenden Mehrphasenströmungen noch die er- schwerenden Faktoren der chemischen Kinetik, der stark nicht-linearen Quellterme und eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Spezies und Phasen hinzu. Die Si- tuation wird noch weiter erschwert, indem bei steigenden Drücken thermodynamische Nicht- Idealitäten und Transportanomalien, die beim Erreichen oder Überschreiten des thermodyna- misch kritischen Punktes auftreten, berücksichtigt werden müssen [16]. Die Entstehung von "Sprays", ihre Verdampfung und anschließende Verbrennung unter rele- vanten Brennkammerbedingungen ist ein noch nicht vollständig verstandenes Problem. Dies gilt insbesondere für den Fall von Hochdruck- bzw. überkritischen Verbrennungsvorgängen. Sehr wichtige Erkenntnisse auf diesen Gebieten wurden in den letzten Jahren an der Pennsyl- vania State University gewonnen. Oefelein und Yang [7, 8] geben an, daß abhängig von der Hardwarekonfiguration, den Fluideigenschaften und der Strömungscharakteristik zwei mögli- che Szenerien für den Einspritz- bzw. Treibstoffaufbereitungsprozess existieren. Sind die Er- wärmungs- bzw. Wärmestromraten niedrig, bestimmen Trägheitskräfte und Oberflächenspan- nungseffekte eine Reihe von Zerstäubungs- und Sekundärzerfallsmechanismen. In diesem Fall entsteht in der reagierenden Scherschicht ein heterogenes Sprayfeld, das als Folge einer Kaskade von Verdampfungs-, Mischungs-, Verbrennungs- und Expansionsprozessen einen weiten Bereich von turbulenten Verbrennungsregimes durchläuft. Oefelein stellt fest, daß solche Sprayflammen den Sauerstoffstrahl umgeben, aber nicht direkt am Injektor anliegen, sondern etwas abgehoben sind. Wenn die Erwärmungs- bzw. Wärmestromraten dagegen hoch sind, dominieren die Diffusi- ons- bzw. die Verdampfungsprozesse im Gegensatz zu den Zerstäubungsprozessen. Bei die- sen Bedingungen spielen sowohl molekulare als auch groß- und kleinskalige turbulente Mi- schungsprozesse eine wesentliche Rolle. Der flüssige Kernstrahl verdampft direkt an seiner Oberfläche und bildet ein kontinuierliches Fluid innerhalb der reagierenden Scherschicht mit extrem großen Dichtegradienten an den Grenzflächen. Es entsteht eine Diffusionsflamme, die direkt an der Injektorkante (LOX-post) verankert ist. Der Flammhaltemechanismus funktio- niert aufgrund der kleinen, aber intensiven Rezirkulationszone am Injektoraustritt [76]. 1 Einleitung 3 Wichtige Beiträge zur Erforschung eines Sprayfeldes leistete Faeth [9]. Er untersuchte mehre- re Modellierungsmethoden. Die LHF-Methode (locally homogeneous flow) ist dabei die ein- fachste Behandlungsmethodik. Sie setzt voraus, daß die disperse Phase in lokalem dynami- schem und thermodynamischem Gleichgewicht mit der Gasphase steht. Dies hat zur Folge, daß die Relativgeschwindigkeit zwischen Gas und Tropfen zu Null wird, und somit weder Impuls- noch Energieaustausch stattfinden. Für die Berechnung von Sprayverbrennungsvor- gängen ist allerdings die Separated Flow Methode zu empfehlen. Sie berücksichtigt den Transport von Masse, Impuls und Energie zwischen den Phasen. Der Transport muß für prak- tische Anwendungen modelliert werden [11], da die Berechnung der relevanten kleinskaligen Strömungsdetails in und um einzelne Tropfen zu zeitaufwendig ist. Die Kopplung der Erhal- tungsgleichungen der beiden Phasen wird anhand von empirischen Gleichungen modelliert. Dabei gibt es drei Verfahren, die sich in der Behandlung der dispersen Phase unterscheiden. Beim Discret Droplet Model (DDM) wird das Spray durch eine endliche Anzahl von diskre- ten Teilchen dargestellt, deren Trajektorien aus der Lösung der Bewegungsgleichungen in Lagrange-Darstellung erhalten werden. Die Interaktion zwischen Tropfen und Gasströmung ist durch Quellterme in den Erhaltungsgleichungen berücksichtigt [52]. Beim Continuous Droplet Model (CDM) werden die Tropfeneigenschaften durch eine mehrdimensionale Wahr- scheinlichkeitsdichteverteilung (pdf) kontinuierlich beschrieben. Allgemein ist dies eine Funktion der Zeit, des Ortes, der Geschwindigkeit, des Durchmessers und der Temperatur (pdf = f{t, xtr, utr, dtr, Ttr}). Die Berechnung dieser Verteilungsfunktion wird durch die sog. Spraygleichung beschrieben (Williams [100]). Die Kopplung mit dem Gasfeld erfolgt durch entsprechende Quellterme. Bei diesen Modellen ergeben sich allerdings Probleme einerseits aufgrund der hohen Dimensionalität der pdf und andererseits durch die starken örtlichen Gra- dienten, welche zur Reduktion der numerischen Diffusion ein sehr feines Gitter erfordern. Diese Nachteile weist das dritte Verfahren nicht auf. Beim Continuum Formulation Model (CFM) wird die disperse Phase in Analogie zum Gas als Kontinuum in der Euler- Formulierung behandelt. Die Lösung der Tropfen-Gleichung wird somit zu einem Randwert- problem und muß im gesamten Strömungsfeld erfolgen. Nachteil bei dieser Methode ist, daß der Durchmesser für jeden Tropfen berechnet werden muß und somit viel Speicherplatz be- nötigt wird. Experimente von Mayer [42] zeigen allerdings, daß die Tropfendurchmesser im gesamten Sprayfeld eine breite Verteilung aufweisen. Eine Eulerbeschreibung der dispersen Phase ist deshalb hierfür nicht zu empfehlen. In Raketenbrennkammern ist die Problematik der Beschreibung von Sprays überlagert mit der Modellierung der turbulenten Verbrennung zwischen den verdampften Tropfenteilchen und den umgebenden Gasmolekülen [10]. Zur Berechnung der turbulenten Verbrennungsvorgänge innerhalb der reagierenden Scherschicht gibt Veynante et al. [19] in seinen Arbeiten neue Modellansätze an, deren Gültigkeit sich über weite Bereiche von unterschiedlichen Verbren- nungsregimes erstreckt. Er verwendet hierbei eine Transportfunktion der Flammendichte (flame surface density function). Sie beschreibt eine Fläche (Flammenfläche) pro Volumen- element. Anhand dieser Funktion lassen sich in allgemeiner Form Reaktionsraten ableiten. Der Vorteil bei der Beschreibung von Verbrennungsprozessen mittels einer Transportfunktion der Flammendichte im Gegensatz zu den von Peters [83, 84] entwickelten Flamelet-Modellen oder den Eddy-Break-Up (EBU) Modellen [94] ist eine bessere Anwendbarkeit bei verschie- denen Verbrennungsregimes. Bei den Eddy-Break-Up Modellen wird die Reaktionsrate durch einen halb-empirischen Ansatz berechnet. Danach kontrolliert die Geschwindigkeit der tur- bulenten Dissipation die Reaktionsrate [12]. Dieses Modell ist begrenzt auf den Fall der schnellen Chemie. Beim Flamelet-Modell geht man von der Annahme dünner Reaktionszo- nen nahe der stöchiometrischen Mischung aus. Dies führt zu lokal 1-dimensionalen Flammen- strukturen. Borghi hat in seinen Arbeiten [20, 21, 22] verschiedene Flammenstrukturen bzw. 4 1 Einleitung Verbrennungsregimes in Abhängigkeit von den lokalen Zeit- und Längenskalen und von den lokalen Turbulenzgrößen in einem Diagramm klassifiziert. Das Borghi-Diagramm wird auch in dieser Arbeit zur Einteilung der Flammenstrukturen genutzt. Nicht nur Tropfenverteilungen wie weiter oben beschrieben, sondern auch die Turbulenz und turbulente Mischungs- und Verbrennungsvorgänge lassen sich mit Hilfe von Wahrscheinlich- keitsdichteverteilungen beschreiben. Zur Berechnung der Turbulenz in reagierenden Scher- schichten zählen die pdf-Modelle sogar als eine der aussichtsreichsten Modellansätze für die Zukunft. Aus der Literatur [23, 24] ist bekannt, daß die Turbulenz in der reagierenden Scher- schicht im allgemeinen nicht isotrop ist und somit das standardmäßige k-ε-Modell von Laun- der und Spalding [25] hierbei oftmals ungenaue Lösungen liefern kann. Außerdem verhält sich das k-ε-Modell sehr problematisch wenn große Dichteunterschiede bzw. steile Dichte- gradienten auftreten. Die pdf's berechnen die Turbulenz über einen statistischen Ansatz, wo- bei man die Form der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktionen, z.B. durch Gauß- oder ß- Funktionen, vorgeben kann (presumed-pdf) [26]. Girimaji [18] berechnet die reagierende Scherschicht mit Hilfe detaillierter Verbrennungsmodelle aufbauend auf den ´multiple scalar mixing´-Methoden. Diese Methode basiert auf Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen aller relevanten Spezies. Anhand dieser joint-pdf lassen sich die turbulenten Mittelwerte der Kon- zentration und somit die turbulente Vermischung sehr genau berechnen. Neben der Möglich- keit die pdf zu berechnen, indem die qualitative Form vorgegeben wird, kann auch zur Be- stimmung der pdf die Berechnung von Transportgleichungen benutzt werden [27]. Es wurde dargestellt, daß die dominierenden Prozesse bei der Treibstoffaufbereitung in rea- gierenden Scherschichten bestimmt sind durch gekoppelte, stark nicht-lineare, turbulente und chemische Gas-Gas- und Gas-Flüssigkeitswechselwirkungen. Die heutzutage vorhandenen Theorien und Modelle sind leider noch nicht ausreichend, um diese extrem komplizierten Vorgänge exakt und schnell zu lösen. Ein zentrales Problem hierbei ist, daß sich die Interakti- onsmechanismen auf Längen- und Zeitskalen abspielen, die mit den modernsten Computern immer noch nicht numerisch auflösbar sind. Folglich muß sich die theoretische Beschreibung solcher Systeme an den numerisch auflösbaren Skalen orientieren. Die Einflüsse der nicht auflösbaren Prozesse müssen modelliert werden, indem man validierte analytische oder empi- rische Techniken anwendet. Dieses als Grob-Struktur-Simulation (Large-Eddy-Simulation, LES) bezeichnete Verfahren [13, 14] tritt in letzter Zeit, bedingt durch die immer leistungsfä- higeren Computer, mehr in den Vordergrund. Neben der theoretischen und numerischen Beschreibung von reagierenden Scherschichten muß auch deren experimentelle Untersuchung weiter verfolgt werden. Es ist kein Fortschritt im Hinblick auf die Entwicklung verbesserter Modelle oder numerischer Verfahren möglich ohne experimentelles Datenmaterial. Experimentelle Untersuchungen der reagierenden Scher- schicht mit kryogener LOX/GH2 Koaxialinjektion bei trans- und überkritischen Bedingungen werden, außer bei dem DLR in Lampoldshausen, auch von Pal, Foust und Santoro [28, 29, 30] an der Pennsylvania State University durchgeführt. Sie haben u.a. das Tropfenspektrum zwischen brennenden und nicht-brennenden Sprays bei 30 bar Kammerdruck untersucht und dabei festgestellt, daß die mittlere Tropfengröße im Heißfall aufgrund der schnelleren Ver- dampfung der kleinen Tropfen größer ist als der mittlere Tropfendurchmesser bei der kalten Strömung. Tamura et al. [31] untersucht am Kakuda Research Center (NAL) ebenfalls kryo- gene Injektionsprozesse in Hochdruckraketenbrennkammern. Der Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf dem Einfluß einer aufgeprägten Drallströmung auf die eingespritzten Treibstoffe. Auf dem Gebiet der Hochdruckraketenantriebe arbeitet das DLR sehr eng mit der französi- schen Partnerorganisation ONERA zusammen. Am Mascotte Prüfstand in Palaiseau (Frank- reich) führt Vingert et al. [32, 33] Versuche zur Spraycharakterisierung und zum Sprayver- 1 Einleitung 5 halten unter Verbrennungsbedingungen durch. Die bisher durchgeführten Versuche sind al- lerdings auf den unterkritischen Bereich beschränkt. Die Schwerpunkte lagen auf den Unter- suchungen der Zerstäubungsprozesse speziell im injektornahen Gebiet. Dabei wurden neben Hochgeschwindigkeitsaufnahmetechniken zur Visualisierung des Sprühfeldes auch LDV Techniken (Laser Doppler Velocimetry) eingesetzt. Wesentliches Ziel hierbei war die Be- stimmung von lokalen Weber-Zahlen. 1.3 Gliederung der Arbeit Im nachfolgenden Kapitel 2 werden die Grundlagen, die zum Verständnis dieser Arbeit nötig sind erläutert. Es wird die Phänomenologie der koaxialen Zerstäubung erklärt, die als ein Spezialfall des Mischvorgangs von Fluiden betrachtet werden kann. Da in H2/O2- Raketenbrenn-kammern transkritische Bedingungen eine besondere Rolle spielen, wird auf die Problematik beim thermodynamisch kritischen Übergang eingegangen. Anschließend werden die physikalischen Prozesse beim Mischen von Fluiden dargestellt. Obwohl sich der spätere Teil der Arbeit schwerpunktmäßig auf überkritische Betriebspunkte bezieht, wo keine Phasengrenzen auftreten und die Mischung eines einheitlichen Kontinuums betrachtet wird, wird hier, um die Problematik beim Treibstoffaufbereitungsprozess in Raketenbrennkammern allgemein darzustellen, die Mischungsphänomenologie bei auftretenden Phasengrenzflächen erläutert. Es werden brennkammerrelevante Bedingungen bei unterkritischem Druck betrach- tet. Mischvorgänge unter Berücksichtigung einer Phasengrenze sind ein Spezialfall allgemei- ner Mischvorgänge, die sich in makroskopische und mikroskopische Mischvorgänge einteilen lassen. Diese sehr allgemeine Betrachtung wird im Anhang (Kapitel 9.1) erläutert. Da es in der Literatur oft Unstimmigkeiten in der eindeutigen Beschreibung von Einspritzzuständen und deren relevante Kenngrößen gibt [5, 6], wurde dieser Thematik ein gesondertes Unterka- pitel gewidmet, das den Abschluß des Grundlagenabschnitts bildet. In Kapitel 3 werden die experimentellen Ergebnisse dargestellt. Es werden die versuchstech- nischen Einrichtungen und Diagnostikmethoden, die zur Durchführung der experimentellen Untersuchungen der reagierenden Scherschicht verwendet wurden, beschrieben. Die experi- mentelle Arbeit wurde in drei größere Versuchskampagnen unterteilt. Es wurden Zündunter- suchungen durchgeführt, bei denen mittels Hochgeschwindigkeitsaufnahmen die transienten Vorgänge während der Zündprozesse aufgenommen wurden. Außerdem wurden Untersu- chungen bei stationären Brennkammerdrücken von 30 und 60 bar durchgeführt. Die einge- setzten Diagnostikmethoden waren hauptsächlich die Schattenphotographie, sowie OH- und H2O-Emissionsaufnahmetechniken. Kapitel 4 beschreibt die numerischen Simulationen der durchgeführten Experimente. Hierbei liegt der Schwerpunkt bei den 30 bar (unterkritischen) und 60 bar (überkritischen) Versuchen. Es werden die Ergebnisse der numerischen Simulationen mit den experimentellen Ergebnis- sen verglichen, Unterschiede herausgearbeitet und die Ursachen für die Diskrepanzen geklärt. Das eingesetzte Rechenverfahren wird zusammen mit den implementierten Modellen im An- hang (Kapitel 9.2) vorgestellt. In Kapitel 5 wird zunächst die Rolle der relevanten strömungsmechanischen und chemischen Längen- und Zeitskalen diskutiert, um anschließend einen Überblick über die wichtigsten turbulenten Verbrennungsmodelle darzustellen. Im nächsten Unterkapitel wird die numeri- sche Berechnung der chemischen Zeitskalen erläutert. Danach werden die turbulenten Län- 6 1 Einleitung gen- und Zeitskalen untersucht, zunächst mittels numerischer Simulation und anschließend durch die experimentellen Messungen. Die Ergebnisse aus den Untersuchungen der Längen- und Zeit-skalen werden analysiert und miteinander verglichen. Ziel hierbei ist es, deren Aus- wirkungen auf die turbulenten Verbrennungsmechanismen bzw. Flammenstrukturen und auf die Modellierung dieser Prozesse zu ermitteln. In den darauf folgenden Abschnitten werden die lokalen Damköhler- und Karlovitzzahlen berechnet, die es ermöglichen, die lokalen Ver- brennungsvorgänge, die beim Koaxialinjektor auftreten, anhand des Borghi-Diagramms zu spezifizieren. In Kapitel 6 folgt die Beschreibung der Auswerteprozeduren und deren Ergebnisse werden, besonders im Hinblick auf die Berechnung der relevanten Längen- und Zeitskalen, beurteilt. Anschließend wird der Einfluß, der im Rahmen dieser Arbeit ermittelten Ergebnisse auf die globale Vorstellung der Prozesse in Raketenbrennkammern diskutiert. Schließlich wird in Kapitel 7 ein Überblick über die durchgeführten Arbeiten gegeben und die wesentlichen Ergebnisse werden zusammengefaßt. 2 Grundlagen Im ersten Teil dieses Kapitels wird zunächst auf die besonderen Phänomene beim Auftreten von Phasengrenzflächen bzw. Oberflächenspannungseffekten eingegangen. Es werden detail- liert die thermodynamischen Vorgänge beim Übergang vom unter- in den überkritischen Zu- stand beschrieben mit deren Auswirkungen auf wichtige Phänomene des Mischvorgangs. Dieses Kapitel endet mit einer Beschreibung des Einspritz- und Treibstoffaufbereitungspro- zesses für die hier behandelte Problemstellung der Koaxialinjektion im Sinne einer inge- nieurmäßigen Charakterisierung mittels Kennzahlen. Im Anhang (Kapitel 9.1) werden die grundlegenden Mechanismen beim Vermischen von Fluiden erläutert. Es werden die rele- vanten Prozesse beschrieben, die bei den makroskopischen und bei den mikroskopischen Mischvorgängen eine wesentliche Rolle spielen. Während die makroskopische Vermischung hauptsächlich durch Konvektion und Turbulenz beeinflußt wird, sind die mikroskopischen Mischvorgänge durch die molekulare Diffusion bestimmt. 2.1 Thermodynamische Zustandsänderungen im transkritischen Bereich Erläutert werden die thermodynamischen Prozesse bei der Verdampfung einer Flüssigkeit in der Nähe des kritischen Punktes der Flüssigkeit bzw. die molekularphysikalischen Vorgänge an der Phasengrenzfläche. Die Moleküle innerhalb der Flüssigkeit befinden sich im Kräf- tegleichgewicht, da sich die allseitigen Anziehungkräfte der benachbarten Moleküle gegen- seitig aufheben. Nähert man sich der Oberfläche, so daß der Abstand zur Oberfläche kleiner als der Wirkungssphärenradius der Molekülkräfte wird, folgt eine von null abweichende re- sultierende Kraft. Die hieraus entstehende Oberflächenspannung ist abhängig von der Tempe- ratur und von den Mischungsanteilen in der Flüssigkeit und der Umgebung. Die in Flüssig- keiten und Gasen gleichermaßen geltende Molekülbeweglichkeit infolge thermischer Energie ist jedoch aufgrund der Anziehungskräfte in der Flüssigkeit sehr eingeschränkt. Diese Anzie- hungskräfte (Kohäsionskräfte) erschweren den Übergang der Moleküle aus der flüssigen Pha- se in die Gasphase. Moleküle in der Phasengrenzschicht, deren kinetische Energie ausreicht, um die Kohäsionskräfte benachbarter Moleküle zu überwinden, treten aus der Flüssig- in die Gasphase über (Verdampfung). Der reziproke Prozeß, das Einfangen von Molekülen aus der Gasphase beim Auftreffen auf die Flüssigkeitsoberfläche, tritt ebenfalls auf (Kondensation). Dynamisches Gleichgewicht herrscht, wenn genauso viele Moleküle das Flüssigkeitskollektiv verlassen wie eingefangen werden. Der Verdampfungsvorgang ist im unterkritischen Druck- bereich durch einen starken Dichtegradienten zwischen flüssiger und gasförmiger Phase ge- kennzeichnet. Mit steigendem Druck ändert sich allerdings die Phänomenologie. Wird der kritische Druck erreicht, unterscheidet sich das spezifische Volumen der Gasphase nicht mehr von dem der flüssigen Phase. Bei einem Einstoffsystem führt dies zum Auflösen der Phasen- grenze. Damit existiert im kritischen und überkritischen Zustand kein Unterschied zwischen der „gasförmigen“ und der „flüssigen“ Phase. In diesem Fall wird das Medium als Fluid be- zeichnet. Befindet sich die Flüssigkeit in einer Fremdgasatmosphäre, kann sich im überkritischen Druckbereich noch eine Phasengrenzfläche ausbilden, solange nicht die kritische Mischungs- 8 2 Grundlagen temperatur erreicht wird. Diese physikalischen Zusammenhänge werden in den folgenden Abschnitten erläutert. 2.1.1 Gleichgewichtsbedingungen zwischen Flüssig- und Gasphase einer H2/O2-Mischung Im einfachsten Fall, einem Einstoffsystem, ist ein Gleichgewicht zwischen der flüssigen und der gasförmigen Phase gegeben, wenn der Systemdruck dem Dampfdruck und die Temperatur der dazu passenden Siedetemperatur des Mediums entspricht. Die Abhängigkeit zwischen Dampfdruck und Siedetemperatur wird durch die Dampfdruckkurve beschrieben. Bei steigen- der Siedetemperatur steigt auch der entsprechende Dampfdruck und damit die Dichte der Gasphase. Wie bereits oben erwähnt, ist der kritische Druck dadurch definiert, daß in diesem Punkt die Dichte der Gasphase gleich der Dichte der Flüssigkeit wird, und somit kein Unter- schied mehr zwischen den beiden Phasen existiert. Folglich ist oberhalb des kritischen Drucks kein Phasengleichgewicht mehr möglich, man befindet sich im sogenannten überkritischen Bereich. Allerdings kann für ein Mehrstoffsystem, auch bei Drücken oberhalb der kritischen Drücke der Einzelkomponenten, ein Gleichgewicht zwischen Flüssig- und Gasphase existie- ren. Dies soll im Weiteren näher untersucht werden. Die experimentelle Bestimmung des Phasengleichgewichts einer H2/O2-Mischung im rele- vanten Bereich (Hochdruck) ist aufgrund der Reaktionsfreudigkeit dieses Gemisches proble- matisch. Deshalb ist man oftmals auf Berechnungsmodelle für Realgase angewiesen (z.B. Redlich-Kwong) [34, 35, 36]. Bild 2.1 zeigt die berechneten Molanteile im Gleichgewichts- zustand für ein H2/O2-Zweistoffsystem [37]: Bild 2.1: Gerechnetes Phasengleichgewicht zwischen O2 und H2 Der reduzierte Druck pr ist folgendermaßen definiert: 90 100 110 120 130 140 150 160 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100H 2 O 2 Flüss igke it Gas P r =1 P r =3 P r =2 P r =4 P r =0.2 H 2- M o la n te il/ (% ) T /(K) 2 Grundlagen 9 ppp ocr 2,= (2.1) pc,O2 ist der kritische Druck für O2 und besitzt einen Wert von 50,4 bar. Für die verschiedenen reduzierten Drücke sind hier die Grenzen des Zweiphasengebietes dargestellt. Man kann für die jeweiligen Drücke und Temperaturen des Systems die Molanteile in der flüssigen und in der gasförmigen Phase ablesen. Für zunehmende Drücke im unterkritischen Bereich steigt die Siedetemperatur bis zum kritischen Punkt (s. Dampfdruckkurve, Bild 2.2). Im überkritischen Fall nimmt dagegen die kritische Mischungstemperatur bei steigendem Systemdruck ab. Ver- bindet man die kritischen Punkte für verschiedene Drücke miteinander, erhält man im unter- kritischen Bereich die Dampfdruckkurve und im überkritischen Bereich die kritische Mi- schungslinie. Beide Kurven sind im folgenden Bild dargestellt. Bild 2.2: Dampfdruckkurve und kritische Mischungslinie Für die kryogene Treibstoffaufbereitung in H2/O2-Raketentriebwerken spielen diese Vorgänge eine wichtige Rolle, da sie das Mischungsverhalten maßgeblich beeinflussen. Vor allem die detaillierten thermodynamischen Prozesse an der Phasengrenze (z. B. Effekte der Oberflä- chenspannung) zwischen O2 und H2 beeinflussen die Mischungsphänomenologie. Aus diesem Grunde wird im folgenden Abschnitt näher auf diese Problematiken an der Phasengrenze ein- gegangen. 2.1.2 Phänomene an der Phasengrenze Die Oberflächenspannung entsteht aufgrund von Kohäsionskräften zwischen benachbarten Molekülen. Während im Innern einer Phase die Moleküle allseitigen Anziehungskräften un- terworfen sind, und somit sich ein Kräftegleichgewicht ausbildet, ändert sich dies bei der An- näherung an die Phasengrenze. Wird der Abstand zur Phasengrenze kleiner als die Wir- kungssphäre der Molekularkräfte, stellt sich eine resultierende Kraft ein, die um so größer 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 60 80 100 120 140 160 180 200 Zweiphasengebiet überhitzter Bereich überkritischer Bereich kritischer Punkt Dampfdruckkurve O 2 kritische Mischungslinie O 2 /H 2 T/ (K ) p/(MPa) 10 2 Grundlagen wird, je näher sich das Molekül an der Phasengrenze befindet. Da bei steigendem System- druck und konstanter Temperatur die Dichte der Gasphase zunimmt, nehmen dementspre- chend die resultierende Molekularkraft und somit die Oberflächenspannung ab. Beim kriti- schen Druck erreicht die Dichte der Gasphase den gleichen Wert wie die der flüssigen Phase, und die resultierende Molekularkraft bzw. die Oberflächenspannung verschwindet. Durch Annäherung an den kritischen Punkt erfährt die Phasengrenze, die im weit unterkritischen Bereich als eine Diskontinuität betrachtet werden kann, eine räumliche Ausdehnung, so daß sich die Stoffeigenschaften, wie z.B. die Dichte innerhalb dieses Phasengrenzbereichs, stetig ändern. Oberflächenspannungen werden wenn möglich experimentell ermittelt, allerdings müssen bei reaktionsfähigen Fluidmischungen, wie es hier der Fall ist, theoretische Berech- nungsmöglichkeiten herangezogen werden. Dazu gibt es mehrere Modellansätze [38, 39, 40]. Beispielhaft soll hier die empirische Macleod-Sudgen Korrelation zur Berechnung der Grenz- flächenspannung σm erläutert werden. Sie eignet sich insbesondere zur Berechnung von Grenzflächenspannungen bei Gemischen mit den Komponenten i: [ ] 4 , , , , 1 vv           −∑= = gm gi fm fiN i im XX Pσ (2.2) Der Index m bezeichnet dabei die Größen für die Mischung. Für [P] kann man auch mehrere Berechnungsmöglichkeiten angeben. Sudgen [39] führte diese Größe 1924 ein und bezeich- nete sie als Parachor. Die Größe [P] stellt einen Stoffwert dar und ist in einem großen Bereich weitgehend temperaturunabhängig. Für 2-atomige Moleküle kann [P] auf einfachere Weise, mit Hilfe der Lennard-Jones Potentiale, berechnet werden: [ ] ( ) σε 25 12641 126231090,3 −−⋅=P in ( ) m kmol m mN 3 4 1 (2.3) Die Größen ε6-12 und σ6-12 bezeichnen Parameter des Lennard-Jones (6-12)-Potentials und sind in J und m einzusetzen [41]. Bild 2.3 zeigt den Verlauf der Gleichgewichtsgrenzflächen- spannung einer H2/O2-Mischung für verschiedene reduzierte Drücke (sowohl unter- als auch überkritisch) als Funktion der Temperatur. Bild 2.3: Gleichgewichtsgrenzflächenspannung zwischen Sauerstoff und Wasserstoff 2 Grundlagen 11 Die benötigten Molenbrüche Xi,f und Xi,g aus Gleichung 2.2 können dem Phasengleichge- wichtsdiagramm aus Bild 2.1 entnommen werden. Aus Bild 2.3 kann abgelesen werden, daß es möglich ist, daß auch im überkritischen Druckbereich eine Oberflächenspannung wirkt, solange die Temperatur ausreichend niedrig ist. Nähert man sich der kritischen Mischungs- temperatur, geht die Oberflächenspannung asymptotisch gegen null. Im unterkritischen Druckbereich hingegen kann die Grenzflächenspannung bei Erwärmung nur bis auf einen Grenzwert absinken, der durch die Siedetemperatur bestimmt wird. Die Auswirkungen, die solche Grenzflächenspannungen auf die Mischung von Fluiden im Besonderen von H2 und O2 haben werden im folgenden Abschnitt behandelt. 2.2 Mischvorgänge unter Berücksichtigung einer Phasengrenze Die zentralen Punkte dieser Arbeit sind die physikalisch-chemischen Vorgänge innerhalb der reagierenden Scherschicht. In Kapitel 5 werden Zeit- und Längenskalen der Mischprozesse und der chemischen Verbrennungsreaktionen abgeleitet. Diese Untersuchungen beziehen sich auf den überkritischen Betriebspunkt (60 bar), wo keine Phasengrenzen auftreten (keine Sprayströmung). Um die Problematiken beim Treibstoffaufbereitungsprozeß in Raketen- brennkammern möglichst allgemein darzustellen, werden in diesem Grundlagenkapitel auch die speziellen Einflüsse auf die Mischvorgänge untersucht, wenn sich zwischen den zu mi- schenden Fluiden eine Phasengrenze ausbildet (Sprayströmung). Dies ist nicht nur für unter- kritisch arbeitende Raketentriebwerke von Interesse, sondern für alle Raketentriebwerke, da sich beim Zündvorgang die Vermischungsprozesse für einen gewissen Zeitraum immer im unterkritischen Druckbereich befinden und dies eines der gefährlichsten Phasen beim Betrieb von diesen Triebwerken darstellt. Der Mischvorgang unter Berücksichtigung einer Phasen- grenze ist ein Sonderfall allgemeiner Mischvorgänge. Im Anhang (Kapitel 9.1) werden die allgemein grundlegenden Vorgänge beim Mischen zweier Fluide auf makroskopischer und mikroskopischer Basis betrachtet. Bei der Berücksichtigung von Phasengrenzflächen existie- ren, im Gegensatz zur Vermischung zweier Fluide, die ein Kontinuum darstellen (siehe dazu Anhang, Kapitel 9.1), zusätzlich zwei physikalische Phänomene, die separat betrachtet wer- den müssen: 1.) Die zusätzlichen Kräfte, die aus der Oberflächenspannung resultieren und die Ausbildung der Phasengrenzfläche bzw. Ablösungs- und Zerfallsmechanismen stark beeinflussen. 2.) Die Verdampfungs- bzw. Verdunstungsphänomene, die den Stoffstrom über die Phasen- grenze bestimmen, und somit auch ein maßgebliches Phänomen des Mischvorgangs dar- stellen. 2.2.1 Stabilitätsanalyse der Phasengrenzfläche und Zerfallsmechanismen Bei der Beschreibung von Vermischungsprozessen bei vorhandenen Phasengrenzflächen wird unterschieden zwischen den Primärzerfallsvorgängen am Strahl und den in der Realität nicht so häufig vorkommenden Sekundärzerfallsvorgängen an bereits abgelösten Ligamenten und Tröpfchen. Die Stabilitätsuntersuchungen des flüssigen Kernstrahles führen zu der Problem- stellung des klassischen Freistrahles, die mit Hilfe der linearen bzw. nichtlinearen Stabilitäts- 12 2 Grundlagen analyse bearbeitet werden kann. Eine detaillierte Beschreibung der linearen und nichtlinearen Stabilitätsanalyse ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, hierzu sei auf Mayer [42] ver- wiesen. In den Unterkapiteln 2.2.1.1 und 2.2.1.2 wird nur kurz das Prinzip dieser Theorien beschrieben. 2.2.1.1 Vorgänge am flüssigen Kernstrahl − Primärzerfall Die lineare Stabilitätsanalyse liefert im Gegensatz zur nichtlinearen nur Informationen über das initiale Stadium des Zerfallvorgangs. Im Falle kleiner wellenförmiger Oberflächenstörun- gen, die z.B. durch Strahlinnenturbulenz hervorgerufen werden können, wirken zunehmende Gasdichte und Relativgeschwindigkeit destabilisierend, während zunehmende Oberflächen- spannung den gegenteiligen Effekt hervorruft. Die hier beschriebenen Stabilitätsuntersuchun- gen gehen davon aus, daß bereits kleine Oberflächenstörungen vorhanden sind. Die Voraus- setzung für korrekte Ergebnisse ist die Kenntnis der korrekten Anfangsbedingungen. Das heißt, daß der Zuströmung, also der Strömung innerhalb des Injektors, besondere Bedeutung zukommt. Ab einem Verhältnis L/D ≈ 30 kann man die Strömung innerhalb eines Injektors als voll ausgebildete turbulente Rohrströmung betrachten. Da die kinematische Randbedin- gung sich am Injektorauslaß sprunghaft verändert, paßt sich auch das turbulente Geschwin- digkeitsprofil dementsprechend an. Allein diese Relaxation des Geschwindigkeitsprofils kann zu Instabilitäten führen [43, 44, 45]. Die turbulente Rohrströmung wurde bereits sehr intensiv erforscht. Experimentelle Ergebnisse liefern z.B. Laufer [46] und Lawn [47]. Darüberhinaus wurden bereits sehr detaillierte direkte numerische Simulationen (DNS) und Grobstruktursi- mulationen (LES) durchgeführt [48, 108]. Wichtig im Hinblick auf die Oberflächendeforma- tion aufgrund von Strahlinnenturbulenz sind die Längenskalen der `kohärenten Strukturen` bzw. der Wirbel. Die räumlichen Ausmaße des turbulenten Spektrums sind begrenzt auf der unteren Seite der Wirbelkaskade durch das kolmogorovsche Längenmaß und auf der oberen Seite durch das Makromaß, welches sich aus den Abmaßen des Strahldurchmessers ergibt. Messungen und Simulationen zufolge gilt, daß die energiereichsten zusammenhängenden Turbulenzballen eine Größe haben, die im Bereich von 10-30% des Strahldurchmessers liegt. Diese energiereichsten Turbulenzwirbel spielen für die Interaktion mit der Flüssigkeitsober- fläche eine besondere Rolle. Die initiale Anfachung der Oberflächendeformation wird nun auf einfache Weise abgeschätzt. Es wird der Impuls der turbulenten Schwankungsgeschwindig- keit mit der rückstellenden Kraft (Oberflächenspannung) verglichen. Mit der Annahme, daß die initiale Oberflächendeformation klein gegenüber dem Strahldurchmesser ist, kann man für den Druck an der Strahloberfläche, der durch die Oberflächenspannung aufgebaut wird, fol- gende Gleichung angeben:    += RR p f 21 11 σσ (2.4) R1 und R2 sind die Krümmungsradien der Oberflächendeformation in den jeweiligen Koordi- natenrichtungen. Der Staudruck hervorgerufen durch die turbulente Schwankungsgeschwin- digkeit wird durch folgende Gleichung beschrieben: up f f S 2' 2 ρ = (2.5) 2 Grundlagen 13 Bei einer kugelförmigen Oberflächendeformation (R1 = R2 = R) und dem Gleichsetzen dieser beiden Drücke, ergibt sich die Abschätzung für den kleinsten zu erwartenden Krümmungsra- dius: u R ff f 2'min 4 ρ σ⋅ = (2.6) Bei einer angenommenen Strahlgeschwindigkeit von ca. 30 m/sec erhält man mit den Stoff- daten eines LO2/H2-Systems und für raketenbrennkammertypische Bedingungen einen kleinstmöglichen Krümmungsradius von ca. 3 µm. Dieser Wert wird in seiner Größenordnung auch von den präziseren numerischen Simulationen bestätigt. Die Turbulenz in der Zuströ- mung ist die dominierende Einflußgröße, die zur initialen Deformation des Flüssigkeitsstrah- les führt. Mit zunehmender Turbulenzintensität ist ein Ablösen von Einzeltropfen aus der Strahloberfläche, allein aufgrund von Turbulenz in der Flüssigkeit, möglich. Im Gegensatz zur linearen Stabilitätsanalyse, die nur im initialen Stadium der Oberflächende- formation angewendet werden kann und die von einer sinusförmig, exponentiell wachsenden Störung ausgeht, beschreibt die nichtlineare Stabilitätsanalyse (nichtlineare) Vorgänge, wie z.B. Wellendeformation und die Evolution einer endlich großen Amplitude einer Welle. Ab- lösungs- und Zerfallsmechanismen sind ebenfalls nur mittels nichtlinearer Stabilitätsanalyse zu beschreiben. Hierbei spielt natürlich auch die aerodynamische Interaktion der koaxialen Gasströmung eine sehr wichtige Rolle. Die Theorie besagt, daß bei ausreichender aerodyna- mischer Interaktion der Ablösevorgang eines Flüssigkeitspartikels dann eingeleitet wird, wenn eine kritische Amplitude der Oberflächenstörung erreicht wird. Man spricht von der Ablösung von Ligamenten, wenn aus dem Strahlinnern nicht mehr genug Material nach- strömt, um die Verbindung zu der äußeren Region aufrecht zu erhalten. Für eine tiefergehende Beschreibung der nichtlinearen Effekte bei der Oberflächendeformation sei auf die Arbeiten von Przekwas [49] und Reitz [50] verwiesen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß der Primärzerfall, das heißt das erste Ablösen von Tropfen und Ligamenten vom flüssigen Kern- strahl, durch die Turbulenz innerhalb des Strahls eingeleitet wird. Durch die aerodynamische Interaktion mit der koaxialen Gasströmung kommt es dann zum beschleunigten Anwachsen und zur Deformation der Oberflächenstörungen, bis sich schließlich Flüssigkeit vom Kern- strahl ablöst. Dabei wird oft vor der Ablösung eine starke Krümmung und Dehnung (Ein- schnürung) der Ligamente beobachtet, die anschließend nach dem Rayleigh-Mechanismus in Tropfen zerfallen. 2.2.1.2 Vorgänge an abgelösten Partikeln − Sekundärzerfall Mit dem Begriff Sekundärzerfall wird der Zerfall eines sich vom flüssigen Kern abgelösten Tropfens (Ligaments) bezeichnet. Während der Sekundärzerfall bei unterkritisch arbeitenden H2/LOX-Raketenbrennkammern in Injektornähe vernachlässigt werden kann, spielt er weiter stromab eine immer wichtigere Rolle. Dies ist dadurch begründet, daß der mittlere Durchmes- ser der vom Kernstrahl abgelösten Partikel stromab immer größer wird und diese Partikel so- mit in der umgebenden Gasströmung instabiler werden. Neben der Darstellung der Modellie- rungsansätze einer Sprayströmung wird in diesem Abschnitt auch auf die verschiedenen Zer- fallsmechanismen eingegangen. Zur Charakterisierung einer Sprayströmung kann die Flüs- 14 2 Grundlagen sigkonzentration α in einem Kontrollvolumen herangezogen werden. Die Größe α stellt das Verhältnis zwischen dem flüssigen Volumenanteil zum Gesamtvolumen im betrachteten Kontrollelement dar. V V VV V Kontroll f gf f = + =α (2.7) Ausgehend von dieser Definition unterscheidet Crowe [51, 52] nach bestimmten Richtlinien zwischen einem dichten und einem dünnen Spray. Hierzu wird das Verhältnis zweier Zeit- skalen verwendet. τae wird als aerodynamische Relaxationszeit bezeichnet und ist mit dem Zeitmaß definiert, das ein Tropfen braucht, um sich bei einer sprunghaften Änderung der Gasströmungsgeschwindigkeit dieser anzupassen, bzw. bis er 63 % der Gasgeschwindigkeit erlangt. Das zweite Zeitmaß (τk ) beschreibt die Zeit zwischen der Kollision zweier Tropfen. Nach diesen Definitionen spricht man von einem dünnen Spray, wenn es durch aerodynami- sche Kräfte kontrolliert wird, d.h. ein Tropfen besitzt genügend Zeit, sich der veränderten Strömungssituation anzupassen, bevor er mit einem anderen Tropfen zusammenstößt. Für ein dünnes Spray gilt also τae/τk < 1. Ein dichtes Spray ist dadurch definiert, daß die Tropfenströ- mung durch Kollisionen bestimmt wird; hier gilt τae/τk > 1. In LOX/H2-Raketenbrenn- kammern sind nach heutigem Kenntnisstand die Einflüsse von Tropfenkollisionen im Gegen- satz zu den aerodynamischen Wechselwirkungen einer Sprayströmung zu vernachlässigen, so daß man in diesen Brennkammern von der Ausbildung dünner Sprayströmungen ausgehen muß. Da die Sprayströmung für viele technische Prozesse eine wichtige Rolle spielt, wird weltweit sehr intensiv auf diesem Gebiet geforscht, mit dem Resultat, daß es viele Modellierungs- ansätze für diese Problemstellung gibt. Im Rahmen dieser Arbeit kann diese Vielfalt nicht dargestellt werden, es sei aber auf [53] verwiesen, wo ein Überblick über die verschiedenen Modellierungsmethoden gegeben wird. Hier soll nur das Prinzip eines Spraymodells darge- stellt werden. Ein modernes Spraymodell muß den Transport von Masse, Impuls und Energie zwischen den Tröpfchen und der umgebenden Gasströmung berücksichtigen. Die Gasströmung wird übli- cherweise mit einem Eulerverfahren und die Tropfenströmung mittels einer Lagrange- Trajektorien-Methode berechnet. Die Erhaltungsgleichungen für Tropfen- und Gasströmung sind über die jeweiligen Quellterme miteinander gekoppelt, die den Transfer von Masse, Im- puls und Energie zwischen der Tropfen- und der Gasströmung beschreiben. Im nächsten Un- terkapitel folgt die Beschreibung des Verdampfungsprozesses an der Phasengrenze. In diesem Zusammenhang stellt der Verdampfungsprozess an der Tröpfchenoberfläche einen Quellterm für die Massenerhaltung der Gasströmung dar, der den Transport von Masse der Tropfen- strömung zur Gasströmung beschreibt. Analoge Transportmodelle müssen auch für den Im- puls- und den Energietransfer zwischen Tropfen- und Gasströmung aufgestellt werden. Obwohl der Sekundärzerfall im Gegensatz zu den Primärzerfallsvorgängen bei LOX/H2- Raketenbrennkammern in Injektornähe eine untergeordnete Rolle spielt, muß in einem mo- dernen Spraymodell dieser Effekt trotzdem berücksichtigt werden, da weiter stromab vom Injektor es durchaus Gebiete gibt, wo große, relativ instabile Ligamente und Tropfen nach verschiedenen Sekundärzerfallsmechanismen in mehrere kleine Partikel zerfallen. In der Lite- ratur [54] wird angegeben, daß ein in der Gasströmung frei beweglicher Tropfen in mehrere kleine stabile Fragmente zerfällt, sobald seine Weberzahl einen kritischen Wert überschreitet. 2 Grundlagen 15 Wie der Zerfallsprozess im Detail vor sich geht, hängt maßgeblich von der initialen Weber- zahl des Tropfens ab. Diese ist wie folgt definiert: σ ρ f initreltrg init ud We 2 , = (2.8) Eine umfassende Zusammenstellung experimenteller Untersuchungen über Mechanismen des Tropfenzerfalls wurde in [55] dargestellt. Aus der Literatur lassen sich 5 grundlegend unter- schiedliche Mechanismen des Tropfenzerfalls identifizieren, die nach der initialen Weberzahl eingeteilt werden. Für sehr kleine Weberzahlen (Weinit < 12) tritt Schwingungszerfall (vibra- tional breakup) ein. Er tritt bereits bei geringfügig über der kritischen Weberzahl liegenden Werten auf. Hierbei schwingt der Tropfen mit seiner Eigenfrequenz und zerfällt schließlich in wenige (meist zwei) große Tropfen, wobei beim Zerfall oft noch einige kleine Satellitentröpf- chen gebildet werden können. Bei Steigerung der initialen Weberzahl (12 < Weinit < 50) wird der Zerfall durch Verformung des Tropfens in eine Scheibe eingeleitet. Dieser `Blasenzerfall` (bag breakup) ist dadurch ge- kennzeichnet, daß die Scheibe sich zu einem massiven torusartigen Ring mit einer relativ dünnen Innenfläche (Membran) ausbildet, die beim Zerfallsvorgang zerplatzt. Der Torus zer- fällt in mehrere größere Tropfen. Bei weiterer Steigerung der Weberzahl (50 < Weinit < 100) entsteht der `Keulenzerfall`(bag-and-stamen breakup), der dem `Blasenzerfall` sehr ähnelt. Hier tritt zusätzlich eine Flüssigkeitssäule auf, die sich entlang der Tropfenachse, parallel zur Anströmung aufbaut und schließlich auch in mehrere Tropfen zerfällt. Bei großen Weberzahlen (100 < Weinit < 350) sind die aerodynamischen Kräfte so dominant, daß der Zerfall durch Abscherung am Tropfenrand eingeleitet wird. Diese auch als `sheet stripping` bezeichnete Zerfallsart zeigt eine drastische Veränderung des Zerfallbildes im Ver- gleich zu denen mit kleinerer Weberzahl. Bei initialen Weberzahlen, die größer als 350 sind, spricht man vom `wave crest stripping`. Dabei werden auf der Oberfläche des Tropfens von der Anströmrichtung kurzwellige Störungen induziert, die beim Erreichen der kritischen Am- plitude den Zerfall des Tropfens verursachen. Um diese Sekundärzerfallsmechanismen zu beschreiben, sind sehr aufwendige Modelle not- wendig. Für Simulationen von kryogenen, unterkritischen H2/O2-Raketenbrennkammern ist es von großem Interesse, die Sprayverbrennung möglichst genau zu modellieren. Dazu müssen nicht nur die Zerfallsmechanismen der Ligamente und Tropfen, sondern auch der Stofftrans- port der flüssigen Phase in die Gasphase bekannt sein. Dieser Verdampfungsprozeß unter brennkammerrelevanten Bedingungen wird im nächsten Abschnitt erläutert. 2.2.2 Stoffübergänge an der Phasengrenze Da in Raketenbrennkammern der Stoffübergang aus der flüssigen Phase in eine Mehrkompo- nenten-Gasphase stattfindet, spricht man in diesem Fall streng genommen von einem Verdun- stungsprozess. Die Verdampfung kennzeichnet im physikalischen Sinn den Stofftransport einer flüssigen Phase in die eigene Gasphase (Einkomponentensysteme). Schik [56] berechnet die Enthalpiedifferenzen beim Phasenübergang eines binären H2/O2-Sytems für verschiedene 16 2 Grundlagen Systemdrücke als Funktion der Temperatur. Man sieht, daß mit Erreichen der jeweiligen kriti- schen Mischungstemperatur diese Enthalpiedifferenz gegen Null geht (vgl. Bild 2.4). Bild 2.4: Enthalpiedifferenz für das binäre System H2/O2 [56] Molekularphysikalisch läßt sich der Verdunstungs- oder Vergasungsprozess folgendermaßen erklären: Die kinetische Energie aller Moleküle sowohl in der flüssigen als auch in der gas- förmigen Phase gehorcht einer Verteilungsfunktion. Die Geschwindigkeit einzelner Moleküle schwankt allerdings sowohl zeitlich als auch örtlich sehr stark aufgrund von zahlreichen Kol- lisionen zwischen den Molekülen. Der Austritt aus der flüssigen Phase in den umgebenden Gasraum ist nur für solche Moleküle möglich, deren kinetische Energie ausreicht, um die in der Phasengrenzfläche wirksamen, zurückhaltenden Kräfte (Kohäsionskräfte) zu überwinden. Somit besitzen die in der flüssigen Phase verbleibenden Moleküle eine geringere kinetische Energie, was sich durch eine Temperaturabnahme während des Vergasungsprozesses bei ur- sprünglicher Isothermie bemerkbar macht. Nur durch Zufuhr der Verdampfungswärme läßt sich der Vergasungsprozess stationär auf der Ausgangstemperatur halten. Dieser durch die kinetische Energie der Moleküle bestimmte Vorgang gilt sowohl für den unter- als auch für den überkritischen Fall. Mit steigendem Druck ändern sich jedoch be- stimmte Bedingungen für die aus der Flüssigkeit austretenden Moleküle. Unterliegt die Mate- rie bei der Vergasung unter niedrigen Drücken einer starken Volumenzunahme, unterscheidet sie sich bezüglich des Volumens bei Erreichen des kritischen Druckes nicht mehr von der Materie, die in der Flüssigkeit verbleibt. Bei einem Einkomponentensystem hat dies die Auf- lösung der Phasengrenze zur Folge. Bei Mehrkomponentensystemen werden die Moleküle, deren kinetische Energie so groß ist, daß sie den Molekülverband in der Flüssigkeit verlassen können, durch Diffusion entsprechend dem Konzentrationsgradienten bzw. durch aufgezwun- gene Konvektion in die Fremdgasumgebung abgeführt. Qualitativ läßt sich der Austritt von O2-Molekülen in das Umgebungsgas mit Hilfe eines Potentialmodells beschreiben: O2- Moleküle in einer flüssigen Phase befinden sich bezüglich ihrer Umgebung in einer Poten- 0 50 100 150 200 250 300 80 90 100 110 120 130 140 150 160 T/[K] hv O 2/[ kJ /kg ] Pr=0,2 0,4 0,6 0,8 1,02,03,0 4,0 5,0 2 Grundlagen 17 tialmulde. Erst bei genügend großer kinetischer Energie besitzen die Moleküle die Fähigkeit, die Potentialmulde zu verlassen. Mit zunehmender Temperatur wird diese Mulde immer fla- cher, bis schließlich beim Erreichen der kritischen Mischungstemperatur alle O2-Moleküle in die Umgebung austreten können. Vergasungsphänomene sind für die Simulation von Verbrennungsvorgängen in Raketen- brennkammern dann besonders wichtig, wenn die Treibstoffe unter Ausbildung einer Sprayströmung aufbereitet werden. Der Verbrennungsprozess wird eingeleitet durch den Pri- märzerfall, bei dem Ligamente und Tröpfchen vom Kernstrahl abgeschert werden. Größere bzw. instabilere Partikel können noch einem Sekundärzerfallsprozess unterzogen werden, wobei die somit entstandenen kleinen, stabilen Tröpfchen anschließend vergasen. Erst dann tritt die Verbrennungsreaktion zwischen den nun in gasförmiger Phase vorhandenen Reakti- onspartnern ein. Hiermit wird deutlich, daß zur Simulation von Vorgängen in Raketenbrenn- kammern, falls sich eine Sprayströmung ausbildet, die Vergasung von Tropfen einen sehr wichtigen (oft bestimmenden) Prozeß darstellt. Aus diesem Grunde wurden für die Problem- stellung der Tropfenvergasung mehrere Modelle entwickelt, wovon einige hier kurz vorge- stellt werden. Den Modellen liegen vereinfachende Annahmen zugrunde, wie z.B. die Gestalt der Tropfen, die bei den meisten Modellen als Kugel angesehen wird. Außerdem werden keine Interaktio- nen zwischen benachbarten Tropfen berücksichtigt und die Radialgeschwindigkeit der Trop- fenoberfläche infolge der Vergasung wird vernachlässigt. Für die Phasengrenzfläche wird mechanisches und thermisches Gleichgewicht angenommen. Eines der ältesten und somit auch eines der einfachsten Tropfenvergasungsmodelle ist das D2- Modell [57]. Hier wird eine sowohl zeitlich als auch räumlich konstante Tropfentemperatur angenommen. Das Quadrat des Tropfendurchmessers (~ Tropfenoberfläche) hängt linear von einer Verdunstungskonstanten und von der Zeit ab (D2(0) – D2(t) = Kv * t). Die in Richtung Tropfen fließende Wärme dringt nicht in den Tropfen ein, sondern wird komplett zur Ver- dampfung verbraucht. Die so berechneten Massenströme sind unrealistisch hoch, da die Auf- heizung des Tropfens vernachlässigt wird. Die Aufheizphase der Tropfen kann mittels zweier unterschiedlicher Modellansätze berück- sichtigt werden. Das Rapid-Mixing-Modell [58] beinhaltet die Annahme einer sehr starken Flüssigkeitszirkulation für die flüssige Phase. Dies bewirkt, daß eine Wärmezufuhr an den Tropfen die Temperatur des gesamten Tropfens instantan erhöht (siehe Gleichung 2.9). Es wird somit eine zeitliche, aber keine räumliche Temperaturabhängigkeit des Tropfens berück- sichtigt.    ⋅∆−⋅ ⋅ = dt dm hQ cmdt dT vv fp Tr  , 1 (2.9) Beim weiterentwickelten Conduction-Limit-Modell [59] wird zusätzlich zur zeitlich instatio- nären auch die räumlich nicht-konstante Temperaturverteilung beachtet. Der Wärmeeintrag in den Tropfen gelangt durch Wärmeleitung bis zum Tropfenmittelpunkt. Für die räumlich und zeitlich abhängige Temperatur wird folgende Gleichung angegeben:    ∂ ∂ ∂ ∂ ⋅= ∂ ∂ r T r rrt T fTr 2 2 α (2.10) 18 2 Grundlagen Da hier die Differentialgleichungen der Wärmeleitung im Tropfen gelöst werden müssen, ist dieses Modell aufwendiger als die vorigen, allerdings wird deshalb, der aus dem Tropfen austretende Massenstrom realistischer wiedergegeben. Für eine tiefergehende Ausführung der Phänomenologie des Tropfenvergasungsprozesses und eine ausführlichere Darstellung vor- handener Modelle sei auf die Arbeiten von Olthoff [60] und Varnavas [61] verwiesen. 2.3 Charakterisierung des Einspritz- und Treibstoffaufbereitungsprozesses In den Ingenieurwissenschaften hat es sich durchgesetzt, komplexere Vorgänge anhand von Kennzahlen zu beschreiben, da diese durch sinnvolle Definition eine drastische Datenredukti- on gewährleisten. Auch hier, bei der Beschreibung und Klassifizierung der Einspritzbedin- gungen, hat sich die Verwendung von dimensionslosen Kennzahlen bewährt. Eine wichtige Größe zur Charakterisierung des Treibstoffaufbereitungsprozesses ist z.B. die Länge des in- takten Kernstrahls. Im Bereich der Zweiphasenströmung, speziell auch der Flüssigkeitszer- stäubung, ist eine Vielzahl an Kennzahlen bekannt. Die Klassifikation erfolgt hauptsächlich anhand des Tropfendurchmesserspektrums und der Tropfengeschwindigkeit und –verteilung in Raum und Zeit. Scheubel [62] führte 1927 eine Kennzahl ein, die später als Weberzahl be- zeichnet wurde und die heutzutage für die Beschreibung des Zerstäubungsvorgangs als wich- tigste Kennzahl angesehen wird. Aerodynamische Weberzahl: σ ρ f igg g du We 2 = (2.11) Die unabhängigen Parameter zur vollständigen Beschreibung des koaxialen Treibstoffaufbe- reitungsprozesses liegen in den Bereichen des Injektordesigns, der thermodynamischen und strömungsmechanischen Zuströmbedingungen und den Stoffeigenschaften der Fluide. Im er- sten Bereich sind bei der Beschreibung der Geometrie im einfachsten Fall drei Größen zur vollständigen Definition nötig, was durch folgende Abbildung veranschaulicht wird. Bild 2.5: Verschiedene Designs für Koaxialinjektoren Bild 2.5 zeigt diejenigen Größen, die zur eindeutigen Spezifizierung des Designs eines Koa- xialinjektors benötigt werden. Im Fall a) sind es 3 Größen (di, da, tmat), im Fall b) kommt noch eine Größe zur Spezifikation der Länge, um die das Innenrohr zurückgesetzt ist (Recesslänge 2 Grundlagen 19 lrec) hinzu und im Fall c) muß zusätzlich noch die Anphasung (Tapering) beschrieben werden. Hierzu braucht man normalerweise 2 Größen: den Anphasungswinkel und einen Bezugs- punkt, der den Beginn der Anphasung beschreibt (α, b). Durch diese Daten sind die geometri- schen Randbedingungen des zu beschreibenden Injektionsvorgangs vollständig spezifiziert. Es verbleibt noch die Beschreibung der Zuströmbedingungen. In dieser Arbeit werden schwerpunktmäßig überkritische Brennkammerbedingungen unter- sucht, bei denen ab der kritischen Mischungstemperatur kein Unterschied zwischen flüssiger und gasförmiger Phase existiert (Fluide). Da allerdings die Dichte des Sauerstoffs im Ein- spritzzustand, für sämtliche in dieser Arbeit untersuchten Betriebszustände, um ein bis zwei Größenordnungen höher ist als die Dichte des Wasserstoffs, wird der Sauerstoff in der Brenn- kammer weiterhin als `Flüssigkeit` und der Wasserstoff als `Gas` bezeichnet. Im überkriti- schen Druckbereich tritt aber keine „Zerstäubung“ mehr auf, wie sie bei weit unterkritischen Betriebsbedingungen beobachtet wird (vgl. Bilder 3.3 und 3.18). Bei den Zuströmbedingungen spielen die Strömungsgeschwindigkeiten eine sehr wichtige Rolle. Sowohl die Geschwindigkeit der Gasströmung ug als auch der Flüssigströmung uf be- sitzen im Injektor keinen konstanten Wert, sondern ein Profil. Für die weiteren Betrachtungen kennzeichnen uf und ug die mittlere Strömungsgeschwindigkeit, die die Massenerhaltung im Rohrsegment nach den Gleichungen uAmuAm ggggffff ⋅⋅=⋅⋅= ρρ  ; (2.12) wiedergibt. In der Praxis werden die gewünschte Austritts- bzw. Strömungsgeschwindigkeit (uf, ug) über den Massenstrom ( (dm/dt)f, (dm/dt)g ) bzw. über die Massenstromregelung ein- gestellt (uf und ug wurden in diesen Versuchen nicht direkt gemessen). Neben den beiden wichtigsten Größen uf und ug, die die Zuströmung charakterisieren, muß bei tiefergehenden Analysen das jeweilige Turbulenzfeld in der Zuströmung berücksichtigt werden. Dazu wird sowohl für die Flüssigkeit als auch für die Gasströmung die Turbulenzin- tensität eingeführt, die folgendermaßen definiert ist (strömungsmechanische Zuströmbedin- gungen): ( ) ( ) u u Tu u u Tu g g g f f f 2/2/ ; == (2.13) Zu den thermodynamischen Zuströmbedingungen gehören die Einspritztemperaturen (Tf, Tg) und der Systemdruck p unter welchem die Treibstoffe in die Brennkammer eintreten. Mit Hil- fe der thermodynamischen Zustandsgleichung (siehe Gleichung 2.14) für die eingespritzten Medien kann man die Dichte der Treibstoffe berechnen. ( )pTf ,=ρ (2.14) Über Gleichung (2.12) sind die geometrischen Randbedingungen mit den Zuströmbedingun- gen gekoppelt. Auf die Phänomenologie der Treibstoffaufbereitung bei verschiedenen Zu- ständen wirken auch Stoffgrößen wie die Viskosität (µf, µg) oder die evtl. vorhandene Ober- flächenspannung σ ein. Während die Oberflächenspannung direkt den Zerstäubungsvorgang beeinflußt, wirkt die Viskosität hauptsächlich in der Düseninnenströmung, indem sie bei ge- gebenen Massentrömen die Geschwindigkeitsprofile maßgeblich bestimmt. Diese Größen 20 2 Grundlagen sind keine unabhängigen bzw. frei wählbaren Größen mehr, da sie durch die Medien und den thermodynamischen Zustand (T, p) bereits feststehen. Aber die Werte dieser Größen geben oftmals Anhaltspunkte, nach denen der Injektionsvorgang spezifiziert werden kann. Das Ziel ist, diese unabhängigen Parameter sinnvoll zusammenzufügen und daraus Kennzah- len zu bilden, die gewisse Einzelprozesse oder Gesamtprozesse der koaxialen Treibstoffaufbe- reitung möglichst gut beschreiben. Bei gegebener Geometrie (3-5 Daten) sind 5 weitere Daten nötig, um einen koaxialen Injektionsvorgang prinzipiell zu beschreiben. Die beiden Ein- spritztemperaturen Tf, Tg und der Systemdruck p sind die ersten drei Daten, die grundlegend den thermodynamischen Zustand beschreiben. Für die verbleibenden zwei Beschreibungsgrö- ßen existieren viele Möglichkeiten, und es wurde eine Reihe von Vorschlägen gemacht, um eine möglichst große Aussagefähigkeit über die Phänomenologie des Einspritzvorganges da- mit zu erhalten. Die beiden einfachsten Größen sind die Einströmgeschwindigkeiten uf und ug oder die daraus resultierenden Massenströme (s. Gl. (2.12)). In der Literatur hat es sich jedoch durchgesetzt, Verhältniskennzahlen einzuführen wie z.B. das Massenstromverhältnis und das Impulsstromverhältnis [63]. uA uA M fff ggg ⋅⋅ ⋅⋅ = ρ ρ (2.15) uA uA I fff ggg 2 2 ⋅⋅ ⋅⋅ = ρ ρ (2.16) Mayer [42] gibt in seiner Arbeit an, daß die aerodynamische Wechselwirkung zwischen koa- xialer Gasströmung und der Flüssigkeitsoberfläche ganz wesentlich vom Staudruck des Gases abhängt. Vor allem lokale Ablöseprozesse werden durch die Wirkung des Staudrucks der Koaxialströmung auf den Kernstrahl bestimmt. Aus diesem Grunde wird hier anstelle des Impulsstromverhältnisses I und des Massenstromverhältnisses M für die Charakterisierung des Treibstoffaufbereitungvorgangs die Einströmgeschwindigkeit des flüssigen Kernstrahles uf und der Staudruck pst vorgeschlagen. pst wird wie folgt (Gleichung 2.17) definiert. ( )2 2 uu p fg g St −= ρ (2.17) Wie bei allen strömungsmechanischen Problemen, bei denen Turbulenzeffekte eine Rolle spielen, ist die Reynoldszahl eine bedeutende Kenngröße. Bei den Phänomenologieuntersu- chungen der koaxialen Treibstoffaufbereitung wird die Reynoldszahl, sowohl des Kernstrah- les (di: Düseninnendurchmesser) als auch des Koaxialstrahles (y: Ringspaltbreite; hydrauli- scher Durchmesser: 2y), sehr oft als charakterisierende Kenngröße verwendet. µ ρ µ ρ g gg g f ffi fl uyud 2 Re;Re == (2.18) In der folgenden Tabelle sind für einige wichtige Raketentriebwerke und für die in dieser Ar- beit untersuchte Modellbrennkammer C die Betriebsbedingungen und die relevanten Kenn- zahlen dargestellt. 2 Grundlagen 21 Space Shuttle Haupttriebwerk (SSME) Ariane 5 Haupt- triebwerk HM60 (Vulcain) Ariane 4 Ober- stufentriebwerk (HM7) Modellbrennkammer C Di [mm] 5.5 4.6 3.0 4.0 Da [mm] 10.5 7.9 5.9 6.5 - 7.9 tmat [mm] 0.4 1.15 0.55 0.3 y [mm] 2.1 0.5 0.9 0.95 – 1.65 P [bar] 207 100 36 30 - 60 Tf [K] 105 95 95 127 Tg [K] 820* 90 130 125 ρf [kg/m3] 1120 1140 1120 935.56 – 956.08 ρg[kg/m3] 11* 25 7 5.73 – 11.68 uf [m/sec] 26 20 16 24 ug [m/sec] 295* 265 270 269.2 – 310.1 Ref [-] 8.56e5 5.83e5 2.98e5 9.07e5 Reg [-] 6.36e5 2.94e6 7.30e5 6.54e6 M [-] 0.259 0.203 0.211 0.214 I [-] 2.939 2.689 3.561 2.592 pst [N/m2] 3.98e5 7.50e5 2.25e5 3.54e5 Weg [-] 8.4e5 8.7e5 1.4e5 8.5e5 Tabelle 1: Geometrie- und Einspritzbedingungen verschiedener Raketenbrennkammern * vorverbranntes Gasgemisch 3 Experimentelle Ergebnisse Die experimentellen Untersuchungen wurden an den Prüfständen P8 und M3 des DLR in Lampoldshausen durchgeführt. Der P8 (siehe Anhang 9.3) ist ein Hochdruckforschungsprüf- stand, der Brennkammerdrücke bis 300 bar realisieren kann. Er wurde 1996 in Betrieb ge- nommen und entstand aus einer Kooperation zwischen der SEP, CNES, DASA und dem DLR [64]. Dieser Prüfstand eignet sich somit sehr gut, um überkritische Brennkammerzustände zu untersuchen. Der Prüfstand M3 (siehe Anhang 9.4) ist ebenfalls ein Forschungsprüfstand, der allerdings Brennkammerdrücke nur bis ca. 20 bar realisieren kann. Der Vorteil von M3 ge- genüber P8 ist die größere Versuchsfrequenz, die gefahren werden kann. Der Forschungsprüf- stand M3 ist zur Untersuchung von unterkritischen Brennkammerbedingungen ausgelegt, wie sie bei jedem Triebwerk, z.B. bei der Zündung, auftreten. 3.1 Untersuchungen der Zündprozesse Beim Anfahren von Raketentriebwerken stellt die Zündung einen der kritischsten Momente dar. Ein unkontrollierter Zündvorgang kann zu Beschädigungen am Triebwerk führen. In der Vergangenheit sind aufgrund von Fehlzündungen auch ganze Missionen gescheitert (Aria- ne IV; Flüge: V15 und V18) [65, 66, 67]. Bei den in diesem Unterkapitel dargestellten Versu- chen wurde die Phänomenologie der Prozesse beim Zündvorgang untersucht. Die transienten Vorgänge beim Einspritzen, Vermischen und Zünden wurden detailliert analysiert, um Aus- sagen über maßgebliche Einzelprozesse treffen zu können. Diese Versuche wurden mit einer, speziell für Untersuchungen von Zündvorgängen ent- wickelten, 1-Injektor-Modellbrennkammer durchgeführt. Bild 3.1 zeigt den Querschnitt dieser Modellbrennkammer. Bild 3.1: Modellbrennkammer zur Untersuchung von Zündprozessen 3 Experimentelle Ergebnisse 23 An beiden Seitenflächen sind Quarzglasfenster angebracht. Sie gewährleisten optische Zu- gänglichkeit über die gesamte Brennkammerlänge. Als Diagnostikmethoden wurden die Kurzzeit- bzw. Hochgeschwindigkeitsphotographie [68, 69] angewandt, um die Strömungs- mechanik und die Morphologie der Treibstoffaufbereitung zu untersuchen. Außerdem wurden OH-Emissionsaufnahmen [70] durchgeführt, um die Verbrennungszonen zu detektieren. In Bild 3.2 ist der optische Diagnostikaufbau der Kurzzeitphotographieversuche dargestellt. Bild 3.2: Diagnostischer Versuchsaufbau: Kurzzeitphotographie Es wurden Versuche mit verschiedenen H2-Einspritztemperaturen (100 K und 200 K) gefah- ren, um deren Einfluß auf die Phänomenologie des Treibstoffaufbereitungsprozesses zu unter- suchen. Da die Bildwechselfrequenz bei der Kurzzeitphotographie zu klein ist, um die transi- enten Vorgänge während der Zündphase aufzulösen, können mit diesem Diagnostikverfahren nur Vergleiche zwischen stationär brennenden Einspritzzuständen gezeigt werden. Es wurden zwei verschiedene Einspritzzustände bei einem konstanten Brennkammerdruck von 1,8 bar realisiert. Da der Injektor am M3 direkt an einem LN2-Bad montiert ist, und der Sauerstoff in einem Dewar in diesem Bad verflüssigt wird, hat man in allen Versuchen eine Einspritztem- peratur des Sauerstoffs von 77 K, was der Siedetemperatur des Stickstoffs bei Atmosphären- druck entspricht. Folgendes Bild 3.3 zeigt Schattenaufnahmen längs der Brennkammerachse bei vier verschie- denen axialen Positionen, wobei jede Position einen Bereich von 22 mm darstellt und somit der Einspritzstrahl beginnend vom Einspritzkopf bis zu einer Länge von 88 mm visualisiert wird. In diesen Schattenbildern sieht man makroskopische Ligamente, die sich vom Kern- strahl ablösen und die anschließend in größere Tropfen zerfallen. Es ist zu erkennen, daß bei der letzten Position weniger kleine Tröpfchen existieren als an der vorherigen Position. Dies liegt daran, daß die kleinsten Tröpfchen vorher verdampft sind, und an der hintersten Position somit nur die größeren Partikel übrigbleiben. 24 3 Experimentelle Ergebnisse Axiale Position X auf der Schattenaufnahme für Schattenaufnahme für Strahlachse TH2 = 100 K TH2 = 200 K Position 1: (X = 0 mm bis X = 22 mm) Position 2: (X = 22 mm bis X = 44 mm) Position 3: (X = 44 mm bis X = 66 mm) Position 4: (X = 66 mm bis X = 88 mm) Bild 3.3: Vergleich von Heißgasaufnahmen (Kurzzeitphotographie) für verschiedene Einspritztemperaturen des Wasserstoffs bei p = 1.8 bar 3 Experimentelle Ergebnisse 25 Allgemein kann festgestellt werden, daß der Unterschied zwischen den H2- Einspritztemperaturen von 100 K bzw. 200 K nicht sehr gravierend ist. Man erkennt, daß die Interaktion des ummantelnden H2-Strahles auf die Oberfläche des LOX-Strahles bei den hö- heren H2-Einspritztemperaturen intensiver ist. Dies äußert sich durch strärkere Oberflächen- deformation und eine etwas kürzere intakte Strahllänge für den Fall der hohen H2- Einspritztemperaturen (intakte Kernstrahllänge für H2-Einspritztemperatur von 100 K ca. 48 mm ; intakte Kernstrahllänge für H2-Einspritztemperatur von 200 K ca. 39 mm). Um die Transienten beim Übergang der anfänglich kalten Zerstäubung zum stationären Heiß- betrieb aufzulösen, wurde eine Hochgeschwindigkeitskamera eingesetzt (Cordin Trommel- kamera; Typ 350E). Die Kamera wurde bei diesen Versuchen mit einer Bildwechselfrequenz von 1500 Bildern/sec eingesetzt. Bild 3.4 zeigt den optischen Versuchsaufbau mit der Trom- melkamera in schematischer Darstellung. Bild 3.4: Diagnostischer Versuchsaufbau: Hochgeschwindigkeitskinematographie Die Aufnahmen, die mit der Hochgeschwindigkeitskamera gemacht wurden, zeigen einen Ausschnitt von 16 mm Länge in axialer Richtung beginnend am Injektoraustritt. Die Bedin- gungen sind die gleichen wie bei den Kurzzeitaufnahmen, d.h. der Brennkammerdruck steigt vom Atmosphärendruck vor Beginn der Einspritzung auf einen Druck von 1,4 bar bei einge- spritzten Treibstoffen, aber ohne Zündung und schließlich bis auf den stationären Brennkam- merdruck von 1,8 bar im heißen Zustand. Die Einspritztemperatur des Wasserstoffs beträgt bei diesen Aufnahmen 100 K. Da die Zündung sich in einem sehr kurzen Zeitintervall ab- spielt, und der Zündzeitpunkt bei den meisten Brennkammern geringen Schwankungen un- terworfen ist, war es nicht trivial, diesen Zündzeitpunkt mit der Trommelkamera zu erfassen. Die Startsequenz mußte soweit optimiert werden, bis die Zündung möglichst stabil und immer zum exakt gleichen Zeitpunkt erfolgt, erst dann konnte die Triggerung der Hochgeschwindig- keitskamera dem Zündzeitpunkt angepaßt werden. Bild 3.5 zeigt eine zeitlich hochaufgelöste 26 3 Experimentelle Ergebnisse Reihenfolge von Schattenaufnahmen, die den transienten Charakter des Zündvorgangs dar- stellt. Bild 3.5: Bildsequenz; aufgenommen mit der Trommelkamera zur Visualisierung des Zündvorgangs Die Veränderung der Strömungsmorphologie von einer kalten Zerstäubung hin zum stationä- ren Verbrennungsprozeß ist sehr gut zu erkennen. Beim ersten Bild (oben, links) ist der Zeit- punkt t = 0 definiert. Die Fahrventile der Treibstoffe sind bereits geöffnet, aber der Zünder ist noch nicht eingeschaltet. Die oberen beiden Aufnahmen sind somit als stationäre Zustände der kalten Zerstäubung zu sehen. Von der ersten zur zweiten Bildreihe wurde ein Zeitsprung zum Zündzeitpunkt durchgeführt. Der Zünder wird vom Steuerprogramm zum Zeitpunkt t = 0,013 sec eingeschaltet. Die Aufnahmen in Reihe 2 und 3 von Bild 3.5 stellen den insta- tionären Übergang dar, wobei sich die Flamme stabilisiert und der Brennkammerdruck von 1,4 bar auf den stationären Brennkammerdruck von 1,8 bar ansteigt. Beim Vergleich der Bil- der läßt sich feststellen, daß die ersten Verbrennungsprozesse nicht am Injektor, sondern etwa ab 15 mm stromab der Einspritzplatte beginnen. Der Brennkammerzeichnung (siehe Bild 3.1) T1 = 0 sec T2 = 6.7 * 10-4 sec T3 = 0.0134 sec T4 = 0.01407 sec T5 = 0.01474 sec T6 = 0.01541sec T7 = 0.02211 sec T8 = 0.02278 sec 3 Experimentelle Ergebnisse 27 ist zu entnehmen, daß sich der Zünder 40 mm entfernt vom Injektor befindet. Ab dieser axia- len Entfernung vom Injektor finden die ersten Zündvorgänge statt. Wie man in Bild 3.5 er- kennen kann, schlägt die Flamme in Richtung Injektor. Die Aufnahmen 3-6 zeigen deutlich, daß die Flamme sich dem Einspritzkopf nähert, und ab dem Zeitpunkt t = 0,02211 sec sitzt die Flamme direkt am Injektor. Die unteren beiden Aufnahmen befinden sich somit im stationä- ren Verbrennungszustand und der Brennkammerdruck beträgt hier 1,8 bar. Der kalte Ein- spritzzustand ist durch eine feinere Zerstäubung und durch eine stärkere Verbreiterung des Einspritzstrahles gekennzeichnet. Im Heißfall bilden sich größere Ligamente am Kernstrahl, die sich ablösen, in große Tropfen zerfallen und anschließend verdampfen und verbrennen. So erkennt man in den Aufnahmen 3-6, daß der linke Teil des Einspritzstrahles der Phänomeno- logie der kalten Zerstäubung entspricht bis zu einem gewissen Punkt, der abgehobenen Flammfront. Diese Zündfront bewegt sich zum Injektor, und hinter dieser Front entspricht die Phänomenologie des Strahlzerfalls und der Treibstoffaufbereitung der Zerstäubung im Heiß- betrieb. Neben der Strömungsvisualisierung wurden auch Versuche zur Flammenvisualisierung durchgeführt. Dazu wurden die OH-Emissionen detektiert. Erfaßt wurden die OH- Emissionsintensitäten von einer CCD-Kamera (Dicam), wobei der Kamera ein OH-Filter vor- geschaltet war, der folgende Transmissionswerte aufweist: Bild 3.6: Transmissionswerte eines Interferenzfilters (benutzt als OH-Filter) Die OH-Radikale, die bei der Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff entstehen, besit- zen einen elektronischen Übergang (siehe Kapitel 6 und [71]), der nach der Gleichung E h =λ (3.1) einer emittierten Lichtwellenlänge von λ = 306,4 nm (Maximalwert) entspricht [72]. Mit die- sem Filter ist es somit möglich, die Emission dieses OH-Übergangs zu separieren. Um ein eingefrorenes Bild der OH-Verteilung zu detektieren, müssen sehr kurze Verschlußzeiten (Gate) am Steuergerät der Kamera eingestellt werden, was jedoch eine Abschwächung der detektierten Intensitäten zur Folge hat. Um eine Auswertung zu ermöglichen, muß deshalb die 0 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 0,12 0,14 0,16 0,18 0,2 300 305 310 315 320 λ [nm] Tr an sm is si on sg ra d 28 3 Experimentelle Ergebnisse Bildverstärkung (Gain) korrekt angepaßt sein. Die Bildwechselfrequenz der Kamera beträgt 50 Hz. Mit dieser Frequenz ist es aufgrund der hohen Strömungsgeschwindigkeiten in der Brennkammer (10 m/sec – 300 m/sec) nicht möglich, korrelierte Einzelbilder aufzunehmen. Allerdings können bei ausreichender Anzahl der somit statistisch unabhängigen Einzelbilder (eingefrorene Momentaufnahmen der Strömung), mit Hilfe statistischer Auswertemethoden (2-Punkt Korrelation, siehe Kapitel 5), Aussagen über relevante Skalen dieses Treibstoffauf- bereitungsprozesses gemacht werden. Die Einstellungen der Kamera werden in folgender Ta- belle zusammengefaßt: Anzahl der Einzelbilder Gate (Verschlußzeit) Gain (Bildverstärkung) Blendenzahl 250 100 nsec 4,2 mV 4,5 Tabelle 2: Einstellungen der bildintensivierten CCD-Kamera (Dicam) An die CCD-Kamera wird ein SVHS-Videorekorder angeschlossen, der die detektierten Ein- zelbilder auf Band abspeichert. Zur späteren Auswertung werden die Einzelbilder vom Video- band mittels Videosoftware digitalisiert und auf einen Computer übertragen. Folgendes Bild zeigt den diagnostischen Versuchsaufbau der OH-Emissionsversuche. Bild 3.7: Diagnostischer Versuchsaufbau: OH-Emissionsaufnahmen (Dicam) Die CCD-Kamera besitzt einen 8 Bit Chip (dynamischer Bereich: 0-255). Jedes Pixel der de- tektierten Grauwertbilder hat somit einen Intensitätswert zwischen 0-255. Um eine bessere Anschaulichkeit zu erlangen, werden die Graubilder durch eine feste Farbskala in eine Falschfarbendarstellung umgewandelt. Der CCD-Chip löst das Bild in einer Fläche von 577x577 Pixel auf. Die Kamera wurde so justiert, daß die gesamte Brennkammerhöhe und eine Brennkammerlänge von 40 mm detektiert werden konnten. Es wurden, analog zu den Schattenaufnahmeversuchen, zwei verschiedene Betriebsbedingungen gefahren, wobei der variierte Parameter die H2-Einspritztemperatur war. Untersucht wurden H2-Temperaturen von 100 K und 200 K, und der Brennkammerdruck betrug wieder jeweils 1,8 bar. Bild 3.8 zeigt eine Sequenz von Einzelbildern. 3 Experimentelle Ergebnisse 29 Sequenz von Einzelschüssen: TH2 = 100 K TH2 = 200 K Bild 3.8: Bildsequenz von OH-Einzelbildern (Falschfarbendarstellung) In Bild 3.8 ist zu erkennen, daß die OH-Verteilung bei einer H2-Einspritztemperatur von 200 K stärker verbreitert wird als bei 100 K. Vergleicht man diese Erkenntnis mit den Er- kenntnissen aus Bild 3.3 wird folgendes deutlich: Im stationären Heißbetrieb der Brennkam- mer zeigen sowohl die Schattenaufnahmen (siehe Bilder 3.3 und 3.5) als auch die OH- Emissionsaufnahmen (siehe Bilder 3.8, 3.9 und 3.10) den Effekt, daß bei höherem Eintritts- impuls (resultierend durch die höhere H2-Einspritztemperatur) die aerodynamische Interaktion der Koaxialströmung auf den Kernstrahl stärker ist. Es werden kompakte Ligamente und Tropfen eher vom Kernstrahl abgelöst und wegtransportiert. Durch anschließendes schnelles Verdampfen und Verbrennen bilden sich somit Reaktionszonen, die einen größeren radialen Abstand zum Kernstrahl haben, als bei niedrigerem H2-Einströmimpuls mit der H2- Einspritztemperatur von 100 K. Für die weitere Auswertung wurden diese Einzelbilder ge- mittelt. Bild 3.9 zeigt den Durchschnitt aller OH-Aufnahmen. Bild 3.9: Gemittelte OH-Intensitäten (Falschfarbendarstellung) TH2 = 100 K TH2 = 200 K 30 3 Experimentelle Ergebnisse In Bild 3.9 ist ebenfalls die oben erklärte, unterschiedliche Verbreiterung der Verbrennungs- zonen bei 100 K und 200 K H2-Einspritztemperatur zu sehen. Diese OH-Emissionsaufnahmen stellen eine integrale Intensitätsmessung dar (`Line of Sight`). Um Informationen über die reagierende Scherschicht zu bekommen, ist es allerdings sinnvoller, einen 2-dimensionalen Querschnitt zu betrachten, den man aus den integrierten Emissionsaufnahmen mit Hilfe der Abeltransformation [73] berechnen kann. Diese Transfor- mationstechnik wird später auch für die Hochdruckversuche bei 30 bar und bei 60 bar ange- wandt, allerdings nur bei gemittelten OH-Bildern und nicht wie hier auch bei den OH- Einzelschüssen. Der Grund hierfür ist, daß diese Transformation Rotationssymmetrie der OH- Verteilung voraussetzt, was bei gemittelten Bildern gewährleistet wird. Bei den in diesem Kapitel betrachteten Niederdruckversuchen wird diese Transformationstechnik exemplarisch auch auf OH-Einzelschüsse angewandt. Folgende Abbildung (Bild 3.10) zeigt, sowohl für die Einzelbilder (s.Bild 3.8) als auch für die gemittelten Bilder (s. Bild 3.9), ein Schnittbild durch die Scherschicht und zwar für beide H2-Einspritztemperaturen von 100K und 200K. Bild 3.10: Abeltransformierte OH-Bilder Bei den Einzelschußaufnahmen erkennt man deutlich die momentanen Reaktionszonen und die lokale Flammenform und –dicke. Durch die Abeltransformation der gemittelten Bilder läßt sich die gesamte Zone darstellen, innerhalb derer turbulente Verbrennungsprozesse ablau- fen. Die Flamme fluktuiert innerhalb der reagierenden Scherschicht aufgrund von Turbulenz. Die radiale Position der reagierenden Scherschicht wird allerdings maßgeblich von großskali- gen Strahlinstabilitäten bestimmt. Diese bewirken eine scheinbare Verbreiterung der abel- transformierten OH-Zonen. Allerdings können die Strahlinstabilitäten im injektornahen Ge- biet vernachlässigt werden, und somit ist es möglich, in diesem Gebiet aus den gemittelten Bildern auch die mittlere Scherschichtdicke abzulesen. Um eine bessere Einordnung und ei- Einzelschuß: TH2 = 100 K Einzelschuß: TH2 = 200 K Mittelwert: TH2 = 100 K Mittelwert: TH2 = 200 K 3 Experimentelle Ergebnisse 31 nen Vergleich zwischen der Strömungsphänomenologie (Schattenaufnahmen) und den chem. Reaktionszonen (OH-Emissionsaufnahmen) zu erhalten, sind diese beiden Visualisierungs- techniken in einem Bild zusammengefaßt. Schattenaufnahme + OH-Verteilung (abeltransformiert) TH2 = 100 K TH2 = 200 K Bild 3.11: Gemeinsame Darstellung einer Schattenaufnahme und OH-Verteilungen bei TH2=100K und TH2=200K Man erkennt in Bild 3.11 die intensivere Abscherung von größeren Ligamentstrukturen bei TH2=200K als bei 100K. Dies hat zur Folge, daß die Verbrennungszonen (OH-Zonen) bei TH2=200K an radial weiter außen gelegener Position auftreten können als bei TH2=100K. Au- ßerhalb der OH-Zonen sind keine Tropfen oder Ligamente mehr zu sehen. Wie dieser Ver- gleich der OH- und der Schattenaufnahmen zeigt, treten keine kompakten Sauerstoffpartikel durch die Reaktionszonen durch. Sie verdampfen vollständig innerhalb der reagierenden Scherschicht. In diesem Kapitel werden die experimentellen Ergebnisse dargestellt. Die detaillierte Aus- wertung und Analyse erfolgt in Kapitel 5 mit der Ableitung relevanter Zeit- und Längenska- len, deren Vergleich mit den chemischen Zeitskalen und die Einordnung der lokalen Zustände ins Borghi-Diagramm [20]. Neben diesen weit unterkritischen Brennkammerversuchen am M3 wurden auch Versuche bei höheren Drücken von 30 bar und 60 bar am P8 gefahren. Die- se werden in den folgenden Abschnitten betrachtet. 3.2 Stationäre Versuche bei höheren Druckstufen Stationäre Versuche bei realen Brennkammerdrücken (Hochdruck) wurden mit einer gläser- nen Modellbrennkammer am Prüfstand P8 [64] durchgeführt. Diese Modellbrennkammer (siehe Bild 3.12) wurde bei dem DLR in Lampoldshausen entwickelt und für maximale Brennkammerdrücke bis 100 bar ausgelegt. Sie besitzt vier Fenster, die den optischen Zugang gewährleisten sollen, wobei die zwei schmalen Fenster für Lichtschnittmeßtechniken vorge- sehen sind. Eingesetzt werden hauptsächlich Schattenaufnahmetechniken zur Untersuchung der Strömungsmorphologie und OH-Emissionsaufnahmen, um die Flammenzonen zu detek- 32 3 Experimentelle Ergebnisse tieren. Ein Ziel dieser Versuche ist es, räumliche Meßdaten zu erfassen, und daraus über Zweipunkt-Korrelationsfunktionen, die turbulenten Zeit- und Längenskalen zu bestimmen. Dies wird in Kapitel 5 erläutert, in welchem die experimentell bestimmten Skalen mit den numerisch simulierten turbulenten und mit den chemischen Zeit- und Längenskalen vergli- chen werden. Bild 3.12: Modellbrennkammer mit Skizze und relevanten geometrischen Größen Die beiden großen Beobachtungsfenster der Modellbrennkammer haben eine Länge von 100 mm in axialer Richtung und eine Höhe von 25 mm. In axialer Richtung wurden drei Po- sitionen im Abstand von 30 mm abgefahren. Es wurden Versuche bei zwei unterschiedlichen Druckniveaus durchgeführt, einem unterkritischem Druck von 30 bar bzw. einem überkriti- schem Druck von 60 bar. Auf die Ergebnisse dieser Hochdruckversuche soll im Folgenden näher eingegangen werden. 3.2.1 Versuche bei unterkritischem Druck (30 bar) Aufgrund der geringen Massenströme (untere Grenze des P8-Auslegungsbereichs) und des Wärmeeintrags an den ungekühlten Interfaceanschlüssen war es nicht möglich, Einspritztem- peraturen von 100 K zu erreichen. Die realisierten Einspritztemperaturen waren 127 K für den Sauerstoff und 125 K für den Wasserstoff. In der folgenden Tabelle sind die relevanten geo- metrischen Daten und die Betriebsdaten für die Versuche bei 30 bar aufgelistet: Geometrische Daten Zuströmbedingungen: Dch 50 mm TLOX 127 K ρLOX 935,56 kg/m3 DLOX 4 mm TH2,inj 125 K ρH2,inj 5,7340 kg/m3 tmat 0,3 mm TH2,win 293 K ρH2,win 2,4398 kg/m3 Dinj 7,9 mm mLOX 0,28 kg/sec VLOX 23,816 m/sec twin 1,0 mm m injH2, 0,05 kg/sec VH2,inj 269,15 m/sec Dthroat 22 mm m winH2, 0,23 kg/sec VH2,win 597,40 m/sec Tabelle 3: Geometrische Daten und die Einspritzbedingungen für die 30 bar-Versuche 3 Experimentelle Ergebnisse 33 Die Schattenaufnahmetechnik, die bei diesen Versuchen angewendet wurde, hatte das Pro- blem des starken Eigenleuchtens der Flamme. Um den Kernstrahl sichtbar zu machen, muß dieses Eigenleuchten aus- bzw. überblendet werden. Dies wird mit dem in Bild 3.13 darge- stellten optischen Versuchsaufbau realisiert. Nanolight Funken- Bi-konvexe Bi-konvexe Einspritz- Raketen- Iris- Blitzlampe Linse Linse Strahl brennkammer blende Kamera Bild 3.13: Optischer Versuchsaufbau für Schattenaufnahmetechnik mit Strahlengang Wichtig ist hierbei, daß die Irisblende vor der Kamera mit einem möglichst geringen Öff- nungsradius justiert wird. Die Linsen müssen das Licht der Funkenblitzlampe in der Art fo- kussieren, daß die gesamte Lichtintensität den Sauerstoffstrahl erfaßt und durch die Irisblende in die Kamera eintritt. Da das Eigenleuchten der Flamme isotrop strahlt, tritt nur ein sehr ge- ringer Teil, der dem Raumwinkel von der Flamme zur Irisblende entspricht, in die Kamera ein. Die Lichtintensität der Funkenblitzlampe, die in die Kamera eingespeist wird, ist dadurch um ein Vielfaches größer als die Intensität der Flamme. Der Sauerstoffstrahl erzeugt somit einen Schatten, wobei das Eigenleuchten der Flamme, das in die Kamera dringt, den Film zusätzlich belichtet und folglich den Kontrast verschlechtert. Ist die Strahlungsintensität der Flamme lokal sehr hoch, kann der Film an diesen Orten überbelichtet werden. Das folgende Bild 3.14 zeigt den Sauerstoffstrahl bei allen drei Positionen. Bei einem Abstand von ca. 25 mm vom Injektor ist der Kontrast aufgrund dieser Überbelichtung des Films ver- schlechtert. An dieser Position ist das Eigenleuchten der Flamme außerordentlich hoch. Dies wird auch durch die weiter unten in Bild 3.15 gezeigten OH-Emissionsaufnahmen bestätigt. In Kapitel 4 werden zusätzlich die numerischen Simulationen zeigen, daß sich an dieser Posi- tion die Verbrennungszonen stark aufweiten und nach außen gedrängt werden (bis fast an die Brennkammerwand), was durch ein starkes Rezirkulationsgebiet an der Einspritzplatte her- vorgerufen wird. Diese Verbreiterung der Reaktionszonen bewirkt eine starke Zunahme der chemischen Umsatzraten und somit eine verstärkte Strahlungsemission an diesem Ort, die sowohl in den Schattenbildern als auch in den OH-Emissionsaufnahmen zu sehen sind. Bild 3.14: Schattenaufnahme des Sauerstoffstrahles bei 30 bar Brennkammerdruck 34 3 Experimentelle Ergebnisse Vergrößerte Darstellungen der einzelnen Positionen sind im Anhang (Kapitel 9.5) abgebildet. Man erkennt, daß der Sauerstoffstrahl auch am rechten Rand des Fensters einen sehr kom- pakten Kernstrahl ausbildet. Aufgrund der heißen Umgebung erwärmt sich der Sauerstoff und weitet sich auf. Es sind keine abgelösten Tropfen ersichtlich im Gegensatz zu den in Kapi- tel 3.1 dargestellten Niederdruckversuchen. Der thermodynamische Zustand liegt bei den 30 bar Versuchen näher am kritischen Punkt. Der Wärmeeintrag auf den Sauerstoffstrahl durch die umgebende Flamme ist so hoch, daß direkt am Kernstrahl sehr starke Verdamp- fungsprozesse ablaufen und sich somit Tropfen gar nicht erst bilden können. Der Kernstrahl zeigt jedoch Oberflächendeformationen auf, deren Längenmaße stromab zunehmen. An der hintersten Position wurde außerdem eine intensive Fluktuation des Kernstrahls beobachtet, die auch zum Aufbrechen bzw. Zerreißen des Kernstrahles führen kann. Bei der mittleren Position erkennt man (besser zu sehen bei den vergrößerten Darstellungen im Anhang Bild 9.5), daß die Oberflächenstrukturen entgegen der Strömungsrichtung geneigt sind, ob- wohl der Sauerstoff von einem ca. 10fach schnellerem Gasstrahl koaxial umströmt wird. Dies ist ein Phänomen, das auch von Mayer et al. [74] mehrfach beobachtet wurde. Ursache dafür ist der sehr schnelle Abbau des Einströmimpulses der koaxialen Gasströmung im Vergleich zum flüssigen Kernstrahl. An der vordersten Position sind die Schlierenphänomene des schnellen H2-Strahles erkennbar. Nach einer Distanz von ca. 15 mm wird dieser Strahl auf- grund des starken Rezirkulationsgebietes am Einspritzkopf nach außen abgeknickt. Dies wird auch durch die OH-Emissionsaufnahmen und durch die numerische Simulation bestätigt. In den folgenden Abbildungen sieht man die gemittelte und die abeltransformierte OH- Verteilung. Bild 3.15: Obere Abbildung : OH-Emissionen im injektornahen Gebiet Untere Abbildung : OH-Emissionen im Fensterbereich Jeweils gemittelte OH-Verteilung (obere Hälfte) und abeltransformierte OH-Verteilung (untere Hälfte); p = 30 bar, TLOX = 127 K, TH2 = 125 K. 3 Experimentelle Ergebnisse 35 In Bild 3.15 sind die Aufweitung und die Intensitätszunahme der OH-Emissionen bei einem Abstand von ca. 15 mm vom Einspritzkopf deutlich zu sehen. Die OH-Aufnahmen wurden mit zwei verschiedenen Ausschnittgrößen durchgeführt. Der injektornahe Bereich wurde mit einer axialen Länge von 20 mm aufgelöst (s. Bild 3.15, oben). Beim zweiten Versuch wurde der gesamte Fensterbereich aufgenommen. Die axiale Länge beträgt hier 100 mm (s. Bild 3.15, unten). Für die Analyse der verschiedenen turbulenten Verbrennungsmechanismen ist es wichtig, den Abstand der Flamme zum Sauerstoffstrahl zu kennen. Das folgende Bild zeigt einen interessanten Vergleich der Schattenaufnahmen und der abeltransformierten OH- Aufnahmen. Bild 3.16: Vergleich zwischen Strömungsvisualisation und abeltransformierter Flam- menvisualisation (oben: injektornaher Bereich, Ausschnitt: 20 mm; unten: Fensterbereich, Ausschnitt: 100 mm); p = 30 bar, TLOX = 127 K, TH2 = 125 K. Anhand von Bild 3.16 ist zu erkennen, daß die Reaktionszonen sich zwischen dem LOX- und dem koaxialen H2-Strahl aufbauen. Die Flamme ist direkt am Injektoraustritt verankert. Die reagierende Scherschicht wird stromab nach außen gedrängt und weitet sich gleichzeitig auf. Nach dem Injektoraustritt besitzt sie zunächst eine Dicke, die der Materialstärke des Injektor- röhrchens entspricht, also 0,3 mm. Nach einer Entfernung von ca. 20 mm stromab besitzt die Scherschicht bereits eine Dicke von mehreren Millimetern. Detailliertere Untersuchungen der Scherschichtevolution und –verbreiterung sind in Kapitel 5.4.2.2 dargestellt. Im Anhang (Ka- pitel 9.5) befinden sich Sequenzen von Einzelbildern, um die Instationarität dieser Vorgänge und die möglichen Schwankungsbreiten der Strömungsphänomenologie hervorzuheben. Mit Kenntnissen dieser experimentellen Daten und den zugehörigen physikalischen Vorgängen, die in Kapitel 2 dargestellt wurden, kann die Phänomenologie der koaxialen Treibstoffaufbe- reitung bei thermodynamisch transkritischen Bedingungen in einer Skizze wie folgt darge- stellt werden. 36 3 Experimentelle Ergebnisse Bild 3.17: Phänomenologieskizze mit den qualitativen Verläufen relevanter Größen bei unterkritischen Bedingungen In dieser Skizze ist das Rezirkulationsgebiet an der Einspritzplatte durch ein Wirbelsystem mit zwei gegenläufigen Wirbeln angedeutet. Im nächsten Kapitel wird anhand der numeri- schen Simulationen darauf näher eingegangen. Ein kleines Rezirkulationsgebiet ist auch am Ende des Injektorröhrchens vorhanden. Dieses Wirbelsystem wurde in der Literatur bereits mehrfach nachgewiesen bzw. untersucht [75] und wird auch als Flammhaltemechanismus direkt am Injektor angesehen. Nach der Phänomenologieskizze aus Bild 3.17 kann der LOX- Einspritzstrahl als eine kochende Flüssigkeitssäule angesehen werden. Die Temperatur an der LOX-Phasengrenze bleibt nach einer kurzen Relaxationslänge L konstant. Der Sauer- stoffstrahl tritt mit einer Temperatur von 127 K aus dem Injektor aus. Da die Flamme direkt am Injektorende anliegt, beginnt sofort am Injektorende die Aufheizung der Kernstrahlober- fläche. Ab der Relaxationslänge L besitzt die Grenzfläche des Sauerstoffstrahles die Siede- temperatur von 140 K und ab diesem axialen Abstand zum Injektor wird der gesamte Wärme- eintrag durch die Flamme zur Verdampfung von O2-Molekülen an der Strahloberfläche ver- braucht (keine weitere Temperaturerhöhung der Sauerstoffgrenzfläche). Allerdings existiert innerhalb des Sauerstoffstrahls immer noch ein Temperaturgradient zwischen der Oberfläche (Toberfläche =Tsieden = 140 K) und dem Innern des Sauerstoffstrahls (TLOX =127 K; Austrittstem- peratur des Sauerstoffs). Dieser Temperaturgradient verursacht einen Wärmetransport und somit eine axiale Temperaturerhöhung im Kern des Sauerstoffstrahles. Daraus resultiert die axiale Verbreiterung des Sauerstoffstrahles. Wie in Kapitel 2 erläutert und aus Bild 3.17 er- sichtlich, existiert auf der Sauerstoffgrenzfläche auch nach dem Erreichen der Siedetempera- tur immer noch eine Oberflächenspannung. Dieser Sachverhalt ist bei überkritischen Druck- bedingungen grundlegend anders, da in diesen Fällen nach Erreichen der kritischen Mi- schungstemperatur die Oberflächenspannung verschwindet. Im folgenden Abschnitt werden die experimentellen Ergebnisse bei einem überkritischen Brennkammerdruck von 60 bar dar- gestellt. 3 Experimentelle Ergebnisse 37 3.2.2 Versuche bei überkritischem Druck (60 bar) Die Versuche bei einem Brennkammerdruck von 60 bar kommen realen Brennkammerzu- ständen bereits ziemlich nahe. Das Ariane 5 Zentraltriebwerk arbeitet zwar mit einem Brenn- kammerdruck von ca. 110 bar, allerdings sind die zukünftigen Entwicklungsanforderungen an 60 bar-Brennkammern im Hinblick auf die Nachfolge des Zweitstufentriebwerks (im Moment Aestus) sehr hoch. Ein sehr stark favorisierter Triebwerkszyklus für die zukünftige Ariane 5 Oberstufe ist derzeit ein Expandertriebwerk, das ebenfalls mit einem Brennkammerdruck von ca. 60 bar arbeiten soll. Der exakte Brennkammerdruck bei diesen Versuchen beträgt aller- dings 63 bar. Der Grund dafür liegt in den leicht erhöhten Massenströmen bei diesen Versu- chen. Die Auslegungsmassenströme (280 g/sec für den Sauerstoff und 50 g/sec für den In- jektor-Wasserstoff; siehe 30 bar Versuche) konnten nicht erreicht werden, da diese Kampagne in der zweiten Testzelle des P8 durchgeführt wurde, und die Regelventile bei 300 g/sec für LOX und 60 g/sec für den Injektor-Wasserstoff bereits an der unteren Regelgrenze ange- kommen sind. In der folgenden Tabelle sind die relevanten geometrischen Daten und die Be- triebsdaten für die Versuche bei 63 bar zusammengefaßt: Geometrische Daten Zuströmbedingungen: Dch 50 mm TLOX 127 K ρLOX 956,08 kg/m3 DLOX 4 mm TH2,inj 125 K ρH2,inj 11,68 kg/m3 tmat 0,3 mm TH2,win 293 K ρH2,win 5,00 kg/m3 Dinj 6,5 mm mLOX 0,30 kg/sec VLOX 24,97 m/sec twin 1,0 mm m injH2, 0,06 kg/sec VH2,inj 310,2 m/sec Dthroat 16,8 mm m winH2, 0,23 kg/sec VH2,win 300,07 m/sec Tabelle 4: Geometrische Daten und die Einspritzbedingungen für die 63 bar-Versuche In dieser Versuchskampagne wurden mehrere Diagnostikverfahren eingesetzt: Kurzzeitphoto- graphie, OH- und H2O-Emissionsaufnahmen. Laserdiagnostische Meßverfahren (CARS und Raman) wurden für diese extremen Brennkammerbedingungen im Rahmen von Vorversuchen getestet und ihre Realisierbarkeit wurde festgestellt. Es ist für die zukünftigen Meßkampa- gnen geplant, diese laserdiagnostischen Meßverfahren vermehrt einzusetzen, um quantitative Aussagen über Temperatur- und Konzentrationsverteilungen innerhalb der reagierenden Scherschicht machen zu können. Für die Versuche mit Kurzzeitphotographie wurde derselbe Diagnostikaufbau benutzt wie bei den 30 bar Versuchen (siehe Bild 3.13). Ebenfalls wurden 3 axiale Positionen im Abstand von 30 mm abgefahren. Folgendes Bild zeigt alle 3 Positionen. Bild 3.18: Schattenaufnahme des Sauerstoffstrahles (p=63bar, TLOX=127K, TH2=125K) 38 3 Experimentelle Ergebnisse Im Gegensatz zu den 30 bar Versuchen ist hier deutlich eine Verbreiterung des Sauerstoff- kernstrahles ab einem Abstand von ca. 20 mm vom Injektor zu erkennen. Das liegt daran, daß im hier dargestellten überkritischen Betriebsfall der Sauerstoffstrahl fähig ist mehr Wärme, die von der Flamme abgegeben wird aufzunehmen, und somit seine Temperatur stärker zu erhöhen (bis zur kritischen Mischungstemperatur von 151 K für 60 bar im Gegensatz zur Sie- detemperatur von 140 K für 30 bar), was wiederum eine Dichteabnahme und eine damit ver- bundene Verbreiterung zur Folge hat. Darüber hinaus ist ersichtlich, daß der Sauerstoffstrahl auch bei einem Abstand von 100 mm zum Injektor immer noch stabil intakt ist. Um die Ver- schiedenheit der Einzelaufnahmen zu zeigen, sind im Anhang (s. Bild 9.5 bis 9.8) mehrere vergrößerte Einzelbilder dargestellt. In der Nähe des Injektors erkennt man Schliereneffekte des H2-Strahls. Er knickt ziemlich schnell nach dem Austreten aus dem Injektor nach außen zur Brennkammerwand ab. Ähnlich wie bei den 30 bar Versuchen gibt es dafür zwei wesent- liche Gründe, die auch durch die numerische Simulation (siehe Kapitel 4) bestätigt werden. Zum einen ist es das intensive Rezirkulationsgebiet an der Einspritzplatte, das den H2-Strahl regelrecht nach außen zieht (siehe Bild 4.5) und zum anderen der starke Stofftransport des Sauerstoffs weg von der Zentralachse des Kernstrahls. Dieser Effekt wird hervorgerufen durch den intensiven Wärmeeintrag und die damit verbundene Aufheizung des Sauerstoff- kernstrahls. Die Verbreiterung des Kernstrahls ist eine weitere Wirkung dieses Wärmetrans- ports. Eine Tropfenbildung oder –strömung läßt sich nicht erkennen, allerdings sieht man an der stark zerklüfteten Oberfläche große Strukturen, die sich auch vom Kernstrahl ablösen können. In der Literatur werden diese abgelösten Strukturen als `dichte Sauerstofftaschen` bezeichnet. Sie besitzen, genauso wie der Kernstrahl, keine Phasengrenze. Es ist also nicht korrekt, von Verdampfungsvorgängen in diesem Betriebsfall zu sprechen. Der Dichtegradient ist zwar immer noch sehr hoch, kann aber nicht mehr als Diskontinuität betrachtet werden. Analog zu den 30 bar Versuchen wurde auch beim überkritischen Betriebsfall ein Vergleich zwischen Strömungsvisualisation und Flammenvisualisation angestrebt. Jedoch wurden hier neben den OH-Emissionen auch die H2O-Emissionen detektiert. Wegen der unterschiedlichen Emissionswellenlänge von OH und H2O wurde der in Bild 3.6 dargestellte Interferenzfilter zur Detektion der OH-Emissionen ausgetauscht gegen einen Schottfilter mit folgenden Transmissionswerten: Bild 3.19: Schottfilter zur Detektion von H2O-Emissionen Der restliche Diagnostikaufbau bleibt gegenüber den OH-Emissionsaufnahmen, wie in Bild 3.7 dargestellt, derselbe. Es wurden sowohl für die OH- als auch für die H2O-Aufnahmen 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 300 400 500 600 700 800 λ [nm] Tr an sm is si on sg ra d 3 Experimentelle Ergebnisse 39 wiederum zwei Ausschnittgrößen detektiert (gesamter Fensterausschnitt: 0-100mm; injektor- naher Bereich: 0-30mm). Im folgenden Bild ist eine Sequenz von Einzelaufnahmen der OH- Emission über den gesamten Fensterbereich dargestellt. Bild 3.20: Sequenz von Einzelaufnahmen der OH-Emission bei 63 bar Brennkammer- druck (gesamter Fensterbereich: 0 mm bis 100 mm stromab vom Injektor) Schwache Intensitäten sind bereits direkt am Injektor vorhanden. Bis zu einem axialen Ab- stand von ca. 25 mm nimmt die Intensität stetig zu, um dann im Mittelwert konstant zu blei- ben. Man sieht außerdem (Bild 3.20 unten), daß sich lokale Verbrennungszonen von den Re- aktionszonen am Kernstrahl ablösen können. Dieses Phänomen stellt für die Modellierung turbulenter Verbrennungsvorgänge große Schwierigkeiten dar. In solchen Fällen müssen lo- kale Verlöschungsvorgänge (lokales Quenching) berücksichtigt werden. Bei den in dieser Arbeit vorgestellten numerischen Simulationen wird für die Chemie ein Gleichgewichtsansatz verwendet, der solche Effekte nicht berücksichtigen kann. Auf diese Problematiken wird al- lerdings in den nächsten Kapiteln näher eingegangen. In der folgenden Abbildung (3.21) werden die H2O-Emission dargestellt. Bei einem Vergleich mit den OH-Emissionen erkennt man, daß die H2O-Intensitäten ab einem axialen Abstand von ca. 40 mm über die gesamte Fensterbreite detektiert werden. Die OH-Intensitäten besitzen hingegen einen schmaleren Intensitätsverlauf, der stärker an die reagierende Scherschicht ge- bunden ist. Reaktionskinetisch kann dieser Sachverhalt folgendermaßen erklärt werden: Da H2O das Reaktionsprodukt ist, füllt es ab einem gewissen Abstand vom Einspritzkopf die ge- samte Brennkammer aus. Der Konzentrationsgehalt von heißem H2O ist dort ziemlich hoch. Im Gegensatz dazu ist das OH-Radikal ein Zwischenprodukt. Es tritt zwar bei hohen Ver- brennungstemperaturen auch im Gleichgewicht auf, wie in Kapitel 5 gezeigt wird, aber in einer relativ geringen Konzentration. Wohingegen in der reagierenden Scherschicht, wo die chemischen Umsatzraten sehr hoch sind, auch relativ große OH-Konzentrationen existent sind. 40 3 Experimentelle Ergebnisse Bild 3.21: Sequenz von Einzelaufnahmen der H2O-Emission bei 63 bar Brennkammer- druck (gesamter Fensterbereich: 0 mm bis 100 mm stromab vom Injektor) Um eine detailliertere Auswertung dieser Experimente, im Hinblick auf die Ermittlung korre- lierter Längenskalen, wie es in Kapitel 5 dargestellt wird zu ermöglichen, wurde der injektor- nahe Bereich in einem separaten Versuch untersucht. Folgendes Bild zeigt eine Sequenz von Einzelaufnahmen der OH-Emission im injektornahen Gebiet. Bild 3.22: Sequenz von Einzelaufnahmen der OH-Emission bei 63 bar Brennkammer- druck (injektornaher Bereich: 0 mm bis 30 mm stromab vom Injektor) 3 Experimentelle Ergebnisse 41 In Bild 3.22 ist deutlich zu sehen, daß die Flamme direkt am Injektor ansetzt. Dies wurde auch durch andere Versuche vielfach bestätigt [76, 77]. Am rechten Rand der Einzelaufnah- men steigen die Intensitäten der OH-Emission ebenso, wie es bei den Aufnahmen über das gesamte Fenster hinweg festgestellt wurde. Zum Vergleich sind hier wiederum die H2O- Emissionen im injektornahen Bereich dargestellt. Bild 3.23: Sequenz von Einzelaufnahmen der H2O-Emission bei 63 bar Brennkammer- druck (injektornaher Bereich: 0 mm bis 30 mm stromab vom Injektor) Die Versuchszeit betrug jeweils 5 Sekunden, und die hier dargestellten Emissionsaufnahmen von OH und H2O wurden mit einer CCD Kamera detektiert, die eine Bildfrequenz von 50 HZ hat. Pro Versuch können somit 250 Einzelbilder gewonnen werden. Da es allerdings ca. eine Sekunde gedauert hat bis der stationäre Brennkammerzustand erreicht wurde, konnten für die Auswertung nur ca. 200 Einzelbilder verwendet werden. Diese wurden summiert, gemittelt und mit Hilfe der Abeltransformation wurden 2-dimensionale Schnitte durch die reagierende Scherschicht erzeugt. OH H2O Bild 3.24: Gemittelte (oben) und abeltransformierte (unten) OH- und H2O-Aufnahmen bei 63 bar Brennkammerdruck 42 3 Experimentelle Ergebnisse Bild 3.24 zeigt links für OH und rechts für H2O die gemittelte (obere Hälfte) und die abel- transformierte (untere Hälfte) Intensitätsverteilung im injektornahen Gebiet. Die detaillierte Auswertung der experimentellen Ergebnisse erfolgt in Kapitel 5. In diesem Kapitel wurde ein Überblick über die durchgeführten Experimente und deren Ergebnisse in Form von Strö- mungs- und Flammenvisualisationen dargestellt. In Kapitel 3.2.1 wurde eine Phänomenologieskizze für unterkritische Betriebsbedingungen vorgestellt (siehe Bild 3.17). In diesem Abschnitt sind überkritische Betriebsbedingungen behandelt worden und es wird nun kurz der Unterschied der Phänomenologie für diese beiden Zustände diskutiert. Anhand der Schattenaufnahmen (siehe Bild 3.14 bzw. 3.18) kann erkannt werden, daß die Morphologie keine markanten Unterschiede aufweist. Allerdings gibt es ent- scheidende quantitative Differenzen bestimmter thermodynamischer Größen. Im Gegensatz zu Bild 3.17 steigt bei überkritischen Bedingungen die Temperatur des dichten Sauer- stoffstrahls an seiner Grenzfläche bis zur kritischen Mischungstemperatur von 151 K an. Die ca. doppelt so große Dichte der reagierenden Scherschicht und die höheren Temperaturen, die bei 60 bar in den Verbrennungszonen herrschen, bewirken einen stärkeren Wärmeeintrag von der Scherschicht in den Sauerstoffkernstrahl. Die Verbreiterung des Sauerstoffkernstrahls ist aufgrund des höheren Temperaturgradienten und somit der höheren Wärmeleitung innerhalb des Sauerstoffkernstrahles im überkritischen stärker ausgeprägt als im unterkritischen Fall (deutlich zu sehen bei den Ergebnissen der numerischen Simulation, vgl. Bild 4.10). Die Oberflächenspannung nimmt nach der Relaxationslänge L bis auf Null ab, da ab diesem axialen Abstand die kritische Mischungstemperatur an der Grenzfläche des dichten Sauer- stoffs zur Scherschicht erreicht wird. Die Strahlgrenzen des LOX-Einspritzstrahls in den Schattenaufnahmen entsprechen genau der isothermen Linie, an der die Temperatur gleich der kritischen Mischungstemperatur von 151 K ist. An diesem thermodynamischen Zustand be- wirkt eine sehr geringe Wärmezufuhr eine geringe Temperaturerhöhung aber eine drastische Dichteabnahme. Der Dichtegradient an dieser Isotherme ist demnach sehr groß (vgl. Schat- tenaufnahmen: Bild 3.18). 4 Die Ergebnisse der numerischen Simulation Parallel zu den laufenden Experimenten wurden auch numerische Simulationen durchgeführt. Die Simulationen wurden sowohl zur Grundkonzeption und zur Auslegung der Versuche und der Betriebsparameter verwendet als auch zur Optimierung des geometrischen Designs der Modellbrennkammer. Außerdem wurden die Ergebnisse der numerischen Simulation mit den experimentell gemessenen Daten verglichen mit dem Ziel, die angewandten Modelle im Re- chenprogramm zu verifizieren. Bei auftretenden Diskrepanzen zwischen Simulation und Ex- periment sollen die Ursachen identifiziert und somit Schwachstellen in den Modellen erkannt werden. Ein weiteres Ziel ist die Bestimmung von Strömungs- bzw. Zustandsgrößen in der Brennkammer, die experimentellen Messungen nicht zugänglich sind. Es müssen z.B. für die Analyse der Zeitskalen, wie in Kapitel 5 und 6 dargestellt wird, die Strömungsgeschwindig- keiten in der reagierenden Scherschicht bekannt sein. Da Messungen in dieser Zone sehr auf- wendig sind, und eine analytische Abschätzung nur ungenaue Daten liefert, ist die numerische Simulation hierbei ein sehr wichtiges Hilfsmittel, um einen hohen Genauigkeitsgrad bei der Bestimmung von experimentell nicht meßbaren Daten zu erreichen. Im Anhang (Kapitel 9.2) wird AS3D zusammen mit den implementierten physikalischen Modellen näher erläutert. Mit Hilfe von AS3D wurden die Hochdruckversuche (30 bar und 60 bar) simuliert. Die in Kapitel 3 ebenfalls dargestellten Niederdruckversuche (bei 1,8 bar Kammerdruck) konnten, wegen den fehlenden Spray- bzw. Zwei-Phasen-Modellen bei diesem weit unterkritischen Zustand nicht gerechnet werden. Bei diesem Betriebszustand muß der Sauerstoff als Flüssig- keit mit einer nicht zu vernachlässigbaren Oberflächenspannung betrachtet werden. In AS3D wird der Sauerstoff allerdings sowohl bei den 60 bar als auch bei den 30 bar Versuchen als reales Gas (Redlich-Kwong) betrachtet. AS3D ist ein Finite-Volumen-Verfahren mit explizi- tem Lösungsalgorithmus. Es rechnet auf quasi unstrukturierten Gittern, die sich adaptiv so- wohl der Lösung als auch der Geometrie anpassen. Als Turbulenzmodell wird das standard- mäßige k-ε-Modell verwendet und die chemischen Reaktionen werden mit einem Gleichge- wichtsansatz gelöst. Im folgenden Abschnitt wird zunächst die Zuverlässigkeit dieser Simulationen im Hinblick auf Konvergenz und Netzunabhängigkeit der Lösung diskutiert. Diese beiden Punkte müssen prinzipiell bei allen numerischen Simulationen überprüft werden. Anschließend wird kurz auf die Auslegungsrechnungen eingegangen, die eine Optimierung der Konstruktion der Modell- brennkammer gewährleisten, bevor die Ergebnisse der 30 bar und 60 bar Versuche dargestellt werden. 4.1 Die Überprüfung der Netzunabhängigkeit der durchgeführten Simulationen Um die Netzunabhängigkeit der Lösung zu garantieren, wurden Rechnungen mit einem rela- tiv groben Startnetz von 8.500 Knoten benutzt, um anschließend, mit Hilfe der adaptiven Gitterverfeinerung, auf ein Netz von 45.000 Knoten zu gelangen. Die Vergleichsrechnungen wurden mit einem nichtadaptiven Startnetz von 150.000 Knoten durchgeführt. Anschließend wurde die auskonvergierte Lösung mit 45.000 Knoten zweimal manuell verfeinert und als Startlösung für Rechnungen mit 150.000 bzw. 600.000 Knoten verwendet. Die auskonver- gierten Lösungen wurden miteinander verglichen und die Netzabhängigkeiten überprüft. Da- bei wurde festgestellt, daß sich der enorme Rechenaufwand bei den sehr feinen Netzen von 44 4 Numerische Simulation 150.000 und 600.000 Knoten nicht rentiert, weil bei der Lösung eine maximale Abweichung von 2 % nachgewiesen werden konnte. Die Ursache dafür ist, daß die adaptive Verfeinerung sehr effizient ist und in den Gebieten, wo starke Gradienten der Strömungsgrößen auftreten, das Netz dementsprechend verfeinert wird, so daß sie den dichten Netzen von 150.000 bzw. 600.000 Knotenpunkten an diesen Orten entsprechen. In Gebieten, in denen keine starken Gradienten auftreten, ist dagegen bei dem adaptiven Gitter ein gröberes Netz vorhanden als bei dem nichtadaptiven. Somit kann in diesen Gebieten bei der adaptiven Gittertechnik sehr viel Rechenzeit eingespart werden. Aus diesem Grunde ist nur bei dem experimentell verifi- zierten 60 bar Versuch zusätzlich auf den feinen, nichtadaptiven Netzen gerechnet worden. Die Rechnungen des 30 bar Falles und die durchgeführten Parameterstudien im Rahmen der Auslegungsrechnungen wurden mit den adaptiven Gitterverfeinerungsmethoden und mit ei- nem Netz von 45.000 Knoten gerechnet. Bild 4.1 zeigt den Vergleich der auskonvergierten Lösungen auf verschiedenen Netzen. Bild 4.1: Überprüfung der Netzunabhängigkeit der numerischen Simulationen Oben: Adaptives Netz mit 45.000 Knotenpunkten Mitte: Nichtadaptives Netz mit 150.000 Knotenpunkten Unten: Nichtadaptives Netz mit 600.000 Knotenpunkten 4.2 Parameterstudien zur Auslegung der Modellbrennkammer mit Hilfe von CFD Die Auslegung der Modellbrennkammer C wird durch numerische Simulationen von AS3D unterstützt. Beispielhaft wird nun der Einfluß des Ringspaltes der Fensterkühlung auf die Strömung in der Brennkammer dargestellt. Diese Fensterkühlung, die durch einen H2-Strahl 4 Numerische Simulation 45 (TH2 = 290 K) realisiert wurde, hatte zum einen das Ziel, die Glasscheiben vor den Heißgasen zu schützen, und zum anderen sollte sie auch die realistischen Bedingungen (Einfluß benach- barter Injektoren auf einen zentralen Injektor) in einer Raketenbrennkammer simulieren. Der einströmende Impuls benachbarter Injektoren ist sehr wichtig, da dadurch ein Rezirkulations- gebiet am Einspritzkopf generiert und dessen Intensität bestimmt wird. Um das Mischungs- verhältnis von O2 zu H2 in der Kammer konstant zu halten, und um somit möglichst ver- gleichbare Bedingungen bei unterschiedlichen Druckstufen zu schaffen, wurde der Massen- strom der H2-Fensterkühlung bei allen Versuchen konstant auf 230 g/sec gehalten. Bei gege- benem thermodynamischem Zustand (Druck, Temperatur) und Massenstrom hängt die Ein- strömgeschwindigkeit allein von der Ringspalthöhe ab. Dabei muß gewährleistet sein, daß die Einströmgeschwindigkeit so hoch ist, daß sich über die gesamte Fensterlänge von 100 mm ein intakter Kühlfilm bildet. Folgende Abbildung zeigt den Einfluß verschiedener Einströmge- schwindigkeiten des H2-Kühlfilms, hervorgerufen durch verschiedene Ringspalthöhen auf die Brennkammerströmung. Bild 4.2: Parameterstudie: Einfluß der Ringspalthöhe auf die Brennkammerströmung (AS3D-Simulationen für 60 bar Brennkammerdruck) Bild 4.2 stellt exemplarisch einen Auszug der Parameterstudie (für 60 bar Brennkammer- druck) zur Auslegung der Ringspalthöhe des Fensterkühlungssystems dar. Als maximal zuläs- sige Einströmgeschwindigkeit wurde 600 m/sec gewählt. Um diese Geschwindigkeit bei den 30 bar und 60 bar Versuchen nicht zu überschreiten, ergab sich eine optimale Ringspalthöhe von 1 mm. Dies ist ein Beispiel, wie mit Hilfe der numerischen Simulation Brennkammern ausgelegt werden bzw. die endgültige Geometrie festgelegt wird. Nachdem somit die Geo- metrie und die Betriebszustände definiert waren, wurden die Experimente detailliert nachge- rechnet. In den nächsten Abschnitten werden die Ergebnisse der Simulationsrechnungen bei 30 bar und bei 60 bar Brennkammerdruck dargelegt. 4.3 Untersuchungen bei 30 und 60 bar Brennkammerdruck Bei den experimentellen Untersuchungen wurden zwei Referenzfälle definiert und detailliert untersucht. Dabei handelt es sich um einen unterkritischen Zustand bei 30 bar Brennkammer- druck und einen überkritischen Zustand bei 60 bar Brennkammerdruck. Diese beiden Refe- 46 4 Numerische Simulation renzversuche wurden mit AS3D simuliert, und die wesentlichen Ergebnisse dieser Rechnun- gen werden in diesem Kapitel erläutert. Die Einströmbedingungen entsprechen genau den im Versuch gemessenen Werten und sind aus den Tabellen 3 und 4 zu entnehmen. In den folgen- den beiden Abschnitten wird eine Übersicht der Ergebnisse der 30 bar und anschließend der 60 bar Simulationen gegeben, indem die berechneten Strömungsgrößen als 2-dimensionale, farbcodierte Verteilungen dargestellt werden und somit die Strömungsphänomenologie in der Brennkammer veranschaulicht wird. Schließlich werden im darauffolgenden Unterkapitel beide Referenzzustände anhand von Diagrammen quantitativ miteinander verglichen. 4.3.1 Die Ergebnisse der 30 bar Simulationen Da im Rahmen dieser Arbeit nicht alle Ergebnisse gezeigt werden können, wird hier der Schwerpunkt auf wenige, relevante Ergebnisdaten gelegt, die ausführlicher diskutiert werden. Die Auswertung der numerischen Simulationen richtet sich hauptsächlich auf Flammenunter- suchungen mittels Temperatur-, OH-Verteilung und Mischungsuntersuchungen. Zusätzlich wird eine Analyse der Kernstrahllänge mit Hilfe von Z- und Dichteverteilungen durchgeführt, ebenso wie auch eine Untersuchung des Strömungsfeldes. Das Strömungsfeld wird mit Ge- schwindigkeitsfeldern bzw. deren Vektorplots dargestellt. Der Ort der Flamme läßt sich bei numerischen Simulationen anhand von Temperaturverteilungen und OH-Verteilungen dar- stellen. Bild 4.3: Temperatur- und OH-Verteilung bei 30 bar Brennkammerdruck In Bild 4.3 ist der bereits angesprochene markante Knick in der Temperatur- bzw. OH- Verteilung zu sehen. Dieser Knick ist bei sämtlichen Simulationen in mehr oder weniger star- ker Form vorhanden (s. Bilder 4.2 und 4.6). Ebenfalls ist bei den experimentellen Ergebnissen sowohl bei den Schattenaufnahmen als auch bei den OH-Emissionsaufnahmen ein Abknicken des H2-Strahles zu erkennen. Dieses Abknicken wird durch eine Strömungsform verursacht, 4 Numerische Simulation 47 die durch ein starkes Rezirkulationsgebiet am Einspritzkopf hervorgeht. Die Rezirkulations- strömung wird durch die Fensterkühlung (Wasserstoff-Filmkühlung) noch verstärkt. Dieser relativ schnelle Wasserstoffstrahl strömt rotationssymmetrisch an der Außenwand in die Kammer ein. Bild 4.5 zeigt einen Vektorplot der Strömungsgeschwindigkeiten in diesem Re- zirkulationsgebiet. Das Rezirkulationsgebiet, das als Flammenhalterung bzw. Flammenstabili- sierung unverzichtbar ist, beeinflußt auch die Mischprozesse. Folgendes Bild zeigt den Mi- schungsbruch Z und die Dichteverteilung in der Brennkammer. Bild 4.4: Verteilung des Mischungsbruchs Z und die Dichteverteilung bei 30 bar Brennkammerdruck Anhand der Dichteverteilung kann man erkennen, daß der Sauerstoffstrahl ab einem axialen Abstand von ca. 80 mm vom Injektor dünner wird. Allerdings zeigt die Simulation, daß am Ende des optisch zugänglichen Bereichs bei X=100mm der Sauerstoff immer noch eine Dichte von ca. 400 kg/m3 aufweist, also im Vergleich zur Umgebung immer noch sehr dicht ist. Die Simulation besagt also, daß der Sauerstoffstrahl auch nach 100 mm immer noch als intakter Kernstrahl vorliegt. Dies belegen auch die Experimente, die am rechten Fensterrand (X=100mm) immer einen sehr dichten Kernstrahl zeigen (s. Bilder 3.14 und 3.18). Der Ver- teilung des Mischungsbruchs (Bild 4.4 oben) kann entnommen werden, daß der H2-Strahl als kompakter Einspritzstrahl eine viel kürzere `Lebensdauer` als der Sauerstoffstrahl hat. Bereits nach ca. 35 mm vom Injektor existiert kein reiner Wasserstoffstrahl mehr. Aus der Literatur [78] ist bekannt, daß das Impulsstromverhältnis der Injektormedien äußerst wichtig für die Beschreibung der Treibstoffaufbereitungsprozesse ist. Der Einströmimpuls des Wasserstoffs bestimmt maßgeblich dessen intakte Strahllänge. Zur Bestimmung der Einströmimpulse wird neben der in Bild 4.4 dargestellten Dichteverteilung noch die Geschwindigkeitsverteilung benötigt. ρ 48 4 Numerische Simulation Bild 4.5: Verteilung der Absolutgeschwindigkeit und Vektorplot der Geschwindigkeiten Im oberen Teil von Bild 4.5 erkennt man, daß die Einströmgeschwindigkeit und somit der Einströmimpuls des Wasserstoffs bei einem axialen Abstand von ca. 35 mm vom Injektor sehr stark abnimmt. Im unteren Teil ist das sehr intensive Rezirkulationsgebiet am Einspritz- kopf dargestellt. Die unterschiedliche Dichte der Geschwindigkeitsvektoren spiegelt das ad- aptive Rechennetz wider. Das intensive Rezirkulationsgebiet stellt im 3-dimensionalen Raum ein torusförmiges Wirbelssystem dar. Diese Art von Wirbelssystemen gelten in der Strö- mungsmechanik als sehr stabil. Die Simulationen bei 30 bar Brennkammerdruck zeigen die relevanten Vorgänge bei unterkritischen Betriebsbedingungen. Um einen Vergleich zwischen unter- und überkritischen Bedingungen durchzuführen, werden nun die wichtigsten Ergebnis- se der Simulationsrechnungen bei einem Brennkammerdruck von 60 bar dargestellt. 4.3.2 Die Ergebnisse der 60 bar Simulationen Analog zum vorigen Kapitel werden 2-dimensionale Verteilungen der wichtigsten Strö- mungsgrößen dargestellt. Um die Position der Flamme zu visualisieren, wird wiederum die Verteilung der Temperatur bzw. das bei der chemischen Umsetzung entstehende OH-Radikal verwendet. Folgende Abbildung zeigt die Temperatur- und die OH-Verteilung der 60 bar Si- mulation. 4 Numerische Simulation 49 Bild 4.6: Temperatur- und OH-Verteilung bei 60 bar Brennkammerdruck Es ist ein deutlicher Unterschied zu den 30 bar Simulationen (siehe Bild 4.3) feststellbar. Das Abknicken der Flamme ist bei 60 bar nicht so ausgeprägt wie bei 30 bar. Grund hierfür ist die weniger intensive Rezirkulationsströmung. Die Einströmbedingungen, die für den 30 bar Ver- such in Tabelle 3 und für den 60 bar Versuch in Tabelle 4 dargestellt sind, weisen eine höhere Einströmgeschwindigkeit des Wasserstoffs bei 30 bar im Vergleich zu 60 bar auf (H2- Fensterkühlung: 597 m/sec bei 30bar ; 300 m/sec bei 60 bar). Da der Massenstrom bei beiden Druckstufen gleich ist, besitzt der Kühl-Wasserstoff bei der kleineren Druckstufe ca. die halbe Dichte, aber eine fast doppelt so große Einströmgeschwindigkeit und somit einen fast doppelt so großen Einströmimpuls. Durch die damit erhöhten Geschwindigkeitsgradienten in der sich ausbildenden Scherströmung wird eine intensivere Wirbelbildung erzeugt. Zusammen mit der Injektorströmung entsteht damit ein starkes Rezirkulationsgebiet an der Einspritzplatte. Das folgende Bild 4.7 zeigt die Verteilung des Mischungsbruchs und der Dichte. Bei der Verteilung des Mischungsbruchs treten die gleichen Effekte auf, die bei der Temperatur bzw. OH-Verteilung beschrieben wurden. Die Dichteverteilung kann zur Untersuchung der intak- ten Sauerstoffstrahllänge dienen. Vergleicht man diese Zustandsgröße mit der 30 bar Simula- tion ist zu erkennen, daß der Sauerstoffstrahl bei einem axialen Abstand von 100 mm vom Injektor in dichterer Form vorliegt als bei 30 bar. Allerdings gilt diese Aussage nur für die Kernstrahllänge bzw. für die Dichteverteilung sehr nah an der Symmetrieachse. Die radiale Aufweitung des Sauerstoffstrahles und somit die Dichteprofile in radialer Richtung werden im folgenden Kapitel behandelt. Die Gründe für die längere Kernstrahllänge im 60 bar Fall liegen hauptsächlich in der schwächeren aerodynamischen Aufbereitung durch die Koaxial- strömung bzw. Rezirkulationsströmung (vergleiche Bilder 4.3 und 4.6 bzw. Bilder 4.4 und 4.7), in der höheren Einströmdichte und in der höheren Einströmgeschwindigkeit des Sauer- stoffstrahles. 50 4 Numerische Simulation Bild 4.7: Verteilung des Mischungsbruchs und der Dichte bei 60 bar Im folgenden Bild 4.8 wird im oberen Teil die Absolutgeschwindigkeit und im unteren Teil eine starke Vergrößerung der Nachlaufströmung des Injektors dargestellt. Bild 4.8: Verteilung der Absolutgeschwindigkeit und Vektorplot der Geschwindig- keiten bei 60 bar Brennkammerdruck (Vektorlänge auf 5 m/sec begrenzt) ρ 4 Numerische Simulation 51 Ähnlich wie beim 30 bar Versuch erkennt man bei der Absolutgeschwindigkeit die sehr schnelle Abnahme des Einströmimpulses der Wasserstoffströmung am Injektor und die Be- einflussung des Wasserstoffstrahles durch das Rezirkulationsgebiet an der Einspritzplatte. Der untere Teil des Bildes zeigt einen Vektorplot der Geschwindigkeitsverteilung im Nachlaufge- biet des Injektors. Um eine bessere Darstellung zu erreichen ist die Pfeillänge der Geschwin- digkeitsvektoren auf die Länge begrenzt, die einer Geschwindigkeit von 5 m/sec entspricht. Die am linken Rand dargestellte Injektorkante hat eine Stärke von 0,3 mm. Diese Strecke wird in diesem Gebiet mit Hilfe der adaptiven Netzverfeinerung mit maximal 150 Knoten- punkten aufgelöst. Man kann somit die sehr kleinen Wirbelstrukturen im Nachlauf des Injek- tors erkennen, die verantwortlich sind, daß die Flamme direkt am Injektor anliegt (Flamm- halterung). 4.3.3 Der Vergleich zwischen den 30 bar und 60 bar Simulationen Im vorhergehenden Abschnitt wurde ein Überblick über die wichtigsten Ergebnisse der 60 bar Simulationen gegeben, und diese wurden qualitativ mit den 30 bar Versuchen verglichen. Es wurde z.B. gezeigt, daß der Sauerstoffstrahl bei 60 bar nahe der Symmetrieachse länger intakt und mit einer größeren Dichte stabil bleibt als bei 30 bar. Um quantitative und exaktere Aus- sagen über den Vergleich dieser beiden Betriebszustände machen zu können, werden im fol- genden Abschnitt relevante Betriebsgrößen für beide Referenzfälle anhand von Profilen mit- einander verglichen. Die Diagramme in Bild 4.9 belegen z.B. die Aussage über die unter- schiedliche LOX-Strahllänge bei 30 bar und 60 bar. Bild 4.9: Axiale Profile von Dichte und Geschwindigkeit bei 30 und 60 bar In Bild 4.9 ist die axiale Dichteverteilung und die Geschwindigkeitsverteilung bei einem ra- dialen Abstand von 0,01 mm von der Symmetrieachse dargestellt. Anhand des Dichteprofils Radiale Position R=0,01mm 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 0 20 40 60 80 100 X [mm] ρ [K g/m 3] Pc=30bar Pc=60bar Radiale Position R=0,01mm 20 21 22 23 24 25 26 27 0 20 40 60 80 100 X [mm] V [m /se c] Pc=30bar Pc=60bar 52 4 Numerische Simulation ist ablesbar, daß der Sauerstoff bei 60 bar eine geringfügig höhere Einspritzdichte besitzt als bei 30 bar. Außerdem weist das Geschwindigkeitsprofil eine schwache Beschleunigung direkt beim Austritt aus dem Injektor auf. Der Sauerstoffstrahl wird weiter stromab leicht abge- bremst, aber im Vergleich zum Wasserstoff bleibt er länger intakt und kann seinen Einström- impuls auch über eine längere Strecke auf hohem Niveau halten. Anders sieht dieser Sachverhalt bei einer Analyse der radialen Profile aus. Hier erkennt man, daß sich der Sauerstoffstrahl bei 60 bar schneller aufweitet als bei 30 bar. Folgendes Bild 4.10 zeigt die radiale Verteilung des Sauerstoffmassenanteils bei den axialen Abständen von 20 mm bzw. 70 mm stromab vom Injektor. Bild 4.10: Radiale Profile des Sauerstoffmassenanteils bei 30 und bei 60 bar an ver- schiedenen axialen Positionen Bei der höheren Druckstufe (60 bar) liegt in der den Sauerstoffstrahl umgebenden Scher- schicht eine ungefähr doppelt so große Dichte vor als im 30 bar Fall. Dies bewirkt einen grö- ßeren Wärmeübergang von der heißen Scherschicht über die Grenzfläche zum kalten Sauer- stoff. Das Ergebnis ist, daß sich der Sauerstoffstrahl in seinen Außenbereichen bei 60 bar schneller aufheizt als dies bei 30 bar der Fall ist und daraus resultiert eine schnellere Ausdeh- nung der äußeren Regionen des Sauerstoffstrahles bzw. eine größere Verbreiterung des ra- dialen Profils im überkritischen Druckbereich im Vergleich zum unterkritischen Druckbe- reich. Der Kernbereich des Sauerstoffstrahles, in der Nähe der Symmetrieachse, wird davon aber offensichtlich nicht beeinflußt, denn dort bleibt seine Dichte bei 60 bar größer als bei 30 bar. Die radiale Verbreiterung des Sauerstoffstrahles ist in den Experimenten (Schatten- aufnahmen) ebenfalls nachgewiesen worden (siehe Bilder 3.14 und 3.18). Die Verbreiterung des Sauerstoffstrahles wirkt sich auch auf die Flammenposition aus, die im folgenden Bild 4.11 anhand von Temperaturprofilen veranschaulicht wird. Axiale Position X=20mm 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 0 5 10 15 20 25 R [mm] Y O 2 [-] Pc=30bar Pc=60bar Axiale Position X=70mm 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 0 5 10 15 20 25 R [mm] Y O 2 [-] Pc=30bar Pc=60bar 4 Numerische Simulation 53 Bild 4.11: Radiale Temperaturprofile bei 30 und bei 60 bar an verschiedenen axialen Positionen In Bild 4.11 ist die Temperaturverteilung bei einem axialen Abstand von 20 mm bzw. 70 mm stromab vom Injektor dargestellt. Das Maximum der Temperaturprofile liegt bei 60 bar weiter außen als bei 30 bar. Bei einem Vergleich von Bild 4.11 mit Bild 4.10 kann man erkennen, daß die weiter außen liegende Flamme beim 60 bar Fall korreliert ist mit der breiteren Ver- teilung des O2-Massenbruchs. Wie Auslegungsrechnungen mit dem Programm Gordon McBright gezeigt haben, und mit AS3D hiermit bestätigt wird, ist die Maximaltemperatur bei 60 bar etwas höher als bei 30 bar. Bei dem axialen Abstand von 20 mm vom Injektor gibt es an der radialen Position von ca. 20 mm, einen Anstieg der Temperatur bei 30 bar. Dieses Phänomen ist auf das starke Abknicken der Flamme in diesem Bereich bei 30 bar zurückzu- führen (siehe dazu Bilder 4.3, 4.4 und 4.5). Neben diesen quantitativen Vergleichen der Ergebnisse der numerischen Simulation beider Referenzzustände wird im nächsten Kapitel der Vergleich mit den experimentellen Ergebnis- sen vollzogen. In diesen Abschnitten werden wichtige Strömungsdaten analysiert und vergli- chen. Die Analyse und Auswertung der Daten, die für die Bestimmung der turbulenten und chemischen Zeitskalen maßgeblich sind, werden in Kapitel 5 behandelt. 4.4 Der Vergleich zwischen experimentellen Ergebnissen und numerischer Simulation In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der numerischen Simulation mit den experimentel- len Daten sowohl auf qualitativer als auch auf quantitativer Basis verglichen. Der Schwer- punkt liegt hier in der Aufdeckung von Diskrepanzen zwischen Experiment und Simulation und in der Identifikation der Ursachen für diese Unstimmigkeiten. Bei den 30 bar Versuchen wird die Flammenposition verglichen mit den OH-Emissionsdaten als experimentellem Da- 54 4 Numerische Simulation tensatz, wohingegen bei den 60 bar Versuchen die Aufweitung des Sauerstoffkernstrahles untersucht wird. Die Intensitätsprofile der Schattenaufnahmen werden dabei qualitativ mit Dichteprofilen der numerischen Simulation verglichen. 4.4.1 Der Vergleich bei 30 bar Der Vergleich der 2D-Simulation mit den experimentell ermittelten OH-Verteilungen ver- langt zunächst eine Diskussion über die Möglichkeit eines solchen Vergleichs. Die Ergebnisse der Simulation stellen eine auskonvergierte stationäre Lösung eines 2-dimensionalen Strö- mungsproblems dar. Zum Vergleich müssen also experimentelle Daten (OH-Emissionen) herangezogen werden, die einen 2-dimensionalen Querschnitt durch die reagierende Scher- schicht repräsentieren. Da die stationäre CFD-Lösung eine gemittelte Lösung für t → ∞ re- präsentiert, müssen die experimentellen Daten ebenfalls gemittelte Intensitätsverteilungen darstellen. Als experimentellen Datensatz können somit die abeltransformierten OH- Intensitäten verwendet werden, da sie einen gemittelten 2-dimensionalen Querschnitt durch die reagierende Scherschicht repräsentieren. Die ideale Mittelung (t → ∞) wird für den expe- rimentellen Datensatz also durch die Mittelung über die pro Versuch erzielten Einzelschüsse approximiert. Dies waren bei Versuchsdauern von 5 sec 200 Einzelbilder (die Einzelschüsse, die in der ersten Sekunde des Versuchs geschossen wurden, konnten für die Auswertung nicht benutzt werden, da hier noch kein stationärer Brennkammerzustand erreicht wurde). Die Ein- zelbilder sind aufgrund der relativ geringen Detektionsfrequenz (50 Hz) statistisch unabhän- gige Daten. Bei der Mittelung über 200 Einzelbilder kann man von Rotationssymmetrie der OH-Verteilung ausgehen, so daß die Anwendung einer Abeltransformation und der Vergleich dieser experimentellen Daten mit den Ergebnissen der numerischen Simulation möglich ist. Wie in Kapitel 3 erläutert, wurde während der Versuche festgestellt, daß der Sauerstoffstrahl großskaligen Fluktuationen unterworfen ist. Ab einem Abstand von ca. 70 mm stromab vom Injektor wurde eine Oszillation des Kernstrahles beobachtet in der Größenordnung des Strahldurchmessers (siehe Anhang Bild 9.7 und 9.8). Diese Instationaritäten (strömungsme- chanische Instabilitäten) sind nicht auf Turbulenzeffekte zurückzuführen, und werden somit auch nicht von der stationären Strömungssimulation mit dem k-ε-Turbulenzmodell erfasst. Bei der zeitlichen Mittelung der experimentellen OH-Intensitäten bewirken diese Instationa- ritäten eine Verbreiterung der OH-Zonen. Die stationäre numerische Simulation mit dem k-ε- Turbulenzmodell berücksichtigt allerdings nur die Verbreiterung aufgrund der kleinskaligen turbulenten Effekte. Diese Problematik wird in Kapitel 5 genauer betrachtet. Für die in die- sem Kapitel gezeigten Vergleiche bedeutet dies eine Einschränkung auf das injektornahe Ge- biet, da hier die großskaligen Instabilitäten noch keine Rolle spielen, wohl aber die turbulen- ten, die in der numerischen Simulation mit dem Standard k-ε-Turbulenzmodell berücksichtigt werden. Anhand der folgenden Abbildungen (Bild 4.12 und Bild 4.13) wird gezeigt, daß der Ansatz eines chemischen Gleichgewichtes die Realität der turbulenten Verbrennung nicht korrekt wiedergibt. Als geeignete Vergleichsgröße wird die OH-Verteilung gewählt. Dargestellt wird der in Kapitel 3.2.1 erläuterte 30-bar P8-Versuch (OH-Imaging) und die dazugehörige AS3D- Rechnung. 4 Numerische Simulation 55 Bild 4.12: Vergleich zwischen berechneter OH-Verteilung (AS3D, oben) und OH- Imaging-Experiment (abeltransformiert, unten) bis 20 mm stromab vom In- jektor (injektornaher Bereich) bei 30 bar Brennkammerdruck AS3D kann zwar, wie der Name schon sagt, 3D-Rechnungen durchführen, für diesen Versuch wurde jedoch, um Rechenzeit zu sparen, 2-dimensional gerechnet. Der Fehler, der hierbei entsteht, ist im Verhältnis zu den Fehlern, die in den einfachen Modellansätzen stecken klein und steht somit in keinem Verhältnis zu den erforderlichen Rechenzeiten für 3D-Rechnungen. In der oben gezeigten Abbildung (Bild 4.12) ist ein Ausschnitt von 20 mm und im Anhang (Bild 9.9) ist derselbe Vergleich mit einem Ausschnitt von 100 mm dargestellt (dieser Ver- gleich über die gesamte Fensterlänge zeigt die deutlichen Diskrepanzen, die aufgrund der großskaligen Fluktuationen des Sauerstoffstrahles, die weiter stromab auftreten, entstehen). Die Farbskala am rechten Rand von Bild 4.12 gibt den Massenanteil des OH-Radikals wieder. Sie bezieht sich nur auf die obere Hälfte der Abbildung (AS3D-Rechnung). Im Gegensatz zur numerischen Simulation, die einen quantitativen Datensatz aller relevanten Größen bereit- stellt, liefert das OH-Imaging-Experiment nur qualitative Intensitätsverteilungen. Bei der In- terpretation dieser Abbildung kann man also nicht quantitativ die OH-Massenanteile an ver- schiedenen Orten vergleichen. Möglich ist allerdings, die OH-Verteilungen qualitativ gegen- überzustellen und dabei resultiert, daß die numerische Simulation die Reaktionszonen zu dünn berechnet. Das Experiment zeigt, daß das OH-Radikal in 2-5 mal dickeren Schichten vor- kommt, als es mit AS3D berechnet wurde. Um diese Erkenntnis deutlicher darzustellen, zeigt die folgende Abbildung (Bild 4.13) radiale Profile der OH-Verteilung beispielhaft an einer axialen Position im injektornahen Bereich (X = 10 mm). 56 4 Numerische Simulation Bild 4.13: Vergleich der OH-Verteilung zwischen numerischer Simulation (AS3D) und Experiment bei X=10 mm (injektornaher Bereich, 30 bar Kammerdruck) Während bei der OH-Verteilung der numerischen Simulation die realen Massenanteile darge- stellt sind, werden für das Experiment nur die gemessenen Graustufen abgebildet. Eine Quan- tifizierung des gemessenen OH-Signals ist zeitlich zu aufwendig, da der Informationsgewinn durch den qualitativen Vergleich als ausreichend betrachtet wird. Als grundlegende Ursache für die Diskrepanz zwischen Experiment und numerischer Simulation wird im injektornahen Gebiet nicht die instationäre Oszillation des Sauerstoffstrahles und somit auch der reagieren- den Scherschicht erachtet, sondern das zu einfache chemische Verbrennungsmodell, das in AS3D verwendet wird. Mit einem chemischen Gleichgewichtsansatz können keine breiten Reaktionszonen entstehen, da der gesamte, in einer Rechenzelle vorhandene Sauerstoff bzw. Wasserstoff dem Verbrennungsmodell unterzogen wird. Es wird nicht berücksichtigt, daß durch die Turbulenz hervorgerufenes Quenching auftreten kann, und daß Ungemischtheitsef- fekte dafür sorgen, daß eben nicht der gesamte in einer Rechenzelle vorkommende Sauerstoff bzw. Wasserstoff sofort verbrennt, sondern daß die Lebensdauer der schon erwähnten kom- pakten, dichten Sauerstofftaschen länger ist und sie die Flammfront praktisch „zerreißen“. Eine Vermischung und Verbrennung mit dem Wasserstoff erfolgt weiter entfernt vom Sauer- stoff-Kernstrahl und liefert somit breitere Reaktionszonen. Es sind die verschiedenen Mecha- nismen der Interaktion zwischen der Strömung, die hochturbulent ist, und der Verbrennung, die die Diskrepanz zwischen Rechnung und Experiment liefern. Diese Mechanismen werden in AS3D nicht berücksichtigt, aber auf deren Untersuchung wird in Kapitel 5 näher eingegan- gen. 4.4.2 Der Vergleich bei 60 bar Im Gegensatz zu den 30 bar Untersuchungen wird bei den 60 bar Untersuchungen die Strahl- aufweitung des Sauerstoffkernstrahls zwischen Experiment und numerischer Simulation mit- einander verglichen. Folgendes Bild 4.14 zeigt eine Schattenaufnahme des Sauerstoffkern- 4 Numerische Simulation 57 strahls zusammen mit der gerechneten O2-Verteilung bis zu einer axialen Entfernung vom Einspritzkopf von 30 mm. In Richtung der Y-Achse entspricht der Ausschnitt dem sichtbaren Bereich, der durch die Fensterränder begrenzt wird. Die Fenster haben eine Höhe von 25 mm, da hier jeweils eine Symmetriehälfte betrachtet wird, entspricht der Ausschnitt also jeweils 12,5 mm in Y-Richtung. Bild 4.14: Vergleich zwischen Schattenaufnahme und gerechneter O2-Verteilung bei 60 bar Brennkammerdruck Die qualitative Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation ist bei der O2- Verteilung ähnlich wie bei der OH-Verteilung, die im vorigen Kapitel untersucht wurde. Um diesen Vergleich auch quantitativ durchzuführen, zeigen die folgenden zwei Diagramme ra- diale Profile der gerechneten Dichteverteilung im Vergleich zu Intensitätsprofilen, die aus den Schattenaufnahmen ermittelt wurden, und zwar bei zwei verschieden axialen Positionen. Bild 4.15: Vergleich radialer Profile der Dichte (Simulation) und der Intensitätsvertei- lung (Schattenaufnahme) bei 60 bar; X = 20 mm (links), X = 70 mm (rechts) 58 4 Numerische Simulation In den beiden Diagrammen von Bild 4.15 wurden die Schattenaufnahmen bzw. die daraus ermittelten Intensitätsprofile mit der numerisch gerechneten Dichteverteilung verglichen. Da die Intensität der einzelnen Bildpunkte in den Schattenaufnahmen proportional zur Dichte ist, kann dieser Vergleich benutzt werden, um Aussagen über die Strahlverbreiterung zu treffen. Die Intensitätsprofile der Schattenbilder entsprechen der Grauwertverteilung der einzelnen Pixel. Bei der Auswertung mußten diese Grauwertverteilungen invertiert werden (Negativ- Bild-Erstellung), um hohen Intensitäten (helle Pixel; nach der Invertierung dunkle Pixel) auch hohe Dichten zuordnen zu können. In Bild 4.15 ist abzulesen, daß die Aufweitung des Sauerstoffstrahles in der Simulation gerin- ger ist als es im Experiment nachgewiesen wurde. Die Genauigkeit bei der Berechnung der Strahlaufweitung des Sauerstoffkernstrahls ist zufriedenstellend. Die Ursachen, daß sie nicht exakter berechnet werden kann, liegt darin begründet, daß sehr viele physikalische Einzelpro- zesse auf die Strahlaufweitung Einfluß nehmen, aber nicht alle Effekte berücksichtigt werden können. Die dominierende Rolle hierbei spielt sicherlich der Wärmeeintrag durch die Umge- bung an den Sauerstoffkernstrahl, aber auch die Wärmeleitung innerhalb des Sauerstoffs und auch eventuell auftretende Oberflächenspannungseffekte beeinflussen die Strahlaufweitung. Die möglichst exakte thermodynamische Beschreibung des Sauerstoffs als reales Fluid und die daraus resultierenden Stoffwerte sind Voraussetzung für genaue Simulationen. Dieses Kapitel zeigte einen Auszug der Ergebnisse der numerischen Simulation und einen Überblick der wichtigsten Vergleiche zwischen unterkritischen und überkritischen Simulatio- nen bzw. Experimenten. Es wurde festgestellt, daß die Phänomenologie des 30 bar Experi- mentes und des 60 bar Experimentes durchaus ähnlich sind. Es besteht zwischen diesen bei- den Druckstufen kein markanter Unterschied wie z.B. zu den weit unterkritischen Zuständen von 1.8 bar (siehe Kapitel 3.1). Bei der quantitativen Betrachtung von Detailphänomenen sind allerdings Unterschiede festgestellt und herausgearbeitet worden (siehe Kapitel 4.3.3, Bil- der 4.9-4.11). Im folgenden Kapitel konzentriert sich die Auswertung der Experimente bzw. der numerischen Simulation auf die Bestimmung der Längen- bzw. Zeitskalen in der reagie- renden Scherschicht. Daraus werden bestimmte Eigenschaften der physikalisch-chemischen Vorgänge sowie die Kopplung der turbulenten mit den chemischen Prozessen in der reagie- renden Scherschicht abgeleitet. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen In diesem Kapitel werden turbulente und chemische Zeit- bzw. Längenskalen untersucht und quantifiziert. Im Gegensatz zu den vorherigen Kapiteln wird hier ausschließlich die reagie- rende Scherschicht betrachtet. Die Untersuchungen der turbulenten Skalen werden sowohl anhand der experimentellen Daten als auch anhand der Ergebnisse der numerischen Simula- tionen durchgeführt. Die chemischen Zeitskalen wurden mit Hilfe eines Programms [79, 80] zur Berechnung der Kinetik von chemischen Reaktionsvorgängen, das an der Universität Hei- delberg entwickelt wurde, ermittelt. Um in diesem Kapitel eine Analyse und einen Vergleich dieser Zeit- und Längenskalen durchzuführen, muß zuerst festgestellt werden, unter welchen Randbedingungen diese Skalen ermittelt wurden, und anschließend können die Vergleichsmöglichkeiten dieser Daten unter- sucht werden. Bei der numerischen Simulation der turbulenten Zeitskalen (siehe Kapitel 5.4.1) wird mit dem CFD-Verfahren AS3D eine „stationäre“ Lösung dieses Verbrennungs- problems berechnet. Man besitzt also keine Information über einen Zustand zu einem be- stimmten Zeitpunkt, sondern nur eine zeitlich gemittelte Lösung. Da bei den chemischen Zeitskalen, wie in Kapitel 5.3 dargestellt wird, die Mischtemperatur (Temperatur bei der un- verbranntes O2 mit unverbranntem H2 in Kontakt kommt) die dominierende Einflußgröße ist, wäre es sehr hilfreich, diese zu kennen. Die Temperaturberechnung mit AS3D ist allerdings als zeitlich gemittelte, adiabate Flammentemperatur zu sehen. Um die Mischtemperatur zu berechnen, muß man eine „instationäre“ Simulation (DNS oder zumindest Large Eddy- Simulation) durchführen. Die instationäre Simulation dieses Problems ist allerdings mit AS3D und den gegebenen Rechnerkapazitäten nicht durchführbar. Experimentell kann diese Mischtemperatur mit Hilfe von CARS Messungen in der reagierenden Scherschicht bestimmt werden. 5.1 Die Rolle der Zeit- und Längenskalen in der Modellierung der turbulenten Ver- brennung Um die Rolle der Zeit- und Längenskalen im Hinblick auf die Vorgänge bei der turbulenten Mischung und Verbrennung in der reagierenden Scherschicht zu untersuchen, muß zuerst eine Analyse der möglichen Flammenstrukturen bzw. Verbrennungsmechanismen durchgeführt werden. Unterstützt wird diese Analyse durch die Ergebnisse der Simulation und der Experi- mente. Wie in den Kapiteln 3 und 4 bereits erläutert, wird das „Abknicken“ der Flamme (sie- he z.B. Bilder 4.3 und 4.5), bei einer Entfernung von ca. 0,035 m vom Einspritzkopf, durch das starke Rezirkulationsgebiet am Einspritzkopf verursacht. Der H2-Strahl an der Brenn- kammerwand, zur Kühlung der Fenster, verstärkt noch zusätzlich dieses Rezirkulationsgebiet. Das „Abknicken“ der Flamme kann auch in den Experimenten festgestellt werden (siehe Bil- der 3.15 und 3.24). Eine Momentaufnahme der eingefrorenen Flammfront mit den dazugehö- rigen Temperaturverteilungen und Mischungsanteilen wäre für diese Analyse optimal. Mit den hier berechneten Datensätzen der stationären Lösung besteht allerdings auch die Mög- lichkeit, Verbrennungsmechanismen und Flammenstrukturen zu analysieren und abzuleiten. Folgende Abbildung (Bild 5.1) zeigt den Unterschied zwischen einer Momentaufnahme und den zeitlich gemittelten Werten (OH-Verteilungen). 60 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bild 5.1: Momentane und gemittelte OH-Verteilungen Die Fluktuationen von Strömungsgrößen (z.B. OH-Konzentration) werden durch das Turbu- lenzmodell berücksichtigt, indem über die turbulenten Instationaritäten gemittelt wird. Vor- aussetzung dafür ist allerdings, daß die Fluktuationen der Strömungsgrößen allein aufgrund der Turbulenz resultieren. Wenn aber großskalige Fluktuationen hauptsächlich durch strö- mungsmechanische Instabilitäten bzw. Schwingungen hervorgerufen werden, kann man sie mit einer stationären Simulation prinzipiell nicht erfassen. Die sinnvollste Vorgehensweise, um die Existenz strömungsmechanischer Instabilitäten zu untersuchen, ist die Durchführung direkter numerischer Simulationen oder zumindest Large-Eddy-Simulationen. Die Ergebnisse der numerischen Simulation (AS3D), wie z.B. die Temperaturverteilungen, die in Bild 4.3 und 4.6 dargestellt sind, stellen eine zeitliche Mittelung über viele dieser momentanen Flam- menfronten dar, die nur aufgrund von Turbulenz einen instationären Charakter haben. Bei den in Kapitel 3 gezeigten Experimenten, mit dem OH-Imaging als Diagnostikverfahren, ist bei der Abeltransformation dasselbe Verfahren angewandt worden. Dabei wurde über 200 Ein- zelbilder, die zeitlich nacheinander aufgenommen wurden, ein Mittelwert gebildet. Aus die- sem Grunde sind mit der Voraussetzung, daß die Instationaritäten nur aufgrund der Turbulenz auftreten (nur im injektornahen Bereich gültig), die OH-Verteilungen, die experimentell ge- messen wurden, auch sehr gut mit den numerisch simulierten vergleichbar (siehe Kapitel 4, Bilder 4.12 und 4.13). Das heißt aber nicht, daß die experimentellen und numerischen OH- Verteilungen übereinstimmen müssen. Dies ist auch nicht der Fall, wie die Bilder 4.12 und 4.14 zeigen. Der Unterschied der experimentellen und numerischen OH-Verteilung im injek- tornahen Gebiet (d.h. im Gebiet, wo keine großskaligen Instabilitäten auftreten) rührt nicht von den experimentellen Aufnahmebedingungen bzw. Auswerteprozeduren her, sondern von den physikalisch-chemischen Modellen, die in AS3D implementiert sind. Turbulente Verbrennungsmechanismen werden in der Literatur üblicherweise mit Hilfe des Borghi-Diagramms eingeteilt bzw. klassifiziert [20, 21, 22]. Dieses Diagramm wird auch hier verwendet. Entscheidend für die Untersuchungen sind zwei Kennzahlen: die Damköhler-Zahl und die Karlovitz-Zahl. Die Damköhler-Zahl ist definiert als: 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 61 t tDa c int = (5.1) Sie beschreibt das Verhältnis des integralen turbulenten Zeitmaßes zum chemischen Zeitmaß. Das integrale turbulente Zeitmaß tint (tint = k/ε) wird in Kapitel 5.4 behandelt. Das chemische Zeitmaß charakterisiert die Geschwindigkeit der Verbrennung, und seine Berechnung mit dem Programmcode LARKIN [79, 80] wird in Kapitel 5.3 dargestellt. Das chemische Zeit- maß gibt an, welche Zeit bei bestimmten Ausgangsbedingungen benötigt wird, um ins chemi- sche Gleichgewicht zu gelangen. Ist Da < 1, dann sind die chemischen Reaktionen langsamer als die Rotationszeit der größten integralen Wirbel. Innerhalb dieses „Regimes“ ist die Vermi- schung großer Strömungsstrukturen (integrale Wirbel) schneller als die Verbrennung. Dieses Verbrennungsregime entspricht dem eines „well stirred reactor“ oder „homogenous reactor“, bei dem man großräumige Verbrennungszonen vorfindet, wie Bild 5.2 zeigt. Ist dagegen Da > 1, dann sind die chemischen Reaktionen schneller als die großräumige Turbulenz, und somit haben die großskaligen Wirbel keinen Einfluß auf die Vorgänge innerhalb der Flam- menzone bzw. deren innere Struktur. Allerdings kann damit noch nicht beurteilt werden, wie die kleinskalige Turbulenz mit der Verbrennung im Zusammenhang steht. Um diese Frage zu klären, wird die Karlovitz-Zahl eingeführt: t tKa kol c = (5.2) Sie beschreibt das Verhältnis der chemischen Zeitskala zum Kolmogorov-Zeitmaß. Das Kol- mogorov-Zeitmaß (tkol = (µ/(ρε))0.5) charakterisiert die Zustände am unteren Ende der Wir- belkaskade, wo die Turbulenzenergie dissipiert wird. Dieses Zeitmaß wird ebenfalls in Kapi- tel 5.4 berechnet. Mit der Karlovitzzahl wird der Einfluß der kleinsten turbulenten Wirbel auf die Verbrennung beschrieben (Flammenstreckung, Flammenverbreiterung). Ist Ka < 1, dann sind die chemischen Reaktionen schneller als die kleinsten turbulenten Wirbel. Daraus resul- tiert, daß die Turbulenz die innere Struktur der Flamme nicht beeinflussen kann. Die Flamme kann zwar gewellt werden, aber z.B. eine Flammenverbreiterung oder eine sonstige Verände- rung der inneren Struktur sind nicht möglich. Ist dagegen Ka > 1, dann sind die chemischen Reaktionen langsamer als die kleinsten turbulenten Wirbel, d.h. die Kolmogorov Wirbel kön- nen in die innere Struktur der Flamme eintreten und sie beeinflussen (z.B. verbreitern). Die verschiedenen Flammentypen sind in der folgenden Abbildung dargestellt: Bild 5.2: Typisierung von Flammen bzw. Flammenfronten [81] Flammen- frontform Flammen- typ Laminare Flamme Re < 1t Re > 1 u’/u < 1 t F Re > 1 Ka < 1 Da > 1 t Re > 1 Ka > 1 Da > 1 t Re > 1 Ka > 1 Da < 1 t Gewellte Flamme Gefaltete Flamme Dicke turb. Flamme (verstreute Reaktionszonen) Homogenes Reaktionsgebiet Bedingungen für den Flammentyp H2 H2 H2 H2 O2 O2 O2 O2 62 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bindet man diese verschiedenen Typen von Flammen in einem Diagramm ein, das die rele- vanten strömungsmechanischen und thermodynamischen Größen und Kennzahlen beinhaltet, erhält man das bekannte Borghi-Diagramm [20]. Bild 5.3: Borghi-Diagramm zur Einteilung der verschiedenen Flammenstrukturen [93] Als Ordinaten- bzw. Abszissenwerte werden dimensionslose Größen verwendet. Bei den Abs- zissenwerten handelt es sich um ein Längenverhältnis und bei der Ordinate um ein Geschwin- digkeitsverhältnis. Dieses Diagramm gilt sowohl für Vormischflammen als auch für Diffusi- onsflammen. Die laminare Flammengeschwindigkeit wird hier formal durch die Gleichung vc,lam = Lc,lam/tc,lam ausgedrückt, wobei Lc,lam die laminare Flammendicke und tc,lam die chemi- sche Zeitskala darstellen. Beide Größen können sowohl für Vormischflammen als auch für Diffusionsflammen gemessen bzw. berechnet werden. Peters [82, 83] hat in Anlehnung an das Flamelet-Modell ein weiteres Flammenstrukturdiagramm speziell für Diffusionsflammen entwickelt. Bei diesem Diagramm wird die Abszisse durch ein Verhältnis der Kolmogorov- Zeitskala zum Zeitmaß der chemischen Verbrennungsreaktion beschrieben (1/Ka). Als Ordi- natengröße wird die Fluktuation des Mischungsbruchs Z‘ verwendet. Bild 5.4 zeigt das von Peters entwickelte Flammenstrukturdiagramm für nicht-vorgemischte Flammen. Bild 5.4: Flammenstrukturdiagramm für Diffusionsflammen nach Peters [82, 83] 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 63 Der Mischungsbruch Z spielt eine zentrale Rolle in den Flamelet-Modellen [84]. Z‘ ist die turbulente Fluktuation des Mischungsbruchs, (∆Z)F gibt die Flammendicke im Mischungs- bruchraum (Z-Raum) an. Der eingezeichnete Injektor mit der Flammfront deutet diejenigen Gebiete an, in denen man sich bei der turbulenten Diffusionsflamme etwa befindet. Danach befindet man sich in der Nähe des Injektors eher in dem „Regime“ der verbreiterten Flamm- fronten, was durch die Ergebnisse aus Kapitel 5.3 bis 5.6 auch bestätigt wird. Dieser Darstel- lung kann entnommen werden, daß das Flamelet-Modell nur für Bereiche gilt, in denen die chemische Zeitskala kleiner als die Kolmogorov-Zeitskala ist, d.h. die Verbrennung schneller als die Rotation der kleinsten Wirbel abläuft. Bei diesen Zeitskalen können nur sehr dünne Flammfronten entstehen. Für die weitere Betrachtung ist es unabdingbar, detailliert die Struktur von Flammfronten darzustellen. Bild 5.5: Schematische Darstellung der Struktur einer H2/O2-Diffusionsflamme Die Struktur einer Vormischflamme ist im Anhang (Bild 9.10) dargestellt. Die Flammendicke ist definiert durch die Vorwärmzonen (preheat zones) und durch die innere Struktur der Flamme (inner layer), wo die chemischen Umsatzraten sehr hoch sind. In den Vorwärmzonen (bei Diffusionsflammen auf beiden Seiten der Flammfront und bei Vormischflammen nur auf der Seite der unverbrannten Mischung) treten zwar auch chemische Reaktionen auf, allerdings existieren hier auch sehr große Anteile unverbrannter Treibstoffe, die sich durch die Aufnah- me der freiwerdenden Energie der chemischen Reaktionen stark aufheizen. In Bild 5.5 ist die Struktur einer H2/O2-Flamme in einer Raumkoordinate x abgebildet. Es ist auch möglich und für gewisse Modellvorstellungen sehr nützlich, diese Flammenstruktur im Mischungs- bruchraum (beim Flamelet-Modell Z-Raum genannt) darzustellen (vgl. Bild 5.6). 64 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Laminar Turbulent Bild 5.6: Darstellung der Struktur einer H2/O2-Diffusionsflamme im Mischungs- bruchraum; Unterschied zwischen Konzentrations- und Temperaturvertei- lungen bei laminaren (links) und turbulenten (rechts) Flammen Im obigem Diagramm (Bild 5.6) sind die Konzentrations- und Temperaturverteilungen in der Reaktionszone dargestellt. Rechts werden die Verläufe unter turbulenten und links unter la- minaren Bedingungen abgebildet. Die innere Struktur der Flamme nimmt im Mischungs- bruchraum ebenso wie im physikalischen Raum (s. Bild 5.5) nur ein schmales Band ein. Bei einem Vergleich der linken mit der rechten Abbildung erkennt man den Einfluß der Turbu- lenz auf die Flammenenstruktur im Mischungsbruchraum. Durch die beschleunigte Vermi- schung im turbulenten Fall überlappen die Profile des Brennstoffs (H2) und des Oxidators (O2) in der Nähe des stöchiometrischen Mischungsgrades. Das Temperatur- und das Konzen- trationsprofil des Reaktionsproduktes (H2O) werden durch die Turbulenz abgeflacht. Diese Abbildung verdeutlicht den Unterschied zwischen einer laminaren und einer turbulenten Flamme im Mischungsbruchraum (verschiedene Zeitskalen für den Wärmetransport und der Vermischung im laminaren bzw. turbulenten Fall). In den folgenden Abbildungen wird der Einfluß bzw. die Wirkung der Turbulenz auf die Flammenfront phänomenologisch anschau- lich dargestellt. Bild 5.7: Einfluß verschiedener Größenskalen der Turbulenzwirbel auf die Struktur der Flammfront 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 65 Bild 5.7 zeigt, wie große Wirbel lediglich in der Lage sind, die Flammfront zu krümmen, und so eine gewellte Flammfront (corrugated flamelets) zu erzeugen. Kleinere Wirbel hingegen können in die innere Struktur der Flamme eindringen und sie somit beeinflussen (z.B. ver- breitern). Im Anhang (Bild 9.10) befindet sich eine ähnliche Darstellung explizit für Vor- mischflammen. Eine Möglichkeit nach welchem detaillierten Mechanismus diese Flammen- verbreiterung ablaufen kann, zeigt folgende Abbildung (Bild 5.8): Bild 5.8: Detaillierter Mechanismus zur Flammenverbreiterung In Bild 5.8 wird dargestellt, wie ein kleiner Wirbel in die Flammenstruktur eindringen kann, und durch seine Rotation in der Lage ist, sehr heißes Fluid (Verbrennungsprodukte) weg von der Reaktionszone zu transportieren. Dieser Mechanismus transportiert die Heißgase im all- gemeinen schneller weg von der Reaktionszone als der normale Diffusionsprozess. Somit erfolgt die Abkühlung des transportierten heißen Fluids auch nicht so intensiv wie bei den normalen Diffusionsprozessen. Dies hat zur Folge, daß das Temperaturprofil der Flamme ab- geflacht und verbreitert wird. Der Wärmeverlust in der Reaktionszone wird also zugunsten der Aufheizung weiter entfernter Gebiete vergrößert. Der normale Wärmeverlust in der Reak- tionszone, der durch Strahlung und Diffusion der heißen Verbrennungsprodukte entsteht, steht im Gleichgewicht zur Wärmeproduktion durch die chemische Reaktion. Wird nun der Einfluß der Turbulenz verstärkt, d.h. die kleinen Wirbel transportieren schneller Wärme aus der Re- aktionszone nach außen, dann wird das Temperaturprofil immer flacher und breiter, bis das Gleichgewicht zur Wärmeproduktion nicht mehr gehalten werden kann. Dies kann zur lokalen Verlöschung der Flamme führen (Quenching). Im Rahmen dieser Arbeit werden Längenskalen experimentell bestimmt und mit den nume- risch simulierten turbulenten Längenskalen verglichen. Um diese Skalen mit den chemischen Zeitskalen, die in Kapitel 5.3 berechnet werden zu vergleichen, muß der Zusammenhang zwi- schen Längen- und Zeitskalen erläutert werden. Nach der Turbulenztheorie von Kolmogorov, die er 1941 aufstellte [103], existiert ein Energietransfer innerhalb des Turbulenzspektrums von den energiereichen großen Wirbeln, deren Längenskala der integralen turbulenten Län- genskala lint entspricht, zu immer kleineren Wirbeln. Der Energietransfer der großen Wirbel zu den kleineren ist, der Wirbelkaskade entsprechend, gleich der Dissipation der turbulenten 66 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Energie auf den kleinsten kolmogorovschen Skalen. Da der Energietransfer innerhalb des turbulenten Spektrums als konstant angenommen wird (d.h. ε = const.) [82], kann mittels ei- ner Dimensionsanalyse folgender Zusammenhang zwischen turbulenten Zeit- und Län- genskalen abgeleitet werden [85, 86]. 312 ~     = ε l t nn (5.3) Hierbei ist ε~ die favregemittelte Dissipationsrate, ln die turbulente Längenskala und tn die korrespondierende turbulente Zeitskala. Dieser Zusammenhang gilt für das gesamte Turbu- lenzspektrum, also von den integralen Skalen bis zu den Dissipationsskalen (kolmogorovsche Skalen). In folgender Darstellung (Bild 5.9) wird dieser wichtige Zusammenhang graphisch dargestellt. Bild 5.9: Zusammenhang zwischen Längen- und Zeitskalen innerhalb des turbulenten Spektrums Die lokal herrschenden Längen- und Zeitskalen bestimmen die Interaktionsmechanismen zwi- schen Turbulenz und Verbrennung. Ein weiterer Ansatz, um verschiedene Mechanismen der Interaktion von Turbulenz und Verbrennung zu beschreiben, basiert auf der turbulenten Fluktuationsgeschwindigkeit u/ bzw. auf Gradienten von u/ [87]. Bild 5.10: Gewellte Flammenfront aufgrund von Gradienten der Fluktuationsge- schwindigkeit u/ 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 67 In dieser Darstellung entspricht ΛT dem Taylor`schen Längenmaß [87]. Aus dieser Abbildung läßt sich ableiten, daß die Flammfronten zerreißen können, wenn die Fluktuationsgeschwin- digkeiten ansteigen und einen Grenzwert übersteigen. Dies führt ebenfalls zum lokalen Quen- ching der Flamme. Die Turbulenzintensität ist demnach eine entscheidende Größe für die Modellierung der turbulenten Verbrennung. Die bisher gezeigten Verbrennungsmechanismen heben deutlich den transienten Charakter der turbulenten Verbrennung hervor. Das Problem bei der Modellierung dieser Phänomene ist, daß diese unweigerlich höchst instationären Vorgänge gekoppelt sind mit sehr starken nichtli- nearen Abhängigkeiten, was zu einem sehr steifen Gleichungssystem führt. Nur durch eine genaue Quantifizierung der auftretenden Einzelprozesse (z.B. Kinetik, Wärmekonvektion, Diffusion, Strahlung,...) bzw. ihre Einflüsse auf die lokalen thermodynamischen Größen (z. B. Yi, T, ...), können dominante und zu vernachlässigende Prozesse herausgearbeitet werden, und die turbulente Mittelwertbildung der Zustandsgrößen ausreichend genau durchgeführt werden. Folgende Abbildung (Bild 5.11) zeigt allgemein den instationären Charakter einer Scher- schicht [88]. Bild 5.11: Großskalige Instabilität einer Scherschicht (Wanderung eines wachsenden Wirbels) In dem hier betrachteten Fall der koaxialen Treibstoffaufbereitung in Raketenbrennkammern existiert in der Scherschicht die gleiche Problematik: höchst instationäre Mechanismen, be- stimmt durch Längen- und Zeitskalen, die über mehrere Größenordnungen variieren können. Um diese Mechanismen möglichst umfassend zu untersuchen, werden zunächst zwei Grenz- fälle betrachtet. Der erste Grenzfall ist, daß sich lokal Mischgebiete ausbilden können, in de- nen allerdings keine Verbrennung stattfinden kann, weil die Mischung zu kalt ist. Um Ver- brennungsprozesse einzuleiten, ist es notwendig, daß die Mischung die Zündtemperatur über- schreitet. Wie in Kapitel 5.3 gezeigt wird, muß die Mischung eine Temperatur von minde- stens 900 K haben, um akzeptable chemische Zeitskalen zu erreichen, bzw. um die Zündung des Gemischs einzuleiten. Bei den Betriebsbedingungen von H2/O2-Raketentriebwerken wird allerdings die kryogene Treibstoffaufbereitung verwendet, bei der die Treibstoffe mit einer Temperatur von ca. 100 K in die Brennkammer eingespritzt werden. Die experimentellen Er- 68 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen gebnisse, die in Kapitel 3 dargestellt wurden, aber auch weitere Untersuchungen von überkri- tischen Kaltinjektionstests mit Simulationsfluiden [89, 90] bei raketenähnlichen Bedingungen zeigen, daß sich vom dichten Kernstrahl keine Tropfen ablösen, sondern dichte Sauerstoffta- schen, die je nach der Temperatur ihrer Grenzfläche (kritische Mischungstemperatur) entwe- der keine oder eine sehr geringe Oberflächenspannung aufweisen. Im Heißfall ist der Kern- strahl von einer Flamme umgeben, und die Sauerstofftaschen heizen sich schnell auf. Die Treibstoffaufbereitung wird hier prinzipiell durch zwei konkurrierende Prozesse bestimmt: 1. Mischprozeß: Die Sauerstofftaschen entfernen sich vom Kernstrahl und vermischen sich mit der Umgebung. 2. Aufheizprozeß: Die Sauerstofftaschen werden aufgrund mehrerer Mechanismen (Strah- lung der Flamme, Wärmediffusion, etc.) von der Umgebung aufgeheizt. Analog hat eine chemische Reaktion zwei Voraussetzungen: 1. Es müssen die passenden Moleküle zusammenstoßen, d.h. es muß eine Mischung der Treibstoffe auf molekularer Ebene vorhanden sein (⇒Mischprozeß). 2. Die Stoßenergie der Reaktionspartner muß den Schwellenwert (Aktivierungsenergie) der chemischen Reaktion übersteigen, d.h. die Temperatur der Mischung muß ausreichend hoch sein und zwar oberhalb der Zündtemperatur (⇒Aufheizprozeß). Ist der Mischprozeß aufgrund sehr hoher Turbulenzintensität im Vergleich zum Aufheizpro- zeß schneller, dann bilden sich lokale Gebiete, in denen H2 und O2 molekular vermischt sind, aber wo trotzdem keine Flamme vorhanden ist, da die Temperatur unterhalb von 900 K liegt. Wie in vorigen Kapiteln erklärt, entspricht dies dem Fall, daß die chemische Zeitskala größer ist als alle turbulenten Zeitskalen, also Da < 1. Ein solches lokales Gebiet verbrennt schließ- lich, wenn es an einem Punkt (normalerweise am Rand) die Zündtemperatur erreicht. Die chemische Reaktion verläuft dann nach dem Vormischflammenmechanismus, oder es bildet sich der Mechanismus einer Triple-Flamme aus. Dieser Triple-Flammen-Mechanismus wird in der neueren Literatur [91] immer öfter untersucht und erlangt einen immer höheren Stel- lenwert bei der Modellierung turbulenter Flammen. Bild 5.12: Schematische Darstellung einer Triple-Flamme [109] Dieser Mechanismus stellt den Grenzfall sehr schneller Vermischung im Vergleich zu den Aufheizraten der sich vermischenden Fluide dar. Der zweite Grenzfall betrachtet das Gegen- 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 69 teil, was anschaulich anhand einer laminaren Diffusionsflamme (vgl. Bild 5.13) erläutert wer- den kann. Bild 5.13: Laminare Diffusionsflamme Hier vollzieht sich die Vermischung nur aufgrund der molekularen Diffusion, also im Ver- gleich zur turbulenten Vermischung äußerst langsam. Bis die Treibstoffe H2 und O2 an die Flamme diffundiert sind, haben sie bereits soviel Wärme durch Strahlung, aber vor allem durch Wärmeübertragung des heißen Reaktionsproduktes H2O aufgenommen, daß sie eine Temperatur haben, die einer Stoßenergie der Moleküle entspricht, die weit oberhalb der Akti- vierungsenergie der chemischen Reaktion liegt (es existiert eine sehr hohe initiale Mischtem- peratur der unverbrannten Treibstoffe). Das ist also der Grenzfall sehr kleiner chemischer Zeitskalen im Vergleich zu theoretisch unendlich großen turbulenten Zeitskalen ( Da → ∞ ; Ka → 0 ). Allerdings treten in technisch relevanten Brennkammern praktisch keine „reinen“ laminaren Flammen auf. Zwischen diesen beiden Grenzfällen existieren in der Realität fließende Übergänge. In Rake- tenbrennkammern treten hauptsächlich die Regimes auf, die dem inneren Spektrum zwischen diesen Grenzfällen entsprechen. Im Borghi-Diagramm wird dieses gesamte Spektrum in Ab- hängigkeit von wenigen wichtigen Größen abgebildet. Da alle Regimes bei der koaxialen Treibstoffaufbereitung in Raketenbrennkammern auftreten können, ist die entscheidende Fra- ge, an welchen Orten welche Mechanismen dominieren. Ausgehend von diesen Überlegungen kann man feststellen, daß bei dem Expandertriebwerk im Gegensatz zu dem Nebenstrom- triebwerk wohl eher die Mechanismen mit schneller Chemie im Vergleich zur Mischung do- minieren. Der Grund dafür ist, daß bei Expandertriebwerken der Wasserstoff wärmer in die Brennkammer einströmt als bei Nebenstromtriebwerken und somit die initiale Mischtempe- ratur größer bzw. die chemischen Zeitskalen kleiner werden. Aber entscheidender ist die Cha- rakteristik des Sauerstoffs, d.h. wie schnell sich der Sauerstoff aufheizt und welche turbulen- ten Mischungsraten er besitzt. 70 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Zusammenfassend können folgende Mechanismen der turbulenten H2/O2-Verbrennung in kryogenen Raketenbrennkammern angegeben werden, die von den lokal herrschenden Län- gen- bzw. Zeitskalen abhängen (die Mechanismen sind nach steigender Turbulenzintensität geordnet, wobei konstante Geschwindigkeit der chemischen Prozesse, d.h. konstante chemi- sche Zeitskala, angenommen wird): 1. Keine Turbulenz ⇒ laminare Flamme ⇒sehr dünne Flammfront bzw. Reaktionszone (theoretischer Fall, tritt in technisch relevanten Brennkammern nicht auf). 2. Leichte Turbulenz ⇒ Gewellte, aber immer noch sehr dünne Flammfront. 3. Weitere Steigerung der Turbulenzintensität ⇒ Flammfront wird immer stärker gewellt. Wenn die Turbulenzintensität so hoch ist, daß die kleinsten turbulenten Wirbel in die Flammenstruktur eindringen können, wird die Flammfront verbreitert. 4. Weitere Steigerung der Turbulenzintensität ⇒Flammfront wird verbreitert ⇒ Wärmever- lust in der Flamme nimmt zu. Bei ausreichender Turbulenzintensität zerreißen die Flamm- fronten. Es setzt lokales Quenching ein. 5. Weitere Steigerung der Turbulenzintensität ⇒ breite, zerrissene Flammfronten. Lokales Quenching tritt auf. Die turbulente Vermischung ist nun so intensiv, daß lokale Mischzo- nen entstehen, die nach einer sog. Wiederzündung (reignition) am Rand dieser Mischzonen nach dem Mechanismus einer vorgemischten Flamme oder Triple-Flamme verbrennen. Zur Bestimmung der lokalen Verbrennungsregimes ist es unerläßlich, die lokalen chemischen bzw. turbulenten Zeit- und Längenskalen zu quantifizieren. In den nächsten Abschnitten wer- den aus den experimentellen Datensätzen Längenskalen ermittelt und mit den numerisch si- mulierten turbulenten Skalen verglichen. Zusätzlich werden chemische Zeitskalen berechnet, und somit sind Abschätzungen darüber möglich, an welchen Orten im Verbrennungsgebiet welche Verbrennungsmechanismen vorherrschen. Um das gesamte Verbrennungsgebiet einer Raketenbrennkammer numerisch zu simulieren, müssen alle dort auftretenden Verbrennungs- regimes in dem turbulenten Verbrennungsmodell berücksichtigt werden. Es stellt ein großes Problem dar, Verbrennungsmodelle zu entwickeln, die eine derartige Allgemeingültigkeit haben, so daß sie für mehrere Verbrennungsregimes anwendbar sind. Üblicherweise sind Verbrennungsmodelle auf ein Regime ausgerichtet. Im nächsten Kapitel werden die wichtig- sten turbulenten Verbrennungsmodelle vorgestellt, mit denen es möglich ist, jeweils be- stimmte „Regimes“ der turbulenten Verbrennung numerisch zu simulieren. 5.2 Übersicht der wesentlichen Modelle zur Berechnung turbulenter Verbrennungs- vorgänge in reagierenden Scherschichten Wie in den vorangegangenen Kapiteln erläutert wurde, stellt die Modellierung der turbulenten Verbrennung eine große Herausforderung dar, und an diesem Problem wird weltweit intensiv geforscht. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die bekanntesten Modelle zur numeri- schen Berechnung turbulenter Vermischung und Verbrennung. Das zentrale Problem bei der Modellierung der turbulenten Verbrennung ist der sehr stark nichtlineare chemische Quellterm, der in den Speziestransportgleichungen auftritt [92]. Fol- gende Gleichung zeigt eine Speziestransportgleichung, wie sie im allgemeinen in Strömungs- berechnungen verwendet wird: 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 71 ( ) ( ) wYu x YD x Yu x Y t iik k i k ik k i +    + ∂ ∂ ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ ''''~~~ ρρρρ (5.5) Der chemische Quellterm der Spezies i setzt sich aus den Reaktionsraten der verschiedenen Reaktionsgleichungen j zusammen, bei denen die Spezies i umgesetzt wird. Es gilt also: ∑= = R j jii ww 1  (5.6) Für die Umsatzraten einer Spezies i in einer Reaktionsgleichung j (Hin- und Rückreaktion) kann nach Warnatz [93] folgende Gleichung abgeleitet werden: ( ) ( )∏     ∏⋅⋅−⋅⋅⋅−= = = − − N i N i i mn f b i m jfjijiji Y k k Ykw jijijj j jjij 1 1 ''' '''' 1 ννν ρρνν (5.7) mit: i: Speziesindex j: Reaktionsindex Yi: Massenbruch kfj: Geschwindigkeitskoeffizient der Vorwärtsreaktion kbj: Geschwindigkeitskoeffizient der Rückwärtsreaktion νij: Stöchiometriekoeffizient mj: Summe der Stöchiometriekoeffizienten der Vorwärtsreaktionen ( ∑= = N i jijm 1 'ν ) nj: Summe der Stöchiometriekoeffizienten der Rückwärtsreaktionen ( ∑= = N i jijn 1 ''ν ) N: Gesamtanzahl der Spezies R: Gesamtanzahl der Reaktionen Die Geschwindigkeitskoeffizienten k werden mit der Arrhenius Gleichung berechnet, die in Kapitel 5.3 behandelt wird. In dieser Gleichung tritt die Temperatur im Exponenten auf und somit sind die Geschwindigkeitskoeffizienten k stark nichtlinear abhängig von der Tempera- tur. Die Berechnung der mittleren Umsatzraten ist bei einem chemischen Reaktionssystem mit nur wenigen Reaktionsgleichungen bereits ziemlich kompliziert. Die Berechnung zeitlich gemittelter Umsatzraten von komplexen Reaktionssystemen, wie es bei der Berechnung von realen Verbrennungsproblemen nötig ist, wird zu einem sehr aufwendigen Problem. Zur Ver- deutlichung der Komplexität wird beispielhaft der einfachste Fall und zwar eine Ein-Schritt- Reaktion untersucht. Die Reaktionsgleichung lautet demnach: AAA k f 321 →+ (5.8) Die momentanen Umsatzraten von Spezies A3 können mit Hilfe von Gleichung 5.7 berechnet werden. Dies liefert: YYkw f 2123 ⋅⋅⋅= ρ (5.9) Die Durchführung einer Mittelung für diesen einfachsten Fall ergibt folgende Gleichungen: ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) YYkYYkYYkYYYYk YYYYkk YYkw ffff ff f '' 1 '' 2 '' 2 '' 1 '' 1 '' 2 '' '' 2 '' 121 '' 22 '' 11 ''2 21 2 3 ~~~~ ~~~ ρρρρρρρρρ ρ ρ ++++= +⋅+⋅+⋅= ⋅⋅⋅=  (5.10) 72 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen In Gleichung 5.10 ist die explizite Aufspaltung der Geschwindigkeitskonstante k nach der Arrhenius-Gleichung und die anschließend nötige Mittelung der dort vorkommenden Größen, vor allem der Temperatur, nicht durchgeführt. Das heißt, daß dieses Gleichungssystem noch wesentlich komplizierter wird. Durch die starke Nichtlinearität von der Temperatur wird das Gleichungssystem auch steifer und die numerische Behandlung ziemlich aufwendig. Für ein einfaches Reaktionssystem, ein Ein-Schritt-System, ist gezeigt worden, wie kompliziert die Berechnung der mittleren Umsatzraten ist. Bei der Berücksichtigung von mehreren Spezies muß man sich im Klaren sein, daß ein überproportionales Anwachsen der zu berechnenden Terme und somit der CPU-Zeit zu erwarten ist. Diese Art der Berechnung von turbulenten Verbrennungssystemen, die sogenannte Momentenmethode [93] beschränkt sich damit auf einfache Reaktionssysteme. Ein weiteres sehr häufig verwendetes Modell ist das Eddy-Break-Up (EBU) Modell [94] oder das damit verwandte Eddy-Dissipation-Concept (EDC) [95]. Das EBU-Modell gilt für den Bereich Da > 1 und Ka > 1. Innerhalb dieses Regimes hoher Turbulenz werden die feinen laminaren Flammenstrukturen gefaltet und zerrissen. Die Flammenzone besteht dann aus breiten turbulenten Flammen. Das EBU-Modell beruht auf halb-empirischen Betrachtungen bezüglich des Reaktionsvorganges innerhalb und zwischen den feinsten Strukturen. Hierbei wurde ursprünglich vorausgesetzt, daß die Verbrennung völlig durch die turbulente Vermi- schung kontrolliert wird und von der chemischen Reaktionsrate unabhängig ist. Für die Be- rechnung der Reaktionsrate wurde folgende Gleichung vorgeschlagen: k Yconstw FEBUEBU ε ⋅⋅= 2'  bzw. (5.11) ρ⋅⋅    ∂ ∂ ⋅= k X Y constw k F EBUEBU 2  In dieser Gleichung kennzeichnet YF die Massenfraktion des Brennstoffes. Die Konstante constEBU hat für Vormischflammen und Diffusionsflammen den Wert 2 [81]. Der Faktor ε/k charakterisiert die Dissipation und somit die Vermischung der Brennstoffwirbel mit seiner Umgebung. Görner [81] erweiterte das EBU-Modell, indem er die wahre Reaktionsrate als Minimum eines mischungskontrollierten Umsatzes (Gleichung 5.11) und eines kinetisch kon- trollierten Umsatzes (Gleichung 5.7) berechnet. Damit erweitert er die Anwendung dieses Verbrennungsmodells bis in das Regime, wo Da ≈ 1 gilt. Das heißt, im Borghi-Diagramm befindet man sich zwischen dem Mechanismus der verbreiterten, turbulenten Flamme (ver- streute Reaktionszonen) und dem homogenen Reaktionsgebiet. In diesem Bereich sind chemi- sche und turbulente Zeitskalen etwa gleich, d.h. die chemischen Umsatzraten sind entweder kinetisch oder mischungskontrolliert. Bei diesem Modell wird davon ausgegangen, daß lokal reaktionsfähige Mischungen entstehen können, deren Temperatur jedoch unterhalb der Akti- vierungstemperatur der chemischen Reaktionen liegt. In der Umgebung von solchen lokalen Inseln unverbrannten Gemischs befinden sich Wirbel von heißen Reaktionsprodukten. Eine solche Phänomenologie kann bei entsprechender Turbulenz und Damköhlerzahl durchaus auch in Raketenbrennkammern vorkommen. In diesen „Produktwirbeln“ liegt nun das Ener- gieniveau über der Aktivierungsenergie, was im reaktionsfähigen, kalten Gemisch nicht der Fall ist, so daß eine Reaktion hier erst dann einsetzt, wenn sich die Produktwirbel eingemischt haben, und folglich die Temperatur im Frischgemisch über die Aktivierungstemperatur ange- stiegen ist. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 73 Eine Modifikation hat das EBU-Modell durch das „Eddy-Dissipation-Concept (EDC)“ erfah- ren [95], das sowohl zur Berechnung von Vormisch- als auch von Diffusionsflammen einge- setzt wird. Beschrieben wird hierbei die Auflösung von Wirbeln, die Brennstoff, Oxidator oder Reaktionsprodukte enthalten. Eine Mischungskontrolle durch Brennstoff- bzw. Oxida- torwirbel tritt hauptsächlich bei Diffusionsflammen auf, die Mischungskontrolle durch Pro- duktwirbel dagegen bei Vormischflammen. Somit wird beim Eddy-Dissipation-Concept die chemische Reaktionsrate als minimaler Wert der folgenden vier Raten bestimmt: ( )        ⋅ + ⋅ ⋅⋅ ⋅⋅ = Kontrolle kinetische r belProduktwir 1 rbelOxidatorwi wirbelBrennstoff min kin Pr 2, 1, 1,   kr Y const kr Y const k Yconst w OX EDC OX OX EDC FEDC ε ε ε (5.12) In der Literatur [81] werden für die Konstanten folgende Werte angegeben: constEDC,1 = 4, constEDC,2 = 2. Allgemein kann festgestellt werden, daß bei diesen Modellen die Mischungs- kontrolle durch den Faktor ε/k berechnet wird. Dieser Faktor hat die Dimension 1/sec und ist der Kehrwert der integralen turbulenten Zeitskala, die in Kapitel 5.4 ausführlich behandelt wird. Der Faktor ε/k charakterisiert hier also eine gemittelte turbulente Mischgeschwindig- keit. Die beiden Modelle EBU und EDC sind nur für bestimmte Regimes im Borghi- Diagramm anwendbar und zwar für Da ≥ 1, wo man sich zwischen dem homogenen Reakti- onsgebiet und den verbreiterten Flammen (verstreute Reaktionszonen) befindet. Für die Be- rechnung von Verbrennungsregimes, bei denen die Chemie sehr schnell abläuft, d.h. im Ge- biet der dünnen, gefalteten Flammen, wo die 1-dimensionale Flammenstrukturbeschreibung anwendbar ist, sind diese Modelle nicht mehr empfehlenswert. Hierbei wären die Flamelet- Modelle vorzuziehen [82]. Zentrale Größe bei den Flamelet-Modellen ist der Mischungsbruch Z. Bei der H2/O2- Verbrennung in Raketentriebwerken hat man den Vorteil, daß nur 2 Elemente an den chemi- schen Reaktionen teilnehmen. Der Mischungsbruch Z beschreibt den Grad der Vermischung zweier, getrennt in die Brennkammer zugeführter Medien. Da bei diesem Fall durch den Koa- xialinjektor im Innenröhrchen reiner Sauerstoff und im Koaxialspalt reiner Wasserstoff der Brennkammer zugeführt werden, kann man den Mischungsbruch vereinfachen, indem dieser nun den Elementmassenbruch von H-Atomen oder O-Atomen beschreibt. In der Regel dient der Brennstoff, also der H-Massenanteil dazu, Z zu definieren. mm m m mZ OH H Ges H + == (5.13) Nach dieser Definition, kann jedem Punkt in der Brennkammer ein Z-Wert zugeordnet wer- den. Im Sauerstoffstrahl ist Z=0 und im koaxialen Wasserstoffstrahl ist Z=1. In der Scher- schicht liegt Z zwischen 0 und 1, wobei Gebiete mit stöchiometrischer Mischung auftreten können, bei denen gilt: Z=Zst= 2 / (2 + 16) = 0.111. Bei turbulenten Rechnungen werden zur Beschreibung der Mischung die Favre-Mittelwerte Z~ des Mischungsbruchs Z verwendet. Zur Berechnung von Z~ wird eine Transportgleichung aufgestellt. 74 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen ( ) ( )     + ∂ ∂ ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ Zu x ZD x Zu x Z t kkk k k ''''~~~ ρρρρ (5.14) Der große Vorteil gegenüber den Momentenmethoden, bei denen die Transportgleichung für die einzelnen Spezies berechnet werden, ist hier schon ersichtlich. Da die Elemente bei den chemischen Reaktionen erhalten bleiben, verschwindet in der Z~ -Gleichung somit auch der chemische Quellterm, der in den Speziestransportgleichungen bei den Momentenmodellen Probleme bereitet. Allerdings erkauft man sich diese Vereinfachung durch eine Annahme, die die Allgemeinheit der Z~ -Gleichung einschränkt. Z~ beschreibt die Elementanteile im Kon- trollvolumen einer turbulenten Strömung, in unserem Fall von H-Atomen und O-Atomen. In dem Term, der die molekulare Diffusion in der Z-Gleichung charakterisiert, tritt die Diffusi- onskonstante D auf. Somit enthalten alle Modelle, die auf der Transportgleichung für den Mi- schungsbruch basieren, implizit die Annahme, daß alle Spezies den gleichen Diffusionsbei- wert haben. Dies trifft für viele technische Verbrennungssysteme sehr gut zu, wie z.B. bei der Kohlenwasserstoff-Verbrennung. Bei H2/O2-Verbrennung ist diese Frage noch nicht geklärt. Zwar besitzen H2 und O2 recht unterschiedliche Diffusionskonstanten, aber es wird vielfach in der Literatur [84] angenommen, daß die molekulare Diffusion bei Mischprozessen, im Ver- gleich zu den turbulenten Mischvorgängen, vernachlässigt werden kann. Auf diesem Gebiet besteht noch weiterer Klärungsbedarf. Bei turbulenten Rechnungen wird neben der Z~ - Gleichung noch eine Transportgleichung für Z~ //2 gelöst. ( ) ( ) χρ ∂ α ∂νρ ∂ ∂νρ ∂ ∂ρ ∂ ∂ρ∂ ∂ αα α α ~ ~ 2 ~ ~~~ 22'' 2''2'' −    +    =+ x Z Scx Z ScxZuxZt tt (5.15) Z// beschreibt die turbulenten Fluktuationen des Favre-Mittelwertes Z~ (mit: Z = Z~ + Z//). Diese Gleichung kann nun natürlich Quellterme besitzen. Eine wichtige Größe hierbei ist die skalare Dissipation χ~ , die nach folgender Gleichung definiert wird: Zk C ~~ ~ ~ 2''εχ χ= (5.16) Der Mischungsbruch Z~ wird durch die Transportgleichung (5.14) bestimmt. Die turbulenten Mittelwerte von Strömungsgrößen, wie der Temperatur oder der Dichte, aber auch die turbu- lenten Mittelwerte der einzelnen Speziesmassenbrüche werden anhand von Wahrscheinlich- keitsdichtefunktionen berechnet. In der Literatur wird für die PDF (Probability Density Func- tion) meistens eine β-Funktion oder eine Gaußverteilung verwendet. Hier sei beispielhaft die Vorgehensweise mittels einer β-Funktion dargestellt.: ( ) ( ) ( )( ) ( )βα γβα ΓΓ Γ∗−∗= −−∗ ZZZP 1~ 11 (5.17) mit: ( ) ( )γβγαγ ZZ Z ZZ ~1;~;1 ~ ~1~ 2'' −==− − = (5.18) 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 75 Ist die genaue Form der PDF bekannt, ist es problemlos möglich, die turbulenten Mittelwerte der verschiedenen Größen durch Momentenbildung mittels PDF zu berechnen: ( ) ( )∫= = = ∗∗∗ 1* 0* ),( ~ ~ z z tx ZdZPZTT & (5.19) ( ) ( )∫= = = ∗∗∗ 1* 0* ),( ~ ~ z z ii tx ZdZPZYY & (5.20) ( ) ( )∫= = = ∗∗ ∗ 1* 0* ~11 z z ZdZP Zρρ (5.21) Die Gleichungen 5.19 bis 5.21 werden verwendet, um die statistischen Mittelwerte der Mas- senbrüche für die einzelnen Spezies, sowie die Temperaturen und Dichten ( ρ,~,~ iYT ) zu be- rechnen. Die momentanen bzw. laminaren Werte dieser Größen (T, Yi, ρ) werden sogenann- ten Flamelet-Libraries entnommen, die in tabellarischer Form bereits vorliegen, und die die numerische Simulation komplizierter chemischer Reaktionssysteme deutlich beschleunigen. Dem Flamelet-Modell liegt damit eine 1-dimensionale Betrachtung der Flamme bzw. der chemischen Reaktionen zugrunde. Die beschreibende Größe ist Z~ . Das Flamelet-Modell spiegelt die Vorstellung wider, daß die turbulente Flamme als ein Ensemble von vielen klei- nen laminaren Flammen betrachtet werden kann. Diese sogenannten Flamelets erlauben auf- grund ihrer laminaren Struktur eine 1-dimensionale Beschreibung. Folglich können für ein bestimmtes Reaktionssystem, z.B. H2/O2, einmalige experimentelle Untersuchungen bei la- minaren Bedingungen durchgeführt werden, die zur Verifikation der berechneten Flamelet- Libraries dienen. Der Vorteil der Flamelet-Modelle ist, daß bei turbulenten Bedingungen auch sehr komplizierte chemische Reaktionssysteme mit relativ geringer CPU-Zeitbeanspruchung berechnet werden können. Als Nachteile erweisen sich die Annahmen, die gemacht werden (Le = 1 und gleiche Diffusionskoeffizienten aller Spezies). Außerdem ist das Flamelet-Modell im Borghi-Diagramm beschränkt auf bestimmte Gebiete, in denen dünne Flammen (corruga- ted flamelets) auftreten, da nur hier Eindimensionalität vorausgesetzt werden kann. Die bekanntesten turbulenten Verbrennungsmodelle wurden kurz beschrieben. Im Rahmen dieser Arbeit kann keine vollständige Auflistung der vorhandenen Modelle auf diesem Gebiet gegeben werden. Beim intensiven Studium der Literatur kann jedoch festgestellt werden, daß die Einschränkungen und Annahmen, die in den meisten Modellen gemacht werden, stark limitierend wirken, was sich dahingehend bemerkbar macht, daß das Modell entweder nur für ganz bestimmte Bereiche im Borghi-Diagramm oder nur für bestimmte Treibstoffkombina- tionen oder nur für begrenzte Betriebsbedingungen anwendbar ist. Ein für zukünftige Anwendungen vielversprechendes Modell sind die Wahrscheinlichkeits- dichtefunktionen. Pope [96] und Janicka et al. [97] liefern auf diesem Gebiet sehr interessante Ergebnisse. Das größte Problem dabei bildet die Bestimmung der PDF. Möglichkeiten, die untersucht werden, sind z.B. Transportgleichungen für die PDF’s aufzustellen, oder es werden bestimmte Verläufe, ähnlich wie oben dargestellt, z.B. eine β-Funktion für die PDF, ange- nommen. Je mehr Variablen die PDF beschreibt, um so schwieriger ist ihre Berechnung. Aus diesem Grunde wird für solche sogenannten „Joint PDF‘s“ statistische Unabhängigkeit ihrer Variablen angenommen. Die Joint PDF wird in mehrere PDF’s aufgeteilt, die nur noch die statistische Verteilung bestimmter Variablen beschreiben. Dies macht die Berechnung zwar 76 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen deutlich einfacher, verfälscht aber auch das Ergebnis, da die Korrelation der als statistisch unabhängig betrachteten einzelnen Variablen nicht mehr aufgelöst werden kann. Für praxis- orientierte Anwendungen sind die PDF-Modelle zwar bereits angewandt worden, aber sie sind noch in vielen Bereichen verbesserungswürdig. In der Forschung besitzen sie ein sehr hohes Potential. 5.3 Die chemischen Zeitskalen der H2/O2-Verbrennung Zur Beschreibung des Einflusses der Turbulenz auf die Verbrennung sind die relevanten Län- gen- und Zeitskalen nötig. In diesem Kapitel werden die chemischen Zeitskalen untersucht. Die chemische Verbrennungsreaktion wird hier unabhängig von der Strömung betrachtet. Demzufolge handelt es sich um eine Analyse der rein kinetischen Vorgänge. In der Raketen- brennkammer wird die Verbrennung lokal als adiabatisch und isobar betrachtet. Folglich wird in diesem Kapitel auch ein adiabatisch, isobares System (siehe Bild 5.14) untersucht, wobei die chemischen Reaktionszeiten für verschiedene Drücke, Mischungen und Anfangstempera- turen berechnet werden. In der Literatur wurden H2/O2-Systeme natürlich reichlich untersucht [98], aber im Hinblick auf Reaktionszeitskalen wurden keine Ergebnisse in ausreichender Datenvielfalt bzw. für ausreichend viele Parametervariationen ermittelt. Aus diesem Grunde werden die chemischen Zeitskalen für reale Brennkammerbedingungen als Parameterstudie der relevanten Größen in diesem Kapitel berechnet. Bild 5.14: Adiabates, isobares System Aus der Literatur sind viele verschiedene H2/O2-Reaktionsmechanismen bekannt. Um die Ergebnisse ausreichend genau zu berechnen, wurde ein Gleichungssystem mit 37 Reaktions- gleichungen verwendet, angegeben von Maas und Warnatz [99]. Dieses Reaktionssystem, daß in der folgenden Tabelle dargestellt ist, berücksichtigt 8 verschiedene Spezies (H2, O2, H, O, OH, H2O, HO2, H2O2). 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 77 Nr. Reaktionsgleichung A [cm*mol*sec] β [-] Ea [kJ mol-1] 1 O2 + H → OH + O 2.00 x 1014 0.00 70.30 2 OH + O → O2 + H 1.46 x 1013 0.00 2.08 3 H2 + O → OH + H 5.06 x 104 2.67 26.30 4 OH + H → H2 + O 2.24 x 104 2.67 18.40 5 H2 + OH → H2O + H 1.00 x 108 1.60 13.80 6 H2O + H → H2 + OH 4.45 x 108 1.60 77.13 7 OH + OH → H2O + O 1.50 x 109 1.14 0.42 8 H2O + O → OH + OH 1.51 x 1010 1.14 71.64 9 H + H + M→ H2 + M 1.80 x 1018 -1.00 0.00 10 H2 + M → H + H + M 6.99 x 1018 -1.00 436.08 11 H + OH + M → H2O + M 2.20 x 1022 -2.00 0.00 12 H2O + M → H + OH + M 3.80 x 1023 -2.00 499.41 13 O + O +M → O2 + M 2.90 x 1017 -1.00 0.00 14 O2 + M → O + O + M 6.81 x 1018 -1.00 496.41 15 H + O2 + M → HO2 + M 2.30 x 1018 -0.80 0.00 16 HO2 + M → H + O2 + M 3.26 x 1018 -0.80 195.88 17 HO2 + H → OH + OH 1.50 x 1014 0.00 4.20 18 OH + OH → HO2 + H 1.33 x 1013 0.00 168.30 19 HO2 + H → H2 + O2 2.50 x 1013 0.00 2.90 20 H2 + O2 → HO2 + H 6.84 x 1013 0.00 243.10 21 HO2 + H → H2O + O 3.00 x 1013 0.00 7.20 22 H2O + O → HO2 + H 2.67 x 1013 0.00 242.52 23 HO2 + O → OH + O2 1.80 x 1013 0.00 -1.70 24 OH + O2 → HO2 + O 2.18 x 1013 0.00 230.61 25 HO2 + OH → H2O + O2 6.00 x 1013 0.00 0.00 26 H2O + O2 → HO2 + OH 7.31 x 1014 0.00 303.53 27 HO2 + HO2 → H2O2 + O2 2.50 x 1011 0.00 -5.20 28 OH + OH + M → H2O2 + M 3.25 x 1022 -2.00 0.00 29 H2O2 + M → OH + OH + M 2.10 x 1024 -2.00 206.80 30 H2O2 + H → H2 + HO2 1.70 x 1012 0.00 15.70 31 H2 + HO2 → H2O2 + H 1.15 x 1012 0.00 80.88 32 H2O2 + H → H2O + OH 1.00 x 1013 0.00 15.00 33 H2O + OH → H2O2 + H 2.67 x 1012 0.00 307.51 34 H2O2 + O → OH + HO2 2.80 x 1013 0.00 26.80 35 OH + HO2 → H2O2 + O 8.40 x 1012 0.00 84.09 36 H2O2 + OH → H2O + HO2 5.40 x 1012 0.00 4.20 37 H2O + HO2 → H2O2 + OH 1.63 x 1013 0.00 132.71 Tabelle 4: Chemisches Reaktionssystem Die Größen A, β und Ea bestimmen die Geschwindigkeitskonstante k in der Arrhenius- Gleichung. Diese Konstante wird folgendermaßen berechnet: 78 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Kkmol kJRmit eTAk TR Ea ⋅ = ⋅ ⋅ = ⋅ − 31441,8: β (5.22) Um die kinetischen Verbrennungsraten dieses Reaktionssystems zu erhalten, wurde das Pro- gramm LARKIN (LARge KINetic Systems) angewandt [79,80], welches an der Universität in Heidelberg entwickelt wurde. Das primäre Interesse dieser Untersuchungen gilt den Zeitskalen, die das in Bild 5.14 darge- stellte System benötigt, um bei verschiedenen Ausgangsbedingungen (Druck, Temperatur, Zusammensetzung) ins chemische bzw. thermodynamische Gleichgewicht zu gelangen. Die so berechneten Zeiten werden schließlich mit den im nächsten Kapitel untersuchten turbulen- ten Zeiten in Relation gesetzt, um daraus verschiedene Einflußmechanismen zwischen Tur- bulenz und Verbrennung abzuleiten. Folgende Abbildung (Bild 5.15) zeigt auf der linken Seite die Konzentrations- und Temperaturverläufe für eine isobar, adiabatische Reaktion bei 60 bar und einer Anfangstemperatur von 2000 K. Die Anfangszusammensetzung entspricht einer stöchiometrischen Mischung. Da die Änderungen der Dichte bzw. des relativen Volu- mens für die spätere Beschreibung der Interaktionsmechanismen zwischen Turbulenz und Verbrennung hilfreich sind, werden sie im rechten Diagramm dargestellt. Bild 5.15: Molare Konzentrationen und Temperatur (linkes Diagramm); Dichte und relative Volumenänderung (rechtes Diagramm) bei 60 bar und einer initialen Mischtemperatur von Tinit = 2000K (stöchiometrische Zusammensetzung) Das System benötigt ca. 1*10-7 sec, bis es das chemische Gleichgewicht erreicht. Die adiabate Verbrennungstemperatur liegt bei 4000 K. Außerdem wird in Bild 5.15 ersichtlich, daß sich die Dichte bzw. das relative Volumen etwa um den Faktor 1,7 ändert. Überträgt man diese Daten auf eine turbulente Flamme, kann festgestellt werden, daß bei diesen lokalen Initialbe- dingungen eine lokale Expansion (Dichteabnahme) um den Faktor 1,7 auftritt. Solche durch die Verbrennung generierten Dichtegradienten produzieren ihrerseits neue Turbulenzenergie. Diesen Effekt kann man im k-ε-Turbulenzmodell z.B. berücksichtigen, indem in der Erhal- tungsgleichung für die turbulente kinetische Energie k solche Dichtegradienten als Quellterme 2,5E-03 2,7E-03 2,9E-03 3,1E-03 3,3E-03 3,5E-03 3,7E-03 3,9E-03 4,1E-03 4,3E-03 4,5E-03 1,0E-08 1,0E-07 1,0E-06 Zeit [sec] ρ [g /cm 3] 1,0E+00 1,1E+00 1,2E+00 1,3E+00 1,4E+00 1,5E+00 1,6E+00 1,7E+00 1,8E+00 v /v in it [-]DENSITYVOLUME 0,0E+00 5,0E-05 1,0E-04 1,5E-04 2,0E-04 2,5E-04 3,0E-04 1,0E-08 1,0E-07 1,0E-06 Zeit [sec] Ko nz en tra tio n [m ol/ cm 3 ] 2000 2500 3000 3500 4000 T [K ] O2 H2 H2O O H OH HO2 H2O2 TEMP 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 79 auftreten. Bei einer Anfangsgemischtemperatur von 1500 K, erhält man folgende zeitliche Profile. Bild 5.16: Molare Konzentrationen und Temperatur (linkes Diagramm); Dichte und relative Volumenänderung (rechtes Diagramm) bei 60 bar und einer initialen Mischtemperatur von Tinit = 1500K (stöchiometrische Zusammensetzung) Anhand dieser Abbildung erkennt man, daß die benötigte Zeitskala, um ins chemische Gleichgewicht zu gelangen, in der Größenordnung von 1*10-6 sec liegt. Das heißt: Die Che- mie ist bei diesen Bedingungen um den Faktor 10 langsamer als bei den Bedingungen, die in Bild 5.15 dargestellt sind. Im Anhang befinden sich noch weitere zeitliche Verläufe für die Konzentrationen, Temperaturen, Dichten und relativen Volumina für bestimmte Anfangsbe- dingungen (Anhang Bilder 9.11 und 9.12). Im Folgenden soll der Einfluß der Zusammensetzung auf die Zeitskalen untersucht werden. Da die Annäherung an den Gleichgewichtszustand asymptotisch verläuft, und man aus Rech- nerkapazitätsgründen die zeitliche Auflösung der Transienten nicht beliebig genau berechnen kann, wird als Zeitpunkt, bei dem sich chemisches Gleichgewicht einstellt, der Zeitpunkt de- finiert, bei dem die Temperatur des Gemisches 99% der Gleichgewichtstemperatur beträgt. Betrachtet werden verschiedene Mischungsverhältnisse von H2 und O2 als Ausgangszustand. Dabei werden auch Zusammensetzungen weit weg vom stöchiometrischen Verhältnis unter- sucht. Es werden aber auch Mischungen betrachtet, die das Reaktionsprodukt H2O schon be- inhalten. Dies sind Bedingungen, die in der Realität in Raketenbrennkammern anzutreffen sind, da in der Reaktionszone H2O-Dampf erzeugt wird. Darüber hinaus finden die Mischung und die Verbrennung von H2 und O2 in einer H2O-Atmosphäre statt. Die in den folgenden Diagrammen (Bild 5.17) dargestellten Verläufe zeigen die Zeit, die für bestimmte Ausgangs- zustände benötigt wird, um das chemische Gleichgewicht zu erreichen. Die O/F –Verhältnisse beschreiben die Massenverhältnisse zwischen O2 und H2 (⇒ O/F = 8 : Stöchiometrie). Dem- gegenüber bezeichnen die Verhältnisse O1/F1/P1 bzw. O1/F1/P2 Teilchenzusammensetzun- gen. Bei O1/F1/P1 sind bei der ursprünglichen Zusammensetzung gleich viele O2, H2 und H2O Teilchen vorhanden, bei O1/F1/P2 sind doppelt so viele H2O Moleküle vorhanden wie O2 oder H2-Moleküle. Interessant ist allerdings auch, wie sich diese Abhängigkeiten bei ver- schiedenen Drücken verhalten. Folgende Abbildung (Bild 5.17) zeigt die Zeitskalen für die hier relevanten Druckstufen von 30 und 60 bar. 0,0E+00 5,0E-05 1,0E-04 1,5E-04 2,0E-04 2,5E-04 3,0E-04 3,5E-04 1,50E-06 1,75E-06 2,00E-06 Zeit [sec] Ko nz en tra tio n [m ol/ cm 3] 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 T [K ] O2 H2O O HO2 H2 OH H H2O2 TEMP 2,5E-03 3,0E-03 3,5E-03 4,0E-03 4,5E-03 5,0E-03 5,5E-03 6,0E-03 1,50E-06 1,75E-06 2,00E-06 Zeit [sec] ρ [g /cm 3] 1,0E+00 1,2E+00 1,4E+00 1,6E+00 1,8E+00 2,0E+00 2,2E+00 v /v in it [-] DENSITY VOLUME 80 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bild 5.17: Chemische Zeitskalen für 30 bar (links) und 60 bar (rechts) bei verschiede- nen initialen Zusammensetzungen in Abhängigkeit der Anfangsmischtempe- ratur Tinit Man erkennt, daß der Einfluß verschiedener Ausgangszusammensetzungen auf die Zeitskalen sowohl bei 30 bar als auch bei 60 bar relativ gering ist. Der Einfluß wird zwar für höhere Temperaturen auch etwas größer, spielt aber trotzdem im Vergleich zur Ausgangstemperatur keine Rolle. Aus dieser Darstellung wird ersichtlich, daß für beide Druckstufen der Einfluß der Mischung keine dominierende Rolle für die Zeitskalen spielt. Das Vorhandensein eines zündfähigen Gemisches ist natürlich die Voraussetzung hierfür. Erhöht man den Anteil von H2O in der Ausgangsmischung, bzw. entfernt man sich vom stöchiometrischen Verhältnis, so werden die adiabaten Verbrennungstemperaturen kleiner. Dies erkennt man auch bei Be- trachtung der entsprechenden Temperaturprofile (siehe Anhang Bild 9.13). Befindet man sich sehr weit weg von der Stöchiometrie, oder sind große Anteile von H2O in der Ausgangsmi- schung vorhanden, zündet das Gemisch nicht mehr bzw. die Temperaturerhöhung ist sehr gering. Diese Fälle werden hier allerdings nicht betrachtet, da die maximal gerechneten An- teile von H2O (O1/F1/P2) ohne Probleme eine Zündung erlauben und die Zeitskalen auch nicht entscheidend beeinflussen. Zu erkennen ist jedoch, daß bei 30 bar die Zeiten allgemein etwas länger sind als bei 60 bar. Da der Einfluß der Mischung eher als gering eingeschätzt wird (bis zu gewissen Grenzwerten natürlich, die hier jedoch nicht erreicht werden), zeigt die folgende Abbildung (Bild 5.18) eine Zusammenfassung der Zeitabhängigkeit für verschiedene Druckstufen, bei denen jeweils zu Anfang eine stöchiometrische Mischung vorliegt. Man kann Bild 5.18 entnehmen, daß die chemischen Zeitskalen bei steigendem Druck und natür- lich bei steigender initialer Mischungstemperatur (Anfangstemperatur) abnehmen. Da in die- ser Arbeit die turbulenten Zeitskalen für die 60 bar Rechnung dargestellt werden, soll der Vergleich mit den chemischen Zeitskalen auch nur für diese Druckstufe durchgeführt werden. In den folgenden Abschnitten werden die turbulenten Zeitskalen quantifiziert. Nimmt man die Ergebnisse der turbulenten Zeitskalen vorweg, kann folgende Aussage formuliert werden: Vermischen sich H2 und O2 bei Temperaturen, die höher liegen als 1500 K, dann sind die chemischen Zeitskalen immer kleiner als die kleinsten turbulenten Kolmogorov Zeiten, und man kann bei CFD-Rechnungen eine Approximation der Verbrennungsvorgänge mit einem chemischen Gleichgewichtsansatz akzeptieren. Liegt die Mischtemperatur zwischen 900 K und 1500 K, können turbulente und chemische Zeitskalen dieselbe Größenordnung haben, und die Interaktion bzw. die turbulenten Verbrennungsmechanismen ändern sich stark, je nachdem welche Werte lokal und momentan diese Zeitskalen annehmen. Ist die Temperatur, 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 81 bei der sich H2 und O2 molekular vermischen, unterhalb von 900 K, dann sind die größten turbulenten Zeitskalen, die der integralen turbulenten Wirbel, immer noch kleiner als die chemischen Zeitskalen. Der Mischprozeß ist in diesem Fall schneller als die Verbrennung. Es können somit ausgedehnte Verbrennungszonen entstehen. Dieses Regime entspricht laut Bor- ghi [20, 21, 22] dem `well stirred reactor`. Bild 5.18: Chemische Zeitskalen für stöchiometrische Zusammensetzungen bei ver- schiedenen Drücken in Abhängigkeit der Anfangsmischtemperatur Tinit Der detaillierte Vergleich dieser chemischen Zeitskalen mit den im folgenden Kapitel berech- neten turbulenten Zeitskalen ist nicht trivial, da die numerische Simulation eine stationäre Lösung berechnet hat und somit keine Anhaltspunkte über die momentane Temperatur liefern kann, die die H2 und O2 Moleküle vor ihrer Verbrennung in der reagierenden Scherschicht haben (initiale Mischtemperatur, Anfangstemperatur). Diese Problematik und die Auswirkun- gen der stark variierenden Zeitskalen auf die Mechanismen der turbulenten Verbrennung wer- den in den folgenden Abschnitten behandelt. 5.4 Die turbulenten Skalen Die turbulenten Längen- und Zeitskalen für die 60 bar-Druckstufe werden nun detailliert un- tersucht. Dabei wird ausschließlich die Betrachtung in der reagierenden Scherschicht durchge- führt. Nach der theoretischen Berechnung der chemischen Zeitskalen im vorigen Kapitel wer- den in diesem Kapitel zunächst die turbulenten Zeitskalen anhand der numerischen Simulati- on bestimmt. Anschließend werden Längenskalen in der reagierenden Scherschicht und die Scherschichtdicke in Abhängigkeit des Ortes (axialer Abstand zum Injektor) experimentell bestimmt. Mit Hilfe der numerischen Simulation sollen dann im darauffolgenden Abschnitt die experimentell ermittelten relevanten Längenskalen innerhalb der reagierenden Scher- schicht in Zeitskalen umgerechnet werden. 1,0E-08 1,0E-07 1,0E-06 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 500 1000 1500 2000 2500 Mischtemperatur [K] ch em is ch e Ze its ka la [s ec ] 0,17 Mpa 1,20 Mpa 3,00 Mpa 6,00 Mpa 10,0 Mpa 82 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 5.4.1 Die numerisch simulierten Zeitskalen Die numerische Untersuchung der turbulenten Zeitskalen wurde mit dem CFD-Programm AS3D durchgeführt. Dargestellt werden hier die Rechnungen für die Modellbrennkammer C bei nominellen P8-Betriebsbedingungen von 63 bar. Als Randbedingungen für die numeri- schen Simulationen werden exakt die Einspritzdaten verwendet, die im Experiment gemessen wurden. Diese sind zusammen mit den geometrischen Daten in Tabelle 4 bzw. Bild 3.12 dar- gestellt. In den folgenden Diagrammen ist an der Abszisse der Einspritzkopf angedeutet, um besser abschätzen zu können, an welchen radialen Punkten sich die reagierende Scherschicht befindet. Es ist möglich, mit den AS3D Ergebnisdatensätzen die zwei relevanten Zeitskalen zu berechnen: das Zeitmaß der integralen Turbulenz und das Kolmogorov-Zeitmaß. Die integralen, turbulenten Längen- bzw. Zeitmaße befinden sich im oberen Teil des turbu- lenten Spektrums. Auf diesen Skalen wird die Turbulenz sowohl in Scherschichten als auch in Grenzschichten produziert. Am untersten Ende des Turbulenzspektrums befinden sich die kolmogorovschen Skalen. Dies sind die kleinsten turbulenten Skalen. Auf diesen Skalen wird die Turbulenzenergie zu Wärme dissipiert. Die Definition der integralen, turbulenten und der Kolmogorov-Zeitskala [85, 86] lautet: ε k t =int ; ερ µ ⋅ =t kol (5.23) mit: k: Turbulente kinetische Energie in m2/sec2 µ: Dynamische Viskosität in Nsec/m2 ρ: Dichte in kg/m3 ε: Dissipationsrate der turbulenten Energie in m2/sec3 Im folgenden Bild 5.19 ist das injektornahe Gebiet dargestellt mit einem maximalen Abstand zum Einspritzkopf von 5 cm. Entfernt man sich vom Einspritzkopf, ist zu erwarten, daß der Einfluß der Scherschicht auf die radiale Verteilung der Zeitskalen abnimmt. Um die Größen- ordnungen zu bestimmen, über die sich das Turbulenzspektrum erstreckt, sind beide Skalen dargestellt. Der Vergleich zeigt, daß die integrale, turbulente Zeitskala um 1-2 Größenord- nungen größer ist als die Kolmogorov-Zeitskala. Bild 5.19: Vergleich zwischen integralen turbulenten Zeitskalen und der Kolmogorov Zeitskala für verschiedene axiale Positionen: X = 1 - 5 cm (bei 63 bar) 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 83 In diesem Diagramm sind radiale Schnitte des integralen (obere drei Kurven) und des kol- mogorovschen (untere drei Kurven) Zeitmaßes bei verschiedenen axialen Positionen (X=1cm, 3cm, 5cm) dargestellt. Bei genauerer Betrachtung des injektornahen Gebietes (Kurven für axiale Position X = 1 cm) erkennt man, daß in der Nähe des Einspritzkopfes, in der Scher- schicht, das Zeitmaß drastisch kleiner ist als bei größeren Entfernungen vom Einspritzkopf. In der Scherschicht nimmt das Zeitmaß stark ab, und zwar um so stärker, je näher man sich am Injektor befindet. Auch der Einfluß des H2-Strahles an der Brennkammerwand, der zur Küh- lung der dort befindlichen Fenster eingesetzt wird, verliert an Intensität, je weiter man sich vom Einspritzkopf entfernt. Anhand des in Bild 5.19 dargestellten Diagramms stellt man fest, daß sich die radialen Profile der turbulenten Zeitskalen mit zunehmendem Abstand zum Injektor ausgleichen. Folgendes Bild 5.20 zeigt die turbulenten Zeitskalen weiter stromab in der Brennkammer. Bild 5.20: Vergleich zwischen integralen turbulenten Zeitskalen und der Kolmogorov Zeitskala für verschiedene axiale Positionen: X =10 – 30 cm (bei 63 bar) Aus Bild 5.20 ist ersichtlich, daß sich die Profile weiter stromab stark ausgeglichen haben. Der Einfluß der Scherschicht ist nicht mehr zu erkennen, und die H2-Strömung zur Fenster- kühlung zeigt ebenfalls keine Wirkung mehr. Es ist lediglich die Abnahme der Zeitskala durch die Wandgrenzschicht zu sehen. Anhand dieses Diagramms kann abgelesen werden, daß sich im injektorfernen Gebiet das turbulente Spektrum sogar über mehr als 2 Größenord- nungen erstreckt. Der hier festgestellte Bereich, über den sich das turbulente Spektrum (an- gefangen von den Kolmogorov bis zu den integralen turbulenten Skalen) erstreckt, spiegelt die Realität sehr gut wider. Für alle im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Rechnungen lag der Unterschied zwischen den kleinsten und den größten turbulenten Skalen zwischen 1-2 Größenordnungen. Dies wird für diesen Reynoldzahlbereich auch durch die Literatur [100] bestätigt. 84 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Im Anhang (Kapitel 9.5; Bild 9.14) ist noch ein weiteres Diagramm dargestellt. Es zeigt die integralen, turbulenten Zeitskalen für den hinteren Teil des Fensterbereiches (von 0,06 m bis 0,10 m stromab von der Einspritzplatte). Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die integralen Skalen ca. um den Faktor 100 größer sind als die Kolmogorov-Skalen bei ortsfester Betrachtung. Dieses breite Turbulenz- spektrum führt zu Problemen bei der Modellierung der Turbulenz. Wie in Kapitel 5.1 gezeigt wurde, spielen vor allem die kleinsten turbulenten Skalen bei der Modellierung der turbulen- ten Verbrennung eine Rolle. Der Übergang zu den größeren Skalen ist aber fließend, und un- ter bestimmten Umständen (wenn die chemischen Verbrennungsprozesse gleich schnell oder etwas langsamer sind als die makroskopisch turbulenten Vermischungsvorgänge) können auch die größten turbulenten Skalen den Verbrennungsmechanismus entscheidend beeinflus- sen. Drei wichtige Erkenntnisse sind hervorzuheben: • In der reagierenden Scherschicht befinden sich die kleinsten vorkommenden turbulenten Zeitskalen in der Nähe des Injektors, wo der Geschwindigkeitsgradient innerhalb der Scherschicht bzw. die Turbulenzintensität am größten ist. Die Zeitskalen werden stromab größer. • Im injektornahen Gebiet (X < 5 cm) ist die kleinste turbulente Zeitskala (Kolmogorov) von der Größenordnung: 1x10-6 sec = 1 µsec. Die größten turbulenten Zeitskalen (inte- grale Zeitskalen) sind in diesem Gebiet von der Größenordnung: 1x10-4 sec = 100 µsec. • Weiter stromab (X > 5 cm) ist die kleinste turbulente Zeitskala (Kolmogorov) von der Größenordnung: 1x10-5 sec = 10 µsec. Die größten turbulenten Zeitskalen (integrale Zeitskalen) sind in diesem Gebiet von der Größenordnung: 1x10-3 sec = 1 msec. Am Austritt des H2-Kühlstromes an der Außenwand der Brennkammer können die Zeitskalen sogar noch etwas kleiner als 1 µsec sein. Das liegt daran, daß hier ein größerer Geschwindig- keitsgradient vorliegt als bei der Injektorströmung. Es leuchtet ein, daß höhere Geschwindig- keitsgradienten bzw. Austrittsgeschwindigkeiten (d.h. eine höhere Reynoldszahl) höhere Tur- bulenzintensitäten generieren. Somit entsteht ein breiteres Turbulenzspektrum mit demzufol- ge etwas kleineren Kolmogorov-Skalen. Werden Brennkammerzustände mit größeren Aus- trittsgeschwindigkeiten realisiert, muß man folglich damit rechnen, daß die Kolmogorov- Zeitskala der Turbulenz hier noch kleiner wird. Bei der Untersuchung der Verbrennungsme- chanismen ist dies zu berücksichtigen (siehe Kapitel 5.1). 5.4.2 Die experimentell ermittelten Längenskalen Dieser Abschnitt behandelt zwei Aufgabenstellungen in jeweils separaten Unterkapiteln. Zu- erst werden die relevanten Längenskalen, die innerhalb der reagierenden Scherschicht in den Verbrennungszonen auftreten, bestimmt. Anschließend wird die axiale Verbreiterung der Scherschicht untersucht. Dies schließt sowohl die Untersuchung der Scherschichtdicke als auch die Verteilung der Verbrennungsintensitäten innerhalb der Scherschicht ein. Die Scher- schichtdicke ist ein wichtiges Maß für die Analyse der relevanten Längenskalen, da sie, ähn- lich wie bei einer Rohrströmung der Rohrdurchmesser, ein begrenzendes Maß für die maxi- mal möglichen turbulenten Längenskalen innerhalb der Scherschicht darstellen. Bevor aller- dings diese integrale Untersuchung der Scherschicht erläutert wird, wird zunächst auf die Detailprozesse innerhalb der reagierenden Scherschicht in den Verbrennungszonen eingegan- gen. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 85 5.4.2.1 Untersuchung von Längenskalen innerhalb der reagierenden Scherschicht Die experimentelle Untersuchung von Längenskalen hat als Ziel die Bestimmung der kohä- renten Strukturen bzw. deren Längenmaße. Als experimenteller Datensatz werden die OH- Emissionsaufnahmen im injektornahen Bereich verwendet. Um aus diesem Datensatz die Längenskalen der Turbulenz zu bestimmen, muß folgende Annahme getroffen werden: Die sichtbaren kohärenten Strukturen der OH-Emissionsaufnahmen sind korreliert mit den kohä- renten Strukturen der turbulenten Strömung. Diese Annahme und die Auswerteprozedur zur Bestimmung der OH-Korrelationslängenmaße werden im Detail erläutert. Der experimentelle Rohdatensatz beinhaltet OH-Intensitäten, die von einer 8-bit CCD- Kamera mit einer Belichtungszeit der Einzelbilder von 100 nsec und einer Frequenz von 50 Hz aufgenommen wurden. Bei einer Versuchsdauer von 5 sec erhält man pro Versuch 200 Einzelbilder (die erste Sekunde im Versuch wird nicht zur Auswertung herangezogen, da hier noch kein stationärer Zustand in der Brennkammer erreicht wird). Der Rohdatensatz besteht aus Grauwertbildern, wobei jedes einzelne Pixel Intensitätswerte zwischen 0 und 255 anneh- men kann, was dem dynamischen Detektionsbereich einer 8-bit CCD-Kamera entspricht. In Kapitel 3 (Bild 3.22 ; injektornahes Gebiet und Bild 3.20 ; gesamte Brennkammer) ist ein Auszug der detektierten OH-Bilder dargestellt. Allerdings sind hier die originalen Grauwert- bilder mit einem Farbcode versehen und somit als Farbbilder visualisiert. Der Ausschnitt der in Bild 3.22 dargestellten OH-Einzelschüsse stellt die Verbrennungszonen vom Injektor bis zu einem axialen Abstand von 30 mm stromab dar. Dieser Bereich wird von der CCD-Kamera mit 577 Pixel aufgelöst. Das entspricht einer Auflösung eines Einzelpixels von 0,05 mm. Man befindet sich mit dieser örtlichen Auflösung innerhalb des turbulenten Spektrums. Die kleinsten turbulenten Skalen sind zwar nicht auflösbar, aber Ziel ist hier, mit dieser Auswerteprozedur die integralen turbulenten Längenskalen zu messen, und dazu ist entsprechend den Daten, die aus der numerischen Simulation gewonnen wurden, diese Auflö- sung ausreichend. Im originalen Grauwertbild besitzt jedes Pixel eine Intensität zwischen 0 (schwarz) und 255 (weiß). Diese Aufnahmen stellen eine Projektion der 3-dimensionalen OH- Intensitäten auf eine Fläche dar (line-of-sight-Aufnahmen). Für die Auswertung der axialen Längenmaße werden die Intensitätsverteilungen auf der Mittellinie dieser Aufnahmen ver- wendet. Bild 5.21 soll diese Vorgehensweise veranschaulichen: Bild 5.21: OH-Emissionsaufnahme (links), Skizze (rechts) als Querschnitt mit einge- zeichneter Blickrichtung und Mittellinie 86 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen In dieser Darstellung ist ein Ausschnitt einer repräsentativen OH-Aufnahme mit ihrer Mittel- achse dargestellt. Rechts daneben ist eine Skizze abgebildet, die einen Querschnitt durch die dritte Dimension an der axialen Position A-A zeigt. Die Intensitäten, die die CCD-Kamera an einem beliebigen Pixel auf der Mittelachse detektiert sind also integrierte OH-Signale. Die Signale werden über eine Strecke innerhalb der reagierenden Scherschicht integriert, wo OH- Moleküle existieren, die im passenden Wellenlängenbereich (300-320nm) Licht emittieren. In Übereinstimmung mit der numerischen Simulation kann festgestellt werden, daß diese Inte- grationsstrecke, in dem hier betrachteten injektornahen Gebiet, die Verbrennungszonen inner- halb der reagierenden Scherschicht darstellt. In radialer Richtung weiter außen existiert bei diesem Injektorabstand noch ein intakter, relativ kalter Wasserstoffstrahl, wo OH nicht exi- stieren kann, ebensowenig wie im Außenbereich, also zwischen Injektorströmung und Fen- ster. Um diese Aussagen zu verifizieren, zeigt folgende Abbildung einen Vergleich zwischen den OH-Signalen aus den entabelten Bildern (siehe Bild 3.24) und den Einzelschüssen. Bild 5.22: Vergleich zwischen axialen OH-Verteilungen entabelter Bilder und Einzel- bilder Die Intensitäten der entabelten Bilder stellen die über die radiale Richtung integrierten Werte in Abhängigkeit vom axialen Abstand zum Injektor dar (sowohl die obere als auch die untere Scherschicht der entabelten Bilder wurde untersucht). Die Kurve, die die Intensitäten auf der Symmetrieachse darstellt ist gemittelt über alle Einzelbilder. Man erkennt deutlich, daß die Intensitätsverteilung auf der Symmetrieachse den radial integrierten Intensitäten der entabel- ten Bilder entspricht. Damit ist sichergestellt, daß die detektierte OH-Emission auf der Sym- metrieachse allein aus den innerhalb der Verbrennungszonen in der reagierenden Scherschicht produzierten OH-Radikalen entstammt. Innerhalb dieser Verbrennungszonen werden nun ko- härente Strukturen untersucht. Dies wird mit der in der Turbulenzforschung geläufigen Me- thode, der 2-Punkt-Korrelation, durchgeführt. Bild 5.23 stellt die Modellvorstellung, die die- ser Auswerteprozedur zugrunde liegt dar. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 87 Bild 5.23: Modellvorstellung: reag. Scherschicht + Verbrennungszonen; Zoom der ko- härenten Strukturen innerhalb dieser Verbrennungszonen; Korrelation der Intensitätsprofile Die kohärenten Strukturen sind in dieser Modellvorstellung als morphologische Gebiete (In- seln) gleicher oder ähnlicher Emissionsintensität dargestellt. Da die emittierenden OH- Moleküle sich mit der turbulenten Strömung mitbewegen, repräsentieren diese Strukturen sowohl kohärente, turbulente Strömungstrukturen als auch OH-Emissionstrukturen. Bei der Anwendung einer Zwei-Punkt-Korrelationsmethode zur Bestimmung der Längenmaße dieser kohärenten Strukturen wird somit durch Bild 5.23 ersichtlich, daß das ermittelte Längenmaß einen Mittelwert über die radiale Integrationsstrecke darstellt. Es werden also innerhalb der reagierenden Scherschicht in den Verbrennungszonen gemittelte Längenmaße von kohärenten OH- bzw. Turbulenzstrukturen ermittelt. Die Auswerteprozedur wird nun im Detail darge- stellt: Für jedes Pixel auf der Mittelachse wird ein Intensitätsprofil über alle Einzelbilder er- stellt. Bild 5.24 stellt exemplarisch die Intensitätsprofile zweier benachbarter Pixel dar. 88 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bild 5.24: Signal zweier benachbarter Pixel (Nr.: 384 und 390) Bild 5.24 stellt die zeitliche Evolution eines detektierten Signals über 200 Einzelbilder dar. Die Detektionsfrequenz von 50 Hz entspricht einem Zeitabstand zweier aufeinanderfolgender Bilder von 0,02 sec. Wird dieser Zeitabstand mit den numerisch simulierten Zeitskalen aus dem vorigen Kapitel verglichen, erkennt man, daß der zeitliche Abstand zwischen zwei Ein- zelbildern größer ist als die größten turbulenten Zeitskalen. Daraus folgt, daß jedes Einzelbild als eine statistisch unabhängige Messung betrachtet werden kann. Für die in Bild 5.24 darge- stellten Signale der beiden benachbarten Orte (X = 20,0 mm, Pixel-Nr. 384 und X = 20,3 mm, Pixel-Nr. 390) wird nun exemplarisch die Anwendung des in der Turbulenzforschung übli- chen Zwei-Punkt-Korrelationsverfahrens dargestellt. Dieses Verfahren wird analog für alle Pixel, die auf der Mittelachse liegen, durchgeführt. Der Korrelationsfaktor ist folgendermaßen definiert [101]: II IIK PP PP PP 2' 2 2' 1 ' 2 ' 1 2,1 * * = (5.24) Zur Bestimmung des Korrelationsfaktors benötigt man die RMS-Werte der Fluktuationen I´ an den beiden Orten P1 und P2 und außerdem den Mittelwert der Korrelation I´P1*I´P2. Bei- spielhaft werden diese Größen anhand der in Bild 5.24 dargestellten Signale berechnet. Fol- gendes Bild zeigt die RMS-Werte der Fluktuationen an den Orten X1 = 20,0 mm und X2 = 20,3 mm. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 89 Bild 5.25: Quadrierte Fluktuationen und deren Mittelwerte für Pixel 1 und Pixel 2 Diesen beiden Diagrammen kann man die RMS-Werte der betrachteten Pixel bei X1 = 20,0 mm und X2 = 20,3 mm entnehmen ( 9,212,480;8,224,520 2| 22| 1 ==== II PP ). Folgendes Diagramm stellt die Korrelation der Fluktuationen für die beiden Orte P1 und P2 dar. Bild 5.26: Korrelation I´P1*I´P2 Der gemittelte Wert dieses Signals beträgt: 3,466* ' 1' 1 =II PP . Nun sind alle Größen zur Be- rechnung des Korrelationsfaktors nach Gleichung 5.24 bekannt. Der berechnete Korrelations- faktor beschreibt den Grad der Korrelation zwischen den beiden Meßpunkten Pi- xel 1 = X1 = 20,0 mm und Pixel 2 = X2 = 20,3 mm (für dieses Beispiel gilt also: KP1P2=466,3/(22,8*21,9)=0,93). Der Korrelationsfaktor hat maximal den Wert 1 (ideale Kor- 90 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen relation). Dies trifft zu, wenn die beiden Meßpunkte zusammenfallen (Pixel 1 = Pixel 2). Ent- fernt man die beiden Meßorte voneinander, sinkt der Korrelationsfaktor auf Werte nahe Null. Der Korrelationsfaktor kann auch negative Werte annehmen, was auch im allgemeinen der Fall ist (s. Bilder 5.27 und 5.28). Nimmt der Korrelationsfaktor Werte an, die nahe bei Null liegen, bedeutet dies, daß die beiden Meßorte soweit voneinander entfernt sind, daß die Meß- signale vollständig unkorreliert sind. Dies wird in einer turbulenten Strömung dann erreicht, wenn der Abstand zwischen den beiden Meßpunkten größer als die größten turbulenten Län- genskalen bzw. größer als die größten kohärenten Strukturen ist. Trägt man die Korrelations- werte K über den Abstand der Meßpunkte auf, erhält man eine Kurve, die Aussagen über die Längenskalen in dieser turbulenten Strömung liefert. Bild 5.27 zeigt die Korrelationskurve für eine turbulente Strömung. Bild 5.27: Theoretische Korrelationskurve mit integralem Längenmaß. Solchen Korrelationskurven können mehrere Längenskalen entnommen werden. Die maximal mögliche Längenskala einer kohärenten Struktur entspricht der Position auf der Abszisse, wo der Korrelationsfaktor K null wird. Diese Längenskala entspricht z.B. bei einer Rohrströmung dem Rohrdurchmesser. In dem Fall einer turbulenten Scherschicht muß dieses Längenmaß der Größenordnung der lokalen Scherschichtdicke entsprechen. Untersuchungen zur Scher- schichtdicke und Vergleiche mit den hier berechneten Längenskalen innerhalb der Scher- schicht werden im nächsten Abschnitt erläutert. Das in Bild 5.27 eingezeichnete, integrale Längenmaß wird in der Turbulenztheorie folgendermaßen definiert: ( )dRRKL ∫= ∞ 0 int (5.25) Nach dieser Definition beschreibt das integrale Längenmaß Lint den Wert auf der Abszisse (Abstand der beiden Meßpunkte P1 und P2), an dem Flächengleichheit zwischen der einge- zeichneten Rechteckfläche und der Fläche unter der Korrelationskurve herrscht. In der Tur- bulenztheorie werden die turbulenten Strukturen, die diese Größenordnung (Lint) besitzen als energiereichste Wirbel innerhalb der Energiekaskade angesehen. Man kann aus Korrelations- kurven allerdings noch weitere Längenmaße definieren, die in der Literatur [102] ebenfalls verwendet werden, um Turbulenzstrukturen zu charakterisieren, wie z.B. die Taylorlänge. Der einfachste Weg, um ein charakteristisches Längenmaß zu bestimmen, ist allerdings die Halb- wertsbreite der Korrelationsfunktion, also das Längenmaß, an dem der Korrelationsfaktor den Wert K = 0,5 annimmt. Dieser Wert liegt allgemein sehr nah an dem integralen Längenmaß. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 91 Im Rahmen dieser Arbeit wird die Halbwertsbreite als charakteristisches Längenmaß verwen- det. Anhand einiger exemplarischer Analysen wurde festgestellt, daß der Unterschied zum integralen Längenmaß unter 5% liegt. Folglich lohnt sich der immens große Aufwand zur exakten Implementierung der Berechnung des integralen Längenmaßes mittels Glei- chung 5.25 in die Auswerteprogramme nicht. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Programm erstellt, das für den gesamten Rohdatensatz von beliebig vielen Einzelbildern die Korrela- tionen für jedes Pixel auf der Mittelachse berechnet. Damit wird die Korrelation eines jeden Pixels mit jedem anderen Pixel auf der Mittelachse berechnet. Folgendes Bild zeigt beispiel- haft einen kleinen Auszug der Korrelationskurven für bestimmte Pixel. Bild 5.28: Korrelationskurven für 5 ortsfeste Punkte (Fixpunkte) In Bild 5.28 sind die Korrelationskurven für 5 Punkte dargestellt. Durch den Vergleich der einzelnen Kurven erkennt man, daß weiter stromab die Korrelationskurven eine breitere Form haben als in Injektornähe. Anhand dieses Diagramms kann somit bereits abgeleitet werden, daß die Längenskalen stromab zunehmen. Folgendes Diagramm stellt die Halbwertsbreiten der oben dargestellten Korrelationskurven für alle 577 Pixel auf der Mittelachse dar. Bild 5.29: Halbwertsbreite: integrales turbulentes Längenmaß (auf der Mittelachse) -0,2 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 0 5 10 15 20 25 30 axiale Position X [mm] K or re la tio ns fa kt or K [- ] Fixpunkt P1: x = 5 mm Fixpunkt P1: x = 10 mm Fixpunkt P1: x = 15 mm Fixpunkt P1: x = 20 mm Fixpunkt P1: x = 25 mm 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 1,6 1,8 0 5 10 15 20 25 30 X [mm] ax ia le s Lä ng en m aß L ax [m m] 92 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Unter der Voraussetzung, daß die getroffene Annahme (Korrelation zwischen OH-Strukturen und Turbulenzstrukturen) gilt, stellen diese Halbwertsbreiten ein Längenmaß dar, das, wie weiter oben diskutiert, sehr nah am integralen, turbulenten Längenmaß liegt. In Bild 5.29 ist die Zunahme des Längenmaßes stromab deutlich sichtbar. Direkt am Injektoraustritt beträgt das Längenmaß ca. 0,3 mm und 30 mm stromab ca. 1,1 mm, also eine Vergrößerung um ei- nen Faktor von ca. 4. Eine analoge Analyse wurde durchgeführt zur Ermittlung von Län- genskalen in azimutaler Richtung. Hierbei waren die Pixel auf der Mittelachse die ortsfesten Meßpunkte (Fixpunkte). Der zweite Meßort wurde für jede axiale Position bis zu einem Ab- stand von 2 mm (nach oben und nach unten) variiert. Folgendes Bild zeigt beispielhaft einige Korrelationskurven in azimutaler Richtung für axiale Entfernungen bis 30 mm stromab vom Injektor. Bild 5.30: Azimutale Korrelationskurven für verschiedene axiale Positionen Analog zu den axialen Korrelationskurven sind im azimutalen Fall stromab die Profile eben- falls verbreitert. Da man sowohl Längenmaße in axialer als auch in azimutaler Richtung be- stimmt hat, ist es nun möglich, Untersuchungen zur Isotropie der Turbulenz durchzuführen. Der Grad der Isotropie wird ermittelt, indem lokal die azimutale Längenskala durch die axiale Längenskala dividiert wird. Bild 5.31 zeigt die azimutalen Längenskalen und den Isotropie- faktor für die axialen Positionen vom Injektor bis 30 mm stromab. Bild 5.31: Azimutale Längenskalen (links) und Isotropiefaktor (rechts) in Abhängigkeit der axialen Position 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1 -2 -1,5 -1 -0,5 0 0,5 1 1,5 2 Abstand zur Mittelachse [mm] K or re la tio ns fa kt or K axiale Position: X=10mm axiale Position: X=20mm axiale Position: X=30mm 0 0 , 5 1 1 , 5 2 0 1 0 2 0 3 0 X [ m m ] az im ut al es L än ge nm aß L a z [m m] 0 1 2 3 4 0 1 0 2 0 3 0 X [ m m ] Is ot ro pi ef ak to r L a z / L ax [-] 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 93 Die azimutalen Längenmaße direkt am Injektor liegen in der Größenordnung von 0,5 mm und sie steigen bis zu einem Längenmaß von ca. 1,3 mm bei der axialen Position von 30 mm an. Auf der rechten Seite von Bild 5.31 ist zu erkennen, daß es sich hier um ein schwach ani- sotropes Turbulenzfeld handelt. Für eine Scherschicht ist dieses Ergebnis nicht überraschend. Häufig liegt stärkere Anisotropie bei ähnlichen Strömungsformen vor. Der Anisotropiefaktor liegt im Mittel bei 1,8 und geht kaum über den Wert von 2,8 hinaus. Dies spricht auch für die Anwendbarkeit des k-ε-Turbulenzmodells für diesen Fall. Es ist bekannt, daß bei stark ani- sotroper Turbulenz das k-ε-Modell problematisch sein kann. Bei solchen Strömungsformen sind z.B. Reynolds-Spannungs-Modelle vorzuziehen. Allerdings weist bei isotroper Turbu- lenz das k-ε-Modell im Vergleich zu Reynolds-Spannungs-Modellen Vorteile auf. 5.4.2.2 Untersuchung der Scherschichtverbreiterung Im vorigen Kapitel wurden lokale Längenmaße innerhalb der reagierenden Scherschicht be- stimmt, und es wurde festgestellt, daß sie sich stromab vergrößern. Dabei wurde die Annahme getroffen, daß diese Längenskalen der in der Turbulenzlehre als integrales Längenmaß be- zeichneten Größe entsprechen, per Definition also der Längenskala, in der die meiste turbu- lente Energie gespeichert ist (diese Annahme wird, wie später gezeigt wird, durch Ergebnisse der numerischen Simulation gestützt). Das integrale Längenmaß ist aber nicht die größtmögli- che Längenskala. Ebenso wie bei der turbulenten Rohrströmung wird auch in diesem Fall die größtmögliche turbulente Längenskala durch die geometrischen Abmaße bestimmt. In der Rohrströmung ist es der Rohrdurchmesser und in diesem Fall die lokale Scherschichtdicke. Die Entwicklung der Scherschichtbreite wird in diesem Abschnitt in Abhängigkeit zu der axialen Position untersucht. Als experimenteller Datensatz werden die abeltransformierten OH-Emissionsaufnahmen verwendet. Wie in Kapitel 3 erläutert, stellt diese mathematische Transformation einen 2-dimensionalen Querschnitt dar. Da es sich hierbei um Schnitte durch die reagierende Scherschicht handelt, und die abeltransformierte OH-Verteilung ein über alle Einzelbilder gemitteltes Ergebnis darstellt, repräsentiert sie die (über die Versuchszeit gemit- telte) Form der reagierenden Scherschicht. Es muß allerdings betont werden, daß die abeltransformierte OH-Verteilung durch die Mitte- lungsprozedur eine Verbreiterung aufgrund von instationären Effekten erfährt. Diese großskaligen Strahlinstabilitäten (siehe z.B. Kevin-Helmholz-Instabilität) verursachen nicht nur großskalige Oberflächendeformationen des Sauerstoffstrahles, sondern auch Fluktuatio- nen bzw. Oszillationen des gesamten Kernstrahles (siehe Schattenaufnahmen im Anhang Bil- der 9.7 und 9.8). Diese Effekte haben prinzipiell nichts mit den kleinskaligeren und hochfre- quenteren Turbulenzeffekten zu tun. Somit werden sie auch nicht durch die stationären CFD- Simulationen erfaßt. Allerdings wird die Verbreiterung aufgrund der turbulenten Fluktuatio- nen durch das Turbulenzmodell berücksichtigt. Es muß hier also prinzipiell zwischen den Einflüssen der Turbulenz und der großskaligen Effekte von Strömungsinstabilitäten unter- schieden werden. Bei der Untersuchung der Scherschichtdicke spielt die Unterscheidung die- ser Einflußgrößen eine zentrale Rolle. Durch die Mittelwertbildung über alle Einzelschüsse bei der Abeltransformation erhält man somit in Gebieten, wo Strahlinstabilitäten auftreten, breitere OH-Zonen als sie zu irgendeinem Zeitpunkt mit dieser Dicke existent sind. Sollen realistische Scherschichtdicken mit Hilfe der Abelprozedur ermittelt werden, muß man diese Prozedur in Gebieten durchführen, wo keine großskaligen Instabilitäts- bzw. Oszillationsef- fekte auftreten. Diese Bedingung ist im injektornahen Gebiet erfüllt. Man kann dies unter- mauern, indem man die Schattenaufnahmen heranzieht und diese im Hinblick auf Oberflä- chendeformationen und Strahloszillationen abhängig von der axialen Position untersucht. Da- 94 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen bei wird festgestellt, daß großskalige Strahlinstabilitäten erst weiter stromab auftreten. Der injektornahe Bereich ist nur den kleinskaligen turbulenten Fluktuationen ausgesetzt. Anhand der Schattenaufnahmen ist somit ermittelt worden, daß die axiale Position, von wo an Instabi- litäten eine Rolle spielen und somit diese Methodik zur Bestimmung der Scherschichtdicke nicht mehr anwendbar ist, bei ca. 25-30mm stromab vom Injektor liegt. Damit sind alle folgenden quantitativen Untersuchungen von Längenskalen und Scher- schichtdicken auf das injektornahe Gebiet konzentriert, wo zwar turbulente Fluktuationen die Strahloberfläche auf den jeweiligen turbulenten Längenskalen deformieren, aber keine großskaligen Strahldeformationen aufgrund von Strömungsinstabilitäten auftreten. Die hier gezeigten Untersuchungen beschränken sich somit auf einen Bereich bis 30 mm stromab vom Injektor. Bild 5.32 zeigt eine Schattenaufnahme mit der überlagerten OH-Verteilung. Bild 5.32: Schattenaufnahme mit abeltransformierten OH-Gebieten bei 63 bar In Bild 5.32 stellt die OH-Verteilung die mittlere Form der reagierenden Scherschicht dar. Im oberen Teil ist nicht die gesamte OH-Verteilung abgebildet, sondern nur die Kurve, die die Maximalwerte repräsentiert (rot) und die definierten Grenzen der Scherschicht (blau). Diese Grenzkurven der reagierenden Scherschicht werden so definiert, daß sie sich an den Orten befinden, wo die gemessenen OH-Intensitäten 3% des Maximalwertes entsprechen. Die OH- Intensitäten, die darunter liegen, werden in dieser Betrachtung nicht mehr zum Gebiet der reagierenden Scherschicht gerechnet. In Bild 5.32 kann erkannt werden, daß an gewissen Punkten die Grenzen des Sauerstoffstrahles nicht mit den Grenzen der Scherschicht überein- stimmen. Der Grund hierfür ist, daß die Schattenaufnahme eine Momentaufnahme zeigt, wo- hingegen die Darstellung der reagierenden Scherschicht mittels abeltransformierter OH- Verteilung ein gemitteltes Ergebnis ist. Als wesentliche Aussage dieses Bildes läßt sich fest- halten, daß sich die reagierende Scherschicht stromab verbreitert und daß sich die intensivsten OH-Bildungen in der Nähe der inneren Scherschichtgrenze befinden. Das Maximum der chemischen Reaktionen, bzw. der gemittelte Ort der Flammfront, liegt also näher am Sauer- stoffstrahl als am intakten Wasserstoffstrahl. Folgende Darstellungen (Bild 5.33) untermauern diese Aussagen. 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 95 Bild 5.33: Profile der Scherschichtgrenzen mit OH-Maximum (oberes Bild); 3-dimensionale OH-Verteilung (unteres Bild) bei 63 bar In Bild 5.33 sind im oberen Teil die Scherschichtgrenzen und das OH-Maximum dargestellt, und im unteren Teil ist diese abeltransformierte OH-Verteilung in einer 3-dimensionalen Dar- stellung abgebildet. In der 3-dimensionalen Darstellung ist deutlich der steile Anstieg der OH- Intensitäten bis zum Maximalwert auf der Sauerstoffseite der Scherschicht zu erkennen. Auf der Wasserstoffseite ist der Anstieg der OH-Intensitäten vergleichsweise flach. Anhand des Datensatzes, der Bild 5.33 zugrunde liegt, ist es möglich, die (radiale) Scherschichtdicke für die axialen Positionen von der Injektorkante (0 mm) bis 30 mm stromab zu berechnen. Es wird nun die Scherschichtbreite mit den im vorigen Abschnitt gemessenen turbulenten Län- genskalen verglichen. Folgendes Bild 5.34 veranschaulicht diesen Vergleich. -12 -10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 12 0 5 10 15 20 25 30 X [mm] Äussere OH-Scherschichtgrenze OH-Maximum Innere OH-Scherschichtgrenze 96 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bild 5.34: Scherschichtdicken (obere, untere Scherschicht), Längenskalen (axial, azi- mutal) bei 63 bar In Bild 5.34 sieht man, daß alle Kurven stromab anwachsen. 30 mm stromab vom Injektor sind die gemessenen turbulenten Längenskalen ca. um den Faktor 4 kleiner als die Breite der Scherschicht. Dieses Ergebnis ist realistisch, da es zeigt, daß die gemessene integrale Län- genskala etwa 25% der maximalen Längenskala (Scherschichtbreite) entspricht. Diese Aussa- gen sind konform mit Ergebnissen der Turbulenzforschung [103], die besagen, daß die Län- genskala der energiereichsten Turbulenzstrukturen (integrale Längenskala) etwa 20-40% der maximal möglichen Längenskala (z.B. ein geometrisches Maß wie der Rohrdurchmesser oder wie hier die Scherschichtbreite) entspricht. Insgesamt kann sich das turbulente Spektrum über mehrere Größenordnungen erstrecken (abhängig von der Reynoldszahl). Der nächste Schritt ist nun die Untersuchung bzw. die Ableitung der kleinsten turbulenten Längenskalen, der Kolmogorov-Skalen. Dies wird im folgenden Abschnitt erläutert. Zusätzlich werden die Ver- gleiche zu den numerisch berechneten Skalen und die Umrechnung der gemessenen Län- genskalen in Zeitskalen durchgeführt. 5.4.3 Der Vergleich der experimentellen mit den numerischen Skalen Kapitel 5.4.2 beinhaltet die Ermittlung von Längenskalen kohärenter Strukturen, die mit Hilfe der OH-Emissionsaufnahmen ermittelt werden können. Es wird angenommen, daß diese Län- genskalen korreliert sind mit den integralen Längenskalen der turbulenten Strömung. In Ka- pitel 5.4.1 wurden die Ergebnisse der numerischen Simulation dargestellt. Diese enthalten sowohl integrale als auch kolmogorovsche Skalen. Um nun die experimentellen Daten mit den Ergebnissen der numerischen Simulation zu vergleichen, ist es im Hinblick auf die Be- stimmung lokaler Damköhler- und Karlovitzzahlen wichtig, den Datensatz zu erweitern. In den folgenden Abschnitten wird erläutert, wie mit Hilfe von Gleichungen der Turbulenztheo- rie, aus den experimentell bestimmten integralen Längenskalen und Ergebnissen der numeri- schen Simulation die Kolmogorov-Längenskalen abgeleitet werden können. Darüber hinaus 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 0 5 10 15 20 25 30 axiale Position [mm] Lä ng en sk al a [m m] obere Scherschicht untere Scherschicht azimutales Längenmaß axiales Längenmaß 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 97 werden aus dem experimentellen Datensatz auf analoge Weise die integralen und Kolmogo- rov-Zeitskalen abgeleitet. 5.4.3.1 Der Vergleich der Längenskalen Um eine gute Beurteilung der Ergebnisse von numerischen Simulationen durchzuführen, ist es immer empfehlenswert, sie mit experimentellen Ergebnissen zu vergleichen. Dies soll hier anhand eines Vergleiches der Längenskalen durchgeführt werden. In Kapitel 5.4.1 wurden bereits radiale Profile sowohl von integralen als auch von Kolmogorov-Zeitskalen dargestellt, und es wurde die starke Abnahme dieser Zeitskalen in der Nähe des Injektors innerhalb der Scherschicht festgestellt. Da durch Zwei-Punkt-Korrelation anhand der OH-Emissions- aufnahmen Längenskalen bestimmt werden, soll hier zunächst der Vergleich der Längenska- len durchgeführt werden. Folgendes Bild 5.35 veranschaulicht den Vergleich des integralen und des Kolmogorov-Längenmaßes der numerischen Simulation mit den experimentell ge- messenen integralen Längenmaßen. Bild 5.35: Vergleich der Längenskalen zwischen numerischer Simulation und Experi- ment bei 63 bar Brennkammerdruck In Bild 5.35 sind bei den experimentellen Daten jeweils die integralen Längenskalen abgebil- det, allerdings sowohl in azimutaler als auch in axialer Richtung. Da die Differenz beider Skalen nicht groß ist, wird der Einfachheit halber für die weiteren Analysen die Längenmaße in axialer Richtung weiter verwendet. Die in Bild 5.35 dargestellten, numerisch simulierten Längenskalen sind den radialen Positionen entnommen, an denen die OH-Verteilung (siehe Bild 4.6) den maximalen Wert hat. Sie liegen also, ebenso wie die experimentell ermittelten Längenskalen, innerhalb der reagierenden Scherschicht. Die chemischen Verbrennungsreak- tionen haben an diesen Orten ihr Maximum. Die experimentell ermittelten Längenskalen be- finden sich, bis auf Gebiete ganz nah am Injektor, zwischen den integralen und den Kolmogo- rov-Längenskalen der numerischen Simulation. Das in Bild 5.35 dargestellte Diagramm be- stätigt die Annahme einer Korrelation zwischen den Strukturen der OH-Emissionen und den 0,001 0,01 0,1 1 10 0 5 10 15 20 25 30 X [mm] Lä ng en m aß e [m m] Exp. Axial Exp. Azimutal Sim. Integral Sim. Kolmogorov 98 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Turbulenzstrukturen. Es ist abzulesen, daß die Tendenz einer Vergrößerung der Strukturen stromab sowohl vom Experiment als auch von der Simulation richtig wiedergegeben wird. Die numerische Simulation weist allerdings für die integralen Längenskalen leicht höhere Werte auf als das Experiment. Die leichte Erhöhung der experimentellen Längenskalen in der Nähe des Injektors läßt sich durch das Rezirkulationsgebiet an der Injektorkante erklären. Dieser Effekt wird durch die numerische Simulation nicht genau erfaßt. Im Hinblick auf die Bestimmung der lokalen Karlovitzzahlen ist der nächste Schritt, aus den experimentellen Skalen die Kolmogorov-Skalen zu bestimmen. In der Turbulenztheorie gilt dazu folgende Gleichung: Re 43int int − = L Kol L L (5.26) Das Kolmogorov-Längenmaß hängt bei gegebenem integralen Längenmaß von der Reynolds- zahl ab. Im Rahmen der experimentellen Arbeiten konnten keine Kolmogorov-Skalen gemes- sen werden. Die beste Möglichkeit, diese kleinsten turbulenten Skalen dennoch zu bestim- men, ist, sie mit Hilfe der Daten der numerischen Simulation abzuleiten. Gleichung 5.26 be- sagt, daß das Verhältnis der großen integralen Skalen zu den kleinsten Kolmogorov-Skalen eine Funktion der Reynoldszahl ist. Da diese Größe durch die numerische Simulation für je- den Ort gegeben ist, kann man also auf Basis des experimentellen Datensatzes mit Hilfe be- stimmter Daten aus der numerischen Simulation die Kolmogorov-Längenskalen ableiten. Bild 5.36 zeigt die gemessene integrale Längenskala und, wie oben erläutert, die abgeleitete Kolmogorov-Längenskala. Bild 5.36: Darstellung der experimentell ermittelten integralen Längenskala und der abgeleiteten Kolmogorov-Längenskala bei 63 bar Brennkammerdruck In Bild 5.36 ist ähnlich wie bei den Darstellungen der numerisch simulierten Skalen in Bild 5.19 und Bild 5.20 deutlich zu sehen, daß die Kolmogorov-Skalen jeweils 1-2 Größen- ordnungen kleiner sind als die integralen Skalen. Dies gilt sowohl für die Zeit- als auch für 0,001 0,01 0,1 1 10 0 5 10 15 20 25 30 X [mm] Lä ng en m aß e [m m] Integrale Längenskala Kolmogorov-Längenskala 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 99 die Längenskalen. Da die Kolmogorov-Längenskala nicht meßbar war, stellt die Kurve in Bild 5.36 im Prinzip eine Schätzung dar. Allerdings ist dies mit den vorhandenen Datensätzen die bestmögliche Schätzung, da sie sich ausschließlich auf experimentelle Messungen und Ergebnissen der numerischen Simulation stützt. Durch die Vergleiche der numerischen Si- mulation mit experimentellen Messungen aus Kapitel 3 kann man davon ausgehen, daß die Ergebnisse der numerischen Simulation die Genauigkeitsanforderungen erfüllen und somit eine solche Ableitung der kleinen turbulenten Skalen auch gerechtfertigt ist. Im Hinblick auf die Berechnung der lokalen Damköhler- und Karlovitzzahlen ist der Ver- gleich zu den chemischen Zeitskalen notwendig. Aus diesem Grunde wird im folgenden Ab- schnitt die Untersuchung auf die Bestimmung der turbulenten Zeitskalen ausgeweitet. In Ka- pitel 5.4.1 wurden bereits die numerisch simulierten Zeitskalen dargestellt. Nun sollen auf analoge Weise diese Zeitskalen auf Basis des experimentellen Datensatzes bestimmt werden. 5.4.3.2 Die Umrechnung der experimentellen Längenskalen in Zeitskalen Die Turbulenztheorie bietet für die Umrechnung von turbulenten Längenskalen in Zeitskalen einen Ansatz, der bereits in Kapitel 5.1 erläutert wurde. Bild 5.9 stellt allgemein den Zusam- menhang zwischen turbulenten Längen- und Zeitmaßen dar. Dieser Zusammenhang wird mathematisch durch die Gleichung 5.3 beschrieben. Die turbulente Dissipation ε, die zur Um- rechnung benötigt wird, erhält man, in analoger Vorgehensweise zum vorigen Abschnitt, aus der numerischen Simulation. Diese turbulente Dissipation wird hier wieder an den radialen Orten maximaler OH-Konzentration entnommen. Somit sind zur Berechnung der Zeitskalen alle nötigen Größen bekannt. Bild 5.37 bildet die Zeitskalen ab, die somit anhand des experi- mentellen Datensatzes berechnet wurden. Die Zeitskalen der numerischen Simulation erhält man direkt aus den Ergebnisfiles. Bild 5.37: Vergleich der integralen und der Kolmogorov-Zeitskalen aus Experiment und Simulation bei 63 bar Brennkammerdruck 1,0E-07 1,0E-06 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 0 5 10 15 20 25 30 X [mm] Ze its ka le n [se c] Sim: Integrale Zeitskala Exp: Integrale Zeitskala Sim: Kolmogorov-Zeitskala Exp: Kolmogorov-Zeitskala 100 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Ähnlich wie bei den Längenskalen sieht man in Bild 5.37 wiederum, daß die Kolmogorov- Zeitskalen, sowohl die simulierten als auch die aus den Experimenten abgeleiteten, um 1-2 Größenordnungen kleiner sind als die integralen Zeitskalen. Außerdem sind die experimen- tellen Skalen ab einem Injektorabstand von ca. 5 mm immer etwas kleiner als die simulierten. Es ist somit festzustellen, daß die numerische Simulation und die darin implementierten Mo- delle, speziell das k-ε-Turbulenzmodell, im Hinblick auf die Ermittlung turbulenter Längen- und Zeitskalen zufriedenstellende Ergebnisse liefern (im Gegensatz zu der nicht- zufriedenstellenden Beschreibung der turbulenten Verbrennungsprozesse mittels chemischem Gleichgewichtsansatz). Ein wichtiger Grund hierfür ist sicherlich die in Kapitel 5.4.2 festge- stellte, sehr schwach ausgeprägte Anisotropie der Turbulenz. Die in Scherschichtströmungen oftmals festgestellte unbefriedigende Anwendbarkeit des k-ε-Turbulenzmodells hängt haupt- sächlich damit zusammen, daß eine stark anisotrope Turbulenz starke Auswirkungen auf die verschiedenartigen Prozesse innerhalb der Scherschicht hat. Diese Prozesse beeinflussen die globale Phänomenologie des Strömungsproblems und liefern somit bei falscher Berechnung sehr stark abweichende Resultate. 5.5 Die Berechnung der lokalen Damköhler- und Karlovitzzahlen In Kapitel 5.1 wurden die Damköhler- und die Karlovitzzahl definiert und es folgten Be- schreibungsmöglichkeiten turbulenter Verbrennungszonen anhand dieser Kennzahlen. Man benötigt zwei Arten von Zeitskalen, um diese Kennzahlen zu spezifizieren. Eine Zeitskala, welche die turbulente Strömung und Vermischung beschreibt und eine weitere, welche die chemischen Verbrennungsreaktionen bzw. deren Geschwindigkeit charakterisiert. Zur Be- schreibung der Geschwindigkeit der turbulenten Mischprozesse wird bei der Damköhlerzahl die makroskopische Turbulenz betrachtet. Dabei wird als turbulente Zeitskala die der inte- gralen Wirbelgröße verwendet (tint=k/ε). Die Karlovitzzahl beschreibt die Prozesse auf den kleinsten turbulenten Ebenen, auf der Skala der Kolmogorov Wirbel. Hier wird dementspre- chend die Kolmogorov-Zeitskala benutzt (tkol=(µ/ρε)0,5). Für die Definition der chemischen Zeitskalen gibt es viele verschiedene Ansatzmöglichkeiten. Im Rahmen dieser Arbeit wird die chemische Zeitskala entsprechend Kapitel 5.3 definiert. Sie beschreibt ein chemisches Reak- tionssystem, das von jeglicher turbulenter Strömung entkoppelt ist und gibt das Zeitmaß an, das die kinetischen Reaktionsprozesse benötigen, um ins chemische Gleichgewicht zu gelan- gen. Da in Raketenbrennkammern die Verbrennungsreaktionen lokal als isobar und adiaba- tisch betrachtet werden können, wird dieses Kinetiksystem ebenfalls als isobar, adiabatisch berechnet. Als charakteristische Größe wird die Verbrennungstemperatur gewählt, d.h. daß das chemische Gleichgewicht für den Zeitpunkt definiert ist, wenn die Temperatur 99% der adiabaten Verbrennungstemperatur erreicht hat (siehe Kapitel 5.3). Die Damköhler- und die Karlovitzzahl vergleichen die Geschwindigkeit der turbulenten Mischprozesse mit der Ge- schwindigkeit der chemischen Reaktionsprozesse. In dieser Arbeit wurde die Geschwindig- keit der turbulenten Mischprozesse sowohl auf experimenteller als auch auf numerischer Da- tenbasis und die Geschwindigkeit der Chemie in einem entkoppelten System unabhängig von turbulenten Vorgängen berechnet. Die chemische Zeitskala hängt maßgeblich von der Temperatur ab, mit der die Reaktanden in Kontakt kommen (vgl. Kapitel 5.1 u. 5.3). In solchen praxisnahen Systemen, wie die hier verwendete Modellbrennkammer, wo die Strömung hochturbulent ist, kann diese Mischtem- peratur über einen großen Bereich fluktuieren. Mehrere Messungen an ähnlichen Modell- brennkammern (CARS-Messungen in Frankreich, Mascotte) bestätigen dies. Durch die sehr starke nichtlineare Abhängigkeit der chemischen Zeitskala von der Mischtemperatur (Tempe- 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 101 ratur im Exponenten des Arrhenius Gesetzes) resultiert ein überproportional großer Bereich, über den sich die Damköhler- und die Karlovitzzahlen erstrecken können. Bild 5.38: Lokale Damköhlerzahlen für den relevanten Bereich der Mischtemperatur in Abhängigkeit der axialen Position in der Modellbrennkammer bei 63 bar Bild 5.38 stellt die Damköhlerzahlen in Abhängigkeit des axialen Ortes bzw. der an diesem Ort gemessenen integralen turbulenten Zeitskala und die über den relevanten Bereich ange- nommenen Mischtemperaturen Tinit dar. Anhand dieses Diagramms wird ersichtlich, daß die Mischtemperatur die dominierende Einflußgröße ist. Die Mischtemperatur hängt maßgeblich davon ab, welche Wärmemenge von der freiwerdenden Energie der Flamme durch den zu mischenden unverbrannten Wasserstoff und Sauerstoff aufgenommen werden kann. Bei über- kritischen Betriebsbedingungen von 63 bar und kryogenen Einspritztemperaturen von ca. 120 K liegen sehr große Dichtegradienten zwischen den kompakten Sauerstofftaschen und ihrer Umgebung vor. Der detaillierte Mischvorgang des dichten Sauerstoffs mit dem Wasser- stoff und der Wärmeeintrag in die kalten Treibstoffe sind entscheidende Prozesse, die in Zu- kunft noch genauer quantitativ erfaßt werden müssen. Denn diese Vorgänge bestimmen die Temperatur des Sauerstoffs und des Wasserstoffs in der reagierenden Scherschicht beim Mischvorgang und somit die Mechanismen, nach denen der Verbrennungsprozess abläuft. Im Rahmen dieser Arbeit wird für die Berechnung der relevanten Kennzahlen (Da, Ka) diese Mischtemperatur als unbekannte Variable belassen, und die Kennzahlen werden in Abhän- gigkeit eines Temperaturbereichs angegeben, innerhalb dessen die realen Mischtemperaturen zu erwarten sind. Die möglichen Verbrennungsregimes hängen von diesen Kennzahlen ab (siehe Kapitel 5.1). Wie dort beschrieben müssen neben dem Verhältnis der großskaligen Turbulenz zu den chemischen Prozessen, das mit Hilfe der Damköhlerzahl beschrieben wird, auch der Einfluß der kleinsten turbulenten Strukturen auf die Verbrennungszonen bekannt sein. Dieser Einfluß wird anhand der Karlovitzzahl charakterisiert, die in dem folgenden Bild 5.39 dargestellt ist. 0,2 5,0 9,8 14,6 19,4 24,1 28,9 650 1300 19501,0E-07 1,0E-06 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 1,0E-02 1,0E-01 1,0E+00 1,0E+01 1,0E+02 1,0E+03 Da [-] X [mm] Tinit [K] 102 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Bild 5.39: Lokale Karlovitzzahlen für den relevanten Bereich der Mischtemperatur in Abhängigkeit der axialen Position in der Modellbrennkammer bei 63 bar Hier ist analog zu Bild 5.38 die Karlovitzzahl für die axial gemessenen Kolmogorov-Zeit- skalen und die relevanten chemischen Mischtemperaturen dargestellt. Die Karlovitzzahl ist eine entscheidende Größe zur Charakterisierung der Flammenstruktur auf den kleinen Skalen. Anhand dieser Diagramme, den Ergebnissen der Experimente und der numerischen Simulati- on ist es nun möglich, die lokalen Brennkammerzustände im Borghi-Diagramm abzuschätzen. 5.6 Die Einteilung der Zustände im Borghi-Diagramm Diagramme, die Flammenstrukturen abhängig von Kennzahlen der Turbulenz und der Chemie darstellen, wurden zuerst von Borghi entwickelt [20, 21, 22]. Allerdings existieren mittler- weile mehrere solche Diagramme, die von verschiedenen Wissenschaftlern eingeführt wurden wie z.B. von Peters [82, 83] oder Vervish, Veynante [104]. Das Borghi-Diagramm ist bereits in Kapitel 5.1 erläutert worden. In diesem Kapitel sollen die lokalen Brennkammerzustände anhand eines solchen Flammenstruktur-Diagramms klassifiziert werden. Es muß betont wer- den, daß es sich hierbei um eine Abschätzung handelt. Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, daß die Mischtemperatur, bei der die chemische Reaktion zwischen dem Sauerstoff und dem Wasserstoff eingeleitet wird, einen dominanten Einfluß auf die charakterisierenden Kennzah- len, die Damköhler- und die Karlovitzzahl und somit auf die Flammenstruktur hat. Analog zu den Diagrammen 5.38 und 5.39 wird auch hier die unbekannte Mischtemperatur als freier Parameter über den zu erwartenden Temperaturbereich aufgeführt. Bild 5.40 zeigt ein ange- paßtes Flammenstrukturdiagramm, in dem die lokalen Brennkammerzustände des untersuch- ten Betriebspunktes (63 bar) eingezeichnet sind. 0 5 10 15 19 24 29 Ka [-] X [mm] Tinit [K] 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen 103 Bild 5.40: Diagramm nach Borghi mit Abschätzung der lokal auftretenden Flammen- strukturen in der Modellbrennkammer bei überkritischem Brennkammer- druck (63 bar) Der axiale Ort X in der Brennkammer und die Mischtemperatur Tinit sind als unabhängige Parameter dargestellt. Das Diagramm zeigt die möglichen Flammenstrukturen, die lokal in der reagierenden Scherschicht auftreten können. Auch hier ist zu sehen, daß die initiale Mischtemperatur einen sehr großen Einfluß auf die lokal vorhandenen Flammenstrukturen hat. Aus den bisher vorliegenden Temperaturmessungen in reagierenden H2/O2- Scherschichten wurde festgestellt, daß die Temperaturen über einen sehr großen Bereich fluktuieren (CARS Messungen am Mascotte). Bei dem hier untersuchten Fall ist die intensive Turbulenz Grund dafür, daß die Mischtemperatur über große Bereiche schwankt und somit auch lokal, wie im obigen Diagramm dargestellt, verschiedene Flammenstrukturen auftreten können. Diese Tatsache, daß lokal zu verschiedenen Zeitpunkten auch verschiedene Flam- menstrukturen auftreten können, erschwert die Modellierung dieses Phänomens. Die meisten turbulenten Verbrennungsmodelle sind für eine bestimmte Art von Flammen entwickelt wor- den (siehe Kapitel 5.2). Die PDF-Beschreibung der turbulenten Verbrennungsvorgänge ist zur Zeit der beste Ansatz, solche Vorgänge möglichst exakt zu quantifizieren. Die Achsen des in Bild 5.40 dargestellten Borghi-Diagramms sind dimensionslos. Die Abs- zisse beschreibt ein Längenverhältnis und die Ordinate setzt Geschwindigkeitsskalen ins Ver- hältnis. Die laminare Flammendicke lc,lam wird verwendet, um das turbulente Makrolängen- maß lint zu normieren. Die laminare Flammendicke steigt mit anwachsender Mischtemperatur. Die Abszisse charakterisiert die Größenordnung des Verhältnisses zwischen der makroskopi- schen Turbulenzlängenskala lint und der laminaren Flammendicke lc,lam. In Kapitel 5.4 wurde gezeigt, daß die makroskopische Turbulenzlängenskala lint in der Brennkammer stromab an- steigt. Folglich gelten, unter der Annahme einer konstanten Mischtemperatur und daraus re- sultierend einer konstanten laminaren Flammendicke, größere Abszissenwerte für Orte in der Brennkammer, die weiter stromab liegen. Außerdem ergeben sich aus steigenden Abszissen- werten bei konstanten lint kleinere laminare Flammendicken. Daraus resultiert eine sinkende Mischtemperatur. Die Ordinate beschreibt das Verhältnis der Turbulenzintensität (turbulente 104 5 Untersuchung der relevanten Zeit- und Längenskalen Geschwindigkeitsfluktuation) zur Flammengeschwindigkeit (u//uc). Die Flammengeschwin- digkeit wird bei Diffusionsflammen formal durch den Quotienten aus laminarer Flammen- dicke lc,lam und einer charakteristischen chemischen Zeitskala tc gebildet (uc= lc,lam/tc). Somit ist die dimensionslose Ordinatenbeschriftung durch folgenden Ausdruck gegeben: clamcc tl u u u , ′ = ′ (5.27) Wandert man auf der Ordinate zu größeren Werten hin, so kommt man zu Flammenregimes, die bestimmt werden durch eine sehr schnelle turbulente Vermischung im Vergleich zu relativ langsamen chemischen Verbrennungsprozessen. An welchem Punkt man sich auf der Ordi- nate befindet, wird hauptsächlich durch die chemische Zeitskala tc bestimmt. Einen kleineren Einfluß trägt die turbulente Geschwindigkeitsfluktuation u` bei. Bewegt man sich in der Brennkammer stromab, so steigt der RMS-Wert der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuation u` innerhalb der reagierenden Scherschicht. Dies bewirkt eine Erhöhung der Ordinatenwerte. Es kann somit eine Abschätzung der Gebiete im Borghi-Diagramm durchgeführt werden, die bei den gegebenen Brennkammerbedingungen die möglichen Flammenregimes wiedergibt. Diese Gebiete sind in Bild 5.40 durch die grau gezeichnete Fläche dargestellt. Die graue Flä- che gilt für Orte in der Brennkammer vom Injektor bis 30 mm stromab, da nur dieser Bereich experimentell untersucht wurde. Desweiteren ist der Gültigkeitsbereich dieses Diagramms beschränkt auf Mischtemperaturen in der Scherschicht, die zwischen 900 K und 2000 K lie- gen. Anhand der quantitativen Daten der letzten Kapitel wurde die Größe bzw. die Position dieser Fläche im Borghi-Diagramm bestimmt. Es können mehrere Regimes auftreten, und die Mischtemperatur innerhalb der reagierenden Scherschicht spielt eine bestimmende Rolle. Diese Temperatur wird in zukünftigen Meßkampagnen genauer untersucht und quantifiziert. Das Diagramm in Bild 5.40 zeigt eine Abschätzung der lokal möglichen Flammenstrukturen beruhend auf der Abschätzung der lokalen Damköhler- und Karlovitzzahlen. Diese Kennzah- len wurden anhand experimentell gemessener und numerisch simulierter Daten bestimmt. Der Genauigkeitsgrad dieser Daten und eine Analyse der Auswerteprozeduren wird im folgenden Kapitel dargestellt. Dies ist wichtig, um die daraus resultierenden Ergebnisse beurteilen zu können. Außerdem werden die hier dargestellten Ergebnisse auf die Auswirkungen im Hin- blick auf die bisherigen Vorstellungen der Prozesse in Raketenbrennkammern diskutiert. 6 Diskussion der Ergebnisse Im Rahmen dieser Arbeit wurden Vorgänge in H2/LOX-Raketenbrennkammern experimentell untersucht und numerisch simuliert. Anhand dieser Daten wurden Längen- und Zeitskalen ermittelt, mit denen die charakteristischen Kennzahlen (Damköhler- und Karlovitzzahl) quan- tifiziert werden konnten. Somit können lokale Brennkammerzustände in einem Flammen- strukturdiagramm klassifiziert werden. Hierbei handelt es sich um eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, bestimmte Flammenstrukturen an bestimmten Orten in der reagierenden Scherschicht bei bestimmten Betriebsbedingungen anzutreffen. Um die in Kapitel 5 darge- stellten Ergebnisse richtig beurteilen zu können, wird in diesem Kapitel die Auswerteprozedur im Hinblick auf die Aussagekraft der Ergebnisse detailliert analysiert und nachfolgend wer- den die Konsequenzen für die Vorstellung der Prozesse in Raketenbrennkammern diskutiert. 6.1 Beurteilung der Auswerteprozedur und Aussagekraft der gewonnenen Daten Sowohl die Damköhler- als auch die Karlovitzzahl beinhalten eine Zeitskala, die die Ge- schwindigkeit der chemischen Verbrennungsreaktionen charakterisiert. Diese Zeitskala ist in dieser Arbeit durch die Zeit definiert, die ein adiabates isobares Verbrennungssystem bei den gegebenen Bedingungen (Druck, Temperatur und Zusammensetzung) benötigt, bis es ins chemische Gleichgewicht gelangt. Als charakteristische Größe ist hierbei die Systemtempe- ratur ausschlaggebend. Wenn sie 99% der adiabaten Verbrennungstemperatur im Gleichge- wicht erreicht, wird dieser Zeitpunkt als die chemische Zeitskala für diese Bedingungen defi- niert. Es wurde gezeigt, daß diese Zeitskala in dominierender Weise von der Temperatur der Treibstoffe innerhalb der reagierenden Scherschicht (initiale Mischtemperatur) abhängt, und somit auch die Kennzahlen (Da, Ka) und die auftretenden Flammenstrukturen maßgeblich von dieser Mischtemperatur bestimmt werden. Die Mischtemperatur konnte bisher für den hier betrachteten Betriebspunkt weder experimentell gemessen, noch durch eine instationäre numerische Simulation bestimmt werden. Es wurden allerdings H2-CARS-Versuche an einer ähnlichen Brennkammer durchgeführt, bei der Brennkammerdrücke bis 10 bar realisiert wer- den konnten (Mascotte). Bei diesen Versuchen wurde festgestellt, daß die H2-Temperaturen an einem lokalen Punkt in der reagierenden Scherschicht in sehr großen Bereichen schwan- ken. Solche Schwankungen treten auch bei dem hier betrachteten Fall auf, sowohl für die Sauerstoff- als auch für die Wasserstofftemperatur und somit auch für die initiale Mischtem- peratur. Daraus resultiert, daß abhängig von dieser Mischtemperatur die Karlovitz- und Dam- köhlerzahlen über mehrere Größenordnungen variieren, und folglich ergeben sich auch lokal sehr unterschiedliche Flammenstrukturen. Um die erzielten Ergebnisse korrekt beurteilen zu können, ist es neben der lokalen und zeitli- chen Unbestimmtheit der Mischtemperatur von grundlegender Bedeutung, die experimentelle Ermittlung der integralen Längenskalen mittels OH-Emissionsaufnahmen genau zu analysie- ren. In Kapitel 5.4.2.1 wurde die Berechnung der Längenskalen dieser kohärenten Strukturen mit Hilfe der Zwei-Punkt-Korrelationstechnik beschrieben. Bei den weiteren Analysen in Ka- pitel 5 wurde Äquivalenz zwischen diesen kohärenten Strukturen bzw. deren Längenskalen mit den integralen turbulenten Strukturen und deren Längenskalen angenommen, und mit Hilfe der Ergebnisse der numerischen Simulation wurde die Annahme bestätigt. In diesem Abschnitt wird die Korrelation des OH-Meßsignals mit den Strömungsstrukturen untersucht, um die oben erläuterte Annahme der Äquivalenz zu verifizieren. 106 6 Diskussion der Ergebnisse Zunächst ist die lokale Auflösung des Meßortes bei diesem Verfahren zu erläutern. In Kapi- tel 5.4.2.1 (siehe Bild 5.21 und Bild 5.23) wurde erklärt, daß bei sehr dünnen Flammfronten und somit bei sehr steilen Temperaturgradienten an der Flamme das OH-Radikal auch nur in der dünnen Flammfront (< 1 mm) existiert. In diesem Fall ist dieses Meßverfahren als ein lokales Verfahren zur Ermittlung von Längenskalen direkt an der Flammfront zu betrachten. Treten jedoch verbreiterte Flammfronten auf mit einer breiten Schicht hoher Temperaturen ist die Folge, daß auch das emittierende OH-Radikal in diesen verbreiterten Zonen existiert. Un- ter diesen Umständen liefert das Meßverfahren keine lokale Längenskala, sondern ein über die radiale Integrationslänge gemitteltes Längenmaß (siehe Kapitel 5.4.2.1; Bild 5.23). Es handelt sich aber auf jeden Fall um ein Längenmaß, das in der Flammenzone gemessen wird, da nur hier die Voraussetzungen erfüllt sind, daß OH existiert bzw. die Temperaturen den Flammentemperaturen entsprechen. Unter der Annahme, daß dieses Längenmaß der OH- Strukturen korreliert ist mit Längenmaßen turbulenter Strömungsstrukturen (kohärente Tur- bulenzballen), ist es sicherlich auch ein relevantes Maß für die Beschreibung der Interaktion der Turbulenz mit der Verbrennung. Da die hier vorgestellten Messungen in der Nähe des Injektors durchgeführt wurden (bis maximal 30 mm von der Einspritzplatte) ist, wie in Kapi- tel 5.4.2.2 dargestellt, die Scherschichtdicke noch sehr klein und somit ist für die OH-Zonen eine ziemlich gute örtliche Auflösung vorhanden. Um anhand des lokal gemessenen OH-Signals bzw. anhand der kohärenten OH-Strukturen Rückschlüsse auf turbulente Strömungsstrukturen abzuleiten, muß man also die Korrelation dieses OH-Signals mit einem Signal, das die turbulente Strömung charakterisiert untersuchen. Turbulente Strömungen bzw. lokale Längenskalen der Turbulenz werden üblicherweise mit Hilfe des Geschwindigkeitsfeldes ermittelt. Beide Signale müssen am gleichen Ort gemessen werden. Dadurch wird es prinzipiell möglich, dieses Meßverfahren experimentell zu verifizie- ren. Bisher konnte es allerdings nicht realisiert werden, das Geschwindigkeitssignal innerhalb der reagierenden Scherschicht bzw. direkt an der Flammfront zu messen. Darum wird diese Korrelation hier analytisch untersucht und dieses Meßverfahren theoretisch verifiziert. Zu untersuchen ist also die funktionale Abhängigkeit der lokalen OH-Emissionsintensität. In Kapitel 3 Bild 3.6 ist die Transmissionskurve des verwendeten OH-Filters dargestellt. Man kann dieser Kurve entnehmen, daß den Filter Licht in einem Wellenlängenbereich zwischen 300 nm und 320 nm passieren kann. Dieser Wellenlängenbereich entspricht einem Rotations- Vibrationsübergang des OH-Radikals [105]. Für die emittierten Intensitäten des detektierten Radikals kann man nach den Gesetzen der Emissionsspektroskopie folgende Gleichung ange- ben [106]: ( )TNfI OHOH ,= (6.1) Die gemessene Intensität an jedem Pixel ist also eine Funktion der Anzahl der lokal vorhan- denen OH-Moleküle und der Temperatur. Bei der Untersuchung kohärenter Strukturen dieses Signals betrachtet man im Prinzip nichts anderes als die Kohärenz dieser beiden Strömungs- größen (da NOH mit T ansteigt, können die Linien konstanter Intensität in erster Näherung als Isothermen betrachtet werden). Es wird nun angenommen, daß sich innerhalb einer kohärenten Struktur die Änderungen bzw. Fluktuationen der Temperatur und der stofflichen Zusammensetzung in ähnlicher Weise wie Änderungen bzw. Fluktuationen des Geschwindigkeitsfeldes verhalten. Da in unserem Fall (siehe Bild 5.23) die Linien konstanter Intensität (Isothermen) in sich geschlossene Kurven darstellen, liegt es nahe, daß auch die Geschwindigkeit im Wesentlichen diesen Linien folgt, 6 Diskussion der Ergebnisse 107 was zu Wirbeln führt (Falls dies nicht der Fall wäre, würden die Fluidelemente ständigen Temperaturänderungen ausgesetzt sein, was wiederum eine ständige Kompression bzw. De- kompression der Fluidelemente bewirken würde). Daraus folgt, daß innerhalb dieser kohä- renten Struktur das Geschwindigkeitsfeld mit den OH-Emissionen korreliert ist (Korrelation u´T´Z´). Phänomenologisch kann man diesen Vorgang anschaulich mit dem (seitlichen) An- blasen einer Kerze vergleichen. Die Kerzenflamme weicht den anströmenden Gasen aus und fluktuiert. Sichtbar sind nur die Leuchtemissionen der Heißgase, was den hier beschriebenen OH-Emissionen entspricht. Es ist einleuchtend, daß die Leuchterscheinungen und ihre, durch das Anblasen verursachten, turbulenten Fluktuationen somit auch die turbulente Strömung bzw. deren kohärente Turbulenzstrukturen charakterisieren. Der große Vorteil dieser Analysemethode ist, daß diese Längenskalen, die aus der Zwei- Punkt-Korrelationstechnik des OH-Datensatzes ermittelt werden, die Längenskalen direkt an der Flammfront repräsentieren. Ein wichtiges Ziel dieser Arbeit ist es, die Interaktion der Turbulenz mit der Verbrennung zu charakterisieren. Hierzu ist es von großer Bedeutung, rele- vante Längenskalen an den entscheidenden Orten (diese sind direkt an der Flammfront) zu kennen. Bei den gewöhnlichen Meßverfahren zur Ermittlung turbulenter Längenskalen in Strömungsfeldern wie z.B. LDA oder Hitzdrahtanemometrie steht der Meßort fest, d.h. er paßt sich nicht der momentanen Flammfront an. Anhand der experimentellen Ergebnisse (sie- he Kapitel 3) kann allerdings festgestellt werden, daß die OH-Zonen sehr intensiven turbu- lenten Fluktuationen unterworfen sind. Die Flammfront ist also keineswegs lokal an einem festen Ort verankert, sie bewegt sich vielmehr mit der turbulenten Strömung mit, und an ei- nem axialen Ort kann ihre radiale Position sehr unterschiedlich sein. Bei Meßverfahren, die einen festen Meßort besitzen, wie das bei allen gewöhnlichen Meßverfahren in der Turbulenz- forschung der Fall ist, entsteht hierbei das Problem, daß man im allgemeinen Meßwerte er- mittelt, die nicht direkt von der Flammzone stammen, die sich sogar zu bestimmten Zeit- punkten relativ weit entfernt von der Flamme befinden können. Für Untersuchungen zur In- teraktion von Turbulenz und Verbrennung kann das zu Meßfehlern führen, die oft nicht be- merkt werden können und die schwer zu quantifizieren sind. Bei den Messungen von Län- genskalen mittels OH-Korrelationen löst sich dieses Problem von selbst, da der Meßort auto- matisch immer mit der Flamme mitwandert. Somit geben diese Längenskalen die relevanten Längenskalen direkt an der Flammfront wieder und ermöglichen die Beschreibung der Inter- aktion der turbulenten Strömung mit den chemischen Reaktionen. 6.2 Die Auswirkungen auf die Vorstellung der Prozesse in Raketenbrennkammern In dieser Arbeit wurden experimentelle Untersuchungen einer 1-Injektor H2/O2-Modellbrenn- kammer bei mehreren Druckstufen durchgeführt. Die Versuche bei 30 bar und bei 60 bar Brennkammerdruck wurden numerisch simuliert. Bei allen Ergebnissen der numerischen Si- mulation und der Experimente wurde ein starker Einfluß des Rezirkulationsgebietes an der Einspritzplatte auf die Vorgänge der Treibstoffaufbereitung festgestellt. Gebildet wird dieses Rezirkulationsgebiet sowohl von der Injektorströmung als auch von der intensiven Wasser- stoffströmung, die über einen Spalt an der Brennkammerwand einströmt, um die Fenster zu kühlen (siehe z.B. Bild 4.2). In der Parameterstudie zur Auslegung dieses Kühlspaltes wurde die starke Abhängigkeit der Prozesse der Treibstoffaufbereitung von diesen Einströmbedin- gungen ermittelt (siehe Kapitel 4.2). Das Ergebnis ist, daß die Intensität des Rezirkulations- gebietes maßgeblich die Flammenlänge bzw. die Länge des intakten Sauerstoffkernstrahles bestimmt. Ist das Rezirkulationsgebiet sehr intensiv, wird die Scherschicht stärker radial nach außen gezogen, was zur Folge hat, daß die turbulente Vermischung und Verbrennung intensi- 108 6 Diskussion der Ergebnisse viert werden, und somit die integrale Flammenlänge bzw. Sauerstoffstrahllänge verkürzt wer- den. Dabei nimmt bei den 30 bar Versuchen die Länge des Sauerstoffkernstrahles von 25 cm bei einem H2-Spalt von 1.5 mm auf ca. 13 cm bei einem H2-Spalt von 0.5 mm ab (s. Bild 4.2). Bei den 60 bar Versuchen ist dieser Effekt auch vorhanden, aber aufgrund der geringeren Ein- strömgeschwindigkeit des Wasserstoffes am Kühlspalt schwächer ausgeprägt. Als Fazit kann festgestellt werden, daß durch die Effekte am Einspritzkopf sehr stark Einfluß genommen werden kann auf die gesamte Brennkammerströmung, insbesondere auch auf die Temperatur- verteilung und somit auch auf die Wärmeübertragung und den Energieaustausch mit den Brennkammerwänden. Diese Fragestellungen spielen bei der Konstruktion und Auslegung von Brennkammerwänden bzw. deren Kühlung und Festigkeit eine zentrale Rolle. Als weiteren Effekt der umgebenden Wasserstoffströmung (H2-Fensterkühlung) in Bezug auf die Injektorströmung muß das Einmischen und das anschließende Verbrennen des zusätzli- chen Wasserstoffgehalts berücksichtigt werden. Diese Beeinflussung tritt allerdings erst wei- ter stromab auf, frühestens ab 30 mm entfernt vom Injektor. Die Wasserstoffeindüsung an der Brennkammerwand hat nicht nur den Sinn, die Fenster zu schützen, es soll auch die Strömung und den Einfluß benachbarter Injektorelemente auf einen Zentralinjektor simulieren. Zu be- rücksichtigen ist jedoch, daß in realen Triebwerken (z.B. Vulcain) der Abstand zwischen den einzelnen Injektoren kleiner ist als bei dieser Modellbrennkammer der Abstand des Injektors zur Kühlströmung an der Brennkammerwand. Dies verändert die Phänomenologie, aber die prinzipiellen Effekte der Beeinflussung umgebender Strömungen und daraus resultierender Rezirkulationsgebiete am Einspritzkopf sind identisch. Aus diesen Ergebnissen folgt, daß für zukünftige Untersuchungen der Treibstoffaufbereitung von Koaxialinjektoren benachbarte Injektorelemente in die Modellbrennkammer integriert werden müssen, wobei die Abstände denen im realen Triebwerk entsprechen sollten. Hierbei resultieren Probleme mit der opti- schen Zugänglichkeit zum Zentralinjektor, aber Lösungen, die beide Aspekte berücksichtigen, sind möglich und liegen bereits vor (Mehrinjektorkammer mit optischem Zugang). Bei der Betrachtung des injektornahen Gebietes sind die Vorgänge in der reagierenden Scher- schicht detailliert erläutert worden. Die Vorstellung über die Phänomenologie und über die Prozesse bei der turbulenten Vermischung und Verbrennung haben sich in den letzten Jahren fast kontinuierlich verändert. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Arbeit muß davon aus- gegangen werden, daß der Sauerstoffkernstrahl nicht von einer einzigen in sich geschlossenen dünnen Flammfront umgeben ist, die aufgrund der turbulenten Strömung eine gewellte bzw. gefaltete Form annimmt und deren 1-dimensionale Beschreibungsmöglichkeit auf ein Flame- let-Modell hinausläuft. Solche und weitere stark vereinfachte Vorstellungen wurden bis vor kurzem noch vertreten und sie spiegeln die physikalischen Inhalte der bisher existierenden Modelle wider. Es ist nach aktuellem Erkenntnisstand aber offensichtlich, daß die physika- lisch-chemischen Vorgänge wesentlich komplexer sind. Es handelt sich um ein mehrdimen- sionales Problem, wobei bestimmte Flammenstrukturen bzw. Verbrennungsprozesse, aber auch Vorgänge an der Sauerstoffoberfläche bzw. deren Deformationen und Ablösekriterien sich nicht nur lokal ändern, sondern auch zeitlich an einem festen Ort. Solche instationären Vorgänge müssen mit Hilfe von statistischen Verteilungen beschrieben werden, mit denen man die im zeitlichen Mittel dominierenden Vorgänge an einem festen Ort voraussagen kann. Bei den Vorgängen in der reagierenden Scherschicht heißt das, daß lokal die Flammenstruktu- ren zu unterschiedlichen Zeitpunkten sehr stark variieren können (ebenso wie zu einem be- stimmten Zeitpunkt, aber an unterschiedlichen Orten in der Brennkammer). Die wissen- schaftliche Beschreibung solcher Vorgänge kann mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilun- gen vollzogen werden, indem für jeden Punkt die dominierende Flammenstruktur ermittelt wird. Folgendes Bild 6.1 zeigt zwei Vorstellungen über die Flammenstruktur innerhalb der reagierenden Scherschicht. Diese beiden Skizzen repräsentieren die Grenzfälle der turbulen- 6 Diskussion der Ergebnisse 109 ten Verbrennung. Es sind zwei extreme Vorstellungen über die Phänomenologie innerhalb der reagierenden Scherschicht. Zu berücksichtigen ist, daß der Übergang vom oberen Teilbild zum unteren fließend ist, und es ist zudem damit zu rechnen, daß Regimes, die zwischen die- sen Grenzfällen liegen, auch die wahrscheinlichsten sind. Bild 6.1: Phänomenologie der zwei Extremfälle: Dünne Flammfront innerhalb der rea- gierenden Scherschicht (oberes Teilbild); Stark verbreiterte Flamme, die praktisch die gesamte reagierende Scherschicht einnimmt (unteres Teilbild) In der oberen Skizze von Bild 6.1 ist die Phänomenologie für tchem < tkol dargestellt. Daraus folgt eine dünne Flammfront, die als Diskontinuität betrachtet werden kann (Flammenform ist aufgrund der turbulenten Strömung gewellt bzw. gefaltet). Die Flamme ist an dem Ort veran- kert, wo das stöchiometrische Mischungsverhältnis auftritt. Phänomenologisch wird die Ver- brennung als reine Diffusionsflamme betrachtet. In der unteren Skizze ist die Vorstellung für tchem > tint abgebildet. Hier treten nahezu in der gesamten Scherschicht Verbrennungsreaktio- nen auf. Große Teile der Scherschicht ähneln somit einem ‚well stirred reactor‘. Welches Regime nun lokal und zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegt, hängt von den rele- vanten Zeitskalen ab. Die Ergebnisse aus Kapitel 5 zeigen, daß die turbulenten Zeitskalen, die charakteristisch für die turbulente Vermischung sind, sich innerhalb eines Spektrums von 0.3 µsec (kolmogorovsche Turbulenzskala) bis maximal 50 µsec (integrale Turbulenzskala) im injektornahen Bereich (bis max. 30 mm stromab vom Injektor) befinden. Es ist gezeigt worden, daß stromab sowohl Längen- als auch Zeitskalen der Turbulenz ansteigen. Anders 110 6 Diskussion der Ergebnisse verhalten sich die chemischen Zeitskalen. Aufgrund der Erwärmung der Treibstoffe sinken die chemischen Zeitskalen stromab. In Kapitel 5 wurde dargestellt, daß die relevanten Län- gen- und Zeitskalen, auf denen die entscheidenden physikalisch-chemischen Prozesse ablau- fen, sich über mehrere Größenordnungen erstrecken. Vor allem die chemischen Zeitskalen, die stark nicht-linear von der initialen Mischungstemperatur abhängen, reichen von ca. 1 msec für eine Mischung mit einer initialen Temperatur von 1000 K bis zu 0,1 µsec für 2000 K. Dies hat zur Folge, daß lokal sehr unterschiedliche Flammenstrukturen und Verbrennungsmecha- nismen auftreten können. Eine Einteilung im Borghi-Diagramm liefert somit nicht einen Punkt, sondern eine Fläche, in der man sich für bestimmte lokale Positionen innerhalb der reagierenden Scherschicht befindet. Das in Kapitel 5.6 dargestellte Borghi-Diagramm (siehe Bild 5.40) ist an die untersuchte Modellbrennkammer bzw. deren Betriebsbedingungen ange- paßt. Es gibt Aufschluß darüber, welches Regime an welchem Ort im zeitlichen Mittel vor- herrscht. Zusammenfassend kann man sagen, daß sich das dominierende Regime über den axialen Abstand hinweg in Richtung der dünneren Flammfronten verschieben wird. Ein wichtiger Grund hierfür ist die Aufheizung der Medien und die damit verbundenen höheren Mischtemperaturen und kürzeren chemischen Zeitskalen. Aber gerade diese Mischtemperatu- ren sind ein noch nicht gelöstes Problem. Ihre exakte Quantifizierung steht noch aus. Die Mo- dellgrundlage moderner CFD-Verfahren muß die oben dargestellten Problematiken berück- sichtigen. Die wahrscheinlichsten Bedingungen, Da > 1 bzw. Ka > 1 in Injektornähe und Da > 1 bzw. Ka < 1 weiter stromab müssen zusammen mit den daraus resultierenden unter- schiedlichen Flammenstrukturtypen von den Verbrennungsmodellen beschrieben werden können, wenn man gesamte Raketenbrennkammern rechnen will. Die vielversprechendsten Modellansätze, die diese Forderungen erfüllen können sind pdf-Modelle, da sie sehr realitäts- nah die Wahrscheinlichkeiten relevanter Verbrennungsgrößen wie z.B. der Reaktionsrate ab- hängig von Einflußgrößen, die die Wahrscheinlichkeitsverteilung bestimmen (z.B. Korrela- tionen von Turbulenzgrößen Z‘ oder u‘), angeben können. Die in dieser Arbeit festgestellten großskaligen Instabilitäten, die ab einem Injektorabstand von ca. 20-30 mm auftreten, bewirken instationäre Effekte, die nicht durch eine stationäre Simulation mit dem k-ε-Turbulenzmodell beschrieben werden können. Ob eine instationäre Rechnung mit einem Zweigleichungs-Turbulenzmodell diese Instabilitäten richtig wiederge- ben würde ist ebenfalls fragwürdig. Aber auch hierbei können pdf-Modelle eingesetzt werden, um korrekte statistische Mittelwerte zu berechnen. Um die oben genannten Aufgabenstellungen experimentell tiefergehender zu erforschen, sind äußerst hohe Anforderungen an die Meßtechnik zu erfüllen. Als Ausblick für zukünftige Ar- beiten auf diesem Gebiet wird vorgeschlagen, intensiv quantitative Meßtechniken anzuwen- den und systematisch solche reagierenden Scherschichten zu vermessen. Eine sehr große Hil- fe wären dabei Konzentrationsmessungen innerhalb der reagierenden Scherschicht, die eine sehr gute lokale und zeitliche Auflösung besitzen. Die Anforderung an die zeitliche Auflö- sung ist, daß bei einem Einzelbild ein ‚eingefrorenes Bild‘ erhalten werden muß. Bei den hier realistischen Strömungsgeschwindigkeiten ist somit eine zeitliche Auflösung von < 1 µsec unbedingt notwendig. Die lokale Auflösung sollte im Bereich der kleinsten turbulenten Wir- bel liegen. Diese Anforderungen können mit einer 1-dimensionalen Raman-Messung erfüllt werden. Sehr interessant sind hierbei die Auflösung von H2- und O2-Konzentrationsprofilen, da man hiermit sehr schnell Aufschluß über die lokal vorhandene Flammenstruktur erhalten kann. Wenn sich das O2- und das H2-Profil überlappen, ist bewiesen, daß lokal am gleichen Ort beide Treibstoffe nebeneinander existieren können. Folglich hat man in diesem Fall si- cherlich verbreiterte Flammfronten, und der Ansatz „mixed is burnt“ (unendlich schnelle Chemie) ist nicht anwendbar. Da beide am gleichen Ort zur gleichen Zeit mit hohen Konzen- trationen existieren, ist dies also ein Indiz, daß hier die Vermischung schneller war als die 6 Diskussion der Ergebnisse 111 Verbrennung, und um die Kopplung der Strömung mit der Verbrennung exakt zu erfassen, muß das chemische Reaktionssystem kinetisch gerechnet werden (Arrhenius). Überlappen sich dagegen die O2- und H2-Profile nicht bzw. sind die Konzentrationen so gering, daß sie den Gleichgewichtskonzentrationen entsprechen, bedeutet dies, daß der Wasserstoff und der Sauerstoff nicht am gleichen Ort zur gleichen Zeit nebeneinander existieren können. Der „mixed is burnt“ Ansatz ist hier anwendbar und die Flammfront ist in diesem Fall sehr dünn. Die bisherigen Ergebnisse der Zeitskalen zeigen, daß in den meisten Fällen eine Überlappung vorhanden sein muß, mit allerdings sehr unterschiedlichen Breiten. Damit ist aber die Flam- menstruktur bzw. die Interaktion der Turbulenz auf die Verbrennung noch nicht geklärt. Denn dies wird durch die relevanten Zeit- bzw. Längenskalen der Turbulenz und der Chemie be- stimmt. Die Zeitskalen der Turbulenz sind bekannt, die der Chemie hängen, wie weiter oben ausgeführt, von der Mischtemperatur des Wasserstoffs mit dem Sauerstoff ab. Hier muß man an dem Ort, an dem man die überlappenden Konzentrationsprofile gemessen hat, Speziestem- peraturen von O2 und H2 mittels CARS Messungen quantifizieren. Sind diese Temperaturen bekannt, kann man somit anhand der in Kapitel 5.3 dargestellten Parameterstudien die chemi- schen Zeitskalen berechnen und sie mit den an diesem Ort vorhandenen turbulenten Zeitska- len (siehe Kapitel 5.4) vergleichen. Anschließend können, analog zu der in dieser Arbeit vor- gestellten Vorgehensweise, die Damköhler- und Karlovitzzahlen bestimmt werden, und somit anhand des Borghi-Diagramms die Flammenstruktur und Verbrennungsphänomenologie ab- geleitet werden. 7 Zusammenfassung und Ausblick Diese Arbeit befaßte sich mit den Problemen, die bei der Modellierung von Raketenbrenn- kammern auftreten. Es wurden wesentliche Vorgänge in H2/LOX-Raketentriebwerken expe- rimentell untersucht und numerisch simuliert mit dem Ziel, Hinweise für die exakte Behand- lung der reaktiven Brennkammerströmung unter den herrschenden extremen Betriebsbedin- gungen zu geben, die durch koaxiale Injektion kryogener Medien und hohem (nahe- oder überkritischem) Druck gekennzeichnet ist. Die Komplexität der dominierenden Phänomene, die auch die integralen Leistungsdaten von Triebwerken bestimmen, ist aufgezeigt worden. Bei den experimentellen Brennkammeruntersuchungen wurden als Diagnostikmethoden Schattenaufnahmetechniken, OH- und H2O-Imaging verwendet. Es wurden Versuche sowohl im unterkritischem (1,8 bar und 30 bar) als auch im überkritischem Druckbereich (60 bar) durchgeführt. Die Injektionsprozesse, dominiert durch den O2-Strahl, die als Randbedingung für die Strömung und Verbrennung in der reagierenden Scherschicht dienen, sind phänome- nologisch erfaßt worden. Dabei hat sich gezeigt, daß der Sauerstoffkernstrahl ab einer be- stimmten Entfernung zum Injektor (20-30 mm) zu Instabilitäten neigt. Dies führt zu Interak- tionen zwischen den Injektionsprozessen und dem umgebenden Strömungsfeld, die phänome- nologisch aufgezeigt wurden, aber die noch nicht modelliert werden können. Zum vollständi- gen Verständnis der physikalisch-chemischen Prozesse in reagierenden Scherschichten und deren Interaktion mit dem Sauerstoffkernstrahl sind quantitative und qualitative Daten über Geschwindigkeitsfeld, Spezies- und Temperaturverteilungen in der Flammenregion unver- zichtbar. Die erzielten experimentellen Ergebnisse wurden mit den parallel durchgeführten numeri- schen Simulationen verglichen. Es hat sich dabei, trotz des relativ einfachen Turbulenzmo- dells (k-ε), eine zufriedenstellende Übereinstimmung im Hinblick auf die Ermittlung von in- tegralen Längen- und Zeitskalen ergeben. Für die aufgetretenen Diskrepanzen, insbesondere die unterschiedliche Dicke der Flammenschicht in Experiment und Simulation, wurden die Ursachen identifiziert und Verbesserungsvorschläge gemacht. Es hat sich herausgestellt, daß die Annahme des chemischen Gleichgewichts die Realität in der untersuchten Modellbrenn- kammer nicht korrekt wiedergibt. Die Verbrennungsmodellierung mit Hilfe von Wahrschein- lichkeitsdichtefunktionen (pdf) und der Berücksichtigung von chemischen Nicht-Gleichge- wichtseffekten würde hier wesentlich bessere Ergebnisse liefern. Ausgehend von bestehenden Modellvorstellungen über turbulente Verbrennungsprozesse konzentrierte sich die Arbeit auf die Definition der maßgebenden Verbrennungsregimes, die bestimmt werden durch die rele- vanten Zeit- und Längenskalen der Turbulenz und der Chemie. Anhand der experimentell gemessenen OH-Verteilungen wurden Längenskalen ermittelt, die mit Hilfe der Datensätze der numerischen Simulation und mit Hilfe theoretischer Ansätze aus der Turbulenzlehre in Zeitskalen umgerechnet wurden. Dabei hat sich herausgestellt, daß im injektornahen Gebiet die relevanten Mischzeiten im Bereich zwischen ca. 0,3-50 µsec liegen. Ebenfalls wurde eine Parameterstudie zur Ermittlung der chemischen Zeitskalen durchgeführt. Hierbei wurde für relevante Bedingungen das kinetische Reaktionssystem gerechnet und als charakteristische Zeitskala die Zeit definiert, die das jeweilige System benötigt, um bei den gegebenen An- fangsbedingungen ins chemische Gleichgewicht zu gelangen. Bei diesen Untersuchungen wurde ein dominanter Einfluß der Mischtemperatur (Tinit) in der reagierenden Scherschicht auf die chemische Zeitskala festgestellt, das zur Folge hat, daß die chemische Zeitskala ab- hängig von der Mischtemperatur über mehrere Größenordnungen variieren kann (1 msec für Tinit = 1000 K bzw. 0.1 µsec für Tinit = 2000 K). Diese chemischen Zeitskalen wurden mit den experimentell ermittelten turbulenten Zeitskalen verglichen, und aus diesen Ergebnissen 7 Zusammenfassung 113 konnten die lokal dominierenden Flammenstrukturen mit Hilfe der Theorien von Borghi und Peters abgeleitet werden. Hiernach ist wahrscheinlich, daß nahe dem Injektor sogenannte „verbreiterte Reaktionszonen“ vorherrschen, während stromab eher „gefaltete Flammen“ do- minant sind. Die Scherschichtdicke nimmt jedoch stromab stetig zu. Während die reagierende Scherschicht im injektornahen Gebiet stabil ist, unterliegt ihre radiale Position weiter stromab großskaligen Fluktuationen, die aufgrund von Instabilitäten des Sauerstoffkernstrahles herrüh- ren. Die Flamme, die sich innerhalb der reagierenden Scherschicht befindet, kann aufgrund dieser Prozesse lokal verlöschen (lokales Quenching), was zum Regime der „zerrissenen Flammen“ bzw. „verstreuten Reaktionszonen“ führen kann. Es hat sich herausgestellt, daß die relevanten Vorgänge in der reagierenden Scherschicht we- sentlich komplexer sind als bisher angenommen. Bei dieser Aufgabenstellung handelt es sich um ein geometrisch dreidimensionales Problem, das hochturbulent und auch auf makroskopi- scher Skala sehr instationär ist. Aus diesen Erkenntnissen folgt, daß es eine äußerst an- spruchsvolle Aufgabe ist, Modelle bzw. CFD-Programme zu entwickeln, die vollständige Brennkammern über verschiedene Betriebspunkte und mit verschiedenen Brennkammergeo- metrien exakt beschreiben können. Ein vielversprechender Ansatz ist hierbei die Large-Eddy- Simulation, die auch die kritischen Phänomene, wie z.B. die Instabilität des Sauerstoffkern- strahles, korrekt wiedergeben kann. Allerdings ist ihre Anwendung aufgrund der erforderli- chen feinen Gitterauflösung und kleinen Zeitschrittweiten für technisch relevante Probleme zu aufwendig. Somit ist festzustellen, daß in naher Zukunft mit numerischen Simulationen mehr als eine Entlastung der Experimente noch nicht möglich sein wird. Deshalb ist auch eine Ver- besserung der experimentellen Untersuchungsmöglichkeiten ebenso wichtig, wie die Weiter- entwicklung von Modellen hin zu größerer Allgemeingültigkeit. Bei den experimentellen Untersuchungen ist in den letzten Jahren die optische und vor allem die laseroptische Diagno- stikmethode stark in den Vordergrund gerückt. Bei weiteren Untersuchungen sollen deshalb laseroptische Diagnostikverfahren zum Einsatz kommen: CARS (Coherent-Anti-Stokes- Raman-Spectroscopy), um Temperaturen in der Flammenregion zu messen, und Raman, um Speziesverteilungen zu untersuchen. Die detaillierte Vermessung der Treibstofftemperaturen und der Konzentrationsverteilungen innerhalb reagierender Scherschichten liefert quantitative Datensätze, mit denen es über statistische Analysen möglich sein wird, lokale Wahrschein- lichkeitsdichteverteilungen (pdf) der relevanten Größen und somit auch Häufigkeitsverteilun- gen der lokal auftretenden Flammenstrukturen bzw. der dominierenden Regimes der turbu- lenten Verbrennung zu erstellen. Außerdem soll als Ziel angestrebt werden, makroskopische Strukturen zeitlich korreliert (ho- he zeitliche Auflösung) zu visualisieren. Dazu müssen Hochgeschwindigkeitsaufnahme- techniken angewandt werden (z.B. Trommelkamera oder high-speed CCD-Kamera). Mit die- sen experimentellen Ergebnissen wird ein sehr wichtiger Datensatz erzeugt, mit dessen Hilfe verbesserte Modellansätze entwickelt werden können. Vor allem kann man aber, wie es in Kapitel 3 und 4 gezeigt wurde, diese Datensätze mit verschiedenen numerischen Simulationen vergleichen und so die benutzten Modelle verifizieren und Gültigkeitsgrenzen angeben. An- hand der phänomenologischen Untersuchung mittels Schattenaufnahmen und Hochgeschwin- digkeitskinematographie kann sehr viel über die makroskopischen Einflußparameter gelernt werden, wie z.B. über den Einfluß des Impulsstromverhältnisses des H2- und O2-Strahles und dessen integralen Einflüsse auf die Strahllänge und -stabilität des Sauerstoffs. Beides, die phänomenologische Untersuchung der makroskopischen Strukturen zur Erfassung integraler Daten und die quantitative detailorientierte Untersuchung thermodynamischer Größen zur Bestimmung lokaler Einflußparameter, führen zu einem besseren Verständnis der Brenn- kammervorgänge und ermöglichen somit eine Verbesserung der Modelle für eine numerische Berechnung dieser Phänomene. 8 Literaturverzeichnis [1] H. Immich, W. Mayer: Cryogenic Liquid Rocket Engine Technology Developments within the German National Technology Programme; AIAA 97-2822, 33rd Joint Propulsion Conference, Seattle, WA, 1997 [2] C. Puissant, M. J. Glogowski, M. M. Micci: Experimental Characterization of Shear Coaxial Injectors Using Liquid/Gaseous Nitrogen; Atomization and Sprays; 1997, Volume 7, issue 5, page 467-478 [3] M. Gonzales, R. Borghi, A. 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Bei der Koaxialinjektion in Raketenbrennkammern muß der Mischprozeß zwischen dem Kraftstoff und dem Oxidator mehreren Anforderungen entsprechen. Die Treib- stoffe sollten möglichst stabil verbrennen und einen hohen Verbrennungswirkungsgrad errei- chen. Des weiteren sind mehrere strömungsmechanische Anforderungen zu erfüllen, wie z.B. eine möglichst kurze Aufbereitungslänge und die Verhinderung des Kontakts zwischen un- verbranntem Sauerstoff und der Brennkammerwand. Ein solcher Kontakt führt i.a. zur Be- schädigung der Brennkammerwand. Da der Mischvorgang in Raketenbrennkammern mittels Koaxialinjektion den Sinn hat, die Treibstoffe zu verbrennen, und da der Verbrennungsprozeß auf molekularer Skala abläuft, muß auch der Mischprozeß bis auf die molekulare Ebene be- trachtet werden. Aus diesem Grunde wird hier der Mischprozeß in einen makroskopischen und einen mikroskopischen Anteil zerlegt und separat in zwei Unterkapiteln erläutert. 9.1.1 Makroskopische Mischvorgänge Die makroskopische Vermischung verläuft auf sehr unterschiedlichen Längenskalen, die ein Spektrum von mehreren Größenordnungen überschreiten können. Die größten relevanten Längenskalen entsprechen den geometrischen Abmessungen (z.B. bei einer Rohrströmung dem Rohrdurchmesser und, in dem hier betrachteten Fall, dem Vermischungsprozeß in der reagierenden Scherschicht, der lokalen Scherschichtdicke). Die kleinste relevante Län- genskala, die noch zum makroskopischen Mischvorgang gehört, ist die kleinste turbulente Längenskala, die Kolmogorov-Längenskala. Innerhalb dieses Spektrums zwischen den größ- ten und den kleinsten relevanten Skalen laufen mehrere physikalische Prozesse ab, die den makroskopischen Mischvorgang kontrollieren. Hier werden die Einflüsse der Grenzflächenspannung auf die makroskopischen Mischvorgän- ge nicht berücksichtigt, da diese zusätzliche Problematik in Kapitel 2.2 behandelt wurde. Beim mechanischen Vermischen von Fluiden spielt die Kontakt- bzw. Grenzfläche zwischen den beiden Medien eine besondere Rolle. Durch Angabe der exakten räumlichen und zeitli- chen Evolution dieser Kontaktfläche läßt sich die makroskopische Vermischung beschreiben. Diese Kontaktfläche kann aufgrund von Dehnung und Faltung ihre Form und Größe verän- dern. Die Güte der makroskopischen Vermischung läßt sich durch Quantifizierung der Zu- nahme der Kontaktfläche zwischen den Fluiden pro betrachtetes Volumen beschreiben. Diese Dehnung und Faltung der Kontaktfläche wird hervorgerufen durch die Strömung, also durch einen konvektiven und einen turbulenten Anteil. Die Dehnung ε läßt sich eindeutig quantifi- zieren indem man die Änderung der Länge (2D) oder Fläche (3D) einer markierten infinitesi- malen Ausgangslinie (2D) oder eines infinitesimalen Flächenstückes (3D) betrachtet. Wird mit x eine Länge oder Fläche und mit x0 deren Ausgangsgröße betrachtet, so ist durch folgen- de Gleichung ein Maß für die Dehnung ε gegeben: dx dx odx 00 lim → =ε (9.1) 9 Anhang 123 Somit ist es möglich, vorausgesetzt die Strömungskinematik ist bekannt, die Güte des hier betrachteten einfachsten Falles der Vermischung aufgrund von Dehnung und Faltung zu be- urteilen. Um nun detailliert die räumliche und zeitliche Evolution der Kontaktfläche Σ zu be- rechnen, muß eine Transportgleichung gelöst werden. ( ) ( )     Σ+∂ Σ∂ ∂ ∂ =Σ∂ ∂ +Σ ∂ ∂ ''''~~ ~ u x D x u xt kkk k k ρρρρ (9.2) Die Kontaktfläche Σ stellt eine Fläche pro Volumenelement dar und hat somit die Dimension 1/m. Die einzelnen Einflußfaktoren auf die Evolution von Σ, wie die Veränderung der Kon- taktfläche aufgrund der Konvektion, die sich auf großskaliger Basis abspielt und der Turbu- lenz, die auf dem gesamten turbulenten Längenspektrum abläuft, sind in dieser Gleichung enthalten. Zur Veranschaulichung sind in der folgenden Abbildung der konvektive und der turbulente Einfluß auf Σ dargestellt. Bild 9.1: Mischungsphänomenologie Bezugnehmend auf das nächste Kapitel ist auch der mikroskopische Mischvorgang (Fluiddif- fusion) dargestellt. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß bei der makroskopischen Mischung, die durch Konvektion bestimmt ist, die lokalen Strömungsgeschwindigkeiten bzw. die Gradienten der Strömungsgeschwindigkeiten die dominierenden Einflußgrößen darstellen. Dies bewirkt i.a. eine Dehnung bzw. Vergrößerung der Kontaktfläche Σ auf den größten Ska- Konvektive Mischung: Makroskopischer Mischvorgang; Relevante Längenskala L0 liegt in der Größenordnung der geometrischen Skala bzw. dem integralen turbulenten Längenmaß. Turbulente Mischung: Makroskopischer Mischungsvorgang; Die relevanten Skalen liegen im Bereich des tur- bulenten Spektrums d.h. von der großskaligen integralen Turbulenz L0 bis zu den kleinsten turbulenten Längenskalen LK (Kolmogorov- Skala). Molekulare Mischung: Mikroskopischer Mischvorgang, beruht auf dem Diffusionsprozeß. 124 9 Anhang len (unter bestimmten strömungsmechanischen Bedingungen ist auch eine Verkleinerung der Kontaktfläche Σ möglich). Die turbulente Vermischung läuft innerhalb der Längenskalen des turbulenten Spektrums ab. Die Turbulenz bewirkt, ähnlich wie die Konvektion, eine Verände- rung der Kontaktfläche Σ (i.a. eine Vergrößerung), allerdings auf kleineren Größenskalen bis hinab zu den Kolmogorov-Skalen. Der makroskopische Mischvorgang kann also in den kon- vektiven und den turbulenten Anteil zerlegt werden, die beide auf unterschiedlichen Län- genskalen ablaufen, aber dieselbe Wirkung haben, und zwar die Veränderung der Kontaktflä- che Σ. Diese Mischvorgänge werden als makroskopische Mischvorgänge bezeichnet. Der mi- kroskopische Mischvorgang basiert auf molekularer Ebene und wird durch die Diffusion be- stimmt. Dieses Phänomen bewirkt eine Vermischung bis auf die kleinste molekulare Skala und ist somit äußerst wichtig bei der Behandlung von Verbrennungsprozessen. Auf die mikro- skopischen Mischvorgänge wird im folgenden Kapitel detailliert eingegangen. 9.1.2 Mikroskopische Mischvorgänge Der mikroskopische Mischvorgang ist ein molekulares Phänomen und basiert auf dem Diffu- sionsprozeß. Es ist der relevante Mechanismus für die chemischen Reaktionen. Im Gegensatz zu den makroskopischen Mischvorgängen ist bei diffusiver Vermischung eine scharfe Grenze, wie sie die Kontaktfläche Σ darstellt, nicht mehr vorhanden. Allerdings bewirkt eine Vergrö- ßerung der Kontaktfläche Σ natürlich auch eine intensivere diffusive Vermischung, da die Diffusion über die Kontaktfläche abläuft (s. Bild 9.1). Das Ausmaß der Vermischung ist hier durch den Verlauf von Konzentrationsprofilen gegeben. Die Diffusion gehört ebenso wie z.B. die Wärmeleitung zu den Ausgleichsprozessen, d.h. daß sich Konzentrationsgradienten im Strömungsfeld durch Diffusion auszugleichen versuchen. Für den Massentransport aufgrund von Diffusion ergibt sich empirisch das Fick‘sche Gesetz: x cDjm ∂ ∂ −= (9.3) Den Proportionalitätsfaktor D bezeichnet man als Diffusionskoeffizienten. Die experimentelle Messung der Diffusionskoeffizienten ist nicht trivial. Sie können aber auch nach verschiede- nen Modellansätzen berechnet werden. Für ein ideales Gas liefert das Modell der harten ela- stischen Kugeln den Selbstdiffusionskoeffizienten: ρpiσ pi 1 8 3 2 mkTD = bzw. µρ 1 6 5 =D (9.4) Berücksichtigt man durch das Lennard-Jones-Potential die intermolekulare Anziehung und Abstoßung und damit die Realgas-Effekte, so muß ein Korrekturfaktor Ω(1,1)* (reduziertes Stoßintegral) einbezogen werden: ρpiσ pi 1 8 3 *)1,1(2 Ω = mkTD (9.5) 9 Anhang 125 Das reduzierte Stoßintegral Ω(1,1)* ist eine eindeutige Funktion der Temperatur T und wird von Warnatz und Maas [93] näher erläutert. Für eine diffusive Mischung von zwei Stoffen wird die Masse durch die sogenannte reduzierte Masse m1m2/(m1+m2) ersetzt, und man erhält für die binäre Mischung eines Stoffes 1 in einen Stoff 2 den binären Diffusionskoeffizienten D12: ( ) ρpiσ pi 1 2 8 3 * 12 *)1,1(2 12 21 21 12 T mm mmkT D Ω + ⋅ ⋅⋅ = (9.6) Ein tiefergehendes Studium der Literatur über dieses Themengebiet zeigt, daß im Gegensatz zu Wärmeleitfähigkeits- und Viskositätskoeffizient für den Diffusionskoeffizienten die Ab- hängigkeiten D ~ T3/2 und D ~ 1/p gelten. Bei der Diffusion in polymeren Mischungen kann man ein empirisches Gesetz ableiten, das die Diffusion des Stoffes i in eine Mischung M be- schreibt: ∑ − = ≠ij ij j i Mi D X YD 1 , (9.7) Wobei Y die Massen- und X die Molenbrüche bezeichnen. Dij steht für den binären Diffusi- onskoeffizienten zwischen dem Stoff i und j. Es sei hier erwähnt, daß genauere Modelle zur Berechnung der Diffusion bzw. deren Koeffizienten existieren, wie z.B. die Theorie nach Chapman/Enskog. Allerdings wird diese zusätzliche Genauigkeit durch einen immens höhe- ren Rechenaufwand erkauft und diese Modelle sind somit für CFD-Simulationen von turbu- lenten Mischungs- und Verbrennungsvorgängen in Raketenbrennkammern noch nicht an- wendbar. Wie in den letzten beiden Abschnitten gezeigt wurde, ist das turbulente Vermischen von Flui- den ein Prozeß, der in einem sehr großen Längenskalenspektrum abläuft. Die makroskopische Vermischung, die bestimmt ist durch Konvektion und Turbulenz, und deren relevante Län- genskalen bei den großen geometrischen Abmessungen anfangen und bis zu dem Kolmogo- rov-Längenmaß hinunterreicht, dehnt und faltet eine diskrete Kontaktfläche Σ, über die hin- weg die mikroskopische Vermischung auf molekularer Basis abläuft – die Diffusion. 9.2 Das CFD-Programm Aeroshape 3D (AS3D) Das CFD-Verfahren, das bei diesen Simulationen verwendet wurde heißt AS3D (Aeroshape 3D) und ist am Moscow Aviation Institut (MAI) entwickelt worden [107]. Es ist in der Pro- grammiersprache C geschrieben und ein Finite-Volumen-Verfahren mit explizitem Lösungs- algorithmus. Ein großer Vorteil von AS3D ist der sehr weit entwickelte und leicht bedienbare Netzgenerator. AS3D arbeitet mit quasi unstrukturierten Netzen, die sich adaptiv, nach der sogenannten RAM-Technik (Rectangular-Adaptive-Mesh), sowohl bezüglich der Geometrie als auch des Strömungsfeldes anpassen können. Als Turbulenzmodell ist das standardmäßige k-ε-Modell implementiert. Es gibt für bestimmte Anwendungsfälle mehrere Versionen von AS3D. Bei diesen Rechnungen wurde die CE-Version benutzt, welche die Verbrennung mit einem chemischen Gleichgewichtsansatz berechnet. 126 9 Anhang 9.2.1 Die Erhaltungsgleichungen Die Erhaltungsgleichungen beschreiben den Transport von skalaren oder vektoriellen Größen. Die Verteilung einer Zustandsgröße im Integrationsgebiet (Strömungsgebiet, Brennkammer) wird von konvektivem und diffusivem Transport und eventuell von lokalen Quellen und Sen- ken bestimmt. Hierbei ist zwischen passiven Skalaren und transportierenden, vektoriellen Größen zu unterscheiden. Passive Skalare, wie z.B. die Enthalpie oder die Konzentration ei- ner Spezies, bewirken keine direkte Beeinflussung einer anderen Variablen, sie werden selbst nur transportiert. Im Gegensatz dazu ist die Geschwindigkeit eine vektorielle Größe und transportiert über die konvektiven Flüsse direkt einen passiven Skalar (z.B. die Enthalpie) und wird selbst in Form von Impuls transportiert. Für beide Variablentypen kann dennoch eine allgemeine Bilanzgleichung in Form einer Transportgleichung aufgestellt werden, die die Grundlage für alle in AS3D verwendeten Erhaltungsgleichungen darstellt. Folgende Glei- chung zeigt die allgemeine Transportgleichung für die zu bilanzierenden Strömungsgrößen: ( ) ( ) S xx u xt jj j j ϕϕ ϕϕρρϕ +    ∂ ∂ Γ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ (9.8) Diese Bilanzgleichung ist in der differentiellen Form für eine allgemeine Variable ϕ im karte- sischem Koordinatensystem dargestellt. Der erste Term auf der linken Seite stellt die zeitliche Änderung der Variable ϕ im betrachteten Volumenelement dar. Der zweite Term beschreibt den konvektiven Fluß durch das Volumenelement. Der erste Term auf der rechten Seite ist der diffusive Fluß durch das Volumenelement mit dem Diffusionskoeffizienten Γ. Sϕ stellt die Quellen- oder Senkenterme dar. Gleichung 9.8 wird in AS3D dementsprechend angepaßt und zur Berechnung der Erhaltungsgleichung für Masse, Impuls und Energie benutzt. Massenerhaltung (Kontinuitätsgleichung): ( ) 0= ∂ ∂ + ∂ ∂ u xt j j ρρ (9.9) Impulserhaltung: ( ) ( )     ∂ ∂ ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ + ∂ ∂ x u xx p uu x u t j k jk jk j k µρρ (9.10) Energieerhaltung: x q upue xt u e j j j j ∂ ∂ −=   ++ ∂ ∂ + ∂    +∂ 2 2 2 2 ρρ ρρ (9.11) In AS3D ist das standardmäßige k-ε-Turbulenzmodell implementiert. Die abhängigen Varia- blen in den obigen drei Gleichungen stellen bereits die gemittelten Größen dar. Wie aus der Turbulenzlehre bekannt ist, treten keine ungeschlossenen Turbulenzterme in der Kontinuitäts- gleichung auf. In der Impuls- und Energiegleichung beinhalten die Viskosität µ (Impulsglei- 9 Anhang 127 chung) bzw. der Wärmestrom qj (Energiegleichung) die turbulenten Terme, die modelliert werden müssen (Schließungsproblem). Diese Terme werden bei AS3D in einen laminaren und einen turbulenten Anteil zerlegt und gesondert gerechnet. Die detaillierte Turbulenzmo- dellierung wird zusammen mit der Beschreibung weiterer physikalischer Größen und dem Verbrennungsmodell im nächsten Kapitel behandelt. Hier wird weiter auf die Erhaltungsglei- chungen eingegangen, denn beim k-ε-Turbulenzmodell wird sowohl für die turbulente kineti- sche Energie k und dessen Dissipationsrate ε ebenfalls eine Erhaltungsgleichung gelöst. ( ) S x k x ku xt k k jk tl j j j +    ∂ ∂   + ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ σ µµρρ Pr (9.12) ( ) S xx u xt j tl j j j ε ε ε σ µµ ερρε +    ∂ ∂   + ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ Pr (9.13) In diesen Gleichungen ist die Aufspaltung der Gesamtviskosität µ in einen turbulenten Anteil µt und einen laminaren Anteil µl dargestellt. Sk und Sε sind Quellterme, die ebenfalls im näch- sten Kapitel erläutert werden. Die turbulente kinetische Energie k beschreibt die Energie, die in den turbulenten Fluktuationen gespeichert ist und wird folgendermaßen definiert: ( )uuuk zyx 2'2'2'2 1 ++= (9.14) Der weitaus schwerer zu behandelnde Term ist die turbulente Dissipationsrate ε. Die exakte Modellierung der Quellterme in der ε-Gleichung bildet heute eine der wichtigsten Aufgaben der modernen Turbulenzforschung. Die turbulente Dissipationsrate ist folgendermaßen defi- niert: x u x u j k j k ∂ ∂ ∂ ∂ = µρε (9.15) In AS3D werden aber noch weitere Erhaltungsgleichungen gerechnet. Wenn die Chemie ki- netisch mit dem Arrhenius-Ansatz berechnet werden soll, wird für jede Spezies eine eigene Erhaltungsgleichung gelöst. AS3D berücksichtigt bei der Kinetik-Version und bei der Be- rechnung eines H2/O2 Verbrennungssystems 8 verschiedene Spezies. Die somit vergrößerte Anzahl an Erhaltungsgleichungen und der aufwendige kinetische Berechnungsalgorithmus machen diese Simulationen äußerst langsam. Um eine auskonvergierte Lösung in einem ak- zeptablen Zeitraum zu bekommen, muß auf sehr groben Rechennetzen gearbeitet werden, was zu einer ungenauen Lösung führt. Aus diesem Grunde wurde für die hier gezeigten Simula- tionen die CE-Version (chemical equilibrium) benutzt, die die Chemie mit einem Gleichge- wichtsansatz (siehe Kapitel 9.2.2) rechnet. Es wird dabei nur noch eine zusätzliche Erhal- tungsgleichung gelöst (Z-Gleichung). Z ist ein inerter Skalar und beschreibt den Mischungs- bruch von atomarem Wasserstoff zur Gesamtmasse der Mischung. Die Erhaltungsgleichung für Z lautet: ( )     ∂ ∂   + ∂ ∂ = ∂ ∂ + ∂ ∂ x Z x Zu xt Z jc tl j j j σ µµρρ Pr (9.16) 128 9 Anhang Somit ist Z und damit auch die Mischung in jeder Rechenzelle bekannt. Ist zusätzlich der Druck und die Temperatur in dieser Zelle bekannt, kann man das chemische Gleichgewicht und die dabei herrschende Spezieszusammensetzung für jede Rechenzelle berechnen. Wie man sieht, sind diese Erhaltungsgleichungen sehr eng miteinander gekoppelt. Zum einen über die Variablen selbst, die in mehreren Erhaltungsgleichungen auftreten können und zum ande- ren über die Quellterme. Im folgenden Kapitel werden die in AS3D implementierten physika- lisch-chemischen Modelle dargestellt. 9.2.2 Die physikalischen Modelle Die Erhaltungsgleichungen, die im vorigen Kapitel dargestellt sind, stellen mathematisch ge- sehen kein geschlossenes Gleichungssystem dar. D.h. es gibt mehr Unbekannte als Gleichun- gen. Zur Schließung dieses Gleichungssystems braucht man weitere Modelle um die unbe- kannten Größen, wie die Viskosität µ, die Wärmeströme qk, oder die Turbulenzgrößen Sk bzw. Sε zu bestimmen (Schließungsproblem). Die Viskosität wird bei AS3D nach dem Wir- belviskositätsansatz in einen laminaren und einen turbulenten Anteil zerlegt. µµµ tl += (9.17) Für die laminare Viskosität µl werden in AS3D drei Berechnungsmöglichkeiten angeboten. Somit ist es auch möglich, die Empfindlichkeit der Lösung auf die Berechnung der laminaren Viskosität zu untersuchen. Es ist bekannt, daß in der Nähe der Wand in der Grenzschicht die korrekte Berechnung der laminaren Viskosität außerordentlich wichtig ist, wohingegen in der Brennkammer bei intensiver Turbulenz die laminare Viskosität µl im Vergleich zum turbu- lenten Anteil µt oft vernachlässigt wird.       + +     = TC ST ST T T C ref ref refl ω µµ 2/3 (9.18) Die Größen C, µref , Tref, S und ω sind vorgegebene Konstanten. Die in Gleichung (9.18) an mittlerer Position stehende Gleichung entspricht der Sutherlandformel und wurde in den in dieser Arbeit vorgestellten Simulationen benutzt. Die turbulente Viskosität wurde nach fol- gender Gleichung berechnet: ε ρ µ µ kCt 2 = (9.19) Bei der Berechnung der turbulenten Wirbelviskosität gehen die turbulente, kinetische Energie (siehe Gleichung 9.14) und deren Dissipationsrate (Gleichung 9.15) ein, die beide aus ihren Transportgleichungen (Gleichung 9.12 und 9.13) berechnet werden. In diesen Transportglei- chungen sind Quellterme enthalten, die im Standard-k-ε-Modell folgendermaßen modelliert werden: 9 Anhang 129 kcx u kcS x u S k j jk k j jkK ερ τ ε ρετ εεε 2 21 −∂ ∂ = − ∂ ∂ = (9.20) Für die turbulenten Spannungsterme τjk gilt folgende Gleichung:     ∂ ∂ + ∂ ∂ = x u x u j k k j tjk µτ (9.21) Die turbulenten Spannungsterme τjk beschreiben in der k-ε-Modellvorstellung den Impuls- austausch zwischen benachbarten Rechenzellen aufgrund der turbulenten Fluktuationen. Die gleiche Vorstellung wendet man auch bei der Beschreibung der Wärmeströme an. Sie werden ebenfalls in einen laminaren und einen turbulenten Anteil zerlegt, wobei hier allerdings beide Anteile in einer Modellgleichung berücksichtigt sind. In der Energiegleichung (9.11) be- schreibt der Wärmestrom qj die Energieübertragung aufgrund von diffusivem und turbulentem Stoffaustausch. In AS3D wird dieser Wärmestrom folgendermaßen modelliert.     ∂ ∂ + ∂ ∂   +−= ρσ µµ p xx T cq jj V c tl j Pr (9.22) Pr bezeichnet die Prandtl Zahl und wird als Konstante behandelt. Bei den in dieser Arbeit vorgestellten Rechnungen wurde in Abstimmung mit mehreren Ergebnissen aus früheren Va- lidierungsrechnungen Pr = 0,72 gewählt. In diesen Modellgleichungen treten mehrere Mo- dellkonstanten auf, die von Launder und Spalding [25] bei der Entwicklung des k-ε-Modells kalibriert wurden. Beim Standard-k-ε-Modell haben sie folgende Werte: 90.0,30.1,0.1 ,92.1,44.1,09.0 21 === === σσσ ε εεµ Ck ccc (9.23) Zur Auflösung der Vorgänge in der Nähe von Wänden (Grenzschichten) wurde in AS3D ein `Low Reynolds Number Modell` implementiert. Hierbei wird der Quellterm der ε-Gleichung und die Modellgleichung der turbulenten Wirbelviskosität folgendermaßen modifiziert: ε µ ε ε ε ρ µµ εµεε kfC k fC x u x u x ufkCCS t k j j k k j 2 221 2 1 =     − ∂ ∂     ∂ ∂ + ∂ ∂ = (9.24) Die Konstanten Cε1, Cε2 und Cµ sind die gleichen wie bei dem Standard-k-ε-Modell. Die Faktoren fµ, f1 und f2 werden folgendermaßen modelliert: 130 9 Anhang ( ) ef ff R ef RT T Ry 2 1 05,01 5,2011 2 3 1 20165,0 − − −=     +=    +−= µ µ (9.25) Dabei werden die Größen Ry und RT mit Hilfe der k- und ε-Gleichungen berechnet. εµ ρ µ ρ l T l y k R yk R 2 = = (9.26) Die Turbulenzterme liegen somit in mathematisch geschlossener Form vor. Die wesentlichen physikalischen Modelle, wie die Turbulenzmodellierung, sind nun erläutert worden. Die Chemie ist mit einem chemischen Gleichgewichtsansatz modelliert. Bei der CE-Version und der Berechnung eines H2/O2-Systems werden die Spezies: H2, O2, H2O, OH, HO2, H2O2, H und O berücksichtigt. Der Verbrennungsvorgang wird als unendlich schnelle adiabat, isobare Zustandsänderung (dq = 0, dp = 0) ins chemische Gleichgewicht modelliert (infinite chemi- stry). Nach dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik folgt, daß die spezifische Enthaplie bei adiabat, isobaren Zustandsänderungen konstant bleibt (dh = 0). Es gilt somit für die Enthal- pien der einzelnen Spezies i folgende Gleichung: 2, 1 2,1, 1 1, i n i ii n i i hYhY ∑ ⋅=∑ ⋅ == (9.27) Dabei bezeichnet der Index 1 den gegeben Zustand und der Index 2 den gesuchten Zustand im thermodynamischen Gleichgewicht. Da AS3D die Verbrennung nur für Mischungen idealer Gase berechnet, wird für die Enthalpie folgende Gleichung angegeben: ∫ ⋅+= T Tref iprefii dTchTh ,,)( (9.28) Wobei hi,ref die Referenzenthalpie für die Referenztemperatur Tref darstellt. Tref ist frei wähl- bar (in AS3D: Tref = 0 K). Die Wärmekapazitäten der einzelnen Spezies cp,i werden über Po- lynome approximiert. Gleichung 9.28 eingesetzt in Gleichung 9.27 liefert: ( ) ( )∑ ∫ ⋅+⋅∑ =∫ ⋅+⋅ == n i T Tref iprefii n i T Tref iprefii dTchYdTchY 1 2 ,,2, 1 1 ,,1, (9.29) Gleichung 9.29 ist noch nicht lösbar, da die Zusammensetzung Yi,2 und die Temperatur T2 im Zustand 2 unbekannt sind. Da der Druck während der Verbrennung konstant ist und Yi,2 die chemische Gleichgewichtszusammensetzung für die Temperatur T2 darstellen soll, läßt sich Yi,2 und T2 iterativ mit Hilfe der chemischen Gleichgewichtsbedingungen bestimmen. Im Ge- gensatz zur Enthalpie ist die molare Entropie einer Spezies in einer Mischung idealer Gase abhängig von dem Partialdruck dieser Spezies. Daraus ergibt sich folgende Gleichung: 9 Anhang 131 0 0 , ln p p Rdt T C SS iTTref pi refii −∫+= (9.30) wobei bei AS3D für p0 = 1 bar gewählt wird. Die Referenzentropien liegen für alle verwen- deten Spezies tabellarisch vor. Die partielle molare Entropie wird nun benutzt, um das chemi- sche Potential zu definieren. p p RTdT T C TdtCSTHTSH iTTref piT Tref pirefirefiiii ln0,, +∫−∫ ⋅+−=−=µ (9.31) Die Bedingung für chemisches Gleichgewicht einer Reaktionsgleichung k lautet: ∑ = = n i iik 1 0µν (9.32) νik ist der Stöchiometriekoeffizient der Spezies i in der Reaktionsgleichung k (νik= ν“ik – ν‘ik). Setzt man Gleichung 9.31 in 9.32 ein ergibt sich: ik n i i n i iik p pRT ν µν ∏     =∑− == 1 01 0 ln (9.33) Aufgrund der Elementerhaltung bei chemischen Reaktionen läßt sich für den gegeben Ge- samtdruck p und der Gleichgewichtstemperatur T die Zusammensetzung der Spezies im che- mischen Gleichgewicht berechnen. Dieser Lösungsalgorithmus wird iterativ durchgeführt bis die Gleichungen 9.29 und 9.33 eine konvergierte Lösung für die Temperatur T2 und die Gleichgewichtszusammensetzung Yi,2 liefern. Da die Enthalpie eine monoton steigende Funktion der Temperatur ist, erreicht man i.a. nach wenigen Iterationen eine auskonvergierte und den Genauigkeitsanforderungen entsprechende Lösung. Für ein tiefergehendes Interesse an den detaillierten chemischen Reaktionsgleichungen und an weiteren physikalischen Modellen, sowie an den numerischen Lösungsalgorithmen, die im Rahmen dieser Arbeit nicht erläutert werden können, sei hier auf die `Technical Description` von AS3D [107] und der dort aufgeführten Sekundärliteratur verwiesen. 9.3 Der Prüfstand P8 Der Prüfstand P8 ist für Forschungs- und Technologiearbeiten an Hochdruckraketentriebwer- ken errichtet worden. Er besteht aus zwei identischen Testzellen, die eine Versuchsdauer von 100 Testtagen pro Jahr gewährleisten. Das Hochdruckversorgungssystem für den flüssigen Sauerstoff (LOX) und den gasförmigen Wasserstoff (GH2) ermöglicht am Interface zum Ver- suchstriebwerk einen maximalen Druck von 360 bar bei Massenströmen von 8 kg/sec LOX und 1.5 kg/sec GH2. Am P8 ist ein Wasserkühlsystem integriert, das einen Massenstrom von 50 kg/sec bei einem Druck von 200 bar fördern kann. Folgende Tabelle zeigt die charakteri- stischen Daten von P8: 132 9 Anhang Fluid GH2 LOX H2O Massenstrombereich [kg/sec] 0,05-0,25 0,05-0,6 0,05-1,0 0,8-1,5 0,2-8,0 5-50 Druckbereich [Mpa] 2,4 12 24 36 2,4-36 5-20 Temperaturbereich [K] 80-300 90-110 300 Tabelle 5: Charakteristische Daten von P8 Die Versuchszeit beträgt bei maximalen Massenströmen höchstens 15 Sekunden. Die Mas- senströme aller Medien können über Regelventile eingestellt und gesteuert werden. Die Tem- peratur des Wasserstoffs kann im Bereich zwischen 100 K und 280 K geregelt werden. Fol- gendes Bild zeigt das Leitungssystem des P8: Bild 9.2: Fließschema des P8 In Bild 9.2 sind auch die Diagnostikräume dargestellt. Zu jeder Testzelle gehören zwei Dia- gnostikräume. Sie ermöglichen den Einsatz empfindlicher Lasermeßverfahren. Folgendes Bild zeigt die „gläserne Modellbrennkammer“ bei einem Heißversuch am P8: 9 Anhang 133 Bild 9.3: ‚Gläserne Modellbrennkammer‘ bei einem Heißversuch mit 60 bar Brenn- kammerdruck am Prüfstand P8 9.4 Der Prüfstand M3 Der Prüfstand M3 ist dafür ausgelegt kleinere Modellbrennkammern, vorwiegend mit Hilfe optischer Diagnostikverfahren zu untersuchen. Das Fördersystem für den flüssigen Sauerstoff (LOX) und den gasförmigen Wasserstoff (GH2) ermöglicht einen Massenstrom von 250 g/sec LOX und 35 g/sec GH2 bei einem Druck von 14 bar am Anschlußstück zur Modellbrenn- kammer. Die Versuchszeit ist bei maximalen Massenströmen beschränkt auf höchstens zwei Sekunden. Der stationäre Betriebspunkt wird im allgemeinen schon nach wenigen zehntel Sekunden erreicht, so daß diese Versuchsdauer bei genauer Triggerung des Datenerfassungs- systems ausreicht, um erfolgreiche Messungen durchzuführen. Der Vorteil von M3 gegenüber Großprüfständen wie z.B. P8 ist, daß der Prüfstand einfacher zu bedienen ist, die Versuche wesentlich billiger sind und daß eine größere Versuchsfrequenz gefahren werden kann (bis zu 15 Versuchen pro Tag, im Gegensatz zu P8, wo maximal 3 Versuche pro Tag möglich sind). Folgende Tabelle zeigt die charakteristischen Daten von M3: 134 9 Anhang Fluid GH2 LOX GO2 Massenstrombereich [kg/sec] 2 - 35 20 - 250 20 - 250 Druckbereich [Mpa] 0,5 – 4 0,5 – 4 0,5 – 4 Temperaturbereich [K] 80 und 300 80 300 Tabelle 6: Charakteristische Daten von M3 Der M3 besitzt im Gegensatz zu P8 keinen aktiven Regelmechanismus für Massenströme und Temperaturen. Die Massenströme werden über angepaßte Blenden und dem dazu berechneten Vordruck eingestellt. Die Temperaturen der Medien können entweder der Umgebungstempe- ratur entsprechen oder sie werden einem Kühlsystem zugeführt, das sie auf die Siedetempe- ratur des Stickstoffs bei Umgebungsdruck abkühlt (ca. 80 K). Folgende Abbildung zeigt das Fließschema des M3: Bild 9.4: Leitungsplan des Prüfstandes M3 9.5 Ergänzende Bild- und Diagrammsammlung Das folgende Kapitel zeigt eine Reihe ergänzender Bilder und Diagramme, auf die in den vorherigen Kapiteln Bezug genommen wurde. 9 Anhang 135 Bild 9.5: Schattenbilder bei 30 bar (Großaufnahmen aller 3 Positionen) 136 9 Anhang Bild 9.6: Schattenbilder bei 60 bar (Großaufnahmen aller 3 Positionen) 9 Anhang 137 Bild 9.7: Instationarität der Einzelbilder bei 30 bar (TLOX = 127 K; TH2 = 125 K) 138 9 Anhang Bild 9.8: Instationarität der Einzelbilder bei 60 bar (TLOX = 127 K; TH2 = 125 K) 9 Anhang 139 Bild 9.9: Vergl.: sim. OH-Verteilung (AS3D, oben); Experiment (abeltransformiert, unten); ges. Fensterausschnitt (0-100mm) bei 30 bar Brennkammerdruck Bild 9.10:Schematische Darstellung der Struktur einer stöch. H2/O2-Vormischflamme [85] (links); Interaktion eines Turbulenzwirbels mit der Flamme (rechts) [109] Bild 9.11: Molare Konzentrationen und Temperaturverteilung (linkes Diagramm); Dichte und relative Volumenänderung (rechtes Diagramm); bei stöchiome- trischer Zusammensetzung und einer Anfangstemperatur von Tinit = 1000K bei 30 bar (isobar). 0,0E+00 1,0E-04 2,0E-04 3,0E-04 4,0E-04 5,0E-04 6,0E-04 1,0E-04 1,0E-03Zeit [sec] C [m ol/ cm 3) 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 T [K ] O2 H2O O HO2 H2 OH H H2O2 TEMP 0,003 0,004 0,005 0,006 0,007 0,008 0,009 0,010 1,0E-04 1,0E-03Zeit [sec] ρ [g /cm 3] 1,0E+00 1,5E+00 2,0E+00 2,5E+00 3,0E+00 3,5E+00 v /v in it [-]DICHT E VOL UMEN 140 9 Anhang Bild 9.12: Molare Konzentrationen und Temperaturverteilung (linkes Diagramm); Dichte und relative Volumenänderung (rechtes Diagramm); bei stöchiome- trischer Zusammensetzung und einer Anfangstemperatur von Tinit = 1200K bei 30 bar (isobar). Bild 9.13: Abhängigkeit der adiabaten Verbrennungstemperatur von verschiedenen Mischungen bei initialer Mischtemperatur von 1200 K Bild 9.14: Radiale Verteilung der integralen, turbulenten Zeitskala für den hinteren Teil des Fensterausschnitts (0.06 m bis 0.1 m stromab vom Injektor) 0,0E+00 5,0E-05 1,0E-04 1,5E-04 2,0E-04 2,5E-04 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 Zeit [sec] C [m ol/ cm 3) 2000 2200 2400 2600 2800 3000 3200 3400 3600 3800 4000 T [K ] O2 H2O O HO2 H2 OH H H2O2 TEMP 1,0E-03 1,5E-03 2,0E-03 2,5E-03 3,0E-03 3,5E-03 4,0E-03 1,0E-05 1,0E-04 1,0E-03 Zeit [sec] ρ [g /cm 3] 1,00 1,20 1,40 1,60 1,80 2,00 2,20 2,40 2,60 v /v in it [-]DICHTE VOLUMEN P = 30 bar 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 0,0E+00 5,0E-05 1,0E-04 1,5E-04 2,0E-04 Zeit [sec] T [K ] R OF: 1 R OF: 5 R OF: 8 R OF: 12 R OF: 16 P = 60 bar 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 0,0E+00 5,0E-05 1,0E-04 1,5E-04 2,0E-04 Zeit [sec] T [K ] R OF: 1 R OF: 5 R OF: 8 R OF: 12 R OF: 16 Lebenslauf %ODåHQNR ,YDQþLü 29.10.1970 geboren in Zagreb als Sohn von ,OLMD ,YDQþLü XQG (KHIUDX Milica ,YDQþLü JHE Šola 1977 bis 1981 Grundschule in Dettenhausen 1981 bis 1983 Albert-Schweitzer-Realschule in Tübingen 1983 bis 1990 Kepler-Gymnasium in Tübingen Mai 1990 Abschluß: allgemeine Hochschulreife Oktober 1990 Studium der Fachrichtung Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni- versität Stuttgart • Praktika bei den Firmen: Alko-Metallguß GmbH in Metzingen, Stefan Nau GmbH & Co. in Dettenhausen, Alfred Kärcher GmbH & Co. in Waiblingen und Daimler Benz AG in Stuttgart • Studienarbeit bei der Daimler-Benz AG in Stuttgart (1995) • Diplomarbeit am Institut für Luftfahrtantrieb der Universität Stuttgart (1996) März 1996 Erlangen des Diploms 1996 bis 1999 Doktorand bei dem DLR Lampoldshausen, Hauptabteilung Raum- fahrtantriebe in der Arbeitsgruppe Treibstoffaufbereitung seit Juli 1999 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei dem DLR in Göttingen, Institut für Strömungsmechanik, Abteilung: Numerische Methoden