Aufgerollte Nanoro¨hren auf III-V Halbleiterbasis Herstellung, strukturelle Charakterisierung und mo¨gliche Anwendungen Von der Fakulta¨t Mathematik und Physik der Universita¨t Stuttgart zur Erlangung der Wu¨rde eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) genehmigte Abhandlung vorgelegt von Dipl.-Ing. Christoph Deneke aus Berlin Hauptberichter: Priv. Doz. Dr. O. G. Schmidt Mitberichter: Prof. Dr. J. Wrachtrup Tag der Einreichung: 11. Mai 2005 Tag der mu¨ndlichen Pru¨fung: 06. Juli 2005 Max-Planck-Institut fu¨r Festko¨rperforschung Stuttgart, 2005 iv Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Grundlagen und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Dreidimensionale Mikro- und Nanoobjekte durch Selbstorganisation . 5 2.1.1 Methoden zur Herstellung von Mikro- und Nanoobjekten . . . 5 2.1.2 Geometrische Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 III-V Halbleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.2.1 Strukturelle und mechanische Eigenschaften von III-V Halb- leitern und ihren Legierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2.2 Heterostrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.2.3 Selektives A¨tzen von III-V Halbleitern . . . . . . . . . . . . . 15 2.3 Molekularstrahlepitaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 2.3.1 Grundlagen der Molekularstrahlepitaxie . . . . . . . . . . . . 18 2.3.2 Aufbau einer Molekularstrahlepitaxie-Maschine . . . . . . . . 23 2.4 Epitaktisches Wachstum, Pra¨paration und A¨tzen der Schichten . . . . 26 2.4.1 Wachstumsprozeß zur Herstellung von epitaktischen, intrin- sisch verspannten Halbleiterschichten . . . . . . . . . . . . . . 26 2.4.2 Probenpra¨paration und ex situ A¨tzschritt . . . . . . . . . . . . 28 2.5 Analytische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.1 Rasterelektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.2 Transmissionselektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5.3 Rasterkraftmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.5.4 µ-Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 vi Inhaltsverzeichnis 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen 33 3.1 Dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus zweidimensionalen Schichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.2 Mikro- und Nanoro¨hren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.2.1 Die InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination . . . . . . . . . . 37 3.2.2 Vollsta¨ndig freistehende Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . 40 3.2.3 Die InxGa1−xP/InyGa1−yP-Materialkombination . . . . . . . . 41 3.3 Der Aufrollprozeß einer verspannten Bischicht . . . . . . . . . . . . . 45 3.3.1 Probenpra¨paration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3.3.2 In situ Beobachtung des Aufrollens — Echtzeit-Video-Mikroskopie 47 3.3.3 Aufrollgeschwindigkeit als Funktion der Probenparameter . . . 49 3.4 Bischichten auf strukturierten Substraten . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4.1 Probenpra¨paration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3.4.2 Laterale Anordnung von Nanoro¨hren . . . . . . . . . . . . . . 52 3.4.3 Gestapelte Bischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren . . . . . . . . . . . 59 4.1 Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 4.1.1 Symmetrische Bischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4.1.2 Asymmetrische Bischichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 4.1.3 Schlußfolgerungen zur Durchmesserskalierbarkeit . . . . . . . . 77 4.2 Radiale U¨bergitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.2.1 Probenpra¨paration und experimentelle Aufbauten . . . . . . . 78 4.2.2 Transmissionelektronenmikroskopie . . . . . . . . . . . . . . . 79 4.2.3 Ramanspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen . . . . . . . . . . 89 5.1 Nanoreaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5.1.1 Lokales Erhitzen der aufgerollten Nanoro¨hren . . . . . . . . . 90 5.1.2 Charakterisierung der synthetisierten lateralen Hybridstruktur 93 Inhaltsverzeichnis vii 5.2 Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 95 5.2.1 Mikromanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 5.2.2 Einzel-Nanoro¨hren-Fu¨llung und Nanopipelines . . . . . . . . . 96 5.2.3 Vorgeschlagene Bauelemente fu¨r die Mikroelektronik . . . . . 101 6. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7. Summary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Anhang 131 A. Liste der Vero¨ffentlichungen und Vortra¨ge . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Verschiedenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 B.1 Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 B.2 Lebenslauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 viii Inhaltsverzeichnis Abku¨rzungen und Formelzeichen Abku¨rzungen Abb. Abbildung AFM Rasterkraftmikroskopie, bzw. das Rasterkraftmikroskop; engl.: Atomic force microscope arb. u. beliebige Einheiten, engl.: Arbitrary units BSE Ru¨ckstreuelektronen, engl.: Backscattered electrons BEP Druck des Molekularstrahls, engl.: Beam equivalent pressure CL Kathodolumineszenz, engl: Cathodic lumenscence DAOP Unordnungsaktivierte, optische Phononen, engl.: Disorder activated optical phonon DOS Zustandsdichte, engl.: Density of states FEM Finite Elemente Rechnungen, engl.: Finite element modelling FWHM Halbwertsbreite, engl.: Full width half maximum HRTEM hochauflo¨sende Transmissionselektronenmikroskopie, engl.: High resolution transmission electron microscopy IC Integrierte-Schaltkreise, engl: Integrated circuits LIGA Lithography, Galvanoforming, and Plastic Moulding, deut.: Lithographie, Galvanoformen und Druckgiessen LO longitudinal optischen MBE Molekularstrahlepitaxie, engl.: Molecular beam epitaxy MEMS Mikrosystemtechnik, engl.: Microelectromechanical systems ML Monolagen x Inhaltsverzeichnis MNO Mikro- und Nanoobjekte MOCVD Metallorganische chemische Gasphasenabscheidung, engl.: Metallorganic chemical vapor deposition MOSFET Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransitor, engl.: Metal oxide semiconductor field effect transistor NEMS Nanosystemtechnik, engl.: Nanoelectromechanical systems REM Rasterelektronenmikroskopie, bzw. Rasterelektronenmikroskop RHEED Beugung hochenergetischer Elektronen unter streifendem Einfall, engl.: Reflective high energy electron diffraction RMS mittlere Rauhigkeit, engl.: Root mean square roughness RT Raumtemperatur RUNT Aufgerollten Nanoro¨hren, engl.: Rolled-up Nanotube SE Sekunda¨relektronen SAED Elektronenbeugung an einem ausgewa¨hlten Bereich, engl.: Selected area electron diffraction STM Rastertunnelmikroskop, engl.: Scanning tunneling microscope TEM Transmissionselektronenmikroskopie, bzw. Transmissionselektronenmikroskop TO transversal optischen UHV Ultrahochvakuum UV Ultraviolet Wafer Kristallscheibe WL Benetzungsschicht, engl.: Wetting layer Formelzeichen a1, a2 Gitterkonstanten amix Interpolierte Gitterkonstante einer terna¨ren Legierung A Fla¨chendichte der Nanoro¨hren Inhaltsverzeichnis xi B Eingerollte Fla¨che χ Verha¨ltnis der E-Module in einer Bischicht D Durchmesser einer RUNT d1, d2 Dicke der ersten Schicht, bzw. zweiten Schicht in einer Bischicht dc kritische Bischichtdicke E Energie E1, E2 Elastische Module Eg Energie der Bandlu¨cke im Halbleiter Emix Elastische Modul einer terna¨ren Legierung η Variable zur Beschreibung des angenommenen Verzerrungszustandes ε Verzerrung εt,εy,εz Hauptachsen des Verzerrungstensors λ Wellenla¨nge h0 kritische Dicke der Opferschicht h Dicke der Opferschicht K Proportionalita¨tskonstante der A¨tzgeschwindigkeit n Anzahl der gestapelten Bischichten ν Poisson Verha¨ltnis rRMS Relative Rauhigkeit einer Bischicht s Aufrolldistanz smax Maximale Aufrolldistanz σx,σy,σz Hauptachsen des Verspannungstensors t Zeit, bzw. Zeit des A¨tzvorganges tc kritische Schichtdicke v Ablo¨sgeschwindigkeit x, y Konzentration des 2. Elementes der III. Hauptgruppe als Relativzahl (meist Indium) xii Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung Nanotechnologie wird als eine der Schlu¨sseltechnologien des 21. Jahrhunderts auf- gefaßt. Angeregt durch die Erfolge in der Mikroelektronik, die die Herstellung von nanometer-großen Baulelementen in hoch-integrierten Computerprozessoren ermo¨g- lichte, besteht der Wunsch, elektromechanische Systeme in diese Gro¨ßenordnung zu verkleinern, um sie in der Biotechnolgie oder in einer sogenannten Nanosystemtech- nik (NEMS)1 einzusetzen [1, 2]. Mikro- und Nanoobjekte (MNO) werden klassisch mit dem sogenannte ” top-down“- Ansatz hergestellt. Hierbei werden mittels Lithographie und anschließendem A¨tzen, mikro-, bzw. nanometer-große Strukturen in einem Material definiert. Dieser An- satz ist in der silizium-basierten Halbleiterindustrie bis an seine Grenzen verfeinert und ausgearbeitet worden, so daß heutzutage problemlos planare Strukturgro¨ßen fu¨r Integrierte-Schaltkreise (IC) der Computerindustrie von unter 100 nm erzeugt werden ko¨nnen (Gatela¨nge eines MOSFET) [3]. Mit dem oben beschriebene Ansatz ko¨nnen nur zweidimensionale Mikro- und Na- nostrukturen definiert werden. Dreidimensionalen Strukturen werden anschließend erzeugt, in dem die vorgegeben zweidimensionale Strukturen mittels anisotroper Verfahren in die dritte Dimension (meist in die Tiefe) u¨bertragen werden. Die Mikrosystemtechnik (MEMS)2 verfolgt diesen Ansatz, um dreidimensionale, mikro- meter-große, elektromechanische Bauelemente herzustellen. Hierfu¨r sind viele Pro- zeßschritte notwendig, um Strukturen mit hohem Aspektverha¨ltnis zu realisieren. Ein Beispiel fu¨r ein solches Verfahren ist der LIGA-Prozeß [4], der industriell fu¨r MEMS eingesetzt wird. Neben diesem ” top-down“-Ansatz wird in der Chemie und in der Halbleiterepita- xie der ” bottom-up“-Ansatz verfolgt [5]. Hierbei werden Selbstorganisationsprozes- se, bei denen ein physikalisches System in sein thermodynamisches Gleichgewicht strebt, ausgenutzt, um dreidimensionale MNOs herzustellen. Neben nanokristallinen Pulvern [6] sind Kohlenstoffnanoro¨hrchen (Carbon Nanotubes) [7] die bekanntesten Vertreter solcher MNOs. In der Halbleitertechnologie wurden in den letzten Jahren selbstorganisierende Quantenpunkte, die durch epitaktisches Wachstum von Halblei- termaterialien auf ein geeignetes Substrat hergestellt werden ko¨nnen, untersucht und 1 englisch: Nanoelectromechanical systems 2 englisch: Microelectromechanical systems 2 1. Einleitung zur Realisation optoelektronischer Bauelemente, wie Halbleiterlaser, verwendet [8]. Mit dem ” bottom-up“-Ansatz lassen sich dreidimensionale MNOs ohne großen Pro- zeßaufwand in sehr guter Materialqualita¨t und hoher Quantita¨t herstellen. Nachteil dieses Prozesses ist, daß die Formation der Nanoobjekte in statistischer Weise ge- schieht. Dies bedeutet, daß der Ort der Bildung des MNO nicht vorgegeben ist. Dementsprechend sind weitere, meist schlecht automatisierbare Prozeßschritte not- wendig, um einzelne, selbstorganisierende MNO nach ihre Entstehung in ein elek- tronisches Bauelement zu integrieren. Dennoch wurden in diesem Gebiet in den letzten Jahren große Erfolge erzielt, wie zum Beispiel durch die Realisierung eines Einzelelektronentrasistors auf Kohlenstoffnanoro¨hrchen-Basis [7, 9]. Um Strukturen fu¨r eine zuku¨nftige Nanotechnologie herstellen zu ko¨nnen, erscheint eine Vereinigung der beiden Ansa¨tze notwendig [1, 5], d.h. das Selbstorganisation von dreidimensionalen MNO muß durch einen zweidimensionalen Strukturierungs- prozeß geordnet werden. So erscheint durch das Anordnen von Halbleiterquanten- punkten [10–12] eine Realisierung und Integration neuartiger Bauelemente [13] auf einem einzelnen Chip mo¨glich. Prinz et al. [14, 15] und Schmidt und Eberl [16, 17] haben eine Mo¨glichkeit de- monstriert, den ” top-down“-Ansatz mit dem ” bottom-up“-Ansatz zu vereinigen, und dreidimensionale MNO aus zweidimensionalen Schichtsystemen durch gezieltes Ablo¨sen der Schichten herzustellen. Dabei wird die Startkante des Ablo¨sungsprozes- ses mittels eines ” top-down“-Prozeß definiert, die Bildung des dreidimensionalen Nanoobjektes erfolgt aber in einem ” bottom-up“-Prozeß beim Ablo¨sen der Schicht, z.B. in einem naßchemischen A¨tzprozeß. Aufgabe dieser Arbeit war es, auf Basis der ersten Ergebnissen von Prinz et al. und Schmidt und Eberl, die sich selbstbildenen Nanoobjekte, insbesondere die Klasse der ” Aufgerollten Nanoro¨hren (RUNT)“,3 herzustellen, zu charakterisieren und zu positionieren. Dabei beschra¨nkt sich die Arbeit im Wesentlichen auf MNOs, die aus InxGa1−xAs/GaAs-Schichten entstehen. Des Weiteren sollte eine mo¨gliche Verwen- dung solcher Nanoobjekte in der Nanotechnologie untersucht werden. Nach dem Kapitel 2 ( ” Grundlagen und Methoden“) werden in Kapitel 3 dreidimen- sionale MNOs aus zweidimensionalen Schichten hergestellt. Dabei wird erstmals demonstriert, daß neben der InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination auch die Inx- Ga1−xP/InyGa1−yP-Materialkombination zur Herstellung von RUNTs geeignet ist. Der Aufrollprozeß der RUNTs wird mittels Video-Mikroskopie untersucht. Hierbei wird beobachtet, daß die RUNT-Bildung einem Selbstlimitierungsprozeß unterliegt, in dem die Aufrolldistanz unabha¨ngig von der A¨tzzeit wird. Im letzten Teil des Kapitels wird die Anordnung von RUNTs durch Wachstum auf strukturierten Sub- straten demonstriert. Somit erfolgt eine Vereinigung des Selbstorganisationsprozes- 3 englisch: ”Rolled-up Nanotube“ 3ses mit lithographischen Methoden der Halbleitertechnologie. Diese Technik wird genutzt, um die RUNTs auf der Oberfla¨che lateral anzuordnen. Außerdem wird die MNO-Bildung aus Mehrfachstapeln untersucht. Kapitel 4 bescha¨ftigt sich mit den strukturellen Eigenschaften der RUNTs. Im erstem Abschnitt wird das Skalierungsverhalten der RUNTs von den Parametern der Aus- gangsschicht untersucht. Dabei kann gezeigt werden, daß der RUNT-Durchmesser von 5 µm bis zu 15 nm genau durch ein geschicktes Wachstum der Bischicht ein- gestellt werden kann. Die gebildeten RUNT-Dimensionen werden mit Ergebnissen kontinuumsmechanischer Rechnungen in einer detaillierten Studie verglichen. Dabei wird festgestellt, daß die RUNT-Dimensionen den kontinuumsmechanischen Vor- hersagen u¨ber einen weiten Bereich von Durchmessern und Schichtdicken bis in die Nanometer-Gro¨ße folgen. Ein Durchmesserdiagramm u¨ber mo¨gliche Durchmes- ser zu Schichtkombinationen wird erarbeitet, so daß eine Vorhersage des RUNT- Durchmessers als Funktion der Schichtparameter mo¨glich wird. Im zweiten Teil des Kapitels werden Transmissionselektronenmikroskopie (TEM), hochauflo¨sende Transmissionselektronenmikroskopie (HRTEM) und µ-Ramanspektroskopie genutzt, um die Wandstruktur einzelner RUNTs zu untersuchen. Dabei wird beobachtet, das die Wand der RUNTs eine Form von radialen U¨bergittern aus kristallinen und nicht- kristallinen Bereichen bilden kann. Im 5. Kapitel wird die mo¨gliche Anwendung der RUNTs in der Nanotechnologie untersucht. Der erste Teil zeigt, daß RUNTs durch lokales Erhitzen mittels ei- nes fokussierten Laserstrahles als Nanoraktoren auf einer Substratoberfla¨che die- nen ko¨nnen, um chemische Synthesen im Nanometer-Maßstab an beliebigen Stellen durchzufu¨hren. Weiter kann die Wandstruktur der RUNTs durch lokales Erhitzen modifiziert werden, um so eine laterale Hybridstruktur herzustellen. Der zweite Teil des Kapitels bescha¨ftigt sich mit dem Flu¨ssigkeitstransport in RUNTs. Mit Hil- fe eines Mikromanipulators kann die gezielte Fu¨llung einzelner RUNTs mit einem Farbstoff demonstriert werden. Des Weiteren wird mit Hilfe von Video-Mikroskopie der Transport einer Flu¨ssigkeit in einer RUNT beobachtet. Im letzten Teil wird das patentierte Konzept vorgestellt, mittels RUNTs Spulen mit geringem Platzbedarf und hoher Induktivita¨t fu¨r die Mikroelektronik zu realisieren. 4 1. Einleitung 2. Grundlagen und Methoden 2.1 Dreidimensionale Mikro- und Nanoobjekte durch Selbstorganisation In diesem Abschnitt wird die Methode zur Erzeugung dreidimensionaler MNOs be- schrieben. Neben dem Bildungsprozeß werden ihre erwartete Gro¨ße in Abha¨ngigkeit der Probenparameter diskutiert. Fu¨r diese Arbeit sind zwei mo¨glichen Wege, dreidimensionale Strukturen aus zweidi- mensionalen Schichten herzustellen, von Interesse. Prinz et al. beschreibt in Ref. [14] eine Methode, MNOs durch einrollen einer verspannten, eptiaktischen Halbleiter- schichtfolge herzustellen. Diese Methode wurde von Schmidt und Eberl in Ref. [16] verallgemeinert. Fu¨r beide Ansa¨tze wird eine Schichtfolge auf ein Substrat aufgebracht, die in ei- nem zweitem Prozeßschritt abgelo¨st wird. Durch das Ablo¨sen der Schichtfolge vom Substrat kann sich ein dreidimensionales Nanoobjekt bilden. Da die Startkante fu¨r den Ablo¨sungsprozeß mittels ” top-down“-Techniken definiert wird und die Objekt- bildung durch Selbstorganisation ein ” bottom-up“-Prozeß ist, stellt dieser Weg eine Verschmelzung dieser beiden Ansa¨tze der Nanotechnologie dar. Der oben beschrie- bene Ansatz ist vollkommen allgemein. Im Rahmen der Arbeit wird das Ablo¨sen der Schichtfolge durch selektives Entfernen einer Opferschicht erreicht; die Schichtfolgen werden aus epitaktischen Halbleitermaterialien hergestellt. 2.1.1 Methoden zur Herstellung von Mikro- und Nanoobjekten In Abb. 2.1(a) wird die allgemeine Methode I illustriert. Hierfu¨r wird eine beliebige Schicht oder eine Schichtfolge u¨ber einer Opferschicht auf ein Substrat aufgebracht. In einem zweitem Prozeßschritt wird die Opferschicht selektiv entfernt. Hierbei lo¨st sich die obere Schicht vom Substrat, kann sich umfalten und auf diese Weise ein MNO bilden. Da an die Schicht keine besonderen Anspru¨che gestellt werden, ist der Ansatz vollkommen allgemein und kann mit beliebigen Materialkombinationen durchgefu¨hrt werden, solange eine geeignete Mo¨glichkeit des selektiven Entfernens der Opferschicht besteht und das Material ausreichend elastisch ist. 6 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.1: Methoden zur Herstellung dreidimensionaler Mikro- und Nanostrukturen. (a) Allgemeine Methode durch Ablo¨sen einer beliebigen Schicht von ihrem Sub- strat. Nach dem Ablo¨sen kann die Schicht umschlagen, bzw. sich auffalten und dabei ein dreidimensionales Mikro- oder Nanoobjekt bilden. (b) Spezielle Me- thode unter Verwendung einer intrinsisch verspannten Bischicht. Die Momente und Kra¨fte in der Bischicht fu¨hren dazu, daß sich die Bischicht nach Ablo¨sen vom Substrat einrollt. Es entsteht ein ro¨hrenfo¨rmiges Mikro- oder Nanoobjekt. Abbildung 2.1(b) zeigt eine speziellere Methode II nach Ref. [16]. Wie im ersten Fall wird eine Schichtfolge auf eine Opferschicht aufgebracht. Die Schichtfolge ist so gewa¨hlt, daß sie eine intrinsische Verspannung aufweist. Diese intrinsisch verspann- te Schichtfolge, in dieser Arbeit meist eine Bischicht, wird vom Substrat durch das selektive Entfernen der Opferschicht, z. B. durch A¨tzen, abgelo¨st. Ist der Verspan- nungszustand so gewa¨hlt, daß der untere Teil der Schichtfolge kompressiv gegen den oberen Teil verspannt ist, induziert die Verspannung ein Drehmoment in die Schichtfolge, das zum Aufrollen der Schichten fu¨hrt. Hierbei entsteht eine ro¨hren- fo¨rmige Struktur, die je nach Dicke und Verspannung der Schichtfolge eine Gro¨ße im Mikro- oder Nanometerbereich haben kann. Ist der innere Durchmesser der ge- bildeten Ro¨hre im submikrometer Bereich, sprechen wir von einer ” Aufgerollten Na- noro¨hre (RUNT)“. Fu¨r die Methode II muß die Mo¨glichkeit bestehen, in der Schich- folge eine Verspannung zu erzeugen. Dies kann durch eine Vielzahl von Methoden erreicht werden, so daß es eine große Anzahl mo¨glicher Systeme zur Realisierung solcher Strukturen gibt [16]. Die Position des gebildeten MNO wird fu¨r beide Methoden offensichtlich von der Startpostion des Ablo¨seprozesses, sowie der zeitlichen Dauer dieses Prozesses be- stimmt. Die Startkante kann im einfachsten Fall durch Ankratzen der Schichtfolge bestimmt oder durch Halbleiterprozeßtechnologie (Lithographie) definiert werden (siehe Abschnitte 2.4.2 und 3.4). Voraussetzung fu¨r beide Methoden ist, daß die gewa¨hlten Materialkombinationen 2.1. Dreidimensionale Mikro- und Nanoobjekte durch Selbstorganisation 7 das selektive Entfernen der Opferschicht unterhalb der aufgebrachten Schicht erlau- ben. In dieser Arbeit werden selektive A¨tzprozesse genutzt, so daß eine entsprechen- de A¨tzlo¨sung bekannt sein muß. Materialselektivita¨ten sollten nach Prinz et al. [14] mindestens 1:1000 betragen; Erfahrungen innerhalb dieser Arbeit lassen eine Se- lektivita¨t von 1:5000 notwendig erscheinen. Im Rahmen dieser Arbeit wurden alle Schichten mit III-V Halbleitern (im Speziellen III-As oder III-P Halbleiter) realisiert. Diese Materialien erfu¨llen die no¨tigen Voraussetzungen: es ko¨nnen nahezu beliebige Schichtfolgen hergestellt werden (siehe Abschnitt 2.3), Schichten ko¨nnen hoch se- lektiv gegeneinander entfernt werden (siehe Abschnitt 2.2.3) und eine intrinsische Verspannungen in den Schichten (Abschnitt 2.2) kann erzeugt werden. 2.1.2 Geometrische Dimensionen Kontinuumsmechanische Betrachtung Glassmaker und Hui [18] haben fu¨r Strukturen, hergestellt nach Methode I, die zu erwartende Form und Dimension abgescha¨tzt. Da keine analytische Lo¨sung fu¨r die- se Geometrie gegeben ist, wurde ein numerisches Verfahren genutzt, um die Form der gebildeten MNOs zu beschreiben. Hierbei wird eine universelle Skalierbarkeit der geometrischen Form (Selbsta¨hnlichkeit) vorhergesagt, die im Wesentlichen von den elastischen Moduli und der Sta¨rke der Selbstadha¨sion abha¨ngt. Es ist anzumer- ken, daß die Selbstadha¨sion u¨ber die Bruchza¨higkeit der beteiligten Materialien ab- gescha¨tzt wird, die sich um Gro¨ßenordnungen von der wirklichen Adha¨sionsenergie unterscheidet [18]. Damit zeigen die berechneten geometrischen Dimensionen einen signifikanten Unterschied zu den experimentellen Dimensionen, die in Ref. [17] be- schrieben werden. Fu¨r Strukturen, die nach Methode II hergestellt werden (siehe Abb. 2.2), kann der Durchmesser aus kontinuumsmechanischen U¨berlegungen abgeleitet werden. Hier- bei ist zu beachten, daß das Problem nur mit großem Aufwand fu¨r einen beliebigen Verspannungs- und Verzerrungszustand analytisch zu lo¨sen ist [19]. Deshalb werden entweder der Verspannungstensor (ebener Verspannungszustand) oder der Verzer- rungstensor (ebener Verzerrungszustand) planarisiert, d. h. auf zwei Hauptachsen und eine Scherkomponente reduziert. Fu¨r den ebenen Verspannungszustand sind analytische Lo¨sungen seit 1925 bekannt [20–23], fu¨r den ebenen Verzerrungszustand sind ebenfalls Lo¨sungen zu finden [19, 24, 25]. Nikishkov [26] hat darauf hingewie- sen, daß sich die Lo¨sungen fu¨r die beiden Randbedingungen nur um einen Faktor unterscheiden. Die allgemeine Lo¨sung ist gegeben durch: D = d41 + 4χd 3 1d2 + 6χd 2 1d 2 2 + 4χd1d 3 2 + d 4 2χ 2 3χd1d2(d1 + d2)εη (2.1) 8 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.2: Probengeometrie und Parameter fu¨r eine Mikro- oder Nanoro¨hre, hergestellt aus einer Bischicht nach Methode II. εt, εy, εz markieren die Hauptachsen des Verzerrungstensors der RUNT, σx, σy, σz die Hauptachsen des Verspannungs- tensors der Bischicht. wobei D der Durchmesser der RUNT, d1 und d2 die Dicken der beiden Schichten, die den Bilayer bilden, χ das Verha¨ltnis der beiden elastischen Moduli E1 und E2 der beiden Schichten (χ = E1/E2) und ε die Verspannung der Bischichten ist. η ist von den gewa¨hlten Randbedingungen der RUNT abha¨ngig, und η = 1 fu¨r den ebenen Verspannungszustand, bzw. η = (1+ν) fu¨r den ebenen Verzerrungszustand. Hierbei ist ν das Poisson-Verha¨ltnis. Abbildung 2.2 illustriert die entsprechenden Probenpa- rameter nochmals. Gleichung 2.1 wurde in verschiedenen Arbeiten zu RUNTs unter der Annahme gleicher elastischer Moduli wie folgt (fu¨r den ebenen Verspannungs- zustand) vereinfacht [27,28]: D = (d1 + d2) 3 3εd1d2 (2.2) Finite Elemente Rechnungen (FEM) liefern fu¨r die Geometrie der RUNTs Lo¨sungen, die zwischen den analytischen Lo¨sungen fu¨r den ebenen Verzerrungszustand und dem ebenen Verspannungszustand liegen [29]. Randbedingungen fu¨r aufgerollte Nanoro¨hren Eine Diskussion der Randbedingungen fu¨r den ebenen Verzerrungszustand und den ebenen Verspannungszustand wird durchgefu¨hrt, um eine Abscha¨tzung der zu wa¨h- lenden Randbedingungen der RUNTs zu erhalten. Auf Grundlage der Diskussion 2.1. Dreidimensionale Mikro- und Nanoobjekte durch Selbstorganisation 9 ergibt sich die Erwartung, daß RUNTs, die hinreichend lang sind, dem ebenen Ver- zerrungszustand folgen. Fu¨r den ebenen Verspannungszustand gelten als Randbedingungen, daß nur Wer- te im Verspannungstensor erlaubt sind, die in der Ebene der Bischicht sind. Dies bedeutet, daß σx und σy, bzw. analog zu den Verzerrungen in Abb. 2.2 σt und σy, in der gebildeten RUNT Werte verschieden von Null aufweisen. In den Ref. [21–23] erfolgt, davon ausgehend, zuna¨chst eine Reduktion der Probendimensionen von ei- ner dreidimensionalen Struktur zu einem zweidimensionalen Querschnitt durch das Schichtsystem und Substrat. Verspannungen in Richtung der RUNT-Achse werden vernachla¨ssigt, bzw. durch Aufbringen einer Kraft in die Richtung der RUNT-Achse kompensiert [21]. Damit ist nur eine Komponente des Verspannungstensors, σx, zur Berechnung des Durchmessers relevant. Aus σx ko¨nnen die Kra¨fte und Drehmomente in der Bischicht abgeleitet werden, die mit einer durch die Kru¨mmung der Bischicht resultierenden Gegenkraft ausbalanciert werden [20,21]. Der Durchmesser folgt aus dem Kra¨ftegleichgewicht. Analog zum ebenen Verspannungszustand folgt fu¨r die Randbedingungen des ebenen Verzerrungszustand, daß das in Ref. [19, 25] behandelte MNO ausschließlich Werte im Verzerrungstensor in der Ebene der gebogenen Bischicht aufweist, d.h. εt und εy (siehe Abb. 2.2) weisen ein Wert verschieden von Null auf. Eine Verzerrung senkrecht zur Ebene εz wird ausgeschlossen [19,25]. Fu¨r diese Bedingungen werden in Ref. [19, 25] Funktionen fu¨r εt und εy des sich gebildeten MNO abgeleitet und daraus der Radius, bzw. der Durchmesser D berechnet. Dies kann entweder durch Betrachten des Kra¨ftegleichgewichtes [19] oder der Energieminimierung [25] geschehen. Analytisch fu¨hren die beiden oben diskutierten Ansa¨tze dazu, daß der Durchmesser D der RUNTs fu¨r den ebenen Verzerrungszustand kleiner ist als fu¨r den ebenen Verspannungszustand [26]: DEbene V erzerrung = 1 1 + ν DEbene V erspannung (2.3) Der Faktor 1/(1 + ν) resultiert aus dem Wechsel der Randbedingungen [19]. Aus der Kontinuumsmechanik ist bekannt, daß Oberfla¨chen dem ebenen Verspan- nungszustand unterliegen, wa¨hrend in einem Volumen, bzw. im Innere eines Ko¨rpers der ebenen Verzerrungszustand vorliegt [30]. Weiter bedeutet der U¨bergang in den ebenen Verspannungszustand eine gro¨ßeren Verspannungsabgebau im betrachteten Objekt im Vergleich zum ebenen Verzerrungszustand. Suo et al. [19] entwickeln ihre analytische Lo¨sung aus der bekannten Lo¨sung einer Kugel, die sich aus einer ver- spannten Schicht bildet (Stoney Formel). Hierbei wird neben einem zusa¨tzlichen Term, der die A¨nderung des Durchmessers durch die geometrische Einschra¨nkung von einer Kugel zu einem zylindrischen Objekt beru¨cksichtigt, explizit darauf hinge- wiesen, daß ein Wechsel der Randbedingungen vom ebenen Verspannungszustand 10 2. Grundlagen und Methoden in den ebenen Verzerrungszustand erfolgt. Unter Beru¨cksichtigung der allgemei- nen Vorhersagen der Kontinuumsmechanik, erwartet man fu¨r kurze Ringe,1 die sich aus du¨nnen Bischichten gebildet haben, daß sie sehr gut den Bedingungen des eben Verspannungszustandes folgen (gute Relaxation der Verspannung). Erfolgt ei- ne Verla¨ngerung der Dimension in eine oder mehrere Richtungen (Zunahme der La¨nge oder Dicke der RUNT), sollte ein Wechsel in den ebenen Verzerrungszustand stattfinden. Dies bedeutet, das eine lange RUNT (RUNT-Achse sehr viel gro¨ßer ist als der Umfang der RUNT-O¨ffnung) dem ebenen Verzerrungszustand folgt. Hierbei sollten RUNTs aus du¨nnen Bischichten la¨nger dem ebenen Verspannungszustand unterliegen als MNOs aus dicken Schichten. Diese U¨berlegungen werden durch FEM-Simulationen gestu¨tzt [29]. Hierbei hat ein kurzer Ring einen Durchmesser, der mit der analytischen Lo¨sung des ebenen Ver- spannungszustandes u¨bereinstimmt. Mit zunehmender La¨nge beginnt der Durchmes- ser kleiner zu werden, da die Struktur ihre Verspannung nicht mehr gut abbauen kann; wird aus dem Ring eine Ro¨hre (La¨nge der RUNT-Achse deutlich gro¨ßer als Umfang der RUNT-O¨ffnung), so folgt das berechnete MNO den Bedingungen des ebenen Verzerrungszustandes. Unklar in dieser Diskussion ist, inwieweit die experimentelle Umgebung, insbeson- dere A¨tzgeschwindigkeiten, Rauhigkeiten der Grenzfla¨chen, Wachstumseffekte und Oberfla¨cheneffekte der Bischicht, den Durchmesser im Detail beeinflussen, da die kontinuumsmechanische Beschreibung diese Effekte nicht weiter beru¨cksichtigt. Die kontinuumsmechanische Betrachtung stellt somit den idealisierten thermodynami- schen Endzustand des verspannten Schichtsystems dar, in dem die Kinetik der Bil- dung nicht beru¨cksichtigt wird. 2.2 III-V Halbleiter Unter III-V Halbleitern ist eine Stoffklasse zusammengefaßt, die von Verbindungs- festko¨rpern der Elemente der 3. Hauptgruppe und der 5. Hauptgruppe gebildet werden. Diese sind isoelektrisch zum Silizium, dem wichtigsten Element fu¨r die Rea- lisierung von Halbleiterbauelementen und der Mikrosystemtechnik [31,32]. In diesem Abschnitt sollen die festko¨rper-physikalischen Eigenschaften, sowie die chemischen Eigenschaften dieser Stoffklasse behandelt werden. 1 Achse des MNO ist ku¨rzer als sein Durchmesser, bzw. der Umfang der MNO-O¨ffnung 2.2. III-V Halbleiter 11 Tabelle 2.1: Materialparameter einiger III-V Halbleiter nach Ref. [34, 36,37] Verbindung elastisches Modul Gitterkonstante Bandlu¨cke in <010>-Richtung (Pa) (A˚) (eV) AlAs - 5,66 2,15 GaAs 85,3 5,65 1,424 InAs 51,4 6,06 0,355 GaP 102,8 5,45 2,272 InP 60,7 5,87 1,35 2.2.1 Strukturelle und mechanische Eigenschaften von III-V Halbleitern und ihren Legierungen III-V Halbleiter werden nach dem Element der V. Hauptgruppe in Verbindungs- klassen eingeteilt, wobei die Nitride, Arsenide und Phosphide von technischer Be- deutung sind [33,34]. In dieser Arbeit wurden vor allem arsen-basierte Bischichten, aber auch einige phosphor-basierte Bischichten hergestellt, so daß im Folgenden nur diese beiden Stoffklassen behandelt werden. Beide Materialsysteme, sowie ihre Le- gierungen, sind auf Grund der technischen Bedeutung gut charakterisiert [31–40]. Sowohl die III-Arsenide als auch die III-Phosphide (mit III: Aluminium, Gallium, oder Indium) liegen als Festko¨rper unter Normalbedingungen in einer Zinkblende- struktur vor [31,33]. Tabelle 2.1 gibt einen U¨berblick u¨ber die verschiedenen Gitter- konstanten, die elastischen Moduli in die <010>-Richtung und die Bandlu¨cke einer Reihe von bina¨ren Verbindungen dieser beiden Stoffklassen. Relevant ist vor allem der Unterschied in den elastischen Moduli von InAs und GaAs, deren Verha¨ltnis EGaAs : EInAs ∼ 1, 8 erreicht. Somit sind Vereinfachungen in Gleichung 2.1 durch Annahme von gleichen elastischen Modulen, wie in Ref. [27,28] vorgenommen, fu¨r III-V Halbleiter nicht zula¨ssig. Die in Tabelle 2.1 angegebenen Materialparameter werden in den Abschnitten 4.1.1 und 4.1.2 genutzt, um Durch- messer nach Gleichung 2.1 zu berechnen. Abbildung 2.3 zeigt im U¨berblick die Bandlu¨cke als Funktion der Gitterkonstanten fu¨r die III-Arsenide und III-Phosphide, sowie Legierungen dieser Verbindungen. Des Weiteren ist die Position von Silizium und Germanium, den wichtigsten Halbleiter- elementen der IV. Hauptgruppe, vermerkt. Fu¨r diese Arbeit sind vor allem AlAs, GaAs, InAs von besondere Bedeutung. Wie in Abb. 2.3 zu erkennen ist, haben AlAs und GaAs nahezu die gleichen Gitterkonstan- ten. Ihre unterschiedliche Bandlu¨cke ist der erste Hinweis, daß die beiden bina¨ren Arsenide sich in ihrem chemischen Verhalten unterscheiden. Dies wird fu¨r das selek- 12 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.3: Bandlu¨cken und Gitterkonstanten verschiedener III-V Halbleiter und ihren terna¨ren Legierungen. Entnommen aus Ref. [13]. tive Entfernen von AlAs gegen GaAs ausgenutzt. Des Weiteren ist zu erkennen, daß InAs und GaAs unterschiedliche Gitterkonstanten aufweisen. Weiter unterscheiden sie sich auch in ihrer Bandlu¨cke. Interessanter Weise sind sich aber InAs und GaAs im chemischen Verhalten sehr a¨hnlich, da sowohl Indium als auch Gallium weiche Lewis-Sa¨uren sind [41]. Alle in Abb. 2.3 gezeigten III-As-Halbleiterverbindungen bilden terna¨re Legierungen und sind unbegrenzt miteinander mischbar (fu¨r Pha- sendiagramme siehe Ref. [39]), der Verlauf der Bandlu¨cke dieser Legierungen ist in Abb. 2.3 als Funktion der Gitterkonstante eingezeichnet. Die Gitterkonstanten dieser Legierungen ko¨nnen linear interpoliert werden [31,34]: aMix = a2 + (a2 − a1) ∗ x (2.4) mit aMix als Gitterkonstante der terna¨ren Legierung und a1 und a2 als die Gitter- konstanten der beiden bina¨ren III-V Verbindungen. x ist die Konzentration des 1. Elementes der III. Hauptgruppe als Relativzahl. Aus Abb. 2.3 ist ersichtlich, daß die III-P Verbindungen ebenfalls terna¨re Legierun- gen bilden. Um die gleiche Gitterkonstante wie GaAs zu erhalten, mu¨ssen InxGa1−x- P-Schichten mit einer Indiumkonzentration von ca. 48% hergestellt werden. Der Unterschied in den Gitterkonstanten, der linear durch die Wahl der Konzentrati- on der Elemente der III. Hauptgruppe eingestellt werden kann, wird beim Wachstum von Heterostrukturen ausgenutzt, um eine inha¨rente Verspannung in Bischichten dieser Materialien zu erzeugen (siehe Abschnitt 2.2.2 und 2.3). 2.2. III-V Halbleiter 13 Um nach Gleichung 2.1 den theoretischen Durchmesser der RUNTs bestimmen zu ko¨nnen, mu¨ssen die elastischen Moduli der Legierungen in Abha¨ngigkeit der Kon- zentrationen der Elemente der III. Hauptgruppe eingesetzt werden. Die elastischen Moduli von terna¨ren Legierungen sind nicht bekannt [40] und mu¨ssen deshalb aus den bina¨ren III-As Verbindungen interpoliert werden: 1 EMix = x E1 + (1− x) E2 (2.5) wobei E1 und E2 die elastischen Moduli der bina¨ren III-V Verbindungen sind, EMix ist das interpolierte, elastische Modul der terna¨ren Legierung und x ist die Konzen- tration des 1. Elementes der III. Hauptgruppe. 2.2.2 Heterostrukturen Unter einer Heterostruktur wird eine Materialfolge verstanden, bei der die einzelnen Lagen die gleiche Kristallstruktur aufweisen, aber die chemische Zusammensetzung sich u¨ber die einzelnen Lagen a¨ndert [33–35, 42, 43]. In dieser Arbeit wurden die Heterostrukturen mittels Molekularstrahlepitaxie (MBE) hergestellt (na¨heres sie- he Abschnitt 2.3). Heterostrukturen weisen meist scharfe Grenzfla¨chen2 zwischen den einzelnen Schichten auf, die eine gute Trennung der einzelnen Lagen garan- tiert. Die Bedeutung der Heterostrukturen liegt vor allem in ihren elektronischen Eigenschaften, da auf diese Weise quantenmechanische Modellsysteme geschaffen werden ko¨nnen [8, 44]. Heterostrukturen finden Anwendung in Bauelementen der Elektronik und Optoelektonik wie Heterobipolartransistoren, Hochbeweglichkeits- Elektronentransitoren oder Halbleiterlasern [32,33,35,43]. Fu¨r diese Arbeit sind die elektronischen Eigenschaften der Heterostrukturen weni- ger interessant, sondern die Mo¨glichkeiten, Schichtsysteme mit einer intrinsischen Verspannung zu realisieren. Weiter werden die unterschiedlichen chemischen Eigen- schaften der einzelnen Materialien der Heterostruktur ausgenutzt, um die verspann- ten Schichten vom Substrat ablo¨sen zu ko¨nnen. Abbildung 2.4 zeigt die schematische Zeichnung einer Heterostruktur, die typischer- weise zur RUNT-Herstellung Verwendung findet. Auf das Substrat wird eine Op- ferschicht (meist AlAs) aufgewachsen, gefolgt von zwei weiteren Schichten, meist aus einer InxGa1−xAs-Legierung und reinem GaAs bestehend. Wie in Abb. 2.3 zu erkennen ist, hat die InxGa1−xAs-Legierung eine gro¨ßere Gitterkonstante als das GaAs-Substrat und die folgende GaAs-Schicht. Im Falle einer Heterostruktur wird eine solche Differenz in den Gitterkonstanten als Gitterfehlanpassung bezeichnet, 2 Die Qualita¨t der Grenzfla¨che ist von Materialien und experimentellen Bedingungen der Epita- xie abha¨ngig. Siehe auch Abschnitt 2.3.1. 14 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.4: Schematische Zeichnung einer Heterostruktur, wie sie in dieser Arbeit zur Her- stellung von aufgerollten Nanoro¨hren verwendet wurde. die fu¨r eine Schicht definiert ist als [34,45]: fm = a2 − a1 a1 (2.6) mit a1 als Gitterkonstante des Substrates, bzw. a2 als Gitterkonstante der epitakti- scher Schicht. Fu¨r InxGa1−xAs auf GaAs kann sie berechnet werden zu: fm(x) = 0, 7 ∗ x (2.7) mit x als Indiumkonzentration. Da die einzelnen Legierungen in den Schichten der Heterostruktur auf die Gitterkon- stante des Substrates gezwungen werden [42, 45], bedeutet dies, daß alle Schichten eine Verzerrung ε aufweisen, deren Legierungen gitterfehlangepasst zum Substrat sind. Es gilt: ε = fm = a2 − a1 a1 (2.8) Je nach Differenz der Gitterkonstanten sind die Schichten einer Heterostruktur ent- weder kompressiv verspannt oder dehnungsverspannt. Sollen aus abgelo¨sten Schich- ten RUNTs entstehen, muß die zweite Schicht in Abb. 2.4 komperessiv gegenu¨ber der dritten Schicht verspannt sein,3 so daß nach dem Ablo¨sen die zweite Schicht eine Zugspannung auf die dritte Schicht ausu¨bt. Ist die Gitterfehlanpassung zu groß, kommt es zur Bildung von Versetzungen in der Heterostruktur, die die Verspannung abbauen. Da die Verspannungsenergie propor- tional zur Dicke der verspannten Schicht ist, ergibt sich eine kritische Schichtdicke tc, bis zu der die defektfreie-kristalline Struktur des Substrates erhalten bleibt [35]. Die gute Durchstimmbarkeit der Verspannung der Schichten durch Wahl der Legie- rungselemente, sowie die Pra¨zision, die bei der Einstellung der Dicke der einzelnen 3 Eine Dehnungsverspannung der dritten Schicht zur zweiten ist dem a¨quivalent. 2.2. III-V Halbleiter 15 Tabelle 2.2: Einige gebra¨uchliche A¨tzmittel und Materialkombinationen. Stopschicht Opferschicht A¨tzmittel Ref. InxGa1−xAs/GaAs AlAs HF [53] AlxGa1−xAs GaAs C6H8O7 : H2O2: H2O [52,54,55] Si Ge H2O2 [56] InxGa1−xAs/GaAs InP HCl [52,57] Lagen mit modernen epitaktischen Methoden erreicht werden kann, empfiehlt He- terostrukturen als Schichtfolgen, um MNOs nach Methoden aus Abschnitt 2.1.1 herzustellen. 2.2.3 Selektives A¨tzen von III-V Halbleitern Chemische Verfahren zur Strukturierung, zum Polieren oder Modifizieren sind seit langem gebra¨uchlich in der Halbleitertechnik [46]. Dabei wurde das A¨tzverhalten von III-V Halbleitern, insbesondere von GaAs im Detail charakterisiert [47–51]. Grundsa¨tzlich lassen sich alle Reaktionen, die in naßchemischen Halbleitera¨tzverfah- ren benutzt werden, in die beiden Kategorien der Sa¨ure-Base4 und Redox-Reaktionen5 einteilen [46]. Beim selektiven A¨tzen von III-V Halbleitern [52] werden die chemi- schen Unterschiede der Materialien einer Heterostruktur ausgenutzt, um einen Teil der Struktur aufzulo¨sen und die anderen Teile unvera¨ndert zu lassen. Hierfu¨r wer- den sowohl Redox- als auch Sa¨ure-Base-Reaktionen genutzt. Ein U¨berblick u¨ber die gebra¨uchlichen Materialkombinationen, sowie ihre selektiven A¨tzmittel, ist in Tabelle 2.2 gegeben. Die Selektivita¨t der A¨tzmittel kann verschiedene Ursachen haben. In Redox-Systemen kann die Selektivita¨t auf der unterschiedlichen Stellung in der chemischen Potential- spannungsreihe (siehe Ref. [41, 58]) beruhen, wa¨hrend bei bei Sa¨ure-Base-Reaktion diese auf den verschiedenen Acidita¨ten nach Bro¨nsted oder Lewis zuru¨ck gehen kann [41]. Oftmals liegt der Unterschied aber im anderen Stoffverhalten, bzw. in dem Verhalten der Reaktionsprodukte begru¨ndet. Als Beispiel sei das selektive Auflo¨sen von Ge gegen Si mittels H2O2 erwa¨hnt. Hierbei werden beide Elemente in einer Redox-Reaktion vom H2O2 oxidiert, aber in neutralen, bzw. leicht basischen Medi- en bildet Si ein wasserunlo¨sliches Oxid, wa¨hrend Germanium in Form von Ge4+-Ion in Lo¨sung geht [41]. Als Maß fu¨r die Selektivita¨t wird das Verha¨ltnis der A¨tzraten der Materialien ei- 4 Reaktionen bei denen H+-Ionen zwischen den Reaktionspartnern getauscht werden, aber die nominelle Ladung der beteiligten Ionen unvera¨ndert bleibt. 5 Reaktionen, bei denen ein Reaktionspartner Elektronen an den anderen abgibt. 16 2. Grundlagen und Methoden ner Materialkombination angegeben. Um eine Materialkombination zur Herstellung dreidimensionaler Objekte nach dem Verfahren aus Abschnitt 2.1.1 optimal nutzen zu ko¨nnen, sollte dieses Verha¨ltnis mindestens 1:5000 betragen. Selektives A¨tzen von AlAs gegen InxGa1−xAs/GaAs Das selektive Entfernen einer AlAs-Schicht, um InxGa1−xAs/GaAs-Schichten von ihrem GaAs-Substrat abzulo¨sen, wird seit vielen Jahren genutzt [53,59,60]. Die Se- lektivita¨t von HF fu¨r GaAs gegen AlAs ist mit 1:107 angegeben [59], womit es sich als ideales System zur Herstellung von dreidimensionalen Strukturen durch Ablo¨sen von verspannten Schichten erweist. In der Literatur ist die genaue chemische Reak- tion nicht zu finden, so daß diese auf Grundlage allgemeiner chemischer Regeln [41] abgeleitet werden soll. Die Reaktion von HF mit AlAs oder GaAs fa¨llt in die Klas- se der Sa¨ure-Basen-Reaktion, sie ist deshalb von angelegten externen elektrischen Potentialen unabha¨ngig. Fu¨r die Reaktion des AlAs gilt: AlAs + 3HF −→ AlF3 +AsH3 (2.9) AlF3 + 3HF −→ [AlF6]3− +H3+ (2.10) Dies bedeutet, daß AlAs leicht zu dem in Sa¨uren und Basen unlo¨slichen AlF3 rea- giert, das sich in Anwesenheit von HF zum wasserlo¨slichem Komplex [AlF6] 3− um- wandelt. Fu¨r GaAs ist die Reaktion mit HF zum entsprechendem GaF3 bekannt: GaAs + 3HF⇀↽ GaF3 +AsH3 (2.11) Die oben genannte Reaktion liegt aber auf Seiten der Edukte. Daß GaF3 stabile Fluorid-Komplexe bilden kann [41], ist deshalb nur von geringer Bedeutung.6 Das Arsen reagiert im saurem Medium erst zum gasfo¨rmigen Arsin (AsH3) und anschlie- ßend weiter unter Bildung von Hydroxiden oder stabilen As-Fluorid-Komplexen. Eine Bildung von H2, wie in Ref. [59, 61, 62] vermutet, findet allenfalls bei der Re- aktion des Arsins mit Wasser statt. Die immensen Unterschiede in der Reaktionsfreudigkeit von AlAs und GaAs ko¨nnen unter der Anwendung der Lewis-Sa¨ure-Basen-Prinzipien erkla¨rt werden [41]. Da- nach bildet eine harte Lewis-Sa¨ure bevorzugt mit eine harten Lewis-Base stabile Verbindungen. F− ist die ha¨rteste bekannte Lewis-Base, wa¨hrend Al3+ und AlF3, harte Lewis-Sa¨uren sind. Da Gallium eine weiche Lewis-Sa¨ure und Arsen ein weiche 6 Sollte aber bei der Diskussion der Bischichtdicke in Abschnitt 4.1 beachtet werden. 2.2. III-V Halbleiter 17 Abb. 2.5: A¨tzgeometrie fu¨r Spalt mit schwach gekru¨mmter, abzulo¨sender Schicht. Lewis-Base ist, ist die Verbindung GaAs gegen HF stabil, AlAs dagegen hat ein ausgepra¨gte Tendenz mit HF zu reagieren und Komplexe zu bilden. Neben der Selektivita¨t des A¨tzprozesses wurden die Temperaturabha¨ngigkeit und verschiedene Probengeometrien in der Literatur untersucht [59,61–64]. Fu¨r die exo- therme Reaktion von AlAs mit HF wird nach dem Prinzip von Le Chatelier [58] unter Beru¨cksichtung, daß derartige Reaktionen einer Aktivierung nach Arrheni- us folgen [58], erwartet, daß sich die Reaktionsrate zuna¨chst mit steigender Tem- peratur erho¨ht, ein Maximum erreicht und wieder abfa¨llt. Fu¨r das Ablo¨sen einer Schicht von einem GaAs-Substrat wurde in Ref. [61] eine maximale A¨tzrate fu¨r ca. 40◦Cbestimmt. Diese Temperaturabha¨ngigkeit ist in der Praxis von geringer Be- deutung, da sich A¨tzlo¨sungen auf Grund des großen Verha¨ltnisses von Lo¨sung zu gea¨tztem Material nicht erwa¨rmen und hinreichend hohe A¨tzraten bei Raumtempe- ratur erzielt werden. Abbildung 2.5 zeigt die Geometrie der Probe wa¨hrend des Ablo¨sens einer Schicht mit geringer Kru¨mmung. Diese Geometrie wurde in der Literatur ausfu¨hrlich behan- delt [61–64], und folgende Gleichung fu¨r die mittlere A¨tzgeschwindigkeit v¯, d.h. fu¨r die mittlere Geschwindigkeit mit der die AlAs-Schicht sich auflo¨st, abgeleitet [62]: v¯ = K exp [−(h0/h)2]; K = K1√ Dh (2.12) mit h als Dicke der Opferschicht, K, bzw. K1 als Proportionalita¨tskonstante, D als Durchmesser, bzw. mit 2/D als Kru¨mmung der Schicht. h0 beschreibt eine kritische Dicke der Opferschicht, ab der der A¨tzvorgang zusammenbricht. K ist neben den 18 2. Grundlagen und Methoden geometrischen Parametern auch von der Konzentration der Reaktionspartner, sowie den Reaktionsbedingungen abha¨ngig, die in die Proportionalita¨tskonstante K1 ein- fließen.K1 wird als freier Parameter in den Ref. [59,61,62] betrachtet. Gleichung 2.12 wurde experimentell fu¨r verschiedene Dicken h der Opferschicht in Ref. [62] besta¨tigt. Eine Abha¨ngigkeit von v¯ fu¨r Schichten mit D = 20− 60 mm wurde in Ref. [63] be- obachtet. Auf Grund der hohen Selektivita¨t und der ausfu¨hrlichen Charakterisierung ist die AlAs-InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination ein Modelsystem, umMNOs nach den Methoden aus Abschnitt 2.1.1 zu realisieren. 2.3 Molekularstrahlepitaxie Epitaxie ist eine besondere Form des Kristallwachstums [42,43,65–68]. Epitaxie un- terscheidet sich von den Kristallzuchtverfahren wie Czochralski-Ziehen (Silizium) oder Bridgman-Verfahren (GaAs) [32], die zur Herstellung großer, reiner Halblei- terkristalle verwendet werden, dadurch, daß auf ein einkristallines Substrat wei- tere Schichten aufgewachsen werden, die die kristalline Ordnung des Substrates u¨bernehmen [42, 43]. Wird das gleiche Element oder die gleiche Verbindung aufge- bracht, wird dies Homoepitaxie genannt. Werden chemisch unterschiedliche Verbin- dungen auf das Substrat aufgewachsen, so wird dies Heteroepitaxie genannt [42,68]. Es gibt eine Vielzahl epitaktischer Verfahren, die sich im Wesentlichen dadurch unterscheiden, aus welchem Medium die Atome auf das Substrat abgeschieden wer- den [42]. Die MBE ist eine besondere Form der Epitaxie, die ihren Namen auf Grund der Abscheidung der aufzuwachsenden Substanzen auf das Substrat aus einem Mo- lekularstrahl erhalten hat [42,43,65,66]. 2.3.1 Grundlagen der Molekularstrahlepitaxie In der MBE werden Atome oder Moleku¨le der zu synthetisierenden Verbindung aus Quellen (z.B. Effusionszellen) heraus mittels eines Molekularstrahles auf ein Substrat transportiert. Diese antransportierten Atome oder Moleku¨le reagieren chemisch mit dem Substrat und lassen auf diese Weise eine neue Schicht entstehen. Das epitakti- sche Wachstum kann in folgende Schritte zerlegt werden:7 1. Antransport der Ausgangsatome 2. Physisorption auf Substratoberfla¨che 7 Wiedergabe erfolgt frei nach Ref. [8, 42,65,66,68] 2.3. Molekularstrahlepitaxie 19 3. Diffusion der Adatome auf Substratoberfla¨che 4. Chemisorption der Adatome Da der Stofftransport mittels eines Molekularstrahles stattfindet, ist ein Ultrahoch- vakuum (UHV) in der MBE-Anlage notwendig, damit die mittlere freie Wegla¨nge der Atome oder Moleku¨le la¨nger ist als der Weg von der Quelle zur Substratoberfla¨che. Damit gelangen die Atome oder Moleku¨le von der Quelle ohne Wechselwirkung mit den anderen Substanzen in der Kammer zur Probenoberfla¨che. Die Flußdichte des Molekularstrahles8 bestimmt die Wachstumsrate unter normalen Bedingungen der MBE. Wa¨hrend der Physisorption binden die antransportierten Ausgangssubstanzen phy- sikalisch an die Oberfla¨che. Die adsorbierten Atome oder Moleku¨le ko¨nnen sich mittels Diffusion weiterbewegen. Ob ein Atom oder Moleku¨l aus dem Molekular- strahl auf der Substratoberfla¨che adsorbieren kann, ha¨ngt von den Gegebenheiten der Oberfla¨che ab. Die Wahrscheinlichkeit zur Adsorption wird als Verha¨ltnis von an- haftender Substanz zu antransportierter Substanz als Haftungskoeffizent angegeben. Der Haftungskoeffizient fu¨r Gallium ist 1 bei einer arsen-terminierten Substratober- fla¨che unter 620◦C [65]; fu¨r Arsen ist er 1 fu¨r eine gallium-terminierte Oberfla¨che und 0 fu¨r eine arsen-teminierte Oberfla¨che. Fu¨r Indium ist der Haftungskoeffizent 1 fu¨r Substrattemperaturen unter 500◦C(bei Arsen-Terminierung). Indium desorbiert bei ho¨heren Substrattemperaturen [69], so daß die Indiumadsorption die Wachstums- rate beschra¨nken kann. Nach der Physisorption diffundieren die Adatome oder Admoleku¨le u¨ber die Ober- fla¨che, um einen geeigneten Platz zum Einbau im Kristall zu finden. Der Einfluß dieser Diffusionprozesse ist unmittelbar in der erhaltenen Kristalloberfla¨chenmor- phologie zu erkennen. Ist die Substrattemperatur zu niedrig, ist das Kristallwachs- tum gesto¨rt, da die Adatome oder Admoleku¨le nicht ihren optimalen Einbauplatz erreichen. Bei tiefen Substrattemperaturen gewachsenes GaAs hat deshalb eine an- dere Oberfla¨chenmorphologie als GaAs-Schichten, die um die Temperatur der Oxid- desorption gewachsen wurden [70]. Im Schritt der Chemisorption erfolgt der Einbau des Adatoms oder Admoleku¨le in den Substratkristall, bzw. in die aufgewachsene Schicht. Getrieben von der Mini- mierung der Oberfla¨chenenergie erfolgt der Einbau nicht an beliebigen Stellen auf der Oberfla¨che, sondern bevorzugt an Terrassen der Kristalloberfla¨che oder mono- atomaren Stufen.9 8 Angegeben als Druck des Molekularstrahls (BEP) 9 Die genauen Prozesse des Kristallwachstums sind komplizierter und hier sehr vereinfacht wie- dergegeben, da sie fu¨r diese Arbeit von geringer Bedeutung sind. Fu¨r eine genauere Beschrei- bung von Wachstumskinetik und Vorga¨ngen wa¨hrend des Wachstums sei auf die Ref. [8, 68] verwiesen. 20 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.6: Modi des epitaktischen Wachstums; Bild entnommen aus Ref. [13] (a) Lagen- wachstum oder Franck-de-Merve-Wachstum. Es bilden sich immer vollsta¨ndige Lagen, die die Oberfla¨che bedecken, bevor die na¨chste Lage aufwa¨chst. (b) Vollmer-Weber-Wachstum. Es findet keine Bildung einer Benetzungsschicht statt, sondern es kommt sofort zur Bildung von dreidimensionalen, eventuell inkoha¨renten Inseln (c) Stranski-Krastanov- oder Inselwachstum. Es bildet sich zuna¨chst eine Benetzungsschicht (Wettinglayer) aus, anschließend bilden sich dreidimensionale, koha¨rente Inseln. Das epitaktische Wachstum wird von der Minimierung der freien Energie getrieben, die im Falle der MBE im Wesentlichen aus der chemischen Oberfla¨chenenergie der beteiligte Atome, einer Verspannungsenergie der Oberfla¨che und eventuell einem Term besteht, der von der Kru¨mmung der Oberfla¨che herru¨hrt. Daneben spielen kinetische Prozesse eine bedeutende Rollen, die bestimmen, wie weit das System das thermodynamische Gleichgewicht erreichen kann, da Kristallwachstum immer ein Prozeß ist, der entfernt vom thermodynamischen Gleichgewicht stattfindet10 [8, 68,71]. Wachstumsmodi du¨nner Schichten Der Einfluß der Oberfla¨chenenergie zeigt sich in den in Abb. 2.6 dargestellten Wachs- tumsmodi nach Ref. [68]. Abbildung 2.6(a) zeigt den Wachstummodus, wenn die Oberfla¨chenenergien der be- teiligten Atome gleich oder die des aufgebrachten Materials geringer ist. Es erfolgt ein sogenanntes Lagenwachstum oder Franck-de-Merve-Wachstum. Hierbei benet- 10 Ob das epitaktische Wachstum mittels kinetischer oder rein thermodynamischer Modelle be- schrieben werden kann, ist seit la¨ngerem in der Literatur umstritten [8]. In dieser Arbeit wird nicht zwischen einer rein kinetischen oder einer rein thermodynamischen Betrachtungen des Wachstums unterschieden. 2.3. Molekularstrahlepitaxie 21 zen die aufgebrachten Atome die Oberfla¨che des Substrates erst vollsta¨ndig, bevor eine neue Schicht gebildet wird. Das Wachstum erfolgt durch die Bildung großer zweidimensionaler Inseln, die zusammen wachsen. Ein typisches Beispiel fu¨r solch ein Wachstum ist die Homoepitaxie von GaAs auf GaAs-Oberfla¨chen. Wa¨hrend der Heteroepitaxie aufgebrachtes Material u¨bernimmt die kristalline Struk- tur des Substrates. Dies wird als pseudomorphes Wachstum bezeichnet. Der Zu- sammenbruch des pseudomorphen Wachstums wird beobachtet, wenn auf Grund einer Gitterfehlanpassung die aufgewachsene Schicht zum Substrat verspannt ist. Da die Verspannungsenergie in der Schicht zur Schichtdicke proportional ist, ist ab einer gewissen Dicke Versetzungsbildung gegenu¨ber dem pseudomorphen Wachstum energetisch begu¨nstigt. Nach U¨berschreiten dieser kritischen Schichtdicke tc erfolgt deshalb die Bildung von Versetzungen oder Stapelfehlern. In diesem Fall sind die gebildeten Schichten inkoha¨rent zum Substrat. Der Wachstumsmodus, dargestellt in Abb. 2.6(b), wird als Vollmer-Weber-Wachstum bezeichnet. Er tritt auf, wenn das aufgebrachte Material die Oberfla¨che auf Grund der Oberfla¨chenenergie nicht benetzt. Es kommt zur Bildung kleiner tro¨pfchen- artiger, meist inkohera¨nter Inseln. Ein typisches Beispiel fu¨r diesen Wachstums- modus ist das Aufbringen von Gold auf die GaAs-Oberfla¨che. In Abb. 2.6(c) ist das Stranski-Krastanov-Wachstum oder Inselwachstum darge- stellt. Hierbei ist die Oberfla¨chenenergie der aufgebrachten Elemente zu Beginn des Wachstums kleiner, so daß, a¨hnlich wie in Abb. 2.6(a), zuna¨chst eine vollsta¨ndige Be- netzung der Substratoberfla¨che stattfindet. Mit fortschreitendem Wachstum a¨ndert sich aber das Verha¨ltnis der Oberfla¨chenenergien, wenn z.B. der Anteil der Ver- spannung gro¨ßer wird. Wird eine kritische Schichtdicke tc u¨berschritten, findet kein Lagenwachstum mehr statt, sondern es kommt zur Ausbildung dreidimensionaler Strukturen, sogenannter selbstorganisierender Inseln. Solche Insel sind frei von Ver- setzungen und sind somit koha¨rent zum Substrat. Ein typisches Beispiel fu¨r verschiedene Wachstummodi ist das Wachstum von Inx- Ga1−xAs-Schichten auf GaAs-Substraten. Fu¨r geringe Indiumkonzentration (< 28%) findet ein pseudomorphes Lagenwachstum statt. Nach U¨berschreiten der kritischen Schichtdicke, die eine Funktion des Indiumgehaltes ist, findet inkohera¨ntes Wachs- tum durch Bildung von Versetzungen statt. Fu¨r gro¨ßere Indiumkonzentrationen ist ein Stranski-Krastanov-Wachstum zu beobachten. Bei U¨berschreiten der kritischen Schichtdicke fu¨r eine gegebene Indiumkonzentration kommt es zur Bildung von drei- dimensionalen Inseln, die koha¨rent zum Substrat sind [72–74]. 22 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.7: Verlauf der Indiumkonzetration als Funktion der Position eines InxGa1−xAs- Quantenwells fu¨r zwei verschiedene Wachstumstemperaturen; entnommen aus Ref. [69]. Es ist ersichtlich, das das Indium wa¨hrend des Wachstums auf- schwimmt (segregiert) und vermischt. Diese Effekte sind bei hoher Substrat- temperatur sta¨rker ausgepra¨gt. Weitere Wachstumspha¨nomene: Segregation und Vermischung Indiumsegregation und Vermischung (Intermixing) als weitere Wachstumspha¨nomene werden hier diskutiert, da sie fu¨r das Wachstum von InxGa1−xAs/GaAs-Heterostruk- turen von Bedeutung sind. Sie sind ausfu¨hrlich experimentell und theoretisch unter- sucht [69,75–78]. Unter Indiumsegregation wird die Beobachtung zusammengefaßt, daß pseudomorphe InxGa1−xAs-Schichten, die auf ein GaAs-Substrat aufgewachsen und anschließend mit GaAs u¨berwachsen werden, keine scharfe Grenzfla¨che zwischen den einzelnen epitaktischen Schichten aufweisen, wie sie zum Beispiel fu¨r AlxGa1−xAs-Schichten beobachtet werden. Grund hierfu¨r ist, daß Indium eine geringere Oberfla¨chenenergie als Gallium hat, und deshalb der gewachsenen Kristall seine Oberfla¨che mit Indi- um terminiert. Da InAs und GaAs unbegrenzt ineinander mischbar sind, kann das System seine Energie weiter durch Bildung von InxGa1−xAs-Mischkristallen verrin- gern. Dies fu¨hrt dazu, daß bei einer mit GaAs bedeckten InxGa1−xAs-Schicht, das Indium anfa¨ngt aufzuschwimmen (Segregation), bzw. mit dem GaAs vermischt (In- termixing) [58, 69]. Segregation und Vermischung erfolgen durch diffusive Prozesse und sind deshalb von der Substrattemperatur abha¨ngig. Abbildung 2.7, entnommen aus Ref. [69], zeigt den typischen Verlauf einer InxGa1−x- As-Schicht, die in GaAs-Schichten eingebettet ist, fu¨r zwei verschiedene Substrat- temperaturen. Nach den gewa¨hlten Wachstumsparametern sollte die InxGa1−xAs- 2.3. Molekularstrahlepitaxie 23 Schicht scharfe Grenzfla¨chen aufweisen (gestrichelte Linie). Aus Abb. 2.7 ist aber ersichtlich, daß sowohl die untere als auch die obere Grenzfla¨che nicht scharf sind. Die untere GaAs/InxGa1−xAs-Grenze ist auf Grund der Vermischung des GaAs mit dem InxGa1−xAs nicht stufenfo¨rmig. Die Vermischung und die Tendenz zum Auf- schwimmen fu¨hren dazu, daß die obere InxGa1−xAs/GaAs-Grenze ebenfalls nicht scharf ist, sondern Indium in der GaAs-Schicht zu finden ist. Beide Effekte zeigen eine Abha¨ngigkeit von der Substrattemperatur und sind fu¨r kleinere Temperaturen nicht so stark ausgepra¨gt. 2.3.2 Aufbau einer Molekularstrahlepitaxie-Maschine Alle Proben wurden in einer modifizierten Riber 32P MBE-Maschine hergestellt. Diese besteht aus einer Ladekammer, einer mittleren Pra¨parationskammer und der Wachstumskammer, die mit 8 Effusionszellen bestu¨ckt ist. Mittlere Pra¨parations- kammer und Wachstumskammer werden von einer Kombination aus Ionen- und Kry- opumpen auf einem Basisdruck von ca. 1×10−10 mbar gehalten (UHV-Bedingungen). Die Ladekammer, die zum Ein- und Ausbau der Proben dient, erreicht einen Ba- sisdruck von ca. 2×10−8 mbar. Alle Kammern sind durch Plattenventile getrennt, und ein Transfersystem erlaubt den Transport der Proben unter UHV-Bedingungen. Der Zustand des UHV und des Restgases in der Wachstumskammer ko¨nnen mittels Ionisationsvakuummessro¨hren und eines Quadrupolmassenspektrometers u¨berwacht werden. Technische Details zum allgemeinem Aufbau einer MBE-Maschine sind in Ref. [8, 65, 66,71] zu finden. Abbildung 2.8 zeigt den schematischen Aufbau der mittleren Pra¨parationskammer und der Wachstumskammer der MBE-Maschine. Die Pra¨parationskammer verfu¨gt u¨ber eine Wasserstoffzelle (Createc HLC-40-200), die einen Strahl atomaren Was- serstoffes aus molekularem Wasserstoff mittels eines auf ca. 1400◦Cgeheizten Wolf- ramfilaments erzeugt. Dies wird zur Reinigung und Deoxidation von strukturierten Substraten verwendet [13], die sich auf der Substratheizung der Pra¨parationskammer (maximale Temperatur ca. 500◦C) befinden. Lage der Heizung und Wasserstoffzelle sind aus Abb. 2.8 ersichtlich. Wie aus Abb. 2.8 zu erkennen ist, sind die Hauptelemente der Wachstumskammer eine Substratheizung und insgesamt acht Effusionzellen, die den fu¨r die Epitaxie beno¨tigten Molekularstrahl erzeugen. Fu¨r das epitaktische Wachstum kann die Sub- stratheizung die Probe auf bis zu 700◦Caufheizen. Die Verdampfung der elementa- ren Materialien erfolgt unter den UHV-Bedingungen der Wachstumskammer mittels der Effusionszellen (Al,In,Ga-Metallzellen: Createc, Erligheim; Si,Be,As-Zellen: Ri- ber; GaP-Zelle: Karl-Eberl MBE Komponenten, Weil der Stadt), die widerstands- beheizt sind. Die maximale Temperatur der Zellen betra¨gt 1400◦C . Oberhalb dieser 24 2. Grundlagen und Methoden Abb. 2.8: Aufbau der modifizierten Riber 32P MBE-Maschine. Die Anordnung der mittleren Pra¨parationskammer und der Wachstumskammer sind gezeigt. In den Kammern ist die Probenposition, sowie der Ort der Wasserstoffzelle (Pra¨parationskammer) und der Effusionszellen (Wachstumskammer) ange- zeigt. Abbildung entnommen und leicht gea¨ndert aus Ref. [13]. Tabelle 2.3: U¨bliche Temperaturbereiche und Wachstumsraten der Effusionzellen wa¨hrend des MBE-Wachstums. Zelle Temperaturbereich Wachstumsrate Standby-Temperatur (◦C) (ML/sec) (◦C) Ga 800-1000 0,1-0,6 800 In 700-800 0,1-0,3 500 Al 1000-1100 ∼ 0,3 900 As 200-280 –a 200 a BEP: 8×10−6 - 1×10−5 mbar 2.3. Molekularstrahlepitaxie 25 Temperaturen fa¨ngt das porolythische BN, das als Tiegelmaterial in den Effusions- zellen zum Einsatz kommt, an, Stickstoff abzugeben. Typische Wachstumstempera- turen, sowie Wachstumsraten sind in Tabelle 2.3 vermerkt. Wa¨hrend des Wachstums wird mittels der Arsen-Effusionzellen ein Kammerbasisdruck von ca. 2×10−8 mbar eingestellt. Das Wachstum wird durch ein Blendensystem (Shutter) vor den Effu- sionzellen gesteuert (Reaktionszeit ca. 0,1 s). In situ Prozeßkontrolle mittels Elektronenbeugung Das epitaktische Wachstum kann in situ in der MBE-Maschine u¨berwacht wer- den [79–84]. Hierzu wird das Beugungsmuster eines hochenergtischen Elektronen- strahls (Beschleunigungsspannung 20 kV), der unter einem flachem Winkel (1-2◦) auf die Probenoberfla¨che fa¨llt, wa¨hrend des Wachstums auf einem Phosphoreszens- schirm beobachtet. Lage der Elektronenquelle, sowie Strahlengang und Beobach- tungsschirm sind in Abb. 2.8 markiert. Mittels ” Beugung hochenergetischer Elek- tronen unter streifendem Einfall (RHEED)“ ko¨nnen die Oberfla¨chenmorphologie, die Substrattemperatur und die Wachstumsraten u¨berwacht, bzw. ermittelt werden. Erfolgt das epitaktische Schichtwachstum im Lagenwachstum, so zeigt das RHEED- Beugungsmuster das typische streifen-fo¨rmige Aussehen ( ” streaky“), das von der Beugung an der zweidimensionalen Oberfla¨chenrekonstruktion des Halbleitermate- rials herru¨hrt [43,79,85]. A¨ndert sich der Wachstumsmodus zu einem dreidimensio- nalen Inselwachstum, a¨ndert sich das Aussehen des RHEED-Beugungsmusters von einem streifen-fo¨rmigen Erscheinungsbild zu einzelnen Reflexen ( ” spotty“), die ty- pisch fu¨r die Beugung an dreidimensionalen Strukturen sind. Das RHEED-Beu- gungsmuster wird im Falle einer zweidimensionalen Schicht durch die Symmetrie der Oberfla¨chenrekonstruktion bestimmt [43, 79, 85]. Im Falle von GaAs ist die- se Oberfla¨chenrekonstruktion im Detail untersucht [84, 86], insbesondere ist ihre Abha¨ngigkeit von der Substrattemperatur bekannt [81, 83]. Dementsprechend kann die Substrattemperatur mittels des U¨berganges c(4×4) zur (2×4) Oberfla¨chenre- konstruktion kalibriert werden. Dabei ist zu beachten, daß diese U¨bergangstemperatur vom BEP des Arsens abha¨ngt [83]. Bei einem Arsen-BEP von ca. 8×10−6 mbar, wird der U¨bergang c(4×4) zur (2×4) Oberfla¨chenrekonstruktion bei 500◦Cbeobachten. Weiter kann die Oszillation der Intensita¨t des RHEED-Beugungsmusters, die durch das Lagenwachstum einer einzelnen Schicht wa¨hrend der Epitaxie entsteht, genutzt werden, um die Wachstumsrate von GaAs, AlAs oder InAs zu kalibrieren [43,65]. 26 2. Grundlagen und Methoden 2.4 Epitaktisches Wachstum, Pra¨paration und A¨tzen der Schichten Zur Herstellung von RUNTs ist eine intrinsisch verspannten Schichtfolge notwendig. Wie in Ref. [16] angemerkt, ist dabei die Ursache fu¨r diese Verspannung beliebig. In dieser Arbeit werden die intrinsischen Verspannungen einer Halbleiterheterostruktur (siehe Abschnitt 2.2.2) ausgenutzt, um Bischichten mit genau definierten Verspan- nungszusta¨nden und Dicken zu realisieren. 2.4.1 Wachstumsprozeß zur Herstellung von epitaktischen, intrinsisch verspannten Halbleiterschichten In diesem Abschnitt werden die einzelnen Prozeßschritte, die zur Herstellung der Schichten notwendig sind, erla¨utert. Wie in Abb. 2.4 gezeigt, werden meist Hete- rostrukturen, die aus einer Opferschicht und einer Bischicht zur RUNT-Formation bestehen, hergestellt. Fu¨r die Herstellung wird zwischen dem MBE-Wachstum auf planaren und strukturierten Substraten unterschieden. Planare Substrate Fu¨r Wachstum auf planaren GaAs (001)-Substraten bedarf es keiner weiteren Pra¨- paration der GaAs-Wafer, da diese ” epi-ready“ vom Hersteller geliefert werden. Dementsprechend werden entweder komplette Wafer oder Viertelwaferstu¨cke auf Molybda¨nblo¨cken (Riber), die fu¨r das Transfersystem der MBE-Maschine genutzt werden, befestigt.11 Der Probenhalter mit dem Substrat wird anschließend in die Ladekammer der MBE-Maschine eingebaut, die Kammer wird auf einen Druck von ca. 2×10−7 mbar gepumpt, wa¨hrend die Probe auf ca. 300◦Cgeheizt wird. Dieser Schritt entfernt adsorbiertes H2O oder andere Gase von der Probe. Nach 30 min wird die Proben direkt in die Wachstumskammer der MBE-Maschine transportiert. Das MBE-Wachstum beginnt mit dem thermischen Desorbieren des Oxides von der Substratoberfla¨che. Die Desorption ist am RHEED-Beugungsmuster zu erkennen, welches sich im Moment der Oxidesorption kla¨rt (ca. 580◦Cbei dem Arsen-BEP nach Tabelle 2.3) [65]. Nach einem Anlassen bei ca. 20◦C u¨ber der Oxiddesorpti- onstemperatur, wird auf das Substrat zuna¨chst ein GaAs-Puffer von ca. 200 nm bei der Temperatur der Oxiddesorption aufgewachsen, um eine glatte Oberfla¨che zu er- halten. An dieses GaAs-Wachstum schließt sich eine Temperaturkalibration an, in der der Phasenu¨bergang der c(4×4) zur (2×4) Oberfla¨chenrekonstruktion bestimmt 11 Befestigung erfolgt durch Klemmen und nicht durch Kleben mit Indium 2.4. Epitaktisches Wachstum, Pra¨paration und A¨tzen der Schichten 27 wird. Anschließen erfolgt das Wachstum eines zweiten 20 nm dicken GaAs-Puffers. Die Schichten, die fu¨r die RUNT-Herstellung beno¨tigt werden,12 werden direkt auf diesen GaAs-Puffer gewachsen. Dieses Wachstum wird nach der Temperaturkalibra- tion nicht mehr unterbrochen. Alle notwendigen Temperatura¨nderungen des Sub- strates erfolgen wa¨hrend des GaAs-Wachstums, um mo¨glichst kontaminationsfreie Grenzfla¨chen zwischen den Schichten, zu erhalten. Nach dem Schichtwachstum wird die Probe sofort mit 30◦C/min auf ca. 100◦Cabgeku¨hlt und aus der MBE-Maschine ausgebaut. Es ist anzumerken, daß wa¨hrend des Ausbaus die Proben der Laborluft ausgesetzt sind und dabei oxidieren. Gewachsene, aber noch nicht zum A¨tzen pra¨parierte Proben werden in einem Ex- sikkator unter Stickstoffatmospha¨re gelagert, um die Oxidation der Oberfla¨che zu verlangsamen. Strukturierte Substrate Zur Herstellung strukturierter Substrate werden GaAs (001)-Wafer verwendet, auf die eine 200 nm dicke, epitaktische GaAs-Schicht aufgewachsen wurde. Fu¨r die Struk- turierung werden die Substrate auf einer Lackschleuder mit Photolack (S1806) be- schichtet und mit einem UV-Kontaktbelichter (Karl Su¨ss MJB 3) Muster definiert. Der U¨bertrag dieser Muster in das GaAs (001)-Substrat erfolgt durch A¨tzen in einer H3PO4:H2O2:Wasser-Lo¨sung 13 (1:2,5:10). Je nach gewa¨hlter kristallographi- scher Richtung auf der Oberfla¨che der definierten Muster, entstehen ” Dovetail“, ” V-Groove“ oder diffusive A¨tzgra¨ben wa¨hrend des naßchemischen A¨tzens [47, 48]. Die A¨tzzeit liegen zwischen 2 min bis 8 min, je nach gewa¨hltem Muster, so daß mehre mikrometer-tiefe Gra¨ben entstehen. Der Photolack wird anschließend mit ei- nem Reinigungsschritt aus NMP (1-Methyl-2-pyrrolidon), Aceton, Iso-Propanol und Wasser entfernt [13]. Da strukturierte Substrate eine Reihe photolithographischer und naßchemischer Strukturierungsschritte durchlaufen haben, mu¨ssen sie vor dem MBE-Wachstum naß- und trockenchemisch gereinigt werden. Der hier genutzte Prozeß ist aus den Ref. [13,87] zusammengestellt worden. Nach dem Entfernen des Photolackes wird die Probe zuna¨chst fu¨r 5 min einem Sauerstoffplasma ausgesetzt (Plasma-Lab 100-E), anschließend erfolgt eine weitere naßchemische Reinigung. Hierfu¨r wird die struktu- rierte Probe zuna¨chst fu¨r 10 min in konzentrierter Schwefelsa¨ure (mindestens 95%) gea¨tzt, 10 min in Wasser gespu¨lt, 2 min in SemicoClean (Fru-uchi chemicals) gea¨tzt und abschließend 10 min in Wasser gespu¨lt. Die ersten drei Prozeßschritte werden in einem Ultraschallbad durchgefu¨hrt. 12 Wie im Abschnitt 2.2.2 erkla¨rt, sind dies meist AlAs-, gefolgt von InxGa1−xAs/GaAs-Schichten (siehe Abb. 2.4). 13 ortho-Phosphorsa¨ure: 85 vol% und H2O2: 30 vol% 28 2. Grundlagen und Methoden Die strukturierten und gereinigten Proben werden mittels Indium auf einen Sili- ziumwafer geklebt, der den Einbau in die Molybda¨n-Probenhalter erlaubt. Nach Einschleusen in die MBE-Maschine und Desorption des Wassers (entsprechend pla- nare Substrate), werden die Proben in die mittlere Pra¨parationskammer transfe- riert. Dort werden sie fu¨r 30 min bei 380◦C Substrattemperatur in einem atoma- ren Wasserstoffstrahl gereinigt (Kammerhintergrunddruck: ca. 2×10−4 mbar; Pa- rameter nach Ref. [13]). Nach der Wasserstoffreinigung werden die Proben in die Wachstumskammer transferiert und bei ca. 580◦C fu¨r 15 min angelassen. Es folgt eine Temperaturkalibration entsprechend der fu¨r planare Substrate. Danach wird ein 2 Monolagen (ML) dicker GaAs-Puffer und die gewu¨nschte Schichtfolge auf das Substrat aufgewachsen, die Probe mit 30◦C/min auf 100◦Cabgeku¨hlt und aus der MBE-Maschine ausgebaut. Wie die planaren Proben werden die gewachsenen, aber noch nicht fu¨r das A¨tzen vorbereiteten Proben unter Stickstoff in einem Exsikkator gelagert, um die Bildung der Oxidschicht des GaAs zu verlangsamen. 2.4.2 Probenpra¨paration und ex situ A¨tzschritt Zur RUNT-Herstellung mu¨ssen die gewachsenen, verspannten Schichten vom Sub- strat abgelo¨st werden. Dies geschieht mit einem ex situ A¨tzschritt, in dem eine Opferschicht selektiv entfernt wird (fu¨r typische Schichtfolge siehe Abb. 2.4). Da in dieser Arbeit immmer AlxGa1−xAs-basierte Opferschichten verwendet werden, ko¨nnen HF-basierte A¨tzlo¨sungen genutzt werden. Vor dem A¨tzschritt mu¨ssen in den planaren Proben Startkanten zur RUNT-Bildung definiert werden. Dafu¨r wird Sandpapier (1200 Ko¨rnung) mit leichtem Druck entlang eines Lineals u¨ber die Probenoberfla¨che gefu¨hrt. Die kristallographische Richtung kann u¨ber die natu¨rlichen Bruchkanten ({110}-Facette bei GaAs) bestimmt werden. Alle Proben werden vor dem A¨tzen in 5×5 bis 1×1 mm2 große Stu¨cke gebrochen und mit einer sogenannten Kaskadenreinigung14 gesa¨ubert, um Partikel von der Probenoberfla¨che zu entfernen. Das A¨tzen erfolgt in einer Teflonschale mit einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzentra- tionen liegen in der Arbeit zwischen 3 vol% bis 50 vol%). Als Tensid zur Minimierung der Oberfla¨chenspannung wird Benzalkoniumchlorid (Fluka; 50-vol%-Lo¨sung) ver- wendet, das in geringen Mengen (ca. 100 µl auf 100 ml) zugesetzt wird. Die A¨tzzeit liegt zwischen 15 s bis zu 30 min, je nach HF-Konzentration. HF-Tensid-Lo¨sungen einer gegebenen Konzentration ko¨nnen gelagert werden, da sie ihre chemischen Ei- genschaften nicht mit der Zeit a¨ndern. Als A¨tzstopp wird die Probe fu¨r 10 min in 14 Aceton und Ultraschall fu¨r 30 s; 30 s Acetonbad; 10 s Acetonbad; 5 s Acetonbad; Iso- Propanolbad; trocken blasen mit Stickstoff 2.5. Analytische Methoden 29 ein großes Wasserbad gegeben (Wasser darf sich mo¨glichst nicht bewegen, um die gebildeten Strukturen nicht zu zersto¨ren). Anschließend erfolgt ein kurzes Bad in Iso-Propanol, um das Wasser von der Probenoberfla¨che zu nehmen und durch eine Flu¨ssigkeit mit geringerem Dampfdruck und geringer Oberfla¨chenspannung zu er- setzen. Dies setzt die Wahrscheinlichkeit herab, daß gebildete RUNTs wa¨hrend des Trocknens durch Kapillarkra¨fte kollabieren. 2.5 Analytische Methoden 2.5.1 Rasterelektronenmikroskopie Die Rasterelektronenmikroskopie (REM) ist die wichtigste Charakterisierungsme- thode der Arbeit. Sie ist weit verbreitet und deshalb ausfu¨hrlich beschrieben [88, 89]. Fu¨r die REM wird die Probenoberfla¨che mit einem Elektronenstrahl abgera- stert, und das von jedem Rasterpunkt erhaltene Signal in ein Bild umgewandelt. Allgemein wird zwischen dem Signal der Ru¨ckstreuelektronen (BSE) und der Se- kunda¨relektronen (SE) unterschieden. Das BSE-Signal entsteht durch elastische oder quasi-elastische Ru¨ckstreuung der prima¨ren Elektronen an den Atomen der Probe. Es ist proportional zur Massenzahl der einzelnen Elemente und eignet sich des- halb sehr gut, um die chemische Zusammensetzung einer Probe zu untersuchen. Die energetisch davon getrennten SE entstehen durch Emission von Elektronen der Pro- be, wenn diese von den prima¨ren Elektronen getroffen wird. Die SE sind sehr gut geeignet, die Morphologie einer Probe abzubilden, insbesondere sind Kanten und Strukturen mit großer Oberfla¨che gut sichtbar. Die erreichbare Auflo¨sung mit der REM unter Verwendung des SE-Signales liegt bei ca. 5 nm. In dieser Arbeit wurde ein Hitachi S-800 Rasterelektronenmikroskop genutzt. Das Gera¨t verfu¨gt u¨ber eine Feldemissionskathode, die bei einer Beschleunigungsspan- nung von 20 kV betrieben wird. Alle Bilder werden unter Verwendung des SE- Signals u¨ber einen digitalen Bildeinzug (DIPS) aufgenommen. Um den Kontrast des SE-Signales zu erho¨hen, werden die Proben in einem Kippwinkel von 45◦ bis 75◦ betrachtet. 2.5.2 Transmissionselektronenmikroskopie Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) ist der optischen Mikroskopie nahe ver- wandt. Anstelle des Lichtes wird ein Elektronenstrahl zur Erzeugung eines Bildes verwendet [90]. Da die Wellenla¨nge der hoch beschleunigten Elektronen kleiner ist als die des sichtbaren Lichtes, kann eine Auflo¨sung im Subnanometer-Bereich erreicht 30 2. Grundlagen und Methoden werden. Fu¨r die TEM-Aufnahmen wird die Probe mit nahezu parallelem Elektronen- strahl ” durchleuchtet“. Ein magnetisches Linsensystem vor und nach der Probe, das einen a¨hnlichen Strahlengang wie ein optischens Lichtmikroskop erzeugt, sorgt fu¨r eine direkte Abbildung der Probe (Hellfeld). Neben dieser Hellfeldabbildung, deren Kontrast im Wesentlichem auf Streuung der Elektronen in der Probe beruht, kann Hochauflo¨sung (HRTEM) durch Ausnutzung des Phasenkontrastes erreicht werden. Mit der HRTEM ko¨nnen im Idealfall die einzelnen Atomsa¨ulen, die die Probe bilden, aufgelo¨st werden. Neben diesen abbildenden Mo¨glichkeiten kann das Beugungsbild der Elektronen aufgenommen und zur Strukturanalyse genutzt werden. Fu¨r TEM-Untersuchungen werden vollsta¨ndig freistehende RUNTs (Abschnitt 3.2.2) beno¨tigt. Diese mu¨ssen sich des Weiteren auf Substraten befinden, die nicht dicker als 200 µm sein du¨rfen. Solche Substrate mit entsprechenden RUNTs wurden auf einen TEM-Probenhalter geklebt und im Max-Planck-Institut fu¨r Metallforschung untersucht. TEM und Elektronenbeugung an einem ausgewa¨hlten Bereich (SAED) wurden mit einem Philips CM20 Mikroskop bei einer Beschleunigungsspannung von 200 kV durchgefu¨hrt. Fu¨r die HRTEM wurde ein ” Atomic Resolution Mikroscope“ JEOL 1250 mit einer Beschleunigungsspannung von 1250 kV verwendet. Die erreichbare Punktauflo¨sung des Gera¨tes ist 0,12 nm. 2.5.3 Rasterkraftmikroskopie Das Prinzip der Rasterkraftmikroskopie (AFM) wurde 1985 von Binning et al. de- monstriert [91,92]. Mit einer Spitze wird die Oberfla¨che der Probe abgerastert. Dabei ist die Spitze an einem Kantilever befestigt, und die Kraft zwischen dieser Spitze und der Probe wird mit Hilfe der Auslenkung des Kantilevers gemessen. U¨ber einen Regelkreis, der mit einem Piezosystem gekoppelt ist, wird die Kraft durch Varia- tion des Abstandes der Spitze zur Probe konstant gehalten. Auf diese Weise wird ein Diagramm der Piezoauslenkung als Funktion des Ortes erhalten, das mit Hilfe einer Computernachbearbeitung in ein Bild der Oberfla¨chenmorphologie der Probe u¨bertragen wird. In dieser Arbeit wird AFM mit einem Nanoscope IIIA (Digital Instruments) im Tapping Modus durchgefu¨hrt. Die erreichte Ho¨henauflo¨sung ist besser als eine GaAs- Monolage (ca. 0,28 nm), die laterale Auflo¨sung liegt bei ca. 2 nm, ha¨ngt jedoch stark von der jeweils verwendeten Spitze ab. 2.5. Analytische Methoden 31 2.5.4 µ-Ramanspektroskopie Der Ramaneffekt [93] ist die Verschiebung der Lichtwellenla¨nge bei Streuung in oder an einem Medium. Er beruht im Fall des Festko¨rper-Ramaneffektes auf der inela- stischen Streuung von Photonen mit Phononen in einem Festko¨rper und wird zur Charakterisierung von Festko¨rpern genutzt [94]. Die Auswahlregel der inelastischen Streuung des Lichtes mit den optischen Phononenzweigen des Festko¨rpers lassen Ru¨ckschlu¨sse auf die strukturelle Eigenschaften wie Kristallklasse und Grad der kristallinen Ordnung zu. Des Weiteren kann sie zur chemischen Analyse u¨ber cha- rakteristische Ramanlinien von chemischen Endgruppen und zu Ru¨ckschlu¨ssen auf die elektronischen Eigenschaften u¨ber resonate Anregung genutzt werden. In dem µ-Ramanspektrometer (Dilor Labram), das in dieser Arbeit benutzt wurde, wird die Probe u¨ber ein Lichtmikroskop (Olympus) mit einem Laser15 angeregt, der auf ca. 1 µm fokusiert wird. Das ru¨ckgestreute Licht wird mittels des Lichtmikro- skopes gesammelt und in einem Spektrometer analysiert. Zum Schutz des Detektors ist im Strahlengang des Spektrometereingangs ein holographischer Interferenzfilter (Notch-Filter) angebracht, der die Laserlinie im ru¨ckgestreutem Signal unterdru¨ckt. Dies fu¨hrt zu einer Da¨mpfung des Signals ca. ±200 cm−1 um die Position der La- serwellenla¨nge. Die Position auf der Probe kann mit Hilfe einer CCD-Kamera durch das Lichtmikroskop bestimmt werden. Die spektrale Auflo¨sung ist ca. 1 cm−1 bei korrekter Kalibration des Spektrometers. 15 Es kann sowohl mit einem Laser im infrarotem Wellenla¨ngenbereich als auch im sichtbaren Wellenbereich angeregt werden 32 2. Grundlagen und Methoden 3. Arten, Entstehung und Anordnung von dreidimensionalen Mikro- und Nanostrukturen Dieses Kapitel widmet sich der Herstellung, Entstehung und Positionierung der MNOs. Im ersten und zweiten Abschnitt wird ein U¨berblick u¨ber mo¨gliche Struktu- ren und verwendeten Materialkombinationen gegeben, im dritten Abschnitt wird der Entstehungsvorgang an Hand von in situ Beobachtungen na¨her untersucht und im vierten Abschnitt wird abschließend demonstriert, daß RUNTs mit Durchmessern unter 500 nm mittels lithographischer Methoden positioniert werden ko¨nnen. 3.1 Dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus zweidimensionalen Schichten In diesem Abschnitt werden die herstellbaren Nanostrukturen vorgestellt. Neben Inx- Ga1−xAs/GaAs-basierten RUNTs [14, 15], werden auch InxGa1−xAs/GaAs-basierte Ringe gezeigt, die erstmals fu¨r SiGe/Si-basierte Bischichten demonstriert wurden [95, 96]. InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten verschiedener Indiumkonzentrationen wurden mit- tels MBE auf GaAs (001)-Substraten hergestellt, wobei die InxGa1−xAs/GaAs-Bi- schichten auf eine AlAs-Opferschicht, deren Dicke 5 nm, bzw. 2,8 nm ist, aufgewach- sen wurden. Nach dem Wachstum wurden die Bischichten ex situ mit HF-Tensid- A¨tzlo¨sungen mit HF-Konzentrationen von 3 vol% bis zu 50 vol% vom Substrat abgelo¨st. Alle Proben wurden vor dem A¨tzen in die <010>-Richtung durch Kratzen strukturiert. Die entstandenen Strukturen wurden mittels REM charakterisiert. Abbildung 3.1(a) zeigt ein REM-Bild eines langen, schmalen Bandes, das aus einer abgelo¨sten Bischicht entstanden ist. Auf Grund der intrinsischen Verspannung haben sich in dem Band mehrere Kurven und Schlingen gebildet. Das Band ist aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht durch Untera¨tzen (HF-Konzentration 3 vol% fu¨r t = 30 s) entstanden. Diese langen, einkristallinen Ba¨nder werden als Na- noribbons bezeichnet. Sie bilden sich in der InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination 34 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.1: (a) REM-Aufnahme eines In0,33Ga0,67As/GaAs-basiertes Bandes (Nanorib- bon). Das Band hat mehre Kurven und Schlingen, da es aus einer verspannten Halbleiterschicht entstanden ist. (b) REM-Aufnahme eines Nanoringes, der aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht entstanden ist. (c) REM- Aufnahme eines Nanoringes mit einem Durchmesser von 5 µm, entstanden aus einer In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischicht. 3.1. Dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus zweidimensionalen Schichten 35 Abb. 3.2: (a) REM-Aufnahme eines vertikalen Rings mit mehreren Umdrehungen, entstanden aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht. (b) REM-Aufnahme eines freistehenden, vertikalen Rings aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht, die nur eine Umdrehung wa¨hrend des Aufrollsprozesses durchgefu¨hrt hat. Solche Strukturen sind fu¨r die MEMS oder NEMS interessant. selten, sind im Gegensatz dazu ha¨ufig nach dem Untera¨tzen von gering verspannten SiGe/Si-Bischichten zu finden [97]. Wenn sich ein solches Nanoribbon einrollt, entsteht eine Nanostruktur, deren Durch- messer gro¨ßer ist als die La¨nge entlang der y-Achse (siehe Abb. 2.2 zur Definition). Eine solche Struktur kann als Ring aufgefaßt werden. Beispiele fu¨r solche MNOs sind in den REM-Bildern in Abb. 3.1(b) und 3.1(c) zu sehen. Der in Abb. 3.1(b) gezeigte Ring basiert auf einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht; sein Durchmesser D betra¨gt 2 µm. Da der Ring auf einem nicht aufgerollten Teil der Substratoberfla¨che zum Liegen gekommen ist, ist offensichtlich, daß er sich nicht an dieser Position gebildet hat. Es ist anzunehmen, daß sich ein Band der Bischicht ablo¨ste, in der A¨tzlo¨sung den Ring durch Aufrollen bildete, der durch die A¨tzlo¨sung auf die beobachtete Position transportiert wurde. Der Ring (D = 5 µm), der in dem REM-Bild in Abb. 3.1(c) zu sehen ist, ist aus einer 30 nm In0,14Ga0,86As/ 30,6 nm GaAs-Bischicht entstanden und hat mehrere Umdrehungen wa¨hrend des Aufrollpro- zesses durchgefu¨hrt. A¨hnlich der Struktur in Abb. 3.1(b) wurde er von der A¨tzlo¨sung an eine neue Position auf der Substratoberfla¨che transportiert. Diese Ringe repra¨sentieren MNOs, deren La¨nge-zu-Durchmesser Aspektverha¨ltnis < 1 ist. Fu¨r RUNTs ist dieses Verha¨ltnis immer > 1, meist > 20 und kann u¨ber 1000 liegen. Eine weitere Klasse von Strukturen, die durch Ablo¨sen von verspannten Bischich- 36 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.3: REM-Aufnahme einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte Nanoro¨hre, die einen Durchmesser von 120 nm hat. Die Nanoro¨hre ist durch Aufrollen der Bischicht entstanden. Das Einschub zeigt die O¨ffnung der Nanoro¨hre. ten entstehen ko¨nnen, wird durch die MNOs, zu sehen in den REM-Bildern in Abb. 3.2(a) und 3.2(b), repra¨sentiert. Abbildung 3.2(a) zeigt ein ringfo¨rmiges Ob- jekt, bei dem nach dem A¨tzprozeß in der HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzentration 3 vol% fu¨r t = 30 s) der Ring mit dem Durchmesser parallel zur Substratoberfla¨che zu liegen gekommen ist. Dieser bildet so einen vertikalen Ring, der aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs-Bischicht entstanden ist. Das Potential dieser Rin- ge ist an dem Objekt in Abb. 3.2(b) zu erkennen. Der Ring hat eine Wandsta¨rke von 41 nm und eine Ho¨he von ca. 1,2 µm, somit ein Ho¨he-zu-Wandsta¨rke Aspekt- verha¨ltnis von 29. Der Ring hat sich aus einer 20 nm In0,33Ga0,67As/ 20,6 nm GaAs- Bischicht nach 30 s A¨tzen in der HF-Tensid-Lo¨sung gebildet. Dabei hat der Ring, im Gegensatz zu dem Ring in Abb. 3.2(a), nicht mehr als eine Rotation vollfu¨hrt. Der Ring steht vo¨llig frei auf einer Fla¨che von mehreren µm2 und ist damit gut erreichbar fu¨r etwaige Funktionalisierungen. Abbildung 3.3 zeigt ein Objekt der fu¨r diese Arbeit wichtigsten Klasse von MNOs. Durch A¨tzen in einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzentration: 25 vol% fu¨r 3 min) ist aus einer 0,6 nm In0,33Ga0,67As/ 2,0 nm GaAs-Bischicht 1 durch Aufrollen ein ro¨hrenfo¨rmiges Nanoobjekt entstanden, eine RUNT. Diese hat einen Durchmesser von 120 nm und der 6 µm lange Bereich der Bischicht, der sich eingerollt hat, ist in der REM-Aufnahme zu erkennen. Das Einschub in Abb. 3.3 zeigt eine REM- Aufnahme der O¨ffnung dieser RUNT. Aus der Wandsta¨rke der RUNT kann ge- 1 Die nominelle Bischichtdicke weicht leicht von der wirklichen ab. Siehe hierzu Abschnitt 4.1. 3.2. Mikro- und Nanoro¨hren 37 schlossen werden, daß sie mehrere Rotationen wa¨hrend des Aufrollens durchgefu¨hrt hat. Zusammenfassend gibt dieser Abschnitt einen U¨berblick u¨ber die mo¨glichen dreidi- mensionalen MNOs, die durch Ablo¨sen verspannter, zweidimensionaler Bischichten hergestellt werden ko¨nnen. Neben den Nanoro¨hren, die Gegenstand der weiteren Teile der Arbeit sind, wurden Nanoribbons, und Ringe vorgestellt. Die chemische Synthese von einkristallinen Nanoribbons sto¨ßt in letzter Zeit auf starkes Interesse [98–100]. Hierbei werden meist modifizierte MOCVD-Prozesse ge- nutzt, bei denen das Ausgangsmaterial der Nanoribbions aus der Gasphase auf einen mit Katalysator modifiziertes Substrat abgeschieden wird. Die Ausbeute an Nano- objekten bei diesen Methoden ist hoch, doch die Strukturen sind schwer hinsichtlich Homogenita¨t der Kristallstruktur, geometrischen Dimensionen, Entstehungspositi- on und Wachstumsrichtung zu kontrollieren. Die hier demonstrierte Methode ist ein alternativer Ansatz zur Herstellung solcher einkristallinen Ba¨nder. Hierbei soll- ten auf Grund der Entstehung aus epitaktischen Schichten fast alle Probleme, die sich mit dem oben beschriebenen ” bottom-up“-Ansatz der traditionellen Herstellung solcher Nanoribbons ergeben, umgehen lassen. Die Kristallqualita¨t wird durch das epitaktische Wachstum bestimmt, wa¨hrend Position, Ausrichtung und geometrische Dimension durch Definition lithographischer Muster bestimmbar sein sollten. In einer kontrollierten Art und Weise wurde vertikale Ringe entsprechend denen in Abb. 3.2(a) von Prinz et al. durch Aufrollen und Umklappen von Nanoringen fu¨r die SiGe/Si-Materialkombination demonstriert [27, 101]. Unterbreitete Vorschla¨ge zur Nutzung solcher freistehender Ringe beinhalten Stempel fu¨r Imprintverfahren oder Transistorstrukturen [101,102]. 3.2 Mikro- und Nanoro¨hren In diesem Abschnitt sollen die RUNTs hinsichtlich mo¨glicher Durchmesser, Zahl der Rotationen, Materialkombinationen und Homogenita¨t charakterisiert werden. So- wohl RUNTs aus InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten als auch erstmals Nanoro¨hren aus InxGa1−xP/InyGa1−yP-Bischichten wurden realisiert und somit gezeigt, daß die Inx- Ga1−xP/InyGa1−yP-Materialkombination zur Herstellung von MNOs aus verspann- ten, zweidimensionalen Halbleiterschichten geeignet ist. 3.2.1 Die InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination Fu¨r die Experimente an InxGa1−xAs/GaAs-basierten RUNTs wurden InxGa1−xAs/- GaAs-Bischichten auf AlAs-Opferschichten hergestellt und prozessiert, wie in Ab- 38 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.4: (a) REM-Bilder einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT, welche sich auf einem GaAs (001)-Substrat aufgerollt hat. Die RUNT hat wahrscheinlich mehr als 30 Umdrehungen wa¨hrend des Bildungsprozesses durchgefu¨hrt. (b) Das REM-Bild zeigt die gebildete RUNT mit einer La¨nge von 9 µm. (c) REM-Bild der O¨ffnung der RUNT. Mindestens acht einzelnen Bischichten, die die RUNT- Wand bilden, sind zu erkennen. Der sichtbare Innendurchmesser betra¨gt D = 500 nm. schnitt 3.1 beschrieben. Die RUNTs wurden ebenfalls mittels REM charakterisiert. Die RUNT in Abb. 3.4(a) la¨ßt das Potential, das fu¨r Herstellung von dreidimensio- nalen Objekten aus zweidimensionalen, intrinsisch verspannten Bischichten besteht, erkennen. Die Nanoro¨hre ist durch das 15 min A¨tzen in 50 vol% HF aus einer epi- taktischen 1,9 nm In0,33Ga0,67As/ 3,4 nm GaAs-Bischicht entstanden. Dabei hat sich die Bischicht auf einer La¨nge von 50 µm auf dem GaAs (001)-Substrat aufgerollt. Die RUNT ist 9 µm lang (Abb. 3.4(b)) und hat einen sichtbaren Durchmesser D von 500 nm (Abb. 3.4(c)). Auf Grund der Aufrolldistanz s und dem a¨ußerem Durchmes- ser von 1,6 µm kann vermutet werden, daß die RUNT ungefa¨hr 30 Umdrehungen wa¨hrend des Aufrollprozesses durchfu¨hrt hat. In der Vergro¨ßerung der O¨ffnung in Abb. 3.4(c) sind mindestens acht einzelne Bischichten zu erkennen, die die Wand bil- den. Somit muß die Nanoro¨hre wenigstens diese Anzahl von Umdrehungen wa¨hrend des Aufrollens durchgefu¨hrt haben. Die Innenwand der RUNT ist glatt, wa¨hrend die a¨ußere Wand einige Falten zeigt. Dies deutet darauf hin, daß der Aufrollprozeß 3.2. Mikro- und Nanoro¨hren 39 Abb. 3.5: REM-Bild einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT mit einem Innendurch- messer D = 15 nm. Die Nanoro¨hre hat ungefa¨hr 30 Umdrehungen auf der Substratoberfla¨che vollfu¨hrt. nach der hohen Anzahl von Umdrehungen gesto¨rt ist. Aus der Diskussion des Durchmessers fu¨r RUNTs in Abschnitt 2.1.2 (siehe For- mel 2.1) wird ersichtlich, daß eine Skalierung der Dimensionen fu¨r diese MNOs ein- fach realisiert werden kann; z.B. durch Erho¨hen der intrinsischen Verspannung ε und/oder durch Verringerung der Bischichtdicke d. Die RUNT in Abb. 3.5 wurde aus einer Bischicht hergestellt, die nominell aus 1,4 ML In0,33Ga0,67As und 4,4 ML GaAs besteht. Die Bischicht hat auf einer La¨nge von 5,6 µm 30 Umdrehungen auf der Probenoberfla¨che durchgefu¨hrt (Abb. 3.5). Die gebildete RUNT hat eine La¨nge von 10 µm.2 Die Vergro¨ßerung zeigt, daß der Innendurchmesser nur 15 nm betra¨gt, dagegen ist der Außendurchmesser bedingt durch die hohe Anzahl an Umdrehungen 120 nm. Somit hat die Wand eine Dicke von 53 nm und das Wand-zu-Durchmesser- Verha¨ltnis ist deutlich gro¨ßer 1. Eine solche Nanostruktur kann deswegen als ein ” Nanostab“ (engl. Nanorod) aufgefaßt werden, der andere physikalische Eigenschaf- ten erwarten la¨ßt als die der RUNTs. Abbildung 3.6 zeigt die O¨ffnung zweier InxGa1−xAs/GaAs-basierten RUNTs, die aus verschieden dicken Bischichten entstanden sind. In beiden Bischichten waren in der <010>-Richtung Startkanten definiert, wodurch die Bischichten wa¨hrend der RUNT-Bildung parallel zur Aufrollrichtung gerissen sind. Es ist auffa¨llig, daß die Kante der O¨ffnung in Abb. 3.6(a) vollkommen glatt ist, wa¨hrend die Kante der O¨ffnung der RUNT in Abb. 3.6(b) eine ” Sa¨gezahnstruktur“ aufweist. Dies weist auf einen U¨bergang von ” Nanometer“-Eigenschaften zu ” Festko¨rper“-Eigenschaften der 2 Durch das Kippen der Probe im REM werden die Dimensionen in der Abbildung leicht verzerrt 40 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.6: REM-Bilder von O¨ffnungen zweier InxGa1−xAs/GaAs-basierter RUNTs. (a) RUNT basierend auf einer 14,1 ML In0,33Ga0,67As/ 19,1 ML GaAs-Bischicht. Die Kante der Bischicht entlang der O¨ffnung ist glatt. (b) RUNT basierend auf einer 53 ML In0,33Ga0,67As/ 55 ML GaAs-Bischicht. Die Kante der Bischicht entlang der O¨ffnung ist ”zahnfo¨rmig“. Bischicht als Funktion ihrer Dicke hin, wie dies immer wieder in der Nanotechnologie beobachtet wird [103]. Die 14,1 ML In0,33Ga0,67As/ 19,1 ML GaAs-Bischicht, aus der sich die RUNT in Abb. 3.6(a) entwickelt hat, ist so du¨nn, daß die Bischicht wa¨hrend des Aufrollprozesses nicht die natu¨rlichen {110}-Bruchfacetten des InxGa1−xAs bil- det, sondern glatt reißt. Ist die Bischicht dicker (53 ML In0,33Ga0,67As/ 55 ML GaAs fu¨r die RUNT in Abb. 3.6(b)), so bilden sich beim Reißen der Bischicht die {110}- Facetten aus, die einen 45◦ Winkel zur <010>-Rollrichtung aufweisen. Dadurch wird die beobachtete ” Zahnstruktur“ der O¨ffnung in Abb. 3.6(b) verursacht. 3.2.2 Vollsta¨ndig freistehende Strukturen Fu¨r potentielle Anwendungen als Pipette in der Biologie [104, 105] oder Tinten- strahldruckerdu¨sen [106], aber auch um eine detailliert Charakterisierung (siehe Ab- schnitte 4.2 und 5.1) der RUNTs zu ermo¨glichen, werden vollsta¨ndig freistehende Nanoro¨hren beno¨tigt. Abbildung 3.7(a) zeigt eine solche vollsta¨ndig freistehende RUNT, die aus einer 1,2 nm In0,33Ga0,67As/ 2,7 nm GaAs-Bischicht entstanden ist. Die RUNT ist etwa 2 µm von der Substratkante entfernt und hat eine La¨nge von ca. 3 µm. Die Methode solche Strukturen herzustellen ist in Abb. 3.7(b) und 3.7(c) dargestellt. Die Probe wird geritzt und anschließend senkrecht (oder unter einem beliebigen Winkel) zur RUNT gebrochen (Abb. 3.7(b)). Nach dem Brechen stehen einige RUNTs u¨ber die Bruchkante hinaus. 3.2. Mikro- und Nanoro¨hren 41 Abb. 3.7: (a) REM-Bild einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT, die u¨ber die Bruch- kante hinausreicht und somit vollsta¨ndig vom Substrat gelo¨st ist. (b) und (c) Illustration zur Herstellung vollsta¨ndig freistehender Nanoro¨hren. 3.2.3 Die InxGa1−xP/InyGa1−yP-Materialkombination InxGa1−xP/InyGa1−yP-Bischichten wurden auf 5 nm dicke Al0,8Ga0,2As-Opferschich- ten hergestellt. Diese Schichten wurden mittels MBE auf GaAs (001)-Substraten aufgewachsen. Nach der Herstellung wurden die Bischichten mit einer HF-Tensid- Lo¨sungen (HF-Konzentration: 10 vol%, bzw. 50 vol%) fu¨r 3 min, bzw. 4 min gea¨tzt, um die Bischicht vom Substrat abzulo¨sen. Alle Proben wurden vor dem A¨tzen in die <010>-Richtung durch Kratzen strukturiert. Demonstration einer InxGa1−xP/InyGa1−yP-basierten RUNT Abbildung 3.8 zeigt eine phosphor-basierte RUNT mit D = 135 nm, die aus ei- ner 1,4 nm In0,7Ga0,3P/ 2,0 nm In0,3Ga0,7P-Bischicht entstanden ist. Die RUNT hat mindestens zwei Umdrehungen durchgefu¨hrt und eine La¨nge von 10 µm. Es ist erwa¨hnenswert, daß die Nanoro¨hre sich nur auf einer Seite des Kratzers gebildet hat, wa¨hrend auf der anderen Seite keine RUNT gefunden wird. Ein solches Verhalten wird ha¨ufiger bei verschiedenen Proben beobachtet und auf mikroskopische (oder ” nanoskopische“) Unterschiede in der Beschaffenheit der Kratzer zuru¨ckgefu¨hrt. Die dunklen Flecken auf der Substratoberfla¨che sind Stellen, an denen die Bischticht untera¨tzt wurde, sich aber nicht aufgerollt hat. Charakterisierung einer langen InxGa1−xP/InyGa1−yP-basierten RUNT Eine Technologie ist durch bestimmte Gro¨ßen charakterisierbar, z.B. durch das Aspektverha¨ltnis, das mit ihr realisiert werden kann. Fu¨r freistehende SiGe/Si- basierte Ringe, die aus abgelo¨sten, du¨nnen Bischichten entstehen ko¨nnen, wurde ein 42 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.8: REM-Bild einer In0,7Ga0,3P/In0,3Ga0,7P-basierten RUNT mit einem Durch- messer von 135 nm. Der Kratzer in der Probenoberfla¨che, der als Startkante diente, ist gut erkennbar. Die Bischicht hat sich nur in eine Richtung gerollt. Ho¨he-zu-Wandsta¨rke Aspektverha¨ltnis von 30 demonstriert [95,96] — ein Verha¨ltnis, das nur mit großem Aufwand mit konventionellen Halbleiterprozeßtechniken erreicht werden kann. Abbildung 3.9 zeigt eine InxGa1−xP/InyGa1−yP-basierte RUNT, hergestellt durch das Ablo¨sen einer verspannten 4 nm In0,7Ga0,3P/ 4,4 nm In0,3Ga0,7P-Bischicht. Das Bild setzt sich aus 53 REM Aufnahmen zusammen und erlaubt eine detaillierte Analyse der RUNT (Die oberen Enden der jeweiligen Einzelaufnahme (1-8) passen genau zum unterm Anfang der rechts nebenstehenden). Die Nanoro¨hre hat eine La¨nge von 2,032 mm und einen durchschnittlichen Durchmesser von 1,046 µm; dies ergibt ein La¨ge-zu-Durchmesser-Verha¨ltnis von 1943. Die RUNT in Abb. 3.9 ist frei von Defekten oder Fehlern, die als O¨ffnungen in der RUNT-Wand definiert sind (mit Ausnahme der beiden regula¨ren RUNT-O¨ffnungen an den beiden Enden). Abbildung 3.9 zeigt, daß nach der RUNT-Entstehung ein mikrometer-großer Partikel an die Stelle ” A“ u¨ber die RUNT geschwemmt wurde und Teile der Nanoro¨hre auf einer La¨nge von 18 µm bedeckt. Es gibt noch weitere Partikel auf der Nanoro¨hre, zum Beispiel an der Stelle, die mit ” B“ markiert ist. Diese sind aber signifikant kleiner als der Durchmesser der RUNT und werden deshalb vernachla¨ssigt. Die RUNT ist wa¨hrend der Bildung gebrochen und der in Abb. 3.9 gezeigte Abschnitt beginnt an der Stelle, die mit ” Start“ gekennzeichnet ist. Ein REM-Bild des offenen Endes ist im Einschub von Abb. 3.10 gezeigt und macht deutlich, daß die RUNT mindestens eine Umdrehung durchgefu¨hrt hat. Teile der gebrochenen Bischicht ko¨nnen vor der 3.2. Mikro- und Nanoro¨hren 43 Abb. 3.9: REM-Bild einer langen, aufgerollten In0,7Ga0,3P/In0,3Ga0,7-basierten Na- noro¨hre. Die RUNT hat eine La¨nge von 2 mm. 44 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.10: Histogramm u¨ber 10 µm lange Abschnitten der RUNT aus Abb. 3.9 als Funk- tion des Durchmessers. Die FWHM definiert die Homogenita¨t der Nanoro¨hre (±9%). Das Einschub zeigt das REM-Bild der RUNT-O¨ffnung. RUNT gefunden werden. Das Ende der RUNT wird konservativ an der Stelle der Nanostruktur definiert, an der ihr Querschnitt anfa¨ngt sich in eine flache, gefaltete, nicht radiale Struktur zu entwickeln. Die Position ist mit ” End“ markiert. Die RUNT erscheint homogen u¨ber die gesamte La¨nge. Um dies zu quantifizieren wurde die Nanoro¨hre in 10 µm lange Abschnitte eingeteilt und der durchschnittliche Durchmesser bestimmt. Das Ergebnis ist in Form eines Histogramms in Abb. 3.10 dargestellt, wobei die Ordinate die Zahl der Ro¨hrenabschnitte mit einem bestimmten Durchmesser angibt und die Abszisse den Durchmesser. Das Histogramm wird gut durch eine Gausskurve beschrieben mit einer Halbwertsbreite (FWHM) von 18%. Die Homogenita¨t wird u¨ber diese FWHM definiert. Einige RUNT-Abschnitte sind breiter (um 1,3 bis 1,4 µm) als der durchschnittliche Durchmesser. Diese Abschnitte ko¨nnen in der Gegend beobachtet werden, in dem die RUNT nicht dicht gerollt ist, und die mit ” C“ markiert sind. Zusammenfassend wurde in diesem Abschnitt demonstriert, daß der RUNT-Durch- messer zwischen 2 µm bis 15 nm eingestellt werden kann, und RUNTs bis zu 30 Rotationen wa¨hrend des Aufrollens auf der Substratoberfla¨che durchfu¨hren ko¨nnen. Die RUNT in Abb. 3.8 demonstriert, daß das Prinzip zur Herstellung von dreidi- mensionalen Objekten aus verspannten, zweidimensionalen Bischichten nicht auf die Materialkombinationen SiGe/Si oder InxGa1−xAs/GaAs beschra¨nkt ist, son- dern auf die InxGa1−xP/InyGa1−yP-Materialkombination erweitert werden kann. 3.3. Der Aufrollprozeß einer verspannten Bischicht 45 In der Zwischenzeit wurde das Prinzip auch fu¨r Metall/Halbleiterstrukturen, bzw. Metall/Dielektrikum/Halbleiter-Schichten [95, 107] und nitrid-basierten Bischich- ten [108] demonstriert. An einer InxGa1−xP/InyGa1−yP-basierten RUNT mit einer La¨nge von ca. 2 mm wurde gezeigt, daß Aspektverha¨ltnisse von 1:2000 mit die- sen MNOs mo¨glich sind. Aspektverha¨ltnisse, die mit dem der InxGa1−xP/InyGa1−y- P-basierte RUNT in Abb. 3.9 vergleichbar sind, konnten fu¨r InxGa1−xAs/GaAs- basierte RUNTs in der Zwischenzeit ebenfalls demonstriert werden (fu¨r Abschnitt einer entsprechenden RUNT siehe Abb. 5.7). Eine Methode zur Herstellung vollsta¨n- dig freistehender RUNTs wurde demonstriert. 3.3 Der Aufrollprozeß einer verspannten Bischicht Obwohl die Methode, Schichten durch selektives A¨tzen vom Substrat abzulo¨sen, seit la¨ngerem bekannt ist, gibt es kaum grundlegende Untersuchungen zum Ablo¨sevor- gang der Bischicht und zum Aufrollprozeß. Ein grundlegendes Versta¨ndnis des Bil- dungsprozesses der RUNTs ist in allen Bereichen der Entstehung bis zur Anwendung notwendig. In diesem Abschnitt wird das Hochbiegen, sowie das Aufrollen einer verspannten, vom Substrat abgelo¨sten Bischicht im Detail mittels Video-Mikroskopie untersucht. Der Entstehungsprozeß wird als Funktion der Opferschichtdicke h, sowie des RUNT- Durchmessers D studiert. 3.3.1 Probenpra¨paration Fu¨r diese Untersuchungen wurden verschiedene verspannte Bischichten mittels MBE auf flachen und strukturierten GaAs (001)-Substraten gewachsen. AlAs wurde als Opferschichtmaterial verwendet und InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten mit verschiede- nen Indiumkonzentration und Schichtdicken wurden verwendet, um RUNTs mit einem Durchmesser von 20 nm bis 2 µm herzustellen (siehe fu¨r Durchmesserein- stellung Abschnitt 4.1). Die Bischichten wurden vom flachen Substrat mittels ei- ner verdu¨nnten HF-Tensid-Lo¨sung (HF (25 vol%):H2O 1:7) abgelo¨st, wa¨hrend eine HF-Tensid-Lo¨sung mit einer HF-Konzentrration von 25 vol% fu¨r die strukturierten Substrate verwendet wurde. Zur Video-Mikroskopie wurde die Oberfla¨che der Probe angekratzt und der A¨tzprozeß in situ unter einem Lichtmikroskop verfolgt. Bilder wurden in Intervallen von 10 s mit einer digitalen Kamera aufgenommen. 46 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.11: (a)-(f) Video-Mikroskopiebilder des Aufrollprozesses zweier RUNTs. (siehe auch Ref. [109]). (g) Aufrolldistanz s (definiert im oberen Einschub) als Funk- tion der A¨tzzeit t an den lateralen Positionen ”A“ und ”B“. Das untere, rechte Einschub zeigt die statistische Verteilung der maximalen Rolldistanz smax fu¨r insgesamt 29 RUNTs auf vier unterschiedlichen Proben. 3.3. Der Aufrollprozeß einer verspannten Bischicht 47 3.3.2 In situ Beobachtung des Aufrollens — Echtzeit-Video-Mikroskopie Abbildung 3.11 zeigt sechs ausgewa¨hlte Lichtmikroskopieaufnahmen, die wa¨hrend der in situ Beobachtung des Aufrollvorgangs der In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht (d = 40 nm) angefertigt wurden. Der komplette Film ist unter der EPAPS-Ref. [109] zu finden. Der Aufrollprozeß hat an einem du¨nnen Kratzer in der Mitte der Abbil- dung 3.11(a) begonnen. Die Bilder in Abb. 3.11(b) und 3.11(c) wurden 50 s , bzw. 1 min 20 s nach Beginn des A¨tzvorgangs aufgenommen. Der anfa¨ngliche Kratzer in der Oberfla¨che hat sich an einigen Stellen verbreitert, dies zeigt ein Hochbiegen der Bischicht an. Das Bild in Abb. 3.11(d) wurde nach 3 min aufgenommen. Von der Untera¨tzdistanz (s = 3 µm) und dem Durchmesser der Nanoro¨hre (D = 2 µm) kann abgeleitet werden, daß die Bischicht weniger als eine halbe Umdrehung durchgefu¨hrt hat. Nach 4 min A¨tzzeit (Abb. 3.11(e)) hat die RUNT mehr als zwei Drittel einer vollen Umdrehung und nach 8 min 50 s, wie in Abb. 3.11(f) zu sehen, mehr als eine volle Umdrehung (1,3 Umdrehungen) durchgefu¨hrt. Auf Grundlage des Kontrastes der Lichtmikroskopiebilder wurde die Aufrolldistanz s als Abstand zwischen dem Anfangskratzer und dem a¨ußersten Teil der hochgebo- genen Schicht und spa¨ter der RUNT definiert. Die Definition ist im oberen Einschub in Abb. 3.11(g) wiedergegeben. s variiert entlang der Achse der RUNT, so daß der Aufrollprozeß an zwei Stellen, die in den Abb. 3.11(a)-(f) mit ” A“ und ” B“ mar- kiert sind, vermessen wurde. s wurde fu¨r diese beiden Positionen in Abb 3.11(g) als Funktion der Zeit des A¨tzvorganges aufgetragen. Fu¨r die Position ” A“ steigt s langsam an (0-70 s), sa¨ttigt voru¨bergehend (80-130 s), steigt danach zeitlich linear weiter an (140-320 s), um letztlich nach 330 s bei einer maximalen Aufrolldistanz smax von 7,3 µm zu sa¨ttigen. Bei Annahme einer kon- stanten A¨tzgeschwindigkeit, bzw. Ablo¨sgeschwindigkeit v ist die Aufrolldistanz fu¨r das anfa¨ngliche Hochbiegen als s = vt − D/2 sin(α) fu¨r Biegewinkel α < pi/2 ge- geben. Fu¨r α > pi/2 ist s = vt. Die Meßpunkte fu¨r den Anfang des Hochbiegens (0-70 s) in Abb. 3.11(g) werden gut beschrieben durch die Annahme einer konstan- ten Ablo¨sgeschwindigkeit v (durchgezogene Linie). Nach diesem erstem Hochbiegen bleibt der Aufrollprozeß voru¨bergehend stehen (80-130 s). Dieses erste Sa¨ttigen wird Inhomogenita¨ten in der A¨tzfront zugeschrieben, die dazu fu¨hren, daß sich Teile der Bischicht hochbiegen, wa¨hrend andere Teile noch am Substrat haften. In der Tat sind diese Inhomogenita¨ten gut in der Abb. 3.11(c) zu sehen und zeigen sich, wenn der Aufrollprozeß an der Position ” B“ verfolgt wird. An der Position ” B“ ist die Bischicht fu¨r deutlich la¨ngere Zeit mit dem Substrat verbunden (0-110 s). Hat die Bischicht sich an dieser Position im gleichem Maße wie an Position ” A“ (130 s) auf- gerichtet, biegt sich die gesamte Bischicht, und eine homogene RUNT rollt sich u¨ber die Oberfla¨che. Fu¨r t = 130− 310 s wa¨chst s mit vt an allen Stellen der RUNT. 48 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.12: Mittlere maximale Rolldistanz s¯max als Funktion der Bischichtdicke d fu¨r In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNTs. Alle Proben mit verschiedenen d zei- gen das ausgepra¨gte Sa¨ttigungsverhalten, das fu¨r die Proben in Abb. 3.11(g) beobachtet wurde. Die Positionsgenauigkeit fu¨r die untersuchten Probe liegt zwischen ±6 bis ±14%. Das ausgepra¨gte Sa¨ttigungsverhalten fu¨r t > 320 s impliziert einen Selbstlimitie- rungsprozeß, der die Endposition der RUNT bestimmt. Solch eine Selbstlimitierung ist von großem Interesse fu¨r die Nanotechnologie, da die Freiheitsgrade einer phy- sikalischen Gro¨ße wirkungsvoll reduziert werden. In diesem speziellen Fall wird die RUNT-Position (smax) unabha¨ngig von der Zeit t. Deshalb sollte eine akkurate und reproduzierbare Kontrolle u¨ber die Position der Nanoro¨hre in verschiedenen Ex- perimenten mo¨glich sein. Um dies zu besta¨tigen, wurde smax fu¨r eine große Zahl von RUNTs auf verschiedenen Proben bei gleichen experimentelle Bedingungen im Sa¨ttigungsbereich bestimmt. Die statistische Analyse von smax ist in Abb. 3.11(g) im rechtem, unterem Einschub gezeigt. Die mittlere maximale Aufrolldistanz s¯max is 7 µmmit einer Standardabweichung von 0,6 µm, was nur ±8% von s¯max entspricht. Die Meßpunkte werden sehr gut von einer Gausskurve beschrieben, insbesondere werden keine großen Abweichungen zu gro¨ßeren oder kleineren smax beobachtet. Dies zeigt, daß der Selbstlimitierungsprozeß von guter Reproduzierbarkeit und unabha¨ngig von der A¨tzzeit ist. Um dieses Selbstlimitierungsverhalten zu verifizieren, wurde s¯max fu¨r drei weite- re In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten (d = 20, 22, 50 nm) unter sonst gleichen expe- rimentellen Bedingungen wie fu¨r die Proben in Abb. 3.11(g) bestimmt. Wie fu¨r Abb. 3.11(g) wurde s¯max fu¨r jeweils drei Proben der gleichen In0,33Ga0,67As/GaAs- 3.3. Der Aufrollprozeß einer verspannten Bischicht 49 Bischichte gemessen und statistisch ausgewertet (25 bis 37 RUNTs). Abbildung 3.12 zeigt s¯max als Funktion der Bischichtdicke d fu¨r diese Proben, sowie fu¨r die Proben aus Abb. 3.11. s¯max ist fu¨r d = 20 nm bis d =40 nm nahezu konstant und liegt zwischen 6 µm und 7 µm . Fu¨r diesen Bereich zeigt s¯max Abweichungen von ca. ±8%. s¯max steigt fu¨r d = 51 nm an und liegt bei 9,7 µm mit einer Abweichung von ±14%. Dieses Ergebnis bekra¨ftigt nochmals, daß die maximale Rolldistanz einer Selbstlimitierung unterliegt und eine intrinsische Eigenschaft der Probe fu¨r gegebe- ne experimentelle Bedingungen ist. Es ist anzumerken, daß der Prozeß der Selbstlimitierung, d.h. die Reproduzierbar- keit von s¯max, stark von verschiedenen experimentellen Parametern, wie zum Beispiel der Konzentration der A¨tzlo¨sung, abha¨ngt. Fu¨r die im Abschnitt 3.4 diskutierten Proben wurde zum Beispiel mit einer jeweils neu angesetzten A¨tzlo¨sung fu¨r jedes Experiment gearbeitet, wa¨hrend fu¨r die in Abb. 3.11(g) und Abb. 3.12 wiedergege- benen Daten immer mit der gleichen Lo¨sung gearbeitet wurde. Dies bedingt eine geringere Streuung der gemessenen Rolldistanzen s und s¯max. 3.3.3 Aufrollgeschwindigkeit als Funktion der Probenparameter Um den Aufrollprozeß weiter zu untersuchen, wurden strukturierte Substrate u¨ber- wachsen (siehe dazu auch Abschnitt 3.4; es wurden InAs/GaAs-Bischichten auf AlAs-Opferschichten verwendet) und untera¨tzt. Mit diesen Proben ist es mo¨glich, die mittlere Aufrollgeschwindigkeit v¯ = ∆s/∆t (siehe Abb. 3.11 und Abb. 3.15 als Beispiel) als Funktion der Dicke der Opferschicht und des RUNT-Durchmessers zu bestimmen. Im Gegensatz zu den Realzeit-Aufnahmen in Abb. 3.11 wurde ∆s ex situ nach dem A¨tzvorgang, der nach einer bestimmten Zeit ∆t abgebrochen wurde, bestimmt. ∆t wurde so gewa¨hlt, daß der Aufrollprozeß nicht sa¨ttigt. Abbildung 3.13 zeigt v¯ als Funktion der Opferschichtdicke h (bei konstantem D = 100 nm; blau) und des Durchmessers D (bei konstantem h = 2, 8 nm; rot). v¯(h) sa¨ttigt fu¨r h > 5 nm und fa¨llt rapide fu¨r h < 5 nm. Fu¨r h < 2 nm findet keine RUNT-Bildung mehr statt. v¯(D) ist konstant fu¨r den gesamten untersuchten Durchmesserbereich von 20 nm bis 500 nm. In Abschnitt 2.2.3 wurde ein Modell fu¨r v¯ nach Ref. [62] vorgestellt, das fu¨r Durch- messer im Millimeterbereich entwickelt wurde. Da unsere RUNT-Durchmesser wes- 50 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.13: Mittlere Aufrollgeschwindigkeit als Funktion der Dicke der Opferschicht (blaue) und des RUNT-Durchmessers (rot). Die durchgezogene Linien sind das Ergebnis einer Anpassungsrechnung an die experimentellen Daten. entlich kleiner als die mittlere Austauschla¨nge3 in der A¨tzlo¨sung sind, sind die Ein- schra¨nkungen und damit die Abha¨ngigkeiten, die durch Diffusionsprozesse im ge- kru¨mmten Spalt entstehen, nicht mehr gegeben. Dies bedeutet, daß K unabha¨ngig wird von den Probenparametern h und D. Somit kann das Modell nach Ref. [62] vereinfacht werden zu: v¯ = K exp [−(h0 h )2] (3.1) wobei h0 wieder die kritische Dicke der Opferschicht ist. Die durchgezogenen Linien in Abb. 3.13 repra¨sentieren Anpassungsrechnungen nach Formel 3.1 mit h0 = 2, 8 nm und K = 0, 79 µm/s. Abweichungen der berechneten Kurve und der experimentellen Daten werden hauptsa¨chlich den anfa¨nglichen Nicht-Linearita¨ten im Aufrollprozeß zugeschrieben, die in Abb. 3.11 gemessen und diskutiert wurden. v¯ ist konstant in dem gesamten betrachtetem Durchmesserbereich sowohl in Formel 3.1 als auch im Experiment. Der Offset der theoretischen Kurve fu¨r v¯(D) resultiert aus den Anpassungsparametern, die so ausgewa¨hlt wurden, daß eine optimale Anpassung an alle experimentellen Daten v¯(h) erreicht wurde. Diese Ergebnisse zeigen, daß der Aufrollprozeß mit Hilfe des Diffusionsmodells aus Ref. [62], das fu¨r diese Arbeit leicht modifiziert wurde, beschrieben und deshalb vorhergesagt werden kann. 3 Diese ist im Wesentlichen durch die Andiffusion der HF-Moleku¨le und der Abtransport der gebildeten A¨tzprodukte (AsH3 und [AlF6]3−) bestimmt. 3.4. Bischichten auf strukturierten Substraten 51 Zusammenfassend kann mit dieser Studie gezeigt werden, daß der Aufrollprozeß nach einer ersten Startphase linear in der Zeit verla¨uft und danach sa¨ttigt. Weiter konnte gezeigt werden, daß der Aufrollprozeß im zeitlich linearen Bereich durch die A¨tzgeschwindigkeit der verwendeten HF-Tensid-Lo¨sung bestimmt ist. Das beobach- tete Selbstlimitierungsverhalten und die Beschreibung der Aufrollgeschwindigkeit als Funktion der Probenparameter erlaubt eine Positionierung der RUNT relativ zu ihrer Startkante. 3.4 Bischichten auf strukturierten Substraten Um die Methode selbstorganisierter Nanoro¨hren und MNOs erfolgreich in der Nano- technologie anwenden zu ko¨nnen, muß ein Verfahren entwickelt werden, die Start- kanten dieser Strukturen mittels Techniken der Halbleiterstrukturierung zu definie- ren. Hierbei erfolgt eine Vereinigung von lithographischen Prozessen ( ” top-down“- Ansatz) mit Selbstorganisationsprozessen ( ” bottom-up“-Ansatz) [1], die im Bereich der selbstorganisierende Quantenpunkte schon zum Erfolg gefu¨hrt hat [10, 12]. Fu¨r verschiedene MNOs, die durch das Ablo¨sen von verspannten Bischichten realisiert wurden, sowie fu¨r Mikro- und Nanoro¨hren konnten die verspannten Bischichten nach der Herstellung strukturiert werden [23, 27, 110]. Dieser Ansatz fu¨hrte aber fu¨r die extrem du¨nnen Bischichten mit d <10 nm (statt d = 20 − 400 nm), die zur Reali- sierung von D < 500 nm gebraucht werden, in unseren Versuchen nicht zum Erfolg. In diesem Abschnitt wird gezeigt, wie eine laterale Anordnung von RUNTs mit D < 500 nm durch Wachsen auf strukturierten Substraten erreicht werden kann. In Kombination mit den Untersuchungen aus Abschnitt 3.3 kann eine genaue Po- sitionierung der entstehenden Objekte erreicht werden. Mittels dieser Positionie- rungstechnik konnte weiter gezeigt werden, daß es mo¨glich ist, Mehrfachstapel einer verspannten Bischicht einzurollen. 3.4.1 Probenpra¨paration In GaAs (001)-Substrate wurden zuna¨chst Gra¨ben in die <100>- und die <11¯0>- Richtung mittels optischer Lithographie und naßchemischen A¨tzens definiert. Nach der Strukturierung des GaAs (001)-Substrats wurden dieses chemisch gereinigt und in die MBE-Maschine eingeschleust. Im UHV erfolgte eine Reinigung mittels eines atomaren Wasserstoffstrahles, worauf sich ein Anlassen von 15 min anschloß. AlAs mit verschiedenen Dicken, sowie kurzperiodische U¨bergitter mit 18 Perioden AlAs (0,4 nm) und Ga0,5Al0,5As (0,4 nm) [23] wurden als Opferschicht direkt auf das strukturierte Substrat gewachsen. Um verschiedene RUNT-Durchmesser zu realisie- ren, wurden asymmetrische InAs/GaAs-Bischichten mit verschiedenen Dicken auf 52 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen die Opferschichten aufgebracht (Abschnitt 4.1.2). Des Weiteren wurde eine Probe mit einem Zweifachstapel von 10 ML AlAs/1,4 ML InAs/14,4 ML GaAs gewach- sen, um die Dichte der RUNTs auf der Substratoberfla¨che zu erho¨hen. Der Aufroll- prozeß wurde ex situ mit einer 25 vol% HF-Tensid-Lo¨sung eingeleitet. Die gebildeten RUNTs wurden mittels REM und Lichtmikroskopie charakterisiert. 3.4.2 Laterale Anordnung von Nanoro¨hren Abbildung 3.14 illustriert den Ansatz, RUNTs an vordefinierten Stellen mittels strukturierter Oberfla¨chen zu positionieren. Eine solche Oberfla¨che, strukturiert mit tiefen Gra¨ben und u¨berwachsen mit den notwendigen epitaktischen Schichten, ist schematisch in Abb. 3.14(a) als Querschnitt zu sehen. Wenn die Bischicht anschlie- ßend durch selektives A¨tzen abgelo¨st wird, entsteht eine RUNT durch Aufrollen par- allel zu dem vordefinierten Graben, wie schematisch in Abb. 3.14(b) gezeigt. Die Ab- bildungen 3.14(c) und 3.14(d) zeigen REM-Bilder der Probe nach dem U¨berwachsen, bzw. nach der RUNT-Bildung. Das Bild des u¨berwachsenen Grabens (Abb. 3.14(c)) zeigt, daß der Graben eine scharfe, wohldefinierte Kante fu¨r die RUNT-Bildung darstellt. Auf Grund seiner starken Wandsteigung lagert sich an der Grabenwand weniger Material als auf der (001)-Oberfla¨che an [111, 112]. Wenn die gewachse- ne Probe der Luft ausgesetzt wird, oxidieren die du¨nnen Schichten auf der Gra- benwand vollsta¨ndig. Das Oxid wird von der A¨tzlo¨sung gelo¨st [113], so daß die A¨tzlo¨sung die Opferschicht erreichen und auflo¨sen kann. Auf der (001)-Oberfla¨che ist die epitaktische Schicht dicker und oxidiert nicht vollsta¨ndig. Somit wird ein A¨tzen der Opferschicht unterhalb der flachen Bereiche der (001)-Oberfla¨che ver- hindert. Abbildung 3.14(d) zeigt eine typische REM-Aufnahme einer InAs/GaAs- basierten RUNT (D = 300 nm), die sich u¨ber eine Distanz von 3,8 µm aufgerollt hat. Abbildung 3.14(e), ein Aufsichtsbild durch ein Lichtmikroskop, zeigt, daß die RUNT-Bildung auf der gesamten La¨nge des lithographisch strukturierten Bereiches stattfindet. InAs/GaAs-Nanoro¨hren-Segmente (D = 100 nm) mit mehr als 180 µm sind entlang des gesamten Bereiches des vordefinierten Grabens zu erkennen. Im Folgendem soll die relative Positionierbarkeit der RUNTs auf strukturierten Sub- straten in Anlehnung an Abschnitt 3.3 untersucht werden. Die Lichtmikroskopie- Bilder in Abb. 3.15(a) und 3.15(a) zeigen zwei RUNTs, die aus der gleichen InAs/- GaAs-Bischicht (D = 100 nm) entstanden sind, aber bei deren Herstellung die Proben unterschiedlich lange gea¨tzt wurden (∆t = 15 s, bzw. 30 s) und deshalb zwei verschiedene Rolldistanzen ∆s aufweisen. Die Startkante wurde ebenfalls mit- tels optischer Lithographie vor dem MBE-Wachstum definiert. Die Aufrolldistanz ist gleich fu¨r die beiden definierten Aufrollrichtungen (<100> und <11¯0>), aber die strukturelle Qualita¨t erscheint fu¨r RUNTs in die <100>-Richtung besser zu sein (nicht gezeigt). 3.4. Bischichten auf strukturierten Substraten 53 Abb. 3.14: (a) Schematische Darstellung der Probe nach dem MBE-U¨berwachsen ei- nes strukturierten Substrates und (b) nach dem Ablo¨sen der InAs/GaAs- Bischicht mittels selektiven A¨tzens. (c) REM-Bild eines u¨berwachsenen Gra- bens und (d) einer RUNT, die parallel zu diesem Graben positioniert ist. (e) Lichtmikroskopiebild zweier RUNTs, die sich entlang eines vordefinierten Grabens gebildet haben. 54 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.15: (a) und (b) Lichtmikroskopie-Bilder zweier RUNTs (beide mit D = 100 nm), die durch A¨tzen der gleichen InAs/GaAs-Bischicht entstanden sind, aber unterschiedlich lange gea¨tzt wurden. Als Startkante diente ein mittels opti- scher Lithographie definierter Graben. (c) Aufrolldistanz ∆s als Funktion der A¨tzzeit ∆t. Quadrate markieren die Daten fu¨r die AlAs-Opferschicht, Drei- ecke die Daten fu¨r die Opferschicht aus einem kurzperiodische U¨bergitter. Die mittlere Aufrollgeschwindigkeit v¯ ist fu¨r die beiden experimentellen Da- tensa¨tze vermerkt. 3.4. Bischichten auf strukturierten Substraten 55 Abb. 3.16: Lichtmikroskopiebild eines Feldes gut positionierter InAs/GaAs-basierter RUNTs auf einem strukturierten GaAs (001)-Substrat. Abbildung 3.15(c) zeigt ∆s als Funktion von ∆t fu¨r die Probenserie mit AlAs als Opferschicht (Quadrate) und dem kurzperiodischen U¨bergitter als Opferschicht (Dreiecke). ∆s wurde nach dem A¨tzen fu¨r die Zeit ∆t bestimmt (vergleiche Ab- schnitt 3.3.3). Fu¨r die Proben mit dem kurzperiodischem U¨bergitter ist ∆s fu¨r ein bestimmtes ∆t kleiner als fu¨r die AlAs-Opferschicht. Dieses Ergebnis wird einer geringeren A¨tzrate des U¨bergitters zugeschrieben. Beide Sa¨tze der experimentelle Daten zeigen wieder das lineare Regime (in der halblogarithmischen Auftragung der Abszisse in Abb. 3.15(c) nicht gut zu erkennen) und einen Sa¨ttigungsbereich wie schon in Abschnitt 3.3 berichtet. Die Streuung in smax wird langreichweiti- gen Inhomogenita¨ten in der mittels optischen Lithographie definierten Startkante zugeschrieben, die auf Grund der extremen La¨nge der RUNTs den Aufrollprozeß sto¨ren. Im linearem Bereich wird eine Positionierungsgenauigkeit von ca. 500 nm ohne großen Aufwand erreicht. Fu¨r sehr kurze A¨tzzeiten wird keine RUNT-Bildung fu¨r die Proben mit dem U¨bergitter als Opferschicht beobachtet. Dies liegt an der langsamen A¨tzrate, so daß das initiale Hochbiegen, wie es in Abschnitt 3.3 beobach- tet wurde, noch nicht abgeschlossen ist. Fu¨r die extrem hohen A¨tzraten der reinen AlAs-Opferschicht konnte das initiale Hochbiegen ex situ nicht beobachtet werden. Abbildung 3.16 zeigt eine Lichtmikroskopieaufnahme eines Feldes von InAs/GaAs- basierten RUNTs, die alle fu¨r mehr als 100 µm parallel zu vordefinierten, u¨ber- wachsenen Gra¨ben mit einer Periode von 20 µm liegen. Die 1,4 ML InAs/ 10,4 ML GaAs-Bischicht wurde so gewa¨hlt, daß sich D =100 nm fu¨r die RUNTs einstellt. Auch wenn die RUNTs zum Teil inhomogen sind, haben sich doch RUNTs von allen definierten Gra¨ben gebildet, so daß ein dichtes Feld mit der Periode der vordefinier- 56 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen Abb. 3.17: (a) Schematische Darstellung des Aufrollprozesses fu¨r einen Stapel von Bischichten, die durch Opferschichten getrennt sind. (b) REM-Bilder der ”Doppel-RUNT“ und (c) der Vergro¨ßerung der O¨ffnung der rechten Na- noro¨hre. Die beiden Nanoro¨hren sind 1,8 µm getrennt. ten Gra¨ben entstanden ist. Fu¨r RUNTs, die auf einem Mesa liegen, kann die relative Entfernung zueinander durch geschickte Wahl der A¨tzzeit ∆t, sowie die Konzentra- tion der HF-Tensid-Lo¨sung und der Opferschichtdicke eingestellt werden. Solche parallelen RUNT-Strukturen sind interessant fu¨r die Realisation von Mikrotransfor- matoren, wie sie in Abschnitt 5.2.3 vorgestellt werden. Weiter zeigt Abb. 3.16, daß mit dieser Methode der Positionierung eine gute Zuverla¨ssigkeit und Reproduzier- barkeit erreicht werden kann. Eine gro¨ßere Homogenita¨t der erzeugten RUNTs sollte durch Verbesserungen im Strukturierungs- und A¨tzprozeß mo¨glich sein. 3.4.3 Gestapelte Bischichten Die maximal mo¨gliche Dichte A fu¨r aufgerollte Nanoro¨hren auf der Probenoberfla¨che ist proportional zu 1/B, wobei B die Fla¨che der Bischicht ist, die eingerollt wird. Im Folgendem wird gezeigt, daß die Dichte der RUNTs auf der Oberfla¨che verdoppelt werden kann, indem ein Stapel von verspannten Bischichten untera¨tzt wird. Dies zeigt, daß im Allgemeinem die RUNT-Dichte auf der Oberfla¨che proportional n/B ist, wobei n die Zahl der gestapelten Bischichten ist. Abbildung 3.17(a) zeigt eine schematische Darstellung eines Zweifachstapels, ge- trennt durch eine AlAs-Opferschicht, bei dem die A¨tzlo¨sung selektiv die Opfer- schicht entfernt hat und zwei RUNTs sich auf der Oberfla¨che gebildet haben. Die REM-Bilder in Abb. 3.17(b) und 3.17(c) zeigen den experimentellen Beleg fu¨r diesen Bildungsprozeß. Die Kante eines lithographisch definierten Grabens ist links zu er- kennen und zwei RUNTs haben sich parallel dazu in ca. 10 µm Entfernung gebildet. Es ist offensichtlich, daß die linke Nanoro¨hre sich vom Graben startend aufgerollt hat. In der REM-Aufnahme in Abb. 3.17(c) ist eine Vergro¨ßerung der O¨ffnung der 3.4. Bischichten auf strukturierten Substraten 57 rechten RUNT zu sehen. Von der Form der a¨ußersten Schicht kann geschlossen wer- den, daß diese RUNT sich ebenfalls vom Graben startend aufgerollt hat. Somit diente der Graben fu¨r beide Nanoro¨hren als Startkante, und der Bischichtstapel wurde erfolgreich eingerollt. Zwischen den beiden RUNTs wird eine Distanz von 1,8 µm beobachtet, die vermuten la¨ßt, daß die Opferschicht der unteren Bischicht spa¨ter gea¨tzt wurde als die obere. Da der Bischichtstapel auf einem strukturierten Substrat gewachsen wurde, ist anzunehmen, daß eine gewisse Zeit vergeht, die die A¨tzlo¨sung braucht, um die obere Schicht abzulo¨sen, bevor sie die untere Opferschicht auflo¨sen kann. Durch Verwendung strukturierter Substrate konnte die Startkante zur RUNT-Bil- dung fu¨r RUNTs mit D < 500 nm mittels eines lithographischen Prozesses definiert werden. Es wird eine Positioniergenauigkeit von ca. 500 nm ohne großen Aufwand er- reicht. Damit sollte die Integration solcher aufgrolleten Nanostrukturen in die Halb- leitertechnologie mo¨glich sein, um funktionale Bauelemente, wie in Abschnitt 5.2.3 vorgeschlagen, zu realisieren. Ein Konzept zur Erho¨hung der RUNT-Dichte konn- te demonstriert werden. Da die Methode mit dem Positionierprozeß kompatibel ist, kann so eine gro¨ßere Zahl von Nanoobjekten fu¨r potentielle Anwendungen zur Verfu¨gung gestellt werden. 58 3. Arten, Entstehung und Anordnung von 3D Mikro- und Nanostrukturen 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren In diesem Kapitel werden die strukturellen Eigenschaften der RUNTs na¨her un- tersucht. Hierbei wird im erstem Abschnitt das Skalierungsverhalten des RUNT- Durchmessers als Funktion verschiedener experimenteller Parameter der Bischicht betrachtet. Im zweiten Abschnitt wird die Wandstruktur der RUNTs mittels TEM und Ramanspektroskopie untersucht. 4.1 Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren Die Sta¨rke der Herstellung von dreidimensionalen Objekten aus zweidimensionalen, verspannten Bischichten liegt darin, daß die Objektbildung durch einen Selbstorga- nisationsprozeß bestimmt ist. Damit stellt diese Technologie ein Verschmelzen des ” top-down“- und ” bottom-up“-Ansatzes dar [1]. Dabei ist von großer Bedeutung, daß zweidimensionale Schichtsysteme mit hoher Pra¨zision mittels MBE hergestellt werden ko¨nnen. Das Skalierungsverhalten der RUNTs ist nach Gleichung 2.1 nur von den verschiedenen InxGa1−xAs/GaAs-Bischichtparamatern abha¨ngig (Gesamt- schichtdicke d, Dicke der einzelnen Schichten d1 und d2 und Verspannung, eingestellt durch den Indiumgehalt x). Somit sollte sich der RUNT-Durchmesser pra¨zise durch die Wahl, bzw. Herstellung einer entsprechenden Bischicht einstellen lassen. In den folgenden beiden Abschnitten wird dieses Skalierungsverhalten systematisch experimentell untersucht. In Abschnitt 2.1.2 wurden die beiden mo¨glichen Verspan- nungszusta¨nde diskutiert, und eine Aussage bezu¨glich des zu erwartenden Durch- messerskalierungsverhaltens fu¨r aufgerollte Bischichten getroffen. Im ersten experi- mentellem Abschnitt werden symmetrische Bischichten realisiert, wa¨hrend anschlie- ßend asymmetrische InAs/GaAs-Bischichten betrachtet werden. Fu¨r symmetrische Bischichten kann ein Durchmesserdiagramm entwickelt werden, welches eine nahe- zu komplette U¨bersicht u¨ber mo¨gliche Probenparameter gibt. Im zweiten Abschnitt wird mittels der asymmetrischen Schichten gezeigt, daß auch eine Skalierung von hoch verspannten, pseudomorphen Bischichten mo¨glich ist. Fu¨r beide Bischichtar- ten wird festgestellt, daß das Durchmesserskalierungsverhalten u¨ber weite Bereiche 60 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren durch die kontinuumsmechanische Theorie beschrieben werden kann. 4.1.1 Symmetrische Bischichten In diesem Abschnitt wird der Durchmesser von InxGa1−xAs/GaAs-RUNTs auf GaAs (001)-Substraten fu¨r einen großen Bereich von Indiumkonzentrationen x und Bi- schichtdicken d untersucht. Dieser Abschnitt konzentriert sich auf symmetrischen Bischichten (obere und untere Schicht haben gleiche Dicken; d1 = d2), da diese Bi- schichten die kleinsten bekannten Durchmesser aufweisen [14, 96, 114]. Weiter wer- den nicht nur glatte, pseudomorphe Bischichten untersucht [114], sondern auch der Durchmesser von Nanoro¨hren betrachtet, die aus Bischichten entstanden sind, deren Dicke weit u¨ber den bekannten kritischen Schichtdicken fu¨r Versetzungsbildung und Inselformation liegt. U¨berraschender Weise wird beobachtet, daß versetzte Bischich- ten mit glatter Oberfla¨chenmorphologie sich zu RUNTs aufrollen, deren Durchmes- ser vergleichbar mit den von der kontinuumsmechanischen Theorie vorhergesagten sind. Im Gegensatz dazu tendieren Bischichten mit einer rauhen Oberfla¨che dazu, RUNTs mit Durchmessern zu bilden, die u¨ber den theoretisch erwarteten liegen. Auf Grundlage unserer Experimente wird die Bischichtoberfla¨chenmorphologie mit der Vorhersagbarkeit des Durchmessers korreliert und ein Durchmesserdiagramm fu¨r die Formation von RUNTs aus symmetrischen Bischichten entwickelt. Probenwachstum und Pra¨paration Alle Proben wurden mittels MBE 70◦Cunter der Phasenu¨bergangstemperatur der c(4×4) zur (2×4) Oberfla¨chenrekonstruktion gewachsen, um Indiumsegregation wa¨h- rend des Wachstums zu unterdru¨cken [75]. Das Wachstum wurde in situ mittels RHEED u¨berwacht und das RHEED-Beugungsmuster wurde als Indikator fu¨r den Wachstumsmodus benutzt (siehe Abschnitt 2.3). Um eine hinreichende Reproduzier- barkeit zu testen, wurden ca. ein Viertel aller Proben ein zweites Mal hergestellt. Die InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten wurden auf einer AlAs-Opferschicht gewachsen. Die obere GaAs-Schichtdicke d2 wurde absichtlich 2 ML dicker pra¨pariert als die un- tere InxGa1−xAs-Schicht, um die Oxidation des GaAs zu beru¨cksichtigen, wenn die Probe der Laborluft ausgesetzt wird. Mizokawa et al. berichten in Ref. [115] u¨ber ein stabiles Oxid mit einer Dicke von 0,8-0,9 nm auf einem GaAs-Substrat nach einem Tag unter normalen Umweltbedingungen. Diese Dicke ist ca. einen Monat konstant, bevor sie kontinuierlich anfa¨ngt zuzunehmen. Aus der Oxiddicke, die von Mizokawa et al. angegeben wird, wird geschlossen, daß die Probe an Luft 2-3 ML GaAs-Dicke verlieren. Das Oxid wird wa¨hrend des A¨tzprozesses aufgelo¨st [113, 115–117], und kein neues Oxid wird wa¨hrend des A¨tzprozesses gebildet, da HF keine oxidierende Wirkung hat. Eventuell bildet sich im geringem Masse Ga-Fluridverbindungen an 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 61 Abb. 4.1: (a) Gefaltete Nanostruktur einer abgelo¨sten In0,05Ga0,95As/GaAs-Bischicht. (b) AFM-Bild der Oberfla¨che der Bischicht, die die Nanostrukturen in (a) gebildet haben. Das Einschub ist eine 1×1 µm2 große Vergro¨ßerung dieser Bilder, in der die RMS bestimmt wurde. den Oberfla¨chen (Abschnitt 2.2.3), die der A¨tze ausgesetzt sind. Da sich die Oxid- dicke mit der Zeit a¨ndert, a¨ndert sich die relevante Schichtdicke d2 mit der Zeit. Fu¨r diese Probenserie, wird ein Bischichtdickena¨nderung von 2 ML durch den A¨tzprozeß angenommen, wobei die Lagerzeit der Proben einen Monat nicht u¨berschritten hat. Auf diese Weise wurden symmetrische Bischichten fu¨r Indiumkonzentrationen von x = 0, 05; 0, 14; 0, 33; 0, 5; 1 realisiert. RUNT-Bildung wurde durch ex situ A¨tzen mittels einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF- Konzentration: 3 vol% bis 25 vol%) eingeleitet. Vor dem A¨tzen wurde die Oberfla¨che der Bischicht entlang der <010>-Richtung angekratzt, um definierte Startkanten fu¨r den Aufrollprozeß zu erhalten. Die gebildeten RUNTs wurden mittels REM untersucht, und die Durchmesser einiger repra¨sentativen RUNTs (7-10) gemessen. Die Oberfla¨che der Proben wurde mittels AFM nach dem Wachstum und vor dem A¨tzen charakterisiert. Die mittlere Rauhigkeit (RMS) wurde fu¨r mehre Positionen der Probenoberfla¨che fu¨r eine 1×1 µm2 Bereich aus den AFM-Bilder bestimmt. Von zwei Proben mit x = 0, 14 und x = 0, 5 wurden TEM-Aufnahmen angefer- tigt, um die theoretische kritische Schichtdicke tc fu¨r die Wachstumsbedingungen der Studie zu verifizieren. Dies erscheint notwendig, da tc eine Funktion der Wachs- tumstemperatur ist [118] und fu¨r geringe Indiumkonzentrationen nicht gut mit den erwarteten theoretischen Werten u¨bereinstimmt [34]. Ergebnisse und Diskussion Abbildung 4.1(a) zeigt eine umgeschlagene Nanostruktur, die sich aus einer In0,05- Ga0,95As/GaAs-Bischicht (d = 20 nm) gebildet hat. Die Struktur ist vergleichbar mit denen, die fu¨r die SiGe/Si-Materialkombination beschrieben wurden [16, 17]. Die gefalteten Strukturen werden vor allem gebildet, wenn die abgelo¨ste Bischichten 62 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.2: (a) RUNT, die sich aus einer In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht mit d = 2 nm gebildet hat. (b) RUNT mit D = 245 nm, gebildet aus einer In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht (d = 4 nm). (c)-(d) AFM-Bilder der Ober- fla¨che der Bischichten, die die Nanostrukturen in (a)-(b) gebildet haben. Das Einschub ist eine 1×1 µm2 große Vergro¨ßerung dieser Bilder, in der die RMS bestimmt wurde. sehr wenig oder keine Verspannung aufweisen. Fu¨r symmetrische InxGa1−xAs/GaAs- Bischichten ist die obere Grenze, um hauptsa¨chlich gefaltete Strukturen zu erhalten, durch x ∼ 0, 05 gegeben. Abbildung 4.1(b) zeigt das AFM-Bild der Oberfla¨chenmorphologie der In0,05Ga0,95- As/GaAs-Bischicht mit d = 20 nm. Im Vergleich zu Referenzoberfla¨chen von GaAs- Proben, die bei der Desorptionstemperatur des Oxides (580◦C) gewachsen wur- den, erscheint die GaAs-Oberfla¨che der Bischicht rauher. Diese Rauhigkeit wird der niedrigen Wachstumstemperatur zugeschrieben, die fu¨r diese Probenserie eingestellt wurde. Die Oberfla¨chenmorphologie ist typisch fu¨r dicke GaAs-Schichten, die bei mittleren Wachstumstemperaturen hergestellt wurden [70,119]. In Abb. 4.2(a) ist die O¨ffnung einer RUNT mit einem inneren Durchmesser von D = 70 nm gezeigt. Die RUNT ist aus einer In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht mit ei- ner Bischichtdicke von d = 2 nm entstanden. Die RUNT hat mehrere Umdrehungen wa¨hrend des Bildungsprozesses durchgefu¨hrt, so daß das Verha¨ltnis des innerem zum a¨ußeren Durchmesser sehr viel kleiner als 1 ist. Solche Strukturen wurden schon in Abschnitt 3.2 beschrieben. Das AFM-Bild in Abb. 4.2(c) zeigt die Oberfla¨che 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 63 Abb. 4.3: (a) Typische, D = 560 nm große O¨ffnung einer RUNT, die sich aus einer In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischicht gebildet hat. Das RHEED-Muster wurde ”spot- ty“ nach d1 = 1, 8 nm wa¨hrend des Wachstums der In0,5Ga0,5As-Schicht. (b) Die D = 150 nm große O¨ffnung einer RUNT, die aus einer InAs/GaAs- Bischicht hergestellt wurde. Das RHEED-Muster wurde ”spotty“ nach d1 = 0, 5 nm des Wachstums der InAs-Schicht. (c)-(d) AFM-Bilder der Oberfla¨che der Bischichten, die die Nanostrukturen in (a)-(b) gebildet haben. Das Ein- schub ist eine 1×1 µm2 große Vergro¨ßerung dieser Bilder, in der die RMS bestimmt wurde. der korrespondierenden Bischicht und ist typisch fu¨r glattes, pseudomorphes GaAs. Diese GaAs-Oberfla¨che besteht hauptsa¨chlich aus Monolagen hohen, zweidimensio- nalen Inseln [70]. Die RUNT in Abb. 4.2(b) hat einen inneren Durchmesser von D = 245 nm und hat sich aus einer d = 4 nm dicken In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht gebildet. Das AFM-Bild der Oberfla¨che dieser Bischicht (Abb. 4.2(d)) zeigt an, daß die Oberfla¨che wa¨hrend des gesamten Wachstumsprozesses glatt geblieben ist. Eine weitere Kategorie von Nanoro¨hren ist in den Abb. 4.3(a)-(b) zu sehen. Abbil- dung 4.3(a) zeigt eine RUNT, die aus einer d = 12 nm dicken In0,5Ga0,5As/GaAs- Bischicht entstanden ist und einen Durchmesser von D = 560 nm aufweist. Die RUNT hat mehrere Umdrehungen auf der Substratoberfla¨che durchgefu¨hrt. Aus dem AFM-Bild der Bischicht in Abb. 4.3(c) wird klar, daß sich der Wachstumsmodus von einem Lagenwachstum zu einem Inselwachstum gea¨ndert hat (siehe Abschnitt 2.3). Die Vera¨nderung des RHEED-Musters hat angezeigt, daß die Inselbildung spa¨testens 64 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.4: (a)REM-Bild einer langen RUNT, die sich aus der d = 12 nm dicken In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischicht gebildet hat. (b) TEM-Querschnittsaufnahme einer d = 29 nm dicken In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischicht gewachsen auf einer AlAs-Opferschicht. Obwohl die theoretische kritische Schichtdicke u¨berschritten wurde, zeigt die Schicht keine Versetzungsbildung. (c) TEM- Querschnittsaufnahme einer nominell d = 24 nm dicken In0,5Ga0,5As/GaAs- Bischicht gewachsen auf einer AlAs-Opferschicht. In der Bischicht hat sich ein dichtes Versetzungsnetzwerk gebildet. Die starke Oberfla¨chemodulation er- schwert die exakte Dickenbestimmung aus der TEM-Aufnahme. oberhalb einer In0,5Ga0,5As-Schichtdicke von d1 = 1, 8 nm eingesetzt hat. Aus den AFM-Bildern der anderen Bischichtoberfla¨chen (nicht gezeigt) ist zu erkennen, daß die Inselformation schon ab d1 = 1 nm einsetzt. Da die AFM-Daten einen bes- seren Indikator fu¨r die Inselbildung darstellen, wird die kritische Schichtdicke zu tc = 1 nm fu¨r diese Indiumkonzentration und Wachstumsbedingungen angenom- men. Es ist bekannt [72–74], daß im Fall von In0,5Ga0,5As erst die Bildung von kleinen Insel statt findet, gefolgt von der Bildung eines Versetzungsnetzwerkes fu¨r dickere In0,5Ga0,5As-Schichten. Das AFM-Bild in Abb. 4.3(c) zeigt eindeutig, daß die mit GaAs u¨berwachsene In0,5Ga0,5As-Schicht eine sehr rauhe Oberfla¨che ausbildet, die eine dreidimensionale Morphologie aufweist. U¨berraschender Weise war die Bi- schicht sehr gut geeignet, um RUNTs auf der Substratoberfla¨che zu bilden, obwohl die Bischicht von geringer Materialqualita¨t ist. Das REM-Bild in Abb. 4.4(a) zeigt eine typische RUNT, die sich aus dieser Bischicht gebildet hat. Die Gesamtla¨nge der RUNT liegt bei u¨ber 300 µm ohne weitere Defekte1 (nicht gezeigt). Weiter hat die RUNT mehrere Umdrehungen wa¨hrend des Aufrollprozesses durchgefu¨hrt. Dies zeigt an, daß das Auftreten dreidimensionaler Insel und Versetzungen die Bischicht nicht am Aufrollen hindern [16]. 1 Definiert wie in Abschnitt 3.2.3 als O¨ffnungen in der RUNT-Wand in vergleichbarer Gro¨ße mit dem Durchmesser der O¨ffnung 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 65 Abbildung 4.3(b) zeigt die O¨ffnung einer RUNT mit D = 150 nm, die aus einer d = 2, 8 nm dicken InAs/GaAs-Bischicht entstanden ist. Wa¨hrend des Wachstums der InAs-Schicht wurde das RHEED-Muster nach d1 = 0, 5 nm ” spotty“. Dies entspricht der erwarteten, kritischen Schichtdicke zur Bildung von InAs-Inseln [72, 74]. Fu¨r dickere InAs-Schichten setzt die Bildung von Versetzungen ein [72]. Die InAs-Inseln werden wa¨hrend des Wachstum der Bischicht mit GaAs bedeckt. Im AFM-Bild in Abb. 4.3(d) sind die InAs-Insel eindeutig zu sehen und sind ebenfalls im REM-Bild der Probe (Abb.4.3(a)) zu erkennen. In Abb. 4.4(b) und 4.4(c) ist jeweils eine TEM-Querschnittsaufnahme einer In0,14- Ga0,86As/GaAs-Bischicht, bzw. einer In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischicht zu sehen. In bei- den Aufnahmen ist die AlAs-Opferschicht gut zu erkennen, die sich unter der Inx- Ga1−xAs/GaAs-Bischicht befindet. Die In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischicht in Abb. 4.4(b) hat eine Dicke von 29 nm, zeigt aber keinerlei Versetzungsbildung, obwohl die In0,14- Ga0,86As-Schichtdicke deutlich u¨ber der nominellen kritischen Schichtdicke nach Ref. [35] liegt. Die beiden einzelnen Schichten, die die Bischicht bilden, sind auf Grund der geringen Indiumkonzentration nicht zu identifizieren. Abbildung 4.4(c) zeigt eine nominell d = 24 nm dicke In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischicht. Fu¨r diese In0,5- Ga0,5As-Schicht gilt d1 > tc, und die Bischicht zeigt ein dichtes Versetzungsnetzwerk, das eine stark modulierte Oberfla¨che bedingt. Diese Oberfla¨chenmodulation bewirkt die in den AFM-Bildern zu sehende, starke Oberfla¨chenrauhigkeit. Die Spannungs- felder des Versetzungsnertzwerkes verhindern eine deutliche Separation der beiden Schichten, die die Bischicht bilden. Abbildungen 4.5(a)-(c) fassen die RUNT-Durchmesser D als Funktion der Bischicht- dicke d fu¨r alle InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten, die in dieser Studie hergestellt wur- den, zusammen. Ferner ist das Verha¨ltnis der RMS zur Bischichtdicke (relative Rauhigkeit rRMS = RMS/d) als Funktion der Bischichtdicke d gezeigt. Wie in Ab- schnitt 2.1.2 diskutiert, ist ein analytischer Ausdruck fu¨r D(d, ε) sowohl fu¨r den ebenen Verzerrungszustand als auch den ebenen Verspannungszustand (siehe Glei- chung 2.1) bekannt, so daß theoretische Linien durch Einsetzen der Material- und Bischichtparameter berechnet werden ko¨nnen. Fu¨r die Rechnungen wurden die ela- stischen Moduli in <010>-Richtung fu¨r GaAs und die verschiedenen InxGa1−xAs- Legierungen verwendet (Abschnitt 2.2.1), das Poission-Verha¨ltnis ν wird zu 0,3 an- genommen [39]. Die Verzerrung ε wird aus der Gitterfehlanpassung zwischen der InxGa1−xAs-Schicht und der GaAs-Schicht berechnet (Abschnitt 2.2.1). Theoreti- sche Linien wurden fu¨r den ebenen Verspannungszustand und den ebenen Verzer- rungszustand berechnet und in den Abb. 4.5(a)-(c) angegeben. Da in Abb. 4.5(a)-(d) die Abszisse durch die Bischichtdicke d gegeben ist, wird ei- ne kritische Bischichtdicke fu¨r symmetrische Bischichten dc definiert, die anzeigt, welche Bischichten eine InxGa1−xAs-Schicht beinhalten mit d1 > tc. Diese kritische Bischichtdicke ist dc = 2tc und wurde in Abb. 4.5(a)-(d) fu¨r die verschiedenen Indi- 66 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren umkonzentrationen x eingezeichnet. Fu¨r x = 0, 14 und x = 0, 33 sind Werte aus der Literatur nach Ref. [35] angegeben. Fu¨r x = 0, 5 wurde tc aus AFM-Analysen der Bischichtoberfla¨chen bestimmt, fu¨r x = 1 wurde der bekannte ” streaky“-zu- ” spot- ty“-U¨bergang des RHEED-Musters beobachtet und der Wert mittels AFM-Analyse besta¨tigt. In Abb. 4.5(a) ist D(d) und rRMS(d) fu¨r die In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischicht gezeigt. Die experimentell bestimmten Durchmesser stimmen gut mit den erwarteten theo- retischen Durchmessern fu¨r den ebenen Verzerrungszustand u¨berein. Nur fu¨r die Bischichten mit D > 3, 5 µm wurden Nanostrukturen beobachtet, die auf einen leicht zu kleinen Durchmesser hinweisen. Fu¨r diese Bischicht war die RUNT-Bildung schlecht ausgepra¨gt, so daß die experimentell bestimmten Durchmesser unzuverla¨ssig sind. Der Bereich wurde deshalb mit einer grauen Ellipse in Abb. 4.5(a) markiert. Diese schlecht ausgebildete RUNT-Bildung wird der großen Bischichtdicke zu ge- schrieben, so daß die symmetrische Bischichtdicke von d = 60 nm die obere Grenze der RUNT-Bildung fu¨r die Indiumkonzentration von x = 0, 14 darstellt. Alle Bischichten weisen eine geringe relative Rauhigkeit auf (rRMS < 0, 1), was eine glatte Oberfla¨chenmorphologie anzeigt. Insbesondere weisen Bischichten mit d dc, also d1  tc fu¨r Versetzungsbildung nach Ref. [35], keine erho¨hte rRMS auf. TEM- Aufnahmen der Bischicht mit d = 29 nm zeigen allerdings keine Versetzungsbildung (Abb. 4.4(b)), obwohl die erwartete kritische Schichtdicke tc u¨berschritten ist. Dies zeigt an, daß tc in diese Studie auf Grund der gewa¨hlten Wachstumsbedingungen von der kristischen Schichtdicke in Ref. [35] abweichen ko¨nnte. Abbildung 4.5(b) zeigt die beiden GraphenD(d) und rRMS(d) fu¨r die In0,33Ga0,67As/- GaAs-Bischichten. Die RUNT-Durchmesser fu¨r D < 100 nm und D > 600 nm stim- men gut mit den theoretisch berechneten Durchmessern fu¨r den ebenen Verzerrungs- zustand u¨berein, wa¨hrend im Bereich zwischen D = 100 nm und D = 600 nm die experimentell bestimmten Durchmesser zu leicht gro¨ßeren Werten abweichen als fu¨r die Randbedingungen des ebenen Verzerrungszustandes zu erwarten ist. Die beob- achteten Durchmesser in dieser Studie sind in guter U¨bereinstimmung mit fru¨heren Werten fu¨r diese Indiumkonzentration [114]. Fu¨r Bischichten mit einer In0,33Ga0,67As-Schicht d1 > 3, 5 nm (d > dc mit dc = 7 nm) wurde ein ” spotty“ RHEED-Muster wa¨hrend des Wachstums beobachtet, das auf die Bildung von Inseln hinweist [72]. U¨berraschender Weise zeigen die Bischichten gute RUNT-Bildung, und die experimentell bestimmten RUNT-Durchmesser sind in guter U¨bereinstimmung mit Werten der kontinuumsmechanischen Theorie, die fu¨r pseudomorphe Schichten entwickelt wurde. Alle Bischichtoberfla¨chen sind nach dem GaAs-Wachstum glatt und die relative Rauhigkeit ist kleiner 0,1. Eine Ausnahme bildet die du¨nnste Bischicht mit rRMS ≈ 0, 18. In Abb. 4.5(c) ist D(d) und rRMS(d) fu¨r die In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischichten aufge- 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 67 Abb. 4.5: Durchmesser D (Quadrate) sowie rRMS (Dreiecke) als Funktion der InxGa1−x- As/GaAs-Bischichtdicke d. Gestrichelte Linien markieren den theoretisch er- warteten Durchmesser fu¨r den ebenen Verzerrungszustand und den ebenen Verspannungszustand. Die Linie dc markiert Bischichten mit d1 > tc. Mit grauen Ellipsen markierte Bischichten wiesen wiederholt keine gute RUNT- Bildung auf. (a) D(d) und rRMS(d) der In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischichten. (b) D(d) und rRMS(d) der In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten. (c)D(d) und rRMS(d) der In0,5Ga0,5As/GaAs-Bischichten. (d) D(d) und rRMS(d) der InAs/GaAs- Bischichten. 68 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren tragen. Die experimentell bestimmten RUNT-Durchmesser sind gro¨ßer als die er- warteten Werte nach Theorie fu¨r d > 4 nm (d > dc; d1 > tc). Keine gut entwickelte RUNT-Bildung wurde fu¨r Bischichten mit d = 2 nm beobachtet. Dieser Punkt wur- de deshalb mit einer grauen Ellipse in Abb. 4.5(c) markiert. Fu¨r diese Bischicht zeigt die AFM-Analyse der Bischichtoberfla¨che das Einsetzen der Inselbildung. Dies fu¨hrt zu einer sehr rauhen Oberfla¨chenmorphologie. Deshalb wird das Ausbleiben des Aufrollprozesses (die Bischicht hat sich immer vom Substrat abgelo¨st) dieser hohen Rauhigkeit zugeschrieben. Der Wert von rRMS > 1 fu¨r diese Bischicht zeigt an, daß die obere GaAs-Schicht nicht die Oberfla¨che vollsta¨ndig bedeckt und somit nicht geschlossen ist. Ein a¨hnlicher Effekt wird beim U¨berwachsen von selbstorga- nisierenden InAs-Inseln beobachtet [120], wobei die Inseln beim U¨berwachsen mit einer du¨nnen InGaAs-Schicht nicht komplett bedeckt werden. Auf Grund dieser GaAs-freien Stellen tritt keine ausreichend gute RUNT-Bildung ein. Fu¨r alle Bischichten mit d1 > tc (d > dc) wird rRMS ≈ 0, 1 bestimmt. Dieser relative hohe Wert wird durch die Inselbildung wa¨hrend des Wachstums der In0,5Ga0,5As- Schicht bedingt. Wie schon erwa¨hnt wurde, bildet In0,5Ga0,5As zuna¨chst kleine Inseln, worauf dann die Formation eines Versetzungsnetzwerkes folgt, wenn die In0,5Ga0,5As-Schichtdicke die kritische Schichtdicke u¨berschreitet (d1 > tc). Die Rau- higkeit, die von den Inseln verursacht wird, sowie das Versetzungsnetzwerk bleiben wa¨hrend des U¨berwachsens mit GaAs erhalten. Es ist darauf hinzuweisen, daß alle Bischichten mit d > 4 nm gute RUNT-Bildung zeigen. Alle gebildeten RUNTs, die sich aus diesen Bischichten entwickelt haben, haben wa¨hrend der Bildung mehrere Umdrehungen auf der Oberfla¨che durchgefu¨hrt (siehe Abb. 4.3(a) und 4.4(a) fu¨r typische Nanoro¨hren). Anzumerken ist, daß die TEM-Aufnahmen der gewachsenen Bischicht mit d = 24 nm ein dichtes Versetzungsnetzwerk zeigen (Abb. 4.4(c)), somit d tc fu¨r diese Probe gegeben ist. Fu¨r die InAs/GaAs-Bischichten wird D(d) und rRMS(d) in Abb. 4.5(d) gezeigt. Al- le experimentell bestimmten Durchmesser sind signifikant gro¨ßer als die berechne- ten Durchmesser nach kontinuumsmechanischer Theorie fu¨r alle Bischichten mit d > dc. Fu¨r alle InAs-Schichten mit d1 > tc wurde ein ” spotty“ RHEED-Muster wa¨hrend des Wachstums beobachtet, und die AFM-Analyse weist eindeutig Insel- bildung fu¨r diese Bischichten nach. Da die gebildeten Inseln gro¨ßer sind als fu¨r In0,5Ga0,5As [72, 73], ist rRMS(d) gro¨ßer fu¨r alle InAs/GaAs-Bischichten mit d > dc. Die Oberfla¨chenmorphologie wird dreidimensional fu¨r d1 > tc und damit rRMS  0, 1, aber gut entwickelte RUNT-Bildung wird fu¨r alle Bischichten mit d > 2, 8 nm beobachtet. In gleicher Weise wie fu¨r In0,5Ga0,5As wird keine RUNT-Bildung fu¨r die Bischicht mit einer InAs-Schicht von d = 1, 7 nm beobachtet (graue Ellipse in Abb. 4.5(d); rRMS ≈ 2, 5). Das Ausbleiben des Auffrollens wird deshalb wieder der großen Rauhigkeit zugeschrieben. Diese Rauhigkeit zeigt ein a¨hnliches Verhalten der Bischicht wa¨hrend 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 69 Abb. 4.6: Betrag der relativen Abweichung des RUNT-Durchmessers zum theoretisch erwarteten Wert (ebene Verzerrung) als Funktion der relativen Rauhigkeit. Die vertikale Line markiert rRMS = 0, 09, die horizontale Linie eine relative Abweichung von 18%. des Wachstums der oberen GaAs-Schicht an, wie er im Fall von In0,5Ga0,5As fu¨r die Bischichtdicke von d = 2 nm diskutiert wurde. Die oben beschriebenen Daten legen nahe, daß u¨ber einen weiten Bereich von Indi- umkonzentrationen und Bischichtdicken der RUNT-Durchmesser gut von konntinu- umsmechanischer Theorie beschrieben werden kann und dabei zu den Werten des ebenen Verzerrungszustand tendiert. Um die systematische Abweichung einiger Proben von der kontinuumsmechanischen Theorie weiter zu untersuchen, wurde der Betrag der relative Abweichung zum theo- retischen Durchmesser (ebene Verzerrung) als Funktion von rRMS in Abb. 4.6 aufge- tragen. Die vertikale Linie markiert rRMS = 0, 09, die horizontale Linie eine relative Abweichung von 18%; dies entspricht der oberen Grenze fu¨r den anzunehmenden experimentellen Fehler. Diese Linien unterteilen Abb. 4.6 in vier Quadranten (I bis IV). Der Verlauf der Daten in Abb. 4.6 zeigt an, daß fu¨r RUNTs aus Bischichten mit d > dc die Durchmesser den theoretisch erwarteten entsprechen, wenn die korre- spondierenden Bischichten eine geringe relative Rauhigkeit aufweisen (rRMS < 0, 09). RUNTs aus Bischichten mit d > dc haben Durchmesser, die eine signifikante Abwei- chung von den erwarteten theoretischen Durchmessern zeigen, wenn die korrespon- dierenden Bischichten zu einer großen relativen Rauhigkeit tendieren (rRMS > 0, 09). Dies la¨ßt eine Korrelation zwischen rRMS und der relativen Abweichung vermuten. 70 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren So sind in Abb. 4.6 RUNTs, die aus einer Bischicht mit d dc entstanden sind, aber eine rRMS < 0, 09 aufweisen, vor allem im Quadranten III zu finden (In0,14Ga0,14As/- GaAs-Proben und In0,33Ga0,33As/GaAs-Proben). Eine systematische Abweichung zu zu großen Durchmessern tritt erst auf, wenn Bischichten mit d  dc eine rRMS > 0, 09 zeigen. Diese RUNTs sind vor allem im Quadrant I zu finden, wie dies der Fall fu¨r In0,5Ga0,5As/GaAs- und InAs/GaAs-Proben ist. Dieses Verhalten wird der rau- hen, dreidimensionalen Oberfla¨chenmorphologie dieser Bischichten zugeschrieben, die es den Bischichten erlaubt, die hohe Verspannung, die durch den großen Indium- gehalt bedingt wird, abzubauen. Die Bildung von Versetzungen oder Inseln in der Bischicht wa¨hrend des Wachstums der InxGa1−xAs-Schicht baut die Verspannung zwischen Substrat und der InxGa1−xAs-Schicht ab, hat aber keinen signifikanten Einfluß auf den Verspannungszustand der Bischicht, solange diese eine glatte, zwei- dimensionale Oberfla¨chenmorphologie entwickelt. Es kann vermutet werden, daß auf Grund der Relaxation der InxGa1−xAs-Schicht die GaAs-Schicht dehnungsverspannt zu der versetzten InxGa1−xAs-Schicht aufwa¨chst und somit der Verspannungszu- stand der Bischicht erhalten bleibt. Große, systematische Abweichungen des experi- mentell bestimmten RUNT-Durchmessers erst fu¨r Proben mit Bischichten, die eine große relative Rauhigkeit aufweisen, beobachtet, da auf Grund der stark modulier- ten Oberfla¨che (siehe zum Beispiel TEM-Queschnittsaufnahme in Abb. 4.3(c)) das GaAs seine Dehnungsverspannung abbauen kann. Die leichte Abweichung zu gro¨ßeren Durchmessern als theoretisch erwartet fu¨r In0,33- Ga0,67As/GaAs-RUNTs mit Durchmessern zwischen D = 100 nm und D = 600 nm scheinen nicht von einer großen rRMS verursacht zu werden. Hierfu¨r spricht, daß alle Bischichten ein pseudomorphes Wachstum zeigten (d < dc) und rRMS < 0, 09 ist (Proben sind im Quadranten II in Abb. 4.6 zu finden). Stattdessen wird als Ursache fu¨r diese leichten Abweichungen des RUNT-Durchmessers in diesem Be- reich Indiumsegregation wa¨hrend des Wachstums der pseudomorphen InxGa1−xAs- Schicht angenommen. Segregation erzeugt einen zu geringen Indiumgehalt in der In0,33Ga0,67As-Schicht. Dies setzt die inha¨rente Verspannung in der Bischicht herab. Daraus resultiert ein gro¨ßerer RUNT-Durchmessern als fu¨r die Indiumkonzentration erwartet. Da Indiumsegregation fu¨r geringe Indiumkonzentrationen [75, 77] weniger stark ausgepra¨gt ist, wird dieser Effekt nicht fu¨r die In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischichten beobachtet. Fu¨r In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten mit d > 15 nm wird der Effekt auf Grund des typischen Indiumsegregationsprofiles [75, 78] in den Schichten ebenfalls nicht beobachtet. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um das Ausbleiben des Effektes fu¨r In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten mit d < 1 nm zu erkla¨ren. Interessanter Weise werden keine signifikanten, systematischen Abweichungen du¨n- ner, pseudomorpher Bischichten zu kleineren RUNT-Durchmessern als die theore- tisch erwarteten beobachtet, wie dies in der Literatur an einigen Stellen vorherge- sagt wurde [14, 15]. In dieser Arbeit wurden als kleinste Durchmesser ca. 20 nm 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 71 Abb. 4.7: RUNT-Durchmesser als Funktion der Bischichtdicke. Die experimentellen Durchmesser fu¨r alle RUNTs der verschiedenen Bischichten sind markiert. Hierbei sind mit hohlen Symbolen Bischichten markiert, die keine gute RUNT- Bildung zeigten. In der hellgrauen Region wurde keine RUNT-Bildung be- obachtet (obere Grenze der RUNT-Bildung), die dunkelgraue Region ist der Bereich, in dem alle experimentell beobachteten Durchmesser zu Bischicht- kombinationen liegen. In dem weiß markierten Bereich liegen die Durchmes- ser zu Bischichtkombinationen, die nicht realisiert werden ko¨nnen. Die Gren- ze wird von einem experimentell beobachteten Minimum markiert, wa¨hrend die gestrichelte Linie das theoretische Minimum des Durchmessers fu¨r glatte InAs/GaAs-Bischichten (maximale Verspannung) angibt. erreicht (siehe zum Beispiel Abb. 3.5); in Ref. [14, 15] wird dagegen ein minimaler RUNT-Durchmesser von ca. 2 nm berichtet, der aber im Rahmen dieser Arbeit nicht reproduziert werden konnte. Das Durchmesserdiagramm fu¨r symmetrische InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten Um die experimentellen Ergebnisse zusammenzufassen, wurde in Abb. 4.7 ein Durch- messerdiagramm fu¨r RUNTs, die sich aus symmetrischen InxGa1−xAs/GaAs-Bi- schichten bilden, erstellt. Es gibt einen U¨berblick u¨ber die herstellbaren RUNT- Durchmesser in Abha¨ngigkeit der InxGa1−xAs/GaAs-Bischichtkombinationen. Alle in dieser Studie gefundenen Durchmesser sind in dem Diagramm vermerkt. Der hellgraue Bereich in Abb. 4.7 markiert Durchmesser zu Bischichtkombinationen, fu¨r die keine gut entwickelte RUNT-Bildung beobachtet werden konnte. Die Grenze zum Bereich guter RUNT-Bildung ist durch die theoretische Durchmesserkurve fu¨r 72 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren symmetrische In0,05Ga0,95As/GaAs-Bischichten markiert (hohle Achtecke). In die- sem Bereich wurden die gefalteten Strukturen beobachtet (Abb. 4.1). Auf Grund dieser Ergebnisse ist es unwahrscheinlich, daß RUNTs mit extrem großem Durch- messer von du¨nnen Bischichten produziert werden ko¨nnen. Weiter zeigen diese Er- gebnisse an, daß der Aufrollprozeß nicht nur durch das Erreichen des kontinuums- mechanischen Gleichgewichtes bestimmt wird, sondern von anderen Faktoren, wie z.B. der Indiumkonzentration oder der experimentellen Umgebung, abha¨ngt. Dieser Punkt wird weiter unterstu¨tzt von den experimentellen Ergebnissen, daß sehr dicke In0,14Ga0,86As/GaAs-Bischichten ebenfalls kein gutes Aufrollverhalten zeigen. Fu¨r diese symmetrischen Bischichten wurde anscheinend ein Schichtdickenlimit erreicht (markiert mit einem hohlen Quadrat). Der dunkelgraue Bereich in Abb. 4.7 markiert Durchmesser zu Bischichtkombina- tionen, die gut entwickelte RUNT-Bildung zeigen. Alle experimentell untersuchten RUNT-Durchmesser zu InxGa1−xAs/GaAs-Bischichtkombinationen werden hier ge- funden. Der RUNT-Durchmesser kann u¨ber diesen Bereich durch die entsprechende Wahl von x und d skaliert werden. Auch die Durchmesser von RUNTs, die aus asym- metrischen Bischichten mit d1 < d2 entstehen, fallen in diesen dunkelgrauen Bereich, wie in Abschnitt 4.1.2 gezeigt werden wird. Diese asymmetrischen Bischichten stellen eine interessante Alternative dar, um den Durchmesser einzustellen. Die weiße Region in Abb. 4.7 markiert die nicht herstellbaren RUNT-Durchmesser zu InxGa1−xAs/GaAs-Bischichtkombinationen. Die untere Grenze der realisierbaren RUNT-Durchmesser fu¨r diese Materialkombination ist durch eine experimentell be- stimmte Line zwischen dem grauen und weißen Bereich gegeben. Die gestrichelte Linie zeigt das theoretische Durchmesserminimum an, das mit InxGa1−xAs/GaAs- Bischichten erreicht werden ko¨nnte. Hierfu¨r mu¨ßten glatte InAs/GaAs-Bischichten herstellbar sein. Da dies nicht mo¨glich ist, ergibt sich der beobachtete Unterschied des experimentell erreichten zum theoretisch erwarteten Durchmesserminimum. 4.1.2 Asymmetrische Bischichten Im vorherigen Abschnitt wurde die Skalierbarkeit von RUNTs, die aus symmetri- schen Bischichten entstanden sind, im Detail untersucht und ein Durchmesserdia- gramm fu¨r diese Klasse von Nanostrukturen entwickelt. Hierbei wurde erwa¨hnt, daß eine andere Methode zur Durchmessereinstellung durch den Aufbau asymme- trischer Schichten (d1 6= d2) mo¨glich ist. Solche Strukturen sind von Bedeutung, wenn dicke, pseudomorphe Bischichten hergestellt werden mu¨ssen, z.B. um zweidi- mensionale Elektrongase [121–123], Quantumwells fu¨r Photolumineszenz [124, 125] oder resonate Ramanspektroskopie einzurollen. Es ist von großer Bedeutung, daß diese Art von Strukturen frei von Versetzungen oder anderen Wachstumsdefekten 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 73 sind, da ansonsten die strukturelle Qualita¨t2 nicht ausreichend ist, quantenphysika- lische Pha¨nomene, wie z.B. dem Quantum-Hall-Effekt [44, 121, 126], beobachten zu ko¨nnen. In diesem Abschnitt wird das Skalierungsverhalten du¨nner, asymmetrischer InAs/Ga- As-Bischichten untersucht. Auf Grund der geringen kritischen Schichtdicke (ca. 1,6 ML) [35] ist die InAs-Schicht nur 1,4 ML dick. Dabei werden d1 zu d2 Verha¨ltnisse bis zu 1 : 20 realisiert. Der experimentell beobachtete Durchmesser wird mit theo- retisch erwarteten Durchmessern aus der kontinuumsmechanischen Theorie nach Abschnitt 2.1.2 verglichen. Wie in Abschnitt 4.1.1 wurde eine Reihe von InAs/GaAs-Bischichten mittels MBE hergestellt. Um Indiumsegregation zu minimieren, wurden die Bischichten 70◦Cunter der Phasenu¨bergangstemperatur der c(4×4) zur (2×4) Oberfla¨chenrekonstruktion gewachsen [75]. Der gesamte Wachstumsprozeß wurde mittels RHEED u¨berwacht. Wa¨hrend des gesamten Wachstums der einzelnen Bischichten wurde ein ” streaky“ RHEED-Beugungsmuster beobachtet, das eine glatte Oberfla¨chenmorphologie an- zeigt. Fu¨r die verschiedenen InAs/GaAs-Bischichten wurde die InAs-Schicht kon- stant bei d1 = 1, 4 ML gelassen und die GaAs-Schicht von d2 = 4, 4 ML bis d2 = 20, 4 ML variiert. Alle Schichten wurden auf eine 2,8 nm dicke AlAs-Opferschicht aufgewachsen. Vor dem ex situ A¨tzschritt mit einer HF-Tensid-Lo¨sung (5-25 vol% HF) wurde die Bischicht angekratzt, um Startlinien in <010>-Richtung zu definie- ren. In Abschnitt 4.1.1 wurde diskutiert, daß die obere GaAs-Schicht mit der Zeit oxi- diert. Im Gegensatz zu Abschnitt 4.1.1 wurde in Ref. [114] eine Oxiddicke von 2-4 ML angenommen, wa¨hrend in Abschnitt 4.1.1 von 2 ML ausgegangen wird. Um die Oxid- dicke besser abscha¨tzen zu ko¨nnen, wurde deshalb eine TEM-Querschnittsaufnahme einer InxGa1−xAs/GaAs-Bischicht angefertigt. Von allen InAs/GaAs-Bischichten wurde die Oberfla¨chenmorphologie mittels AFM untersucht, und die RMS fu¨r ein 1×1 µm2 großen Bereich ermittelt. Die RUNT- Durchmesser wurden an verschiedenen, typischen RUNTs (7-10 Objekte) mittels REM ausgemessen. Die TEM-Querschnittsaufnahme der InxGa1−xAs/GaAs-Bischicht ist in Abb. 4.8(a) gezeigt. Die Probe wurde fu¨r 33 Tage der Laborluft ausgesetzt. Die nominelle Bi- schichtdicke ist d = 5, 3 nm, aber aus der TEM-Aufnahme ist zu erkennen, daß d = 4, 8 nm betra¨gt. Da die InGaAs-Schicht die nominell korrekte Dicke hat, wird 2 Dies gilt insbesondere fu¨r Versetzungen, die die Mobilita¨t fu¨r die freien Ladungstra¨ger ein- schra¨nkt, so daß die mittlere freie Wegela¨nge der Ladungstra¨ger soweit absinkt, daß die Be- obachtung von Quantenpha¨nomenen nicht mehr mo¨glich ist. Des Weiteren stellen Versetzun- gen Rekombinatinszentren fu¨r Elektronen-Loch-Paare dar, so daß die Luminezenzeffekte eines Quantumwells gesto¨rt sind und nicht beobachtet werden ko¨nnen [44]. 74 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.8: (a) TEM-Querschnittsaufnahme einer InxGa1−xAs/GaAs-Bischicht. Die Bi- schicht wurde auf eine AlAs-Opferschicht gewachsen. Beachtenswert ist die Reduzierung der GaAs-Schicht durch die Bildung des Oberfla¨chenoxides. (b) Typische AFM-Aufnahme, die die Oberfla¨chenmorphologie einer InAs/GaAs- Bischicht zeigt. Die Gro¨ße des aufgenommenen Bereiches ist 1×1 µm2. ein Verlust von 0,5 nm der GaAs-Schicht abgeleitet, das sind ca. 2 ML, die durch die Oxidbildung aufgebraucht wurden. Somit erscheint ein Verlust von 2 bis 3 ML GaAs auf Grund der Oberfla¨chenoxidation eine gerechtfertigte Annahme. Abb. 4.8(b) zeigt eine typische AFM-Aufnahme einer Bischichtoberfla¨che. Die Auf- nahme wurde vor dem A¨tzen mit der HF-Lo¨sung angefertigt. Sie zeigt eine glatte Oberfla¨chenmorphologie, in der die GaAs-Oberfla¨che aus zweidimensionalen Inseln mit Monolagen hohen Stufen gebildet wird [70]. Abbildung 4.9(a) und 4.9(b) zeigen zwei typische RUNT-O¨ffnungen zweier Na- noro¨hren, die aus den asymmetrischen InAs/GaAs-Bischichten entstanden sind. Die RUNT in Abb. 4.9(a) ist aus einer du¨nnen InAs/GaAs-Bischicht mit nominell d = 7, 8 ML entstanden, ihr innerer Durchmesser ist D = 35 nm. Typisch fu¨r RUNTs mit solch kleinem Durchmesser hat sie mehrere Umdrehungen wa¨hrend der Bildung durchgefu¨hrt, so daß das Verha¨ltnis von Innen- zu Außendurchmesser kleiner 1 ist. Das andere Extrem des untersuchten Durchmesserbereiches wird in Abb. 4.9(b) re- pra¨sentiert. Die RUNT weist D = 550 nm auf, sie ist aus einer InAs/GaAs-Bischicht mit nominell d = 21, 8 ML entstanden. Abbildung 4.10 zeigtD(d) und rRMS(d) fu¨r die verschiedenen, asymmetrischen InAs/- GaAs-Bischichten. Wie in Abschnitt 4.1.1 wurde die obere GaAs-Schicht um 2 ML korrigiert, um die Verringerung von d2 durch die Oxidbildung zu beru¨cksichtigen. Die angenommene Oxiddicke ist somit etwas geringer als die 2-4 ML in Ref. [114]. Weiter wurden die erwarteten Durchmesser nach kontinuumsmechanischer Theo- rie nach Gleichung 2.1 markiert (analog zu den symetrischen Durchmessern). Die Materialparameter fu¨r die <010>-Richtung, die in Tabelle 2.1 in Abschnitt 2.2.1 vermerkt sind, wurden verwendet. In Blau sind die theoretischen Kurven fu¨r 2 und 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 75 Abb. 4.9: REM-Bilder typische RUNTs, die sich von InAs/GaAs-Bischichten unter- schiedlicher Dicke gebildet haben. (a) Nominelle Bischichtdicke: d1 = 1, 4 ML InAs und d2 = 6, 4 ML GaAs. (b) Nominelle Bischichtdicke: d1 = 1, 4 ML InAs und d2 = 20, 4 ML GaAs. 3 ML Oxiddicke, die in Ref. [114] verwendet wurde, eingezeichnet. Aus Abb. 4.10 wird ersichtlich, daß D(d), ebenso wie die Durchmesser von RUNTs, die aus symmetrischen, glatten Bischichten entstanden sind, den theoretisch erwar- teten Werten fu¨r den ebenen Verzerrungszustand folgt. Nur fu¨r d > 5 nm ist eine leichte Abweichung zu gro¨ßeren Durchmessern zu beobachten. Ein a¨hnliches Ver- halten wurde fu¨r RUNTs, basierend auf einer symmetrischen In0,33Ga0,67As/GaAs- Bischicht, beobachtet. Es ist darauf hinzuweisen, daß die experimentellen Werte ebenfalls gut durch die theoretische Kurve nach Ref. [114] (ebener Verspannungs- zustand, 2-3 ML Oxiddicke) beschrieben werden. rRMS(d) ist fu¨r fast alle Proben kleiner als 0,1. Dies besta¨tigt die RHEED-Beobachtungen wa¨hrend des Wachstums, die fu¨r alle Proben eine glatte Oberfla¨chenmorphologie angezeigt habe. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß alle drei angegebenen theoretischen Kurven die experimentell bestimmen Durchmesserwerte gut beschreiben. Es ist wei- ter auffa¨llig, daß die theoretischen Kurven fu¨r eine Oxiddicke von 2 ML und 3 ML fu¨r d > 5 nm fast identisch sind. Dies zeigt an, daß die Oxidation der oberen GaAs-Schicht fu¨r Bischichtdicken d < 5 nm zu signifikanten A¨nderungen im erwar- teten Durchmesser fu¨hrt und beru¨cksichtigt werden muß. Fu¨r geringe Schichtdicken werden die beobachten RUNT-Durchmesser besser durch die Annahme des ebenen Verzerrungszustandes bei 2 ML Oxiddicke beschrieben (d < 4 nm), wa¨hrend fu¨r dickere Schichten (d > 4 nm) der ebene Verspannungszustand eine etwas besser Be- schreibung liefert. A¨hnlich wie fu¨r symmetrische In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten mit d > 4 nm weisen RUNTs fu¨r diesen Bischichtdickenbereich eine Tendenz zu leicht gro¨ßeren Durchmessern als die theoretisch erwarteten auf (Abschnitt 4.1.1). 76 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.10: RUNT-Durchmesser D als Funktion der InAs/GaAs-Bischichtdicke d fu¨r RUNTs, die aus asymmetrischen Bischichten entstanden sind. Weiter ist die relative Rauhigkeit rRMS als Funktion der Bischichtdicke d gezeigt. Theore- tisch erwartete Durchmesser nach kontinuumsmechanischer Theorie sind als gestrichelte Linie fu¨r den ebenen Verspannungszustand fu¨r 2 ML Oxiddicke markiert. Die blauen Kurven markieren den theoretisch erwarteten Durch- messer fu¨r den ebenen Verspannungszustand mit einer angenommen Oxid- dicke von 2-3 ML nach Ref. [114]. 4.1. Skalierbarkeit aufgerollter Nanoro¨hren 77 Dies wurde im Fall von symmetrischen In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht auf Indium- segregation zuru¨ckgefu¨hrt. Fu¨r die asymmetrischen InAs/GaAs-Bischichten reicht die maximale Bischichtdicke von d ∼ 6 nm nicht aus, um eine abschließende Be- urteilung treffen zu ko¨nnen, ob Segregation das Skalierungsverhalten beeinflußt. Es wird fu¨r die asymmetrischen Bischichten keine signifikante Abweichung zu kleineren Durchmessern, als theoretisch erwartet, festgestellt. 4.1.3 Schlußfolgerungen zur Durchmesserskalierbarkeit In den Abschnitten 4.1.1 und 4.1.2 wurde das Skalierungsverhalten des RUNT- Durchmessers experimentell untersucht und mit den Vorhersagen der kontinuums- mechanischen Modelle verglichen. Hierbei fa¨llt zuna¨chst das nicht intuitive Skalierungsverhalten der RUNTs aus du¨nnen Bischichten auf. So wurde in den ersten Arbeiten von Prinz et al. (Ref. [14, 15]) erwartet, daß der RUNT-Durchmesser fu¨r du¨nne Bischichten zu kleineren D ten- diert, als von der Kontinuumsmechanik vorhergesagt. Es wurde erwartet, daß fu¨r du¨nne Bischichten die Voraussetzungen der Kontinuumsmechanik auf Grund von Oberfla¨cheneffekte, z.B. durch Rekonstruktion, ungu¨ltig werden [16, 17]. Diese Er- wartung kann von den experimentellen Daten nicht besta¨tigt werden, die fu¨r glatte Bischichten eine gute U¨bereinstimmung mit der Theorie u¨ber einen weiten Bereich von symmetrischen und asymmetrischen Bischichtendicken, sowie Indiumkonzentra- tionen zeigen. Insbesondere werden fu¨r kleine Durchmesser und du¨nnen Bischichten keine signifikanten Abweichungen von der Theorie beobachtet. Weiter stu¨tzen die experimentellen Daten die U¨berlegungen aus Abschnitt 2.1.2, daß die RUNTs zu den Randbedingungen des ebenen Verzerrungszustandes tendieren. Vor allem fu¨r die symmetrischen InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten, die experimentell fu¨r Bischichtdicken d > 10 nm und Durchmesserbereichen D > 500 nm unter- sucht wurden, ist dieser Trend ausgepra¨gt. Fu¨r die asymmetrischen InAs/GaAs- Bischichten kann aus den gewonnen experimentellen Daten keine klare Tendenz abgelesen werden, da die experimentellen Werte sowohl mit einem ebenen Verzer- rungszustand als auch mit einem eben Verspannungszustand im Rahmen des Fehlers u¨bereinstimmen. Es ist darauf hinzuweisen, daß unabha¨ngig von der verwendeten Randbedingungen eine Verminderung der GaAs-Schichtdicke d2 von ca. 2-3 ML an- zunehmen ist. Weiteren Aufschluß u¨ber den vorherschenden Verspannungs-, bzw. Verzerrungszu- stand der RUNT ko¨nnte eine detaillierte Studie u¨ber den Durchmesser als Funktion der RUNT-La¨nge erbracht werden. Hierbei wird auf Grund der FEM-Ergebnisse erwartet, daß die Strukturen von einem durch den ebenen Verspannungszustand in einen ebenen Verzerrungszustand dominierten Zustand wechseln [29]. Fu¨r kom- 78 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren plexere Strukturen wie Mikrobu¨hnen [127] oder optische Resonatoren [128] werden die analytischen Lo¨sungen wahrscheinlich nur eine unzureichende Vorhersage der Objektgeometrie liefern ko¨nnen [26,29] Die experimentellen Daten zeigen weiter, daß, wie in Abschnitt 2.1.2 diskutiert, die Kontinuumsmechanik das elastische, und damit das thermodynamische Gleich- gewicht der RUNTs beschreibt. Insbesondere die Daten in Abschnitt 4.1.1 zei- gen, wie schon bei der Diskussion des Durchmesserdiagrammes fu¨r symmetrische InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten erwa¨hnt, daß die experimentellen Randbedingungen einen Einfluß auf die Formation der RUNTs haben ko¨nnen. 4.2 Radiale U¨bergitter Fu¨r Anwendungen in der Elektronik oder Optoelektronik ist ein detailliertes Wis- sen u¨ber den exakten Aufbau der RUNTs notwendig. Prinz et al. haben Hinweise gefunden, daß die aufgerollten Bischichten eine kristalline, defekt-behaftete Wand bilden ko¨nnen [117]. In diesem Abschnitt wird mit Hilfe von TEM, HRTEM, SAED und µ-Ramanspek- troskopie gezeigt, daß die Wand der RUNTs aus einer Abfolge von kristallinen und nicht-kristallinen Schichten bestehen kann, die jeweils wenige Nanometer dick sind. 4.2.1 Probenpra¨paration und experimentelle Aufbauten Um die RUNTs fu¨r diese Untersuchung herzustellen, wurde ein Schichtsystem aus 2,8 nm AlAs, gefolgt von 1,4 ML InAs und 14 ML GaAs, auf ein GaAs (001)- Substrat mittels MBE gewachsen. Die InAs/GaAs-Bischicht wurde vom Substrat ex situ durch A¨tzen mit einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzentration: 25 vol%) abgelo¨st. Nach der Bildung der Nanoro¨hre wurde das Substrat gebrochen, um vollsta¨ndig freistehend RUNTs zu erhalten (siehe Abschnitt 3.2.2). Solche vollsta¨ndig freistehende InAs/GaAs-RUNTs wurden fu¨r TEM, HRTEM und SAED verwendet. An vergleichbaren freistehenden InAs/GaAs-RUNTs wurde µ- Ramanspektroskopie durchgefu¨hrt. Fu¨r die µ-Ramanspektroskopie wurde ein Anre- gungslaser bei 633 nm (HeNe) verwendet, der eine maximale Leistung von 4 mW auf der Probe erreicht. Die Ramanspektren wurden mit einer Anregungsleistung von nur 0,04 mW aufgenommen. Ein weiteres TEM-Bild wurde an einer In0,33Ga0,67As/GaAs- basierten RUNT aufgenommen, die entsprechend der InAs/GaAs-basierten RUNTs aus einer MBE gewachsenen und pra¨parierten Bischicht entstanden ist. Fu¨r die Ramanspektroskopie an RUNTs auf dem Substrat wurden zwei Nanoro¨hren verwendet, die aus In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischichten entstanden sind (fu¨r genau Her- 4.2. Radiale U¨bergitter 79 Abb. 4.11: (a) TEM-Bild einer aufgerollten InAs/GaAs-basierten Nanoro¨hre. Der Kreis markiert den Bereich, in der SAED durchgefu¨hrt wurde. (b) Indiziertes SAED-Beugungsmuster der RUNT. Man beachte, daß die einzelnen Reflexe in zwei Punkte geteilt sind. Ein schwaches Signal nicht-kristallinen Ursprungs ist erkennbar (mit 1 markiert). stellung siehe Abschnitt 3.1). Der Durchmesser wurde durch Wahl der Bischichtdicke zu D = 15 nm und D = 120 nm eingestellt. Fu¨r die µ-Ramanspektroskopie wurde ebenfalls der HeNe-Laser verwendet, wobei sich die beiden In0,33Ga0,67As/GaAs- basierten RUNTs noch auf dem Substrat befanden. 4.2.2 Transmissionelektronenmikroskopie Abbildung 4.11(a) zeigt das TEM-Bild einer RUNT mit einem inneren Durchmesser von 230 nm, die zwei Umdrehungen wa¨hrend des Aufrollens durchgefu¨hrt hat. Das SAED-Muster, das u¨ber den gesamten Nanoro¨hrenquerschnitt gewonnen wurde, ist in Abb. 4.11(b) gezeigt. Es ist fu¨r die Reflexe von GaAs indiziert. Fu¨r fast jeden Re- flex sind zwei Beugungspunkte sichtbar. Dieser Effekt wird auf eine Fehlausrichtung der aufgerollten Bischichten, die die Wand der RUNT bilden, zuru¨ckgefu¨hrt. Diese Annahme wird durch das Moire´-Muster der Nanoro¨hre in Abb. 4.11(a) besta¨tigt, das ebenfalls eine Fehlausrichtung der kristallinen Schichten anzeigt. Des Weiteren ist ein schwacher Untergrund sichtbar, der typisch fu¨r nicht-kristalline Materie ist. Die RUNTs waren im gesamten Untersuchungszeitraum im Elektronenstrahl stabil. Dies schließt aus, daß der Elektronenstrahl zur Amorphisierung der RUNT fu¨hrte. Abbildung 4.12(a) zeigt eine zweite RUNT, die aus der gleichen InAs/GaAs-Bischicht entstanden ist, mit einem Durchmesser von 200 nm und drei Umdrehungen. Das Ein- 80 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.12: (a) TEM-Bild einer RUNT. Das obere Einschub zeigt das SAED-Muster dieser Nanoro¨hre. (b) HRTEM-Bild der Wandstruktur, gewonnen aus dem Gebiet, das in (a) mit einem Rechteck markiert ist. Die Gebiete ”I“ zei- gen eine Gitterstruktur und werden getrennt durch die Gebiete ”II“, in dem keine geordnete Struktur beobachtet werden kann. (c) Vergro¨ßerung des kri- stallinen Gebietes I in dem das Gitterbild des GaAs-Untergitters klar iden- tifiziert werden kann. (d) TEM-Bild der Wand einer In0,33Ga0,67As/GaAs- basierten RUNT mit zehn Umdrehungen. Das Einschub zeigt die vollsta¨ndige In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT mit D = 170 nm. 4.2. Radiale U¨bergitter 81 schub zeigt das SAED-Muster, das von dieser RUNT erhalten wurde. Auf Grund der gro¨ßeren Anzahl von Umdrehungen werden die einzelnen kristallinen Reflexe nicht mehr aufgelo¨st, sondern die Beugungspunkte sind nur elongiert. Diese Elongation der Reflexe zeigt eine a¨hnliche Fehlausrichtung der Bischichten wie in der RUNT in Abb. 4.11 an. Weiter ist mindestens ein Beugungsring (mit 1 markiert) zu erkennen, der von nicht-kristalliner Materie herru¨hrt. Die Intensita¨t und Position des Ringes la¨ßt darauf schließen, daß er von der Nanoro¨hre erzeugt und nicht von externen Verunreinigungen hervorgerufen wird. Das HRTEM-Bild von dem Gebiet, das mit einem Rechteck in Abb. 4.12(a) mar- kiert ist, ist in Abb. 4.12(b) zu sehen. Drei kristalline Schichten, die mit ” I“ mar- kiert sind, sind klar durch ihr Gitterbild zu erkennen. Abbildung 4.12(c) vergro¨ßert das mit einem Rechteck markierte Bild in Abb. 4.12(b) und zeigt das Muster des fla¨chen-zentriert kubischen Kristalluntergitters des GaAs-Kristalls. Die drei kristal- linen Gebiete sind durch zwei dicke Gebiete ” II“ getrennt, die kein klares kristalli- nes Muster zeigen. Dies kann teilweise auf die Kru¨mmung der Wand zuru¨ckgefu¨hrt werden, welche — in der Projektion — den Gitterabstand der Atome unter das Auflo¨sungsvermo¨gen des Elektonenmikroskopes treibt. Daraus kann geschlossen wer- den, daß die nicht-kristallinen Gebiete wahrscheinlich du¨nner sind als in Abb. 4.12(b) beobachtet. Die nicht-kristallinen Bereiche sind an den Stellen lokalisiert, an denen die Grenzfla¨che zwischen zwei Wandschichten der RUNT zu erwarten ist. Das TEM-Bild in Abb. 4.12(d) zeigt eine 10-fach Periode einer nicht-kristallinen/kri- stallinen Wandstruktur einer aufgerollten In0,33Ga0,67As/GaAs-basierten Nanoro¨hre. Das Einschub zeigt ein TEM-Bild der RUNT u¨ber ihren gesamten Durchmesser (170 nm). 4.2.3 Ramanspektroskopie Um die Struktur der Wand weiter zu untersuchen, wurden µ-Ramanuntersuchungen durchgefu¨hrt. Ein Ramanspekrum einer vollsta¨ndig freistehenden InAs/GaAs-basier- ten RUNT, das mit einer Anregungsleistung von 0,04 mW aufgenommen wurde, ist in Abb. 4.13 zu sehen. Die auffallenden Merkmale sind eine leicht asymmetrische Mode bei 286 cm−1, ein breites Band zwischen 170 und 280 cm−1 und eine schwa- che Mode bei 261 cm−1. Weiter ist ein nahezu flacher Untergrund zu sehen, der sich bis zu 1000 cm−1 erstreckt. Die starke Signalunterdru¨ckung ab 200 cm−1 in allen Spektren wird durch den Interferenzfilter verursacht. Das Raman Spektrum fu¨r GaAs (001) bei Raumtemperatur (RT) ist in Abb. 4.13 als schwarze Linie zu sehen (siehe auch Abb. 5.1). Das Spektrum wird dominiert von der longitudinal optischen (LO)-Phononmode bei 292 cm−1. Die Mode bei 286 cm−1 der RUNT wird deshalb der LO-Phononmode des GaAs zu- 82 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.13: Ramansprektrum einer vollsta¨ndig freistehenden InAs/GaAs-basierten RUNT (blaue Linie), hergestellt aus dem gleichen InAs/GaAs- Bischichtsystem, welches zur Herstellung der RUNTs fu¨r die TEM- Untersuchungen genutzt wurde. Das Ramanspektrum eines GaAs (001)- Kristalls ist als Referenz gegeben (schwarze Linie). 4.2. Radiale U¨bergitter 83 geschrieben. Die Asymmetrie der Ramanlinie wird wahrscheinlich von der nanometer- großen Dicke der GaAs-Schicht und durch ungeordnete Teile der Schicht verur- sacht [129, 130]. Eventuell beeinflußt die radiale Vera¨nderung der Verspannung in der RUNT-Wand, die von den einzelnen RUNT-Windungen herru¨hrt, ebenfalls die Breite der LO-Mode. Die Mode bei 261 cm−1 wird der transversal optischen (TO)- Phononmode des GaAs zugeschrieben. Auswahlregeln verbieten inelastische Streu- ung an dem TO-Phonon fu¨r die GaAs (001)-Oberfla¨che [131], aber durch die Kru¨m- mung der Bischicht in der Nanoro¨hrenwand wird die Auswahlregel aufgehoben, und Streuung am TO-Phonon kann auftreten [130, 132]. Sowohl die LO- als auch die TO-Mode sind um 6-8 cm−1 zu kleineren Wellenzahlen als ihre erwarteten Positio- nen bei RT verschoben. Solche Verschiebungen ko¨nnen auf Verspannung [133, 134], Erwa¨rmung der RUNT [135] oder die nanometer-großen Dicke [129,130] der GaAs- Schichten zuru¨ckgefu¨hrt werden. Eine Abscha¨tzung der mittleren Verspannung in der InAs/GaAs-Bischicht, verursacht durch Zusammensetzung und Kru¨mmung der Bischicht, zeigt, daß die durch Verspannung [134] induzierte maximale Verschiebung bei ca. 1,5 cm−1 liegt. Bei nano-kristallinen GaAs ist bekannt, daß die LO-Mode wei- cher und breiter wird, wa¨hrend die Position der TO-Mode praktisch unbeeinflußt bleibt [129,130]. Deshalb wird die Verschiebung der Position der LO- und TO-Mode unserer RUNT hauptsa¨chlich einer Erwa¨rmung der Nanoro¨hre durch das eingestrahl- te Laserlicht zugeschrieben. Unter Verwendung der von Puech et al. vero¨ffentlichten Werte [135], kann die Temperatur der RUNT auf Grund der Anregungsleistung des Lasers von 0,04 mW auf 250◦Cbis 350◦Cabgescha¨tzt werden. In nicht-kristallinen Festko¨rpern gelten die Auswahlregeln zur Erhaltung des Im- pulses fu¨r die Ramanstreuung nicht mehr [136]. In diesem Fall ist die Intensita¨t des Ramansignales verbunden mit einer gewichteten Zustandsdichte der Phononen. Des- halb wird das breite Band zwischen 170 und 280 cm−1, das auch in nicht-kristallinem GaAs beobachtet wird [129,130], dem DAOP-Zweig3 zu geschrieben. Die Phononen des InAs-Kristalls sind nicht beobachtbar, auf Grund der nur 1,4 ML dicken InAs- Schicht [74] und des geringen Streuquerschnitts von InAs [131]. Durch Vergleiche des erhaltenen Spektrums mit denen aus der Literatur [129, 130] wird geschlossen, daß die RUNT hauptsa¨chlich aus kristallinem Material besteht, in dem aber auch nicht geordnete (nicht-kristalline) Anteile enthalten sind. Die relative schmale Linienbreite der LO-Mode la¨ßt die Existenz gut kristalliner Bereiche in der RUNT vermuten. Auf Grundlage des Entstehungsprozesses der RUNT, d.h. durch Aufrollen einer Bischicht, kann aus dem Ramanspektrum der vollsta¨ndig freiste- henden RUNT eine Wandstruktur aus kristallinen und nicht-kristallinen Bereichen abgeleitet werden. Als Vergleich zu dem µ-Ramanspektrum der vollsta¨ndig freistehenden RUNT sind 3 Unordnungsaktivierte, optische Phononen (DAOP) 84 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.14: (a) Illustration zur Aufnahme der einzelnen Ramanspektren in (b) und (c). Der Laserspot des Ramanspektrometers wird in einzelnen Schritten u¨ber die Position der RUNT bewegt und jeweils ein Spektrum aufgenommen. Die Po- sition des Spektrums ist farbkodiert wie in der Illustration dargestellt. (b) Ramanspektren einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierten RUNT (D = 120 nm) (blaue Linie), aufgenommen durch schrittweises Verschieben der Position des Laserspots u¨ber die RUNT-Position. Die RUNT liegt auf dem GaAs (001)- Substrat und hat nur wenige Umdrehungen durchgefu¨hrt. Ein REM-Bild der untersuchten RUNT ist in Abb. 3.3 zu sehen (c) Ramanspektren einer In0,33Ga0,67As/GaAs-basierten RUNT (D = 15 nm) (blaue Linie), sowie des GaAs (001)-Substrates, auf dem sie liegt. Ein REM-Bild der untersuchten RUNT ist in Abb. 3.5 zu sehen 4.2. Radiale U¨bergitter 85 in Abb. 4.14(b) und 4.14(c) Ramanspektren von zwei In0,33Ga0,67As/GaAs-basierten RUNTs mit D = 120 nm, bzw. D = 15 nm gezeigt, die auf ihrem Substrat liegen. Die RUNTs, untersucht in Abb. 4.14, sind in Abb. 3.3, bzw. in Abb. 3.5 zu sehen. Die µ-Ramanspektren wurden gemessen, indem der Laserspot (Durchmesser ca. 1 µm) schrittweise auf der Probenoberfla¨che von links (schwarze Linie) u¨ber die jeweilige RUNT (blaue Linie) nach rechts (rote Linie) bewegt wurde. In jedem Schritt wurde ein Ramanspektrum aufgenommen, so daß das Signal, welches von den RUNTs stammt, klar identifiziert werden kann. Die Spektren wurden mit einer Laserleistung von 0,04 mW aufgenommen. Die jeweilige Position des Spektren ist farbkodiert und in Abb. 4.14(a) dargestellt. Wie erwartet, zeigen beide RUNT-Spektren a¨hnliche Merkmale wie das Spektrum der vollsta¨ndig freistehenden RUNT. So ist die LO-Mode des GaAs, sowie die TO- Mode des GaAs deutlich zu sehen, sowie das breite DAOP-Band, das von nicht- kristallinem Material verursacht wird. Interessanter Weise ist in Abb. 4.14(b) die TO-Mode auch vom Substrat zu sehen, obwohl Streuung am TO-Phonon von den Auswahlregeln verboten seien sollte. Dies wird auf die Rauhigkeit der nicht aufge- rollten Schicht, bzw. der gea¨tzten Substratoberfla¨che zuru¨ck gefu¨hrt, die eine leichte Fehlausrichtung der Oberfla¨che zur der 90◦ Ru¨ckstreugeometrie bedingen. Die In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT (d1 = 0, 6 nm und d2 = 2, 0 nm), an der das Spektrum in Abb. 4.14(b) aufgenommen wurde, ist mit D = 120 nm etwas kleiner im Durchmesser als die vollsta¨ndig freistehende RUNT mit D ∼ 200 nm. Beide RUNTs haben ungefa¨hr die gleiche Anzahl von Umdrehungen auf der Sub- stratoberfa¨che durchgefu¨hrt. Somit ist das Spektrum in Abb. 4.14(b) der RUNT (blaue Linie) fast identisch mit dem aus Abb. 4.13. Es fa¨llt aber auf, daß sowohl die LO-Mode als auch die TO-Mode scha¨rfer sind, als in dem Spektrum in Abb. 4.13. Da beide Moden scha¨rfer sind und nicht nur die LO-Mode, kann ausgeschlossen werden, daß dieser Effekt durch das Substrat hervorgerufen wird. Die geringe Brei- te der LO- und TO-Mode wird der etwas gro¨ßeren Kru¨mmung bei gleichem oder etwas geringerem Verha¨ltnis von kristallinem zu nicht-kristallinem Material im Ver- gleich zur vollsta¨ndig freistehenden RUNT zugeschrieben. Die LO- und TO-Mode sind um ca. 2 cm−1 Wellenzahlen nach unten verschoben. Die Verschiebung kann nicht zuverla¨ssig mit der Temperatur korreliert werden, da ein Teil des Signals der LO-Mode vom Substrat verursacht wird. Dennoch erscheint die Verschiebung und damit die Erwa¨rmung bei einer Leistung von 0,04 mW geringer zu sein, als bei der vollsta¨ndig freistehenden RUNT. Dies wird auf eine bessere Wa¨rmeabfu¨hrung durch das Substrates zuru¨ckgefu¨hrt. Mit einem Durchmesser von 15 nm ist die In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT (d1 = 1, 4 ML und d2 = 4, 4 ML), an der das Ramanspektrum in Abb. 4.14(c) aufgenommen wurde, kleiner als die vollsta¨ndig freistehende RUNT, die fu¨r das Spektrum in Abb. 4.13 verwendet wurde. Die Hauptmerkmale des Spektrums aus 86 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren Abb. 4.15: Illustration zur Bildung der nicht-kristallinen Schicht in der RUNT. (a) Die RUNT hat eine Umdrehung durchgefu¨hrt. (b) Im weiteren Aufrollprozeß fu¨hrt eine weitere Umdrehung dazu, daß sich die Bischicht wieder auf sich selbst legt. Dabei entsteht eine Grenzfla¨che, die nicht-kristallin ist, a¨hnlich einer Großwinkelkorngrenze in einem Gefu¨ge [137]. Abb. 4.14(c) sind mit denen an der vollsta¨ndig freistehenden RUNT vergleichbar. Es werden LO-Mode, TO-Mode und das DAOP-Band beobachtet. Interessanter Weise ist das DAOP-Band deutlich ausgepra¨gter, dafu¨r die TO-Mode fu¨r die D = 15 nm RUNT kaum sichtbar. Da die RUNT fast 30 Umdrehungen auf dem Substrat durch- gefu¨hrt hat und aus einer signifikant du¨nneren Bischicht entstanden ist, ist der Unterschied in den Ramanspektren auf strukturelle Unterschiede zuru¨ckzufu¨hren. Bedingt durch die du¨nnen Bischicht und die hohe Anzahl der Umdrehungen wird ein hoher Anteil nicht-kristallinen Materials in der RUNT angenommen, der zur Do- minanz des DAOP-Bandes fu¨hrt. Die Positionen der LO- und TO-Mode sind sehr gering verschoben. Dies deutet auf eine geringe Erwa¨rmung der RUNT hin. Die Ergebnisse von Ramanspekroskopie, HRTEM und SAED lassen alle eine nicht- kristalline Schicht in der RUNT vermuten. Wie in Abb. 4.15 illustriert, entsteht diese nicht-kristalline Schicht wa¨hrend der Formation der RUNT, wenn die sich aufrollende Bischicht mit sich selbst ” bonded“.4 Es ist bekannt [138, 139], daß fu¨r eine defekt-freie ” Bonding“-Grenzfla¨che eine perfekte Ausrichtung der Kristallrich- tung und extrem saubere, sto¨chiometrische Oberfla¨chen gebraucht werden. Selbst 4 aus dem englischem: kleben, hier chem. Verbindung, die zwei ein-kristalline Festko¨rper einge- hen, wenn sie in Kontakt gebracht werden. 4.2. Radiale U¨bergitter 87 kleine Fehlausrichtungen oder Verunreinigungen fu¨hren zu Versetzungsnetzwerken und Sto¨rstellen in der Grenzfla¨che der beiden aufeinander gebrachten und ” gebon- deten“ Kristalle [139]. Dies bedingt eine gesto¨rte Grenzfla¨che. Im Falle von RUNTs ist der Teil der epitaktischen Schicht, die auf sich selbst ” bonded“, gitterfehlange- passt durch den Verspannungsabbau der abgelo¨sten Schicht. Weiter ist die Schicht rauh durch das Auflo¨sen des Oxids im naßchemsichen A¨tzprozeß. Es wird deshalb erwartet, daß der ” Bonding“-Prozeß hochgradig gesto¨rt ist und deshalb zu der Bil- dung einer nicht-kristallinen Grenzfla¨che an der Verbindungsposition der aufgeroll- ten Bischicht fu¨hrt. Solche nicht-kristallinen Schichten sind normalerweise einige Monolagen dick [139]. Im Rahmen dieser Arbeit wurden RUNTs demonstriert, die bis zu 30 Umdrehungen durchgefu¨hrt haben (siehe z.B. Abschnitt 3.2). Im Ergebnis ko¨nnen RUNTs mit einer solch hohen Anzahl von Rotationen als Vertreter einer Form radialer U¨bergitter aufgefaßt werden. Ein solches U¨bergitter mit einer 10-fachen Periode wurde durch die RUNT-Wand in Abb.4.12 repra¨sentiert. 88 4. Strukturelle Eigenschaften aufgerollter Nanoro¨hren 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen In diesem Kapitel wird die Funktionalisierung der aufgerollten Nanoro¨hren fu¨r die Mikrosystemtechnik (MEMS) oder Nanosystemtechnik (NEMS) behandelt. Im er- sten Abschnitt wird gezeigt, daß eine RUNT lokal erhitzt und dadurch modifiziert werden kann. Im zweiten Abschnitt wird gezeigt, daß Ensembles, bzw. einzelne RUNTs gezielt mit einem Farbstoff gefu¨llt werden ko¨nnen. Im gleichem Abschnitt wird ein patentiertes Konzept [140] diskutiert, wie unter Verwendung von RUNT- basierten Strukturen Mikrospulen oder Transfomatoren hergestellt werden ko¨nnten. 5.1 Nanoreaktoren Ein detailliertes Wissen u¨ber die thermische Stabilita¨t der RUNTs ist notwendig, um sie in der MEMS oder NEMS nutzen zu ko¨nnen. Im Rahmen dieser Arbeit konnte demonstriert werden, daß kleine Abschnitte einer RUNT mittels eines Laserstrahls modifiziert werden ko¨nnen [141]. In diesem Abschnitt wird die thermische Stabilita¨t der RUNTs durch lokales Er- hitzen der Nanoro¨hre mittels eines fokussierten Laserstrahles untersucht. µ-Raman- spektroskopie wird benutzt, um die Vera¨nderungen der RUNT in situ zu u¨berwachen. Dabei wird beobachtet, daß die Temperatur der RUNT zu signifikant ho¨heren Wer- ten ansteigt als das darunterliegende Substrat. Auf diese Weise werden lokale Reak- tionen in der RUNT-Wand aktiviert. In diesem speziellen Fall wird das Auftreten einer neuen Ramanmode bei 198 cm−1 beschrieben, welches darauf schließen la¨ßt, daß sich die Wand der Nanoro¨hre in kristallines β-Ga2O3 umwandelt. Dies fu¨hrt zur Bildung einer lateralen Hybridheterostruktur. Eine erste Charakterisierung mit- tels Kathodolumineszenz (CL) der entstandenen lateralen Hybridstruktur wird be- schrieben. Ein schwaches Signal, das β-Ga2O3 zugeschrieben wird, kann beobachtet werden. Fu¨r das Tempern mittels Lasers wurden vollsta¨ndig freistehende InAs/GaAs-basierte RUNTs und der µ-Ramanaufbau aus Abschnitt 4.2 verwendet. Die Temperexperi- mente wurden an einer InAs/GaAs-basierten RUNT, die auf einem strukturierten 90 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Substrat lag und sich durch A¨tzen mit einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzentration: 25 vol%) aus einer nominellen 1,4 ML InAs/ 15,4 ML GaAs-Bischicht gebildet hat, wiederholt. 5.1.1 Lokales Erhitzen der aufgerollten Nanoro¨hren Abbildung 5.1 zeigt eine Reihe von Ramanspektren einer vollsta¨ndig freistehenden InAs/GaAs-basierten RUNT fu¨r unterschiedliche Laseranregungsleistungen, sowie als Referenz ein Ramanspektrum des GaAs (001)-Substrates. Das Referenzsignal des GaAs (001)-Substrates ist durch seine LO-Mode bei 292 cm−1 charakterisiert. Das erste Spektrum (blau) wurde mit einer Laseranregungsleistung von nur 0,04 mW aufgenommen. Es zeigt, wie das Spektrum in Abb. 4.14, als Hauptmerkmale die LO- Mode bei 288 cm−1, die TO-Mode bei 263 cm−1 und das breite DAOP-Band zwischen 170 cm−1 und 280 cm−1. Ab ca. 200 cm−1 beginnt die Abschwa¨chung des Signals durch den Interferenzfilter. Wie zuvor sind die LO- und TO-Mode, auf Grund einer Erwa¨rmung durch den anregenden Laserstrahl, verschoben. Die Temperatur wird nach Ref. [135] zu 200◦Cbis 300◦Cabgescha¨tzt. Um die RUNT lokal zu erwa¨rmen, wurde die Laserleistung des µ-Ramanaufbaus auf 0,4 mW erho¨ht und nach 20 min das magenta-farbende Spektrum in Abb. 5.1 aufge- nommen. Die LO-Phononmode ist zu 285 cm−1 nach unten verschoben, verbreitert und hat an Intensita¨t verloren. Das DAOP-Band hat an Intensita¨t zugenommen und ist nun bei ca. 240 cm−1 zentriert. Die TO-Phononmode ist nicht mehr zu be- obachten, aber eine neue Mode bei 198 cm−1 ist entstanden. Die Vera¨nderung der LO-, TO-Mode und des DAOP-Bandes kann auf eine Vera¨nderung des Verha¨ltnisses von nicht-kristallinem zu kristallinem Material in der RUNT zuru¨ckgefu¨hrt werden. Hierfu¨r ist eine Zunahme des nicht-kristallinen Materialanteiles in der RUNT-Wand anzunehmen. Die LO-Mode verschiebt sich durch die ho¨here Temperatur der RUNT. In dem roten Spektrum, das mit der erho¨hten Laserleistung von 1,2 mW nach 1 h aufgenommen wurde, wird die neue Mode das dominierende Merkmal des Spek- trums und ist zu 196 cm−1 verschoben. Die LO-Mode und das DAOP-Band sind fast vollsta¨ndig verschwunden. Aus der Abwa¨rtsverschiebung der LO-Mode von 7 cm−1 durch die Laserleistung von 0,4 mW wird eine Temperatur der RUNT in der Gro¨ßenordnung von 400◦Cabge- scha¨tzt. Es ist bekannt [142], daß Volumen-GaAs, welches unter normaler Atmo- spha¨re auf Temperaturen u¨ber 450◦Cerhitzt wird, nicht-kristallin wird, Arsen ver- liert und sich in Ga2O3 umwandelt. Dieses Oxid ist anfa¨nglich amorph, wandelt sich dann aber in kristallines β-Ga2O3 um. Das dominante Merkmal von β-Ga2O3 im Ra- manspektrum ist eine intensive Mode bei 200 cm−1 [143, 144]. Darum wir die neue 5.1. Nanoreaktoren 91 Abb. 5.1: Ramanspektren einer freistehenden InAs/GaAs-basierten RUNT fu¨r ver- schiedene Anregungsleistungen und Temperzeiten. Ein Ramanspektrum eines GaAs-Wafers ist unten als Referenz gezeigt. Die starke Mode bei 292 cm−1 ist die LO-Mode des GaAs, die Mode bei 198 cm−1 wird kristallinem β-Ga2O3 zu geordnet. 92 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Mode bei 200 cm−1 in den Spektren in Abb. 5.1 β-Ga2O3 zugeordnet. Die Beobach- tung, daß die Mode des β-Ga2O3 dominierend wird, und die Moden des GaAs bei ho¨heren Temperaturen fast vollsta¨ndig verschwinden, zeigt die nahezu vollsta¨ndige Oxidation der RUNT-Wand an. Die scharfe Mode des β-Ga2O3 deutet an, daß das β-Ga2O3 in einer geordneten, kristallinen Phase entsteht. Die Spektren in Abb. 5.1 wurden an einer vollsta¨ndig freistehenden Struktur gemessen; jedoch wird die gleiche Entwicklung in den Spektren und deshalb der gleiche Oxidationsprozeß fu¨r RUNTs beobachtet, die auf einer Substratoberfla¨che liegen. Abb. 5.2: Verschiebung der LO-Mode und die daraus abgescha¨tzte Temperatur als Funk- tion der Laserleistung. Die Temperatur der RUNT steigt zu signifikant gro¨ßeren Werten als die des GaAs-Substrat bei gleichen Laserleistungen. Das Einschub zeigt ein REM-Bild eines erhitzten Abschnittes einer RUNT mit einem a¨ußeren Durchmesser von 450 nm, die auf einem GaAs-Substrat liegt. Die RUNT-Temperatur, bestimmt durch Verschiebung der LO-Mode, als Funkti- on der Laserleistung ist in Abb. 5.2 gezeigt. Ein starkes Ansteigen der Tempera- tur der RUNT wird beobachtet, wa¨hrend die Temperatur des Substrates praktisch konstant bleibt. Dieser große Temperaturunterschied wird der deutlich schlechteren Wa¨rmeleitfa¨higkeit der RUNT im Vergleich zum Substrat zugeschrieben. Das Ein- schub in Abb. 5.2 zeigt ein REM-Bild eines erhitzten Abschnittes einer Nanoro¨hre, die auf dem GaAs-Substrat liegt. Im Bild zeigt der erhitzte Abschnitt der RUNT einen leicht helleren Kontrast und einen etwas kleineren Durchmesser. Ansonsten ist die Morphologie der Nanoro¨hre eben und erscheint kontinuierlich u¨ber die Hybrid- struktur. 5.1. Nanoreaktoren 93 Zusammenfassend zeigen diese Experimente, daß die RUNTs wa¨rme-stabil bis ca. 300◦Csind. Ab ho¨heren Temperaturen transformiert sich die InAs/GaAs Nanoro¨hre in nicht-kristallines Material und beginnt zu oxidieren. Durch die Aktivierung einer lokalen Reaktion in der RUNT-Wand kann eine lateral modulierte Hybridstruktur aus β-Ga2O3 mit hoher Bandlu¨cke (∼4,9 eV [143, 144]) und einem Halbleiterma- terial synthetisiert werden. Diese Experimente lassen annehmen, daß die RUNTs als ” Nanoreaktoren“ auf einer Substratoberfla¨che dienen ko¨nnen. Da sie prinzipiell auf der Oberfla¨che durch das lithographische Definieren einer Startkante frei posi- tioniert werden ko¨nnen (siehe Abschnitt 3.4), erscheint die chemische Synthese von Materialien an beliebigen Positionen mo¨glich. 5.1.2 Charakterisierung der synthetisierten lateralen Hybridstruktur Eine Charakterisierung der synthetisierten, lateralen Hybridstruktur erfolgte mit- tels Kathodolumineszenz (CL) [89]. Hierfu¨r wird die Probe in einem modifizierten REM eingebaut und im UHV auf ca. 8 K abgeku¨hlt. Die Anregung zur Lumineszenz erfolgt mittels des abbildenden Elektronenstrahls eines REM (Beschleunigungsspan- nung zwischen 5 und 20 kV) lokal an der modifizierten Stelle der RUNT, die auf dem Substrat liegt (Durchmesser des untersuchten Gebiets sind einige µm). Das ent- stehende Licht wird in ein Gitterspektrometer eingekoppelt und Spektral aufgelo¨st. Das Lumineszenzspektrum von kristallinem β-Ga2O3-Pulver ist bekannt [144, 145] und kann als Referenz herangezogen werden. Abbildung 5.3 zeigt das CL-Spektrum einer lateralen β-Ga2O3/InGaAs-Hybridstruk- tur, die mittels lokalem Erhitzens durch einen Laser synthetisiert wurde. Die Raman- spektren, die wa¨hrend der Synthese beobachtet wurden, sind mit denen in Abb. 5.1 vergleichbar. Da das erhaltene Signal sehr schwach war, wurde die gleiche Proben- position bei zwei verschiedenen Gitterzentrierungen des Spektrometers gewonnen, um auszuschließen, daß das Signal ein Meßartefakt ist. Das Einschub in Abb. 5.3 zeigt das Signal im Vergleich mit dem Lumineszenzsignal des GaAs-Substrates. Die in Abb. 5.3 gezeigten Spektren sind gut vergleichbar mit bekannten Spektren von β-Ga2O3. Die Lumineszenz setzt bei 420 nm bis 440 nm ein und erstreckt sich mit einem langen Abfall bis zu dem Bereich, in dem das Spektrum durch den Ansatz des Lumineszenzsignals des GaAs dominiert wird (ca. 700 nm). Dies besta¨rkt die Vermutung, daß mittels lokalem Lasererhitzens im Ramanaufbau unter Laborluft β-Ga2O3 synthetisiert wurde. Wie aus dem Einschub in Abb. 5.3 ersichtlich, ist aber das Signal im Vergleich zum Signal des GaAs-Substrates sehr klein. Grund hierfu¨r kann zum einem die Qualita¨t des synthetisierten β-Ga2O3 sein, zum anderem ist die Methode der CL nicht optimal geeignet, um Lumineszenz in der vertikal kleinen 94 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Abb. 5.3: Kathodolumineszenz an der mittels lokalem Erhitzen hergestellten, lateralen Hybridstruktur. Es ist Signalbereich der Lumineszenz des β-Ga2O3 gezeigt. Zwei Spektren bei unterschiedlicher Wellenla¨ngenzentrierung des Spektrome- ters sind aufgenommen, um zu zeigen, daß das Signal von der Hybridstruktur stammt. Der Einschub zeigt den gesamten Meßbereich, bis zum Erreichen des Lumineszenzsignales des GaAs. Das REM-Bild zeigt die untersuchte laterale Hybridstruktur. 5.2. Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 95 Struktur anzuregen. Bekanntlich dringt der Elektronenstrahl zuna¨chst ca. 300 nm in die Probe ein, bevor er sich zu einer 1-5 µm großen Anregungsbirne aufweitet [88]. Dementsprechend stammt das Hauptsignal, bedingt durch die geringe Dicke des β- Ga2O3 (maximal 400 nm a¨ußerer RUNT Durchmesser, aber wahrscheinlich du¨nner), von unterhalb der in Abb. 5.3 gezeigten Hybridstruktur (REM-Bild im Einschub). Eine klarere Aussage u¨ber die Qualita¨t des erzeugten β-Ga2O3 sollte sich mit µ- Photolumineszenzmessungen erhalten lassen, bei der zur Anregung des β-Ga2O3 ein UV-Laser verwendet werden muß (Aufbau stand zum Zeitpunkt der Arbeit nicht zur Verfu¨gung). Es erscheint durchaus mo¨glich, außer der demonstrierten β-Ga2O3/InGaAs-Hybrid- struktur weitere laterale Hybridstrukturen zu synthetisieren. Hierfu¨r muß das lokale Erhitzen in einer entsprechenden Atmospha¨re erfolgen. So wurde GaAs erfolgreich in einer NH3-Atmospha¨re nitriert und auf diese Weise GaN synthetisiert [146]. Solche Synthesen ko¨nnten in situ mittels Ramanspektroskopie verfolgt werden. 5.2 Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie Im letztem Abschnitt dieser Arbeit werden erste Ergebnisse vorgestellt, die mo¨gliche Anwendungen der RUNTs in einer NEMS aufzeigen sollen. Neben der vorgeschlage- nen Verwendung zum Flu¨ssigkeitstransport [16,17,106] werden Konzepte entwickelt, um Bauelemente fu¨r die ” IC“-Technologie zu realisieren [140]. 5.2.1 Mikromanipulation Um Experimente an einzelnen RUNTs durchfu¨hren zu ko¨nnen, muß die Mo¨glichkeit geschaffen werden, diese Nanostrukturen zu adressieren und zu manipulieren. Hierfu¨r wurde im Rahmen der Arbeit ein Mikro-Manipulator aufgebaut. Verwendung fand ein Zeiss Axioskop 2, welches mit sogenannten ” Long-Distance“-Objektiven ausge- stattet ist. Unter diesem Mikroskop wurde mittels mechanischer Mikroverstellsyste- me die Mo¨glichkeit geschaffen, ultrafeine Mikrokapillaren aus der Biotechnologie auf ca. 1 µm zu positionieren. Abbildung 5.4(a) zeigt das Lichtmikroskopiebild einer vollsta¨ndig freistehenden RUNT mit D ∼1 µm, die ca. 30 µm u¨ber die Substratkante hinaus reicht. Die RUNT ist aus einer symmetrischen In0,33Ga0,67As/GaAs-Bischicht entstanden. Auf der lin- ken Seite ist eine Mikrokapillare mit ca. 12 µm Durchmesser zu erkennen. Mittels des Mikromanipulationssystems kann diese freistehende RUNT pra¨zise adressiert und von ihrem Substrat abgelo¨st werden. Hierbei dient ein fast eingetrockneter Farbstoff 96 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Abb. 5.4: Lichtmikroskopiebilder: (a) Vollsta¨ndig freistehende In0,33Ga0,67As/GaAs- basierte RUNT, die ca. 30 µm u¨ber den Substratrand hinaus reicht, sowie Mikrokapillare. (b) Die RUNT wurde vom Substrat abgelo¨st und an der Mi- krokapillare festgeklebt. Sie hat immer noch eine La¨nge von ca. 30 µm. als Haftvermittler, um die RUNT an der Kapillare festzuhalten. In Abb 5.4(b) ist die Nanoro¨hre zu sehen, die an der Kapillare festhaftet und vom Substrat losgelo¨st wurde. Die RUNT hat eine La¨nge von ca. 30 µm, was anzeigt, daß sie auf der ge- samten u¨berstehenden La¨nge vom Substrat abgelo¨st werden konnte. Auf Grund der im Lichtmikroskop beobachtbaren Schwingung der RUNT, deren Ursache Luftbe- wegungen im experimentellen Aufbau zugeschrieben werden, ist das Ende der Na- noro¨hre unscharf abgebildet. Die abgebildete RUNT konnte erfolgreich wieder auf dem Substrat abgelegt werden (nicht gezeigt). Dies demonstriert, daß mittels des Mikromanipulationsaufbaus die Nanostrukturen an beliebige Orte verlagert werden ko¨nnen. Dies ist insbesondere fu¨r die Charakterisierung der RUNTs interessant, da sie hierfu¨r von dem chemisch a¨hnlichen Substrat (in diesem Fall GaAs) abgelo¨st und auf ein neues Substrat transportiert werden ko¨nnen. 5.2.2 Einzel-Nanoro¨hren-Fu¨llung und Nanopipelines Unter der Verwendung unserer Ergebnisse aus Abschnitt 3.4 wird in diesem Ab- schnitt gezeigt, daß individuelle, wohl positionierte RUNTs mit einem gelo¨sten Farb- stoff gefu¨llt werden ko¨nnen. Ein starkes Fluoreszenssignal im rotem Spektralbereich wird von solchen gefu¨llten Nanostrukturen beobachtet. Weiter wird gezeigt, daß Ensembles von RUNTs, die auf der Substratoberfla¨che liegen, mit rotem Farbstoff gefu¨llt werden. Hierbei wird Flu¨ssigkeitstransport in diesen Nanostrukturen nach- gewiesen. 5.2. Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 97 Probenpra¨paration Zur Herstellung von RUNTs wurden AlAs-Opferschichten, gefolgt von verschiedenen InxGa1−xAs/GaAs-Bischichten, mittels MBE auf GaAs (001)-Substrate aufgewach- sen. Die Proben wurden nach demWachstum mit einer HF-Tensid-Lo¨sungen (3 vol% bis 25 vol% HF) gea¨tzt. Durchmesser von 100 nm bis 1 µm wurden durch verschiede- nen Indiumkonzentrationen und Bischichtdicken realisiert (Abschnitt 4.1). Um eine wohl definierte Position der RUNTs auf der Substratoberfla¨che zu gewa¨hrleisten, wurden strukturierte Substrate verwendet, und AlAs-Opferschichten, gefolgt von asymmetrischen InAs/GaAs-Bischichten, auf diese aufgewachsen (Abschnitt 3.4). Die Schichten auf strukturiertem Substraten wurden mit HF-Tensid-Lo¨sungen (25 vol% HF) gea¨tzt, um die RUNT-Bildung einzuleiten. Fu¨r das Fu¨llen von individuellen RUNTs wurde der in Abschnitt 5.2.1 beschriebene Mikromanipulationsaufbau verwendet. Dabei ist anzumerken, daß das Mikroskop fu¨r Fluoreszenzaufnahmen geeignet ist. Fu¨r Fluoreszenzaufnahmen wird die Pro- be mit Licht einer Hg-Lampe beleuchtet, deren Licht durch einen Schmalbandfilter (Schwerpunkt bei 546 nm) auf die Probe fa¨llt. Das Fluoreszenzsignal wird mit ei- ner CCD-Kamera aufgenommen, vor der ein Filter angebracht ist, der fu¨r Licht ab 590 nm durchla¨ssig ist. Sehr feine Glaskapillaren mit Durchmesser kleiner 2 µm wur- den verwendet, um kleinste Tropfen von Rhodamin 6G Farbstoff auf die O¨ffnungen der RUNTs zu deponieren. Rhodamin 6G (Ethanollo¨sung mit 0,0012 g/ml, bzw. 0,024 g pro 20 ml) ist ein wohl bekannter Farbstoff, der ein breites Fluoreszenzspek- trum von 530 bis 630 nm zeigt [147]. Um die RUNTs auf der Probenoberfla¨che zu fu¨llen, wurde die Probe in eine Etha- nollo¨sung von Rhodamin 6G (ebenfalls ca. 0,0012 g/ml) getaucht und anschließend mit reinem Ethanol abgespu¨lt. Fu¨r die Fluoreszenzaufnahmen wurde das gleiche Lichtmikroskop wie fu¨r die Untersuchungen an einzelnen RUNTs verwendet. Fu¨llen einzelner, aufgerollter Nanostrukturen Abbildung 5.5(a) zeigt eine Lichtmikroskopieaufnahme zweier InAs/GaAs-basierten RUNTs auf einem strukturierten Substrat. Die beiden Nanoro¨hren sind u¨ber eine Distanz von 11 µm von den vordefinierten Gra¨ben weggerollt. Der Innendurchmes- ser ist 100 nm. Dies bedeutet, daß die RUNTs ungefa¨hr 30 Umdrehungen auf der Substratoberfla¨che durchgefu¨hrt haben. Ein absichtlich in den Graben prozessier- ter Knick (mit ” A“ in Abb. 5.5 markiert), fu¨hrt dazu, daß die Bischicht wa¨hrend des Aufrollens an dieser Stelle auseinander gerissen wird. Diese Prozedur erlaubt eine exakte Kontrolle der La¨nge der RUNTs, die durch einfache Wahl der Geo- metrie der Substratstruktur bestimmt werden kann. Ein Tropfen einer Rhodamin 6G-Ethanollo¨sung wurde auf die Substratoberfla¨che aufgebracht und bedeckt ge- 98 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Abb. 5.5: (a) Aufsichtsbild zweier RUNTs auf einem strukturiertem Substrat durch ein Lichtmikroskop. (b) Ein Farbstofftropfen wurde u¨ber die beiden O¨ffnungen der RUNTs plaziert. Einschub zeigt eine REM-Aufnahme eines Defektes in der un- teren RUNT. (c) Bild der RUNTs unter Fluoreszenzbedingungen im Lichtmi- kroskop. Die Aufnahme zeigt klar, daß die Nanoro¨hren mit der Farbstofflo¨sung gefu¨llt sind. nau die beiden O¨ffnungen der RUNTs (Abb. 5.5(b)). Abbildung 5.5(c) zeigt die Fluoreszenzaufnahme der beiden RUNTs. Von beiden RUNTs ist ein starkes Fluo- reszenssignal zu beobachten, welches direkt anzeigt, daß die Farbstofflo¨sung in die beiden Nanoro¨hren durch Kapillarkra¨fte eingezogen wurde. Die obere RUNT ist auf der gesamten La¨nge von 50 µm gefu¨llt, wa¨hrend die untere RUNT nur auf den er- sten 25 µm gefu¨llt ist. Der Grund fu¨r diese Beobachtung ist aus dem Einschub in Abb. 5.5(b) ersichtlich, welches eine REM-Aufnahme eines Defektes in der unteren RUNT zeigt. Der Defekt hat eine La¨nge von ca. 180 nm und befindet sich exakt an der Position, an der der Fu¨llprozeß der RUNT aufgeho¨rt hat. Flu¨ssigkeitstransport auf einem Substrat durch aufgerollte Nanoro¨hren Abbildung 5.6(a) zeigt eine Lichtmikroskopie-Aufnahme zweier InAs/GaAs-basierter RUNTs, die von einem Kratzer in entgegengesetzte Richtungen aufgerollt sind. Die RUNTs haben einen Durchmesser von 560 nm. Diese Probe wurde in eine Etha- nollo¨sung von Rhodamin 6G getaucht, dreimal in klarem Ethanol abgespu¨lt, um Farbstoffreste von der Probenoberfla¨che zu entfernen, und nach jedem Spu¨len wur- de gewartet, bis die Probe vollsta¨ndig getrocknet ist. Abbildungen 5.6(b)-(h) zeigen eine Sequenz von Bildern, die unter Fluoreszenzbedigungen des Lichtmikroskopes an der gleichen Stelle aufgenommen wurden. Ein mit Farbstoff gefu¨llter Abschnitt kann in der oberen RUNT durch das starke Fluoreszenzsignal u¨ber eine La¨nge von 5.2. Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 99 Abb. 5.6: Video-Lichtmikroskopie einer mit Farbstoff gefu¨llten InAs/GaAs-RUNT. (a) Zwei RUNTs unter normaler Beleuchtung (D = 560 nm). (b)-(h) Lichtmikro- skopieaufnahmen des gleichen Bereichs unter Fluoreszenzbedigungen. Ein mit Farbstoff gefu¨llter Abschnitt kann klar identifiziert werden. Die Bilder zeigen, daß sich der Farbstoff mit der Zeit bewegt und an Intensita¨t verliert. 100 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Abb. 5.7: Lichtmikroskopiebilder: (a) In0,33Ga0,67As/GaAs-basierte RUNT-Abschnitt (D ∼ 2 µm) mit einer La¨nge von ca. 500 µm. Die gesamt La¨nge der RUNT betra¨gt ca. 1,1 mm auf dem Substrat. (b) Gefu¨llter Bereich der RUNT (ca. 300 µm); der gefu¨llte Abschnitt ist ca. 500 µm von der RUNT-O¨ffnung ent- fernt. 40 µm identifiziert werden. Das linke Ende des gefu¨llten Abschnittes ist mit einem Pfeil markiert. Interessanter Weise ist dieser gefu¨llte Abschnitt nicht statisch, son- dern bewegt sich mit der Zeit. Abbildung 5.6(c) und 5.6(d) zeigen eindeutig, daß der Farbstoff sich um 10 µm nach links in der RUNT bewegt. Mit zunehmend verstri- chener Zeit wird der gefu¨llte Abschnitt der Nanoro¨hre kleiner und das gesamte Fluo- reszenzsignal wird schwa¨cher (Abb. 5.6(e)-(h)). Dieser Effekt wird dem langsamen Verdampfen des Ethanols zugeschrieben, welches zu einer Reduktion des Volumens des gelo¨sten Farbstoffes fu¨hrt. Selbst nachdem das Ethanol vollsta¨ndig verdampft ist, kann eine schwache rote Line beobachtet werden, welche den einst gefu¨llten Na- noro¨hrenabschnitt markiert. Eine solche rote Linie wird auch fu¨r die untere RUNT beobachtet. Dies zeigt an, daß auch diese RUNT anfa¨nglich mit dem Farbstoff gefu¨llt war, aber das das Lo¨sungsmittel entweder verdampft ist oder wa¨hrend der Proben- pra¨paration entfernt wurde. Es ist außerdem bemerkenswert, daß die urspru¨ngliche Intensita¨t des Fluoreszenzsignales wieder hergestellt werden konnte, in dem die Pro- be nochmals mit reinem Ethanol gespu¨lt wurde (nicht gezeigt). Dies zeigt, daß der Farbstoff in den RUNTs zuru¨ckbleibt, wa¨hrend das Lo¨sungsmittel abdampft. Abbildung 5.7(a) zeigt das Lichtmikroskopiebild eines 500 µm langen Abschnittes ei- nes In0,33Ga0,67As/GaAs-basierten RUNT-Paares (D ∼ 2 µm), das eine Gesamtla¨nge von ca. 1,1 mm auf der Substratoberfla¨che hat. Die beiden RUNTs erstrecken sich damit fast vollsta¨ndig u¨ber die Substratoberfla¨che, nur durch die Probendimension- en beschra¨nkt. Die obere RUNT weist eine Reihe von Defekten auf der La¨nge von 1,1 mm auf, wa¨hrend die untere RUNT frei von Defekten zwischen den O¨ffnungen an ihren beiden Ende ist. Mittels einer Mikrokapillare wurde ein Farbstofftropfen an das linke Ende der RUNT-O¨ffnungen plaziert (nicht gezeigt). Abbildung 5.7(b) wurde an der gleiche Probenposition unter Fluoreszensbedingungen aufgenommen. Die Abb. 5.7(b) zeigt, daß in der unteren RUNT der Farbstoff u¨ber 500 µm trans- portiert wurde, und die RUNT ist auf einem Abschnitt von ca. 300 µm mit diesem Farbstoff gefu¨llt. A¨hnlich wie in Abb. 5.6(b)-(h) konnte das langsame Austrocknen 5.2. Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 101 des Farbstoffes beobachtet und somit sicher gestellt werden, daß die RUNT gefu¨llt ist. Auf Grund ihrer Defektstruktur wurde die obere RUNT des Paares nicht gefu¨llt, bzw. kein Flu¨ssigkeitstransport war im gezeigten Bereich beobachtbar. Da defektfreie Nanoro¨hren mit einer La¨nge von mehr als 2 mm realisiert wurden, lassen diese Ergebnisse annehmen, daß die RUNTs zum Flu¨ssigkeitstransport oder als Leuchtquellen auf der Oberfla¨che eingesetzt werden ko¨nnen. Da die RUNTs auf Grund ihres Entstehens aus epitakischen Bischichten extrem glatte Oberfla¨chen auf- weisen, erscheinen diese Nanostrukturen sehr geeignet, um als optische Resonatoren fu¨r nanometer-große Farbstofflaser dienen zu ko¨nnen. Weiter sollten sich diese MNOs als Modellkana¨le eignen, um das Verhalten von Flu¨ssigkeiten in nanometer-großen Kana¨len zu studieren. 5.2.3 Vorgeschlagene Bauelemente fu¨r die Mikroelektronik Ein wichtiger Bestandteil der drahtlosen Kommunikation sind Empfa¨nger, die ver- schiedene diskrete Frequenzen auswa¨hlen ko¨nnen [148]. Dabei ist von großer Bedeu- tung, diese Komponente auf einem Chip zu integrieren — hauptsa¨chlich um den Platzbedarf und die Produktionskosten solcher Gera¨te zu minimieren. Die plana- re Spule [149] ist eine der Mo¨glichkeiten, um eine magnetische Schaltkomponete in der Mikroelektronik zu realisieren. Basierend auf solchen planaren Spulen wurden planare Mikroempfa¨nger und Transformatoren fu¨r Mikrofrequenzumwandler herge- stellt [150]. Eine weitere Miniaturisierung ist notwendig, um diese magnetischen Bau- elemente mit der herko¨mmlichen IC-Technologie kompatibel zu gestalten. Typische Selbstinduktivita¨ten solcher planaren Spulen liegen zwischen 20 nH bis 1000 nH. Die Bauelemente haben Gro¨ßen im Millimeterbereich [149]. Wenn die Gro¨ße der Spulen in den Mikrometerbereich verkleinert wird, fa¨llt die Induktivita¨t auf 2 nH bis 8 nH. Um die planaren Spulen in einer IC-Technologie anwenden zu ko¨nnen, sollten der Platzbedarf normalerweise 400 µm×400 µm nicht u¨berschreiten [151]. Abbildung 5.8(a) zeigt eine RUNT, die aus einer nominellen 4 nm In0,7Ga0,3P/ 4,4 nm In0,3Ga0,7P-Bischicht durch A¨tzen in einer HF-Tensid-Lo¨sung (HF-Konzen- tration: 50 vol%) entstanden ist. Die RUNT ist homogen und hat mehrere Um- drehungen auf der Oberfla¨che durchgefu¨hrt. Der Durchmesser D der Nanoro¨hre ist 1100 nm. Eine gleiche Bischicht wurde benutzt, um zwei In0,7Ga0,3P/In0,3Ga0,7P- basiete RUNTs in entgegengesetzte Richtung aufzurollen, so daß sie sich beru¨hren (Abb. 5.8(b)). Da beide RUNTs aus der gleichen Bischicht entstanden sind, ha- ben sie auch fast den gleichen Durchmesser (D = 700 nm). Wenigstens zwei Lagen ko¨nnen an der linken RUNT identifiziert werden, so daß klar ist, daß die Nanoro¨hre mehrere Umdrehungen auf der Oberfla¨che durchgefu¨hrt hat. An anderen Stellen in der Arbeit wurde schon gezeigt, daß eine weit ho¨here Anzahl von Umdrehungen durch geeignete A¨tzbedingungen und Wahl der Bischicht mo¨glich sind. 102 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen Abb. 5.8: (a) REM-Bild einer homogenen In0,7Ga0,3P/In0,3Ga0,7P-RUNT. (b) REM-Bild zweier In0,7Ga0,3P/In0,3Ga0,7P-Nanoro¨hren, die gegeneinander gerollt sind. (c) Wenn zwei Nanoro¨hren gegeneinander gerollt sind und mit einem ferromagne- tischem Material gefu¨llt werden, kann eine solche Struktur als ”Nanotransfor- mator“ genutzt werden. (d) Schematische Darstellung zur Herstellung eines eingerollten Metallstreifen, um eine Mikro- oder Nanometer-große Spule zu realisieren. 5.2. Aufgerollte Nanostrukturen als Bauelemente fu¨r die Nanotechnologie 103 Abbildung 5.8(d) pra¨sentiert die schematische Zeichnung eines alternativen Ansat- zes, um Mikro- oder Nanospulen herzustellen. Dafu¨r wird ein Metallstreifen auf die Bischicht aufgebracht. Der Streifen kann senkrecht oder in einem kleinem Winkel zu der Startkante des Auffrollprozesses aufgebracht werden. Wa¨hrend des naßchemi- schen A¨tzens, bei dem die Bischicht vom Substrat abgelo¨st wird, wirkt die Bischicht als Vorlage und der Metallstreifen wird zu einer Spule aufgewickelt. Eine RUNT mit D = 500 nm, einer La¨nge von 20 µm, die ca. 10 Umdrehungen (Windungen) hat und mit einem ferromagnetischem Material gefu¨llt ist, sollte eine Induktivita¨t von 0,7 nH bis 980 nH haben [152], abha¨ngig davon, welches ferromagnetische Material verwendet wird. Unter Beru¨cksichtigung der in Abschnitt 5.2.2 beschriebenen Er- gebnisse, erscheint ein nachtra¨gliches Fu¨llen gut realisierbar. Der Platzbedarf einer solchen Spule liegt bei ca. 20 µm2 und ist somit kleiner als fu¨r einen plane Spule mit vergleichbarer Induktivita¨t. Es erscheint wichtig, undotierte Bischichten fu¨r solche Bauelemente zu verwenden, um eine hinreichende Isolation der einzelnen, benach- barten Metallstreifen zu gewa¨hrleisten. Transformatoren, die auf planaren Spulen basieren und auf Halbleiteroberfla¨chen realisiert werden, zeigen einen hohen Kernverlust und große Verluste im magneti- schem Fluß. Zusa¨tzlich sind die notwendigen lithographischen und Trockena¨tzprozes- se a¨ußerst komplex und schwierig fu¨r die Herstellung von Mehrlagen-Transformatoren und Spulen [153]. Die Anzahl der notwendigen Prozeßschritte ist oftmals gro¨ßer als 12, um Mikrotransformatoren auf Basis von planaren Spulen herzustellen [150]. Basierend auf den Spulen, die mittels RUNTs hergestellt wurden, werden hier Mikro- und Nanotransformatoren vorgeschlagen. Die grundlegende Idee ist in Abb. 5.8(c) als Aufblickskizze gezeigt. Spulen werden durch Aufrollen eines Metallstreifens auf einer verspannten Bischicht hergestellt. Im Falle eines Transformators werden zwei RUNTs gegeneinander aufgerollt, wie es in Abb. 5.8(b) gezeigt ist. Anschließend wer- den beide so gebildeten Spulen mit einem ferromagnetischem Material gefu¨llt. Da der krititsche Punkt (das Aufrollen) ein selbstorganisierender ” bottom-up“-Prozeß ist, sind die lithographischen Schritte, sowie die A¨tzschritte einfach durchzufu¨hren. Schwierige Trockena¨tzprozesse, die ein hohes Aspektverha¨ltnis der resultierenden Strukturen verlangen, sind nicht notwendig. Um die Transformatoren zum Schalten oder Umspannen zu verwenden, mu¨ssen die beiden RUNTs entweder eine verschie- dene Anzahl von Umdrehungen aufweisen oder mit verschiedenen ferromagnetischen Materialien gefu¨llt werden. Da auch RUNTs mit undotiertem SiGe/Si-Bischichten hergestellt werden ko¨nnen [16,17], scheint eine Integration dieser Spulen und Trans- formatoren mit der IC-Technologie mo¨glich. 104 5. Funktionale mikro- und nanomechanische Strukturen 6. Zusammenfassung und Ausblick Zusammenfassung Diese Arbeit bescha¨ftigt sich mit der Herstellung, Charakterisierung und Funktiona- lisierung von dreidimensionalen MNOs aus zweidimensionalen Schichten. Ausgehend von ersten Ergebnissen von Prinz et al. [14,15] und Schmidt und Eberl [16,17], wird in Kapitel 3 eine Anzahl mo¨glicher MNOs demonstriert. So werden Ba¨nder, Rin- ge und freistehende Membranen aus verspannten Bischichten hergestellt, die durch einen selektiven A¨tzprozeß von ihrem Substrat abgelo¨st werden. Weiter wird eine Reihe von selbstorganisierenden, halbleiter-basierten Nanoro¨hren (RUNT) gezeigt, die durch Aufrollen solcher verspannten Bischichten entstehen. Diese RUNTs ha- ben bis zu 30 Umdrehungen auf der Substratoberfla¨che ausgefu¨hrt und erreichen als kleinsten Durchmesser 15 nm. Der Fokus der Arbeit liegt auf MNOs, die aus der InxGa1−xAs/GaAs-Materialkombination entstehen, aber in Abschnitt 3.2 werden auch RUNTs auf InxGa1−xP/InyGa1−yP-Basis vorgestellt. Damit wird die universel- le Gu¨ltigkeit des in Ref. [14, 16] vorgestellten Prinzips unterstrichen. Das Potential der Technologie wird durch eine defektfreie 2 mm lang RUNT aufgezeigt, die ein Durchmesser-zu-La¨ngen-Verha¨ltnis (Aspektverha¨ltnis) von nahezu 1:2000 aufweist. Weiter wird der Aufrollprozeß der RUNTs in Kapitel 3 detailliert mittels Echtzeit- Video-Mikroskopie untersucht. Dabei wird beobachtet, daß der Aufrollprozeß nach einer ersten Startphase linear mit der Zeit verla¨uft, aber nach einer gewissen Zeit in reproduzierbarer Art und Weise stoppt. Die Sa¨ttigung stellt eine Selbstlimitierung dar, in der die Aufrolldistanz der Bischicht, die die RUNT bildet, unabha¨ngig von der Zeit wird. Diese Selbstlimitierung, sowie das lineare Bildungsverhalten, lassen so eine genau Kontrolle der RUNT-Position auf der Substratoberfla¨che zu. Die mittlere Auf- rollgeschwindigkeit wird als Funktion der Probenparameter (RUNT-Durchmesser und Opferschichtdicke) untersucht. Hierbei wird gezeigt, daß die Aufrollgeschwindig- keit im untersuchten RUNT-Durchmesserbereich von 20 nm zu 560 nm unabha¨ngig vom Durchmesser ist. Weiter kann die Aufrollgeschwindigkeit als Funktion der Op- ferschichtdicke mit einem diffusionsbasierten Modell beschrieben werden. Im letzten Abschnitt von Kapitel 3 wird demonstriert, daß RUNTs mit Durchmes- sern kleiner 500 nm durch Wachstum auf strukturierten Substraten lateral angeord- net werden ko¨nnen. Dies demonstriert die Verschmelzung des ” bottom-up“-Ansatzes 106 6. Zusammenfassung und Ausblick mit dem ” top-down“-Ansatz der Nanotechnologie, wobei ein dreidimensionales Na- noobjekt durch eine zweidimensionale, lithographische Strukturierungstechnologie auf eine vordefinierte Position gezwungen wird. Auf strukturierten Substraten wer- den ein Zweifachstapel von Bischichten und Opferschichten gewachsen und auf diese Weise gezeigt, daß ein Mehrfachstapel von Bischichten zur RUNTs-Bildung genutzt und die RUNT-Dichte auf der Probenoberfla¨che verdoppelt werden ko¨nnen. In Kapitel 4 werden die strukturellen Eigenschaften der RUNTs na¨her untersucht. Im ersten Teil wird zuna¨chst das Skalierungsverhalten als Funktion von Bischichtdicke und Indiumgehalt untersucht. Dabei werden verschiedene, symmetrische Bischich- ten fu¨r verschiedene Indiumgehalte von x = 0, 05 bis x = 1 hergestellt. Es wird gezeigt, daß eine Indiumkonzentration x > 0, 05 notwendig ist, um RUNT-Bildung sicher zu stellen. Im REM ausgemessene RUNT-Durchmesser werden mit theore- tischen Durchmessern der Kontinuumsmechanik nach Abschnitt 2.1.2 verglichen. Dabei wird festgestellt, daß u¨ber einen weiten Bereich von Indiumkonzentrationen und Bischichtdicken der RUNT-Durchmesser mit berechneten Durchmessern durch die Kontinuumsmechanik u¨bereinstimmen. U¨berraschender Weise folgt der RUNT-Durchmesser den kontinuumsmechanischen Vorhersagen auch fu¨r Bischichten, die eine versetzte InxGa1−xAs-Schicht enthal- ten, solange die relative Rauhigkeit der resultierenden symmetrischen InxGa1−x- As/GaAs-Bischichten kleiner als 0,09 ist. Erst wenn die Oberfla¨che der Bischichten mit den defektbehafteten InxGa1−xAs-Schichten eine dreidimensionale Oberfla¨chen- morphologie aufweist, die eine hohe relative Rauhigkeit bedingt, sind systematisch Abweichungen des RUNT-Durchmessers von den theoretisch erwarteten Durchmes- sern zu beobachten. Dies wird auf Verspannungsabbau durch die Oberfla¨chenrauhig- keiten zuru¨ckgefu¨hrt. Fu¨r die symmetrischen Bischichten wird ein Durchmesserdia- gramm fu¨r Indumkonzentrationen von x = 0, 05 bis x = 1 und Bischichtdicken zwischen 0,7 nm bis 60 nm erstellt, das die mo¨glichen Bereiche der RUNT-Bildung und die mo¨glichen RUNT-Durchmesser zu Bischichtkombinationen aufzeigt. Als asymmetrische Bischichten werden InAs/GaAs-Bischichten zwischen 0,9 nm bis 5 nm untersucht. In diesem Bereich kann der beobachtete RUNT-Durch- messer ebenfalls mit theoretischen Durchmessern der Kontinuumsmechanik fu¨r den ebenen Verzerrungszustand beschrieben werden. Im zweiten Teil des Kapitels 4 wird die Wandstruktur vollsta¨ndig freistehender RUNTs mit TEM und Ramanspektroskopie untersucht. Es wird beobachtet, daß die Wand aus alternierenden Lagen kristalliner und nicht-kristalliner Schichten be- steht, die auf diese Weise ein radiales U¨bergitter bilden. Das Entstehen der nicht- kristallinen Schicht wird auf den ” Bonding“-Prozeß wa¨hren der RUNT-Bildung zuru¨ckgefu¨hrt. Ramanspektroskopie an RUNTs, die auf der Substratoberfla¨che lie- gen, zeigt, daß diese MNOs eine vergleichbare Wandstruktur aufweisen. Dies demon- 107 striert, daß die Charakterisierung von auf einem Substrat liegenden RUNTs mittels Ramanspektroskopie mo¨glich ist. Das Kapitel 5 bescha¨ftigt sich mit den mo¨glichen Anwendungen der RUNTs in der Nanotechnologie. Im ersten Abschnitt wird durch lokales Lasererhitzen unter La- boratmospha¨re demonstriert, daß die Wand der RUNTs u¨ber einen ausgewa¨hlten Bereich modifiziert werden kann. Das Erhitzen wird in situ mittels Ramanspektro- skopie u¨berwacht. In diesem speziellen Fall wird beobachtet, daß die RUNTs bis zu einer Temperatur von ca. 300◦Cunvera¨ndert bleiben, danach anfangen, lokal die kristalline Struktur zu verlieren und zu oxidieren. Das Auftreten einer neuen Ra- manlinie bei 200 cm−1 zeigt an, daß die RUNT-Wand sich in kristallines β-Ga2O3 umwandeln la¨ßt. Es bildet sich eine laterale Hybridstruktur aus einem Halbleiterma- terial (InxGa1−xAs) und einem Oxidmaterial (β-Ga2O3) mit einer großen Bandlu¨cke, die mit konventionellen, epitaktischen Methoden nicht zu realisieren ist. Erste Ka- thodolumineszenzmessungen lassen vermuten, daß das β-Ga2O3 Lumineszenz zeigt. Diese Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß die RUNTs als Nanoreaktoren dienen ko¨nnen, um chemische Synthesen an beliebigen Stellen auf einer Probenoberfla¨che mit Hilfe von wohl positionierten RUNTs durchzufu¨hren. Der zweite Teil von Kapitel 5 bescha¨ftigt mit der potentiellen Anwendung der RUNTs in einer Mikro- und Nanotechnologie. Der erste Schwerpunkt in diesem Abschnitt behandelt den Flu¨ssigkeitstransport in den aufgerollten MNOs. Mit Hilfe eines im Rahmen der Arbeit gebauten Mikromanipulators wird gezeigt, daß sich RUNTs vom Substrat entfernen lassen und an einen anderen Ort transportiert werden ko¨nnen. Mit diesem Mikromanipulator werden wohl positionierte, einzel- ne RUNTs (Durchmesser 100 nm), die auf strukturierten Substraten hergestellt worden sind, mit einem Farbstoff (Rhodamin 6G in Ethanol) gefu¨llt. Ein starkes Fluoreszenzsignal im roten Spektralbereich wird von diesen gefu¨llten RUNTs be- obachtet. Dieses Ergebnis la¨ßt die Entwicklung von nanometer-großen Farbstoffe- mittern mo¨glich erscheinen. Weiter kann der Transport eines Farbstoffes in einer RUNT u¨ber die Strecke von einigen Mikrometern mit Hilfe von Live-Mikroskopie nachgewiesen werden, so daß diese MNOs geeignet scheinen, um als Nanopipelines auf einer Substratoberfla¨che zu dienen. Im zweiten Schwerpunkt des Abschnitts wird das patentierte Konzept der Mikro- oder Nanospulen basierend auf RUNTs vorgestellt. Solche Strukturen lassen sich durch das Einrollen eines auf die Bischicht aufgebrachten Metallstreifens realisieren. Dieses Konzept hat im Gegensatz zu den in der Mikroelektronik verwendeten pla- naren Spulen den Vorteil, daß die Kernverluste und die Verluste im magnetischem Fluß geringer sind. Dies fu¨hrt zu einer ho¨heren Selbstinduktivita¨ten bei kleinerem Platzbedarf im Vergleich zu planaren Spulen. Ein weitere Vorteil ist, daß die Herstel- lung des dreidimensionalen MNO auf einem Selbstorganisationsprozeß beruht und somit keine aufwendigen, technologischen Prozesse notwendig sind, um die hohen 108 6. Zusammenfassung und Ausblick Aspektverha¨ltnisse fu¨r dreidimensionale Spulen im Nanometer-Maßstab zu realisie- ren. Basierend auf diesen vorgeschlagenen Spulen, in der Kombination mit den in Abschnitt 3.4.2 demonstrierten RUNT-Feldern, erscheint der Aufbau von Transfor- matoren mo¨glich. Ausblick Im Laufe dieser Arbeit ist die Zahl der Vero¨ffentlichung von 2 (und einigen Konfe- renzbeitra¨gen) auf insgesamt u¨ber 50 im Jahr 2005 anstiegen. Zu den wichtigsten Ergebnissen geho¨rt die Erweiterung der Materialkombinationen von Si/Ge und Inx- Ga1−xAs/GaAs zu Metall/Halbleiter-Kombinationen [107,154], Halbleiter/Isolator/ Metallen [95, 107], nitrid-basierten MNOs [108], sowie InAs/InGaAs-basierten RUNTs [155]. An dicken Bischichten der Materialkombinationen Si/Ge und Inx- Ga1−xAs/GaAs wurden hochentwickelte Postwachstumsprozesse zur Definition von Startkanten und Mustern demonstriert [27, 110], so daß nun eine ganze Reihe ver- schiedener MNOs, wie Spitzen [27], Kantilever [27, 101, 108], Spiralen [27, 156] oder Spiegel und Mikrobu¨hnen [23, 127, 157] hergestellt werden ko¨nnen. Ein wachsen- des Interesse an der Funktionalisierung der Strukturen ist nicht nur in unserer Arbeitsgruppe erwacht, sondern Konzepte fu¨r Tintenstrahldruckerdu¨sen [106] oder Kanu¨len fu¨r die Mikrobiologie [104, 105] wurden vorgeschlagen. Als akademische Anwendung beginnt der Magnetotransport in zweidimensionalen Elektronengasen, die in mikrometer-große RUNTs integriert werden, sowohl experimentell [121, 122] als auch theoretisch [123] untersucht zu werden. Nach dem gleichem Prinzip wurde die Photolumineszenz von in RUNTs integrierten Quantumwells experimentell un- tersucht [124,125]. Erste theoretische Arbeiten zu den elektronischen Eigenschaften von RUNTs bestehen [158]; es fehlen bis jetzt jedoch systematische, experimentelle Ergebnisse, die diese theoretischen Arbeiten besta¨tigen. Diese Entwicklung zeigt, daß die Methode, dreidimensionale Mikro- und Nanoob- jekte aus zweidimensionalen Schichten herzustellen, ein enormes Potential fu¨r die Nanotechnologie hat. Nachdem die grundlegenden Bildungsprozesse und mo¨glichen Konzepte zur Verwendung dieser MNOs aufgezeigt sind, ist eine Umsetzung dieser Konzepte notwendig, um eine Weiterentwicklung der Thematik in eine technische Anwendung zu gewa¨hrleisten. Ausgehend von den hier vorgestellten Ergebnissen erscheint die Verwendung der RUNTs zum Studium von Flu¨ssigkeitsverhalten vielversprechend. Da die Wa¨nde der RUNTs auf Grund des Entstehens aus einer epitaktischen Schichtfolge atomar glatt ist, sollten RUNTs als nanometer-große Modellkana¨le geeignet sein, um das Stro¨mungsverhalten in diesem Gro¨ßenbereich zu untersuchen. Hierbei ist die einfa- che Skalierbarkeit und das problemlose Bereitstellen großer Aspektverha¨ltnisse ein 109 weiter Vorteil. Diese Aufgabenstellung wird in einem DFG-Projekt ( ” Flowing be- havior into, within and out of individual rolled-up nanotubes“) weiter untersucht. Ziel ist dabei neben der Realisation von Nanopipelines auch die Herstellung von Farbstoffemittern. Ein weiteres vielversprechendes Feld ist in der gezielten Modifikation der Wand- struktur der RUNTs zu sehen. Da in einem erstem Versuch das gebildeten β-Ga2O3 potentiell nutzbare optische Eigenschaften gezeigt hat, ist eine Synthese von wei- teren lateralen Hybridstrukturen mit besserer Materialqualita¨t interessant. Solche Strukturen sollten fu¨r elektronische Untersuchungen zu funktionalisieren sein und somit ein Potential fu¨r die Mikro- und Nanoelektronik aufweisen. Dieser Ansatz wird in einem DFG-Projekt ( ” Position-controlled semiconductor nanotubes as templates for novel hybrid nanomaterials“) weiter untersucht. Ein großes, mo¨gliches Anwendungsgebiet sollte in der Verwendung von mikrometer- großen, bzw. submikrometer-großen MNOs in der MEMS oder NEMS zu finden sein. Hierbei ist die Einfachheit, mit der extrem große Aspektverha¨ltnisse fu¨r drei- dimensionale Nanoobjekte erzeugt werden ko¨nnen, die die MNOs interessant er- scheinen la¨ßt. Da die verspannten Bischichten sich modifizieren lassen, sollte eine optische Funktionalisierung mit Elementen wie Quantumwells, Quantumdots oder Farbstoffen, sowie eine elektronische Funktionalisierung mit Metallen oder zweidi- mensionalen Elektronengasen, mo¨glich sein. Fu¨r diese Bereiche, deren Grundlagen teilweise bereits demonstriert wurden, ist die Integration in die bestehende MEMS von entscheidender Bedeutung. Wenn dies gelingt, kann die Herstellung von dreidi- mensionalen Nanoobjekten aus zweidimensionalen Schichten ein Startpunkt fu¨r eine weitreichende Verschmelzung von ” bottom-up“-Ansatz und ” top-down“-Ansatz wer- den. 110 6. Zusammenfassung und Ausblick 7. Summary Nanotechnology is considered to be one of the ”key technologies”of the 21st cen- tury. Inspired by the success story of microelectronics, resulting in functionalized structures below 100 nm, one would like to shrink mechanical devices down to the nanometer scale, hoping for a huge field of applications [1, 2]. By now two different approaches are pursued to obtain such small nano-devices. In the top-down approach micro-electromechanical systems (MEMS) and nano- electromechanical systems (NEMS) are obtained by standard semiconductor technol- ogy, developed for computer chip manufacturing. The technology is extremly success- ful for structuring two-dimensional layers and has accomplished functional structures in electronics well below 100 nm (gate length in the standard MOSFET) [3]. Never- theless, the fabrication of three-dimensional, submicron-sized structures needed for nanotechnology is still challenging, especially if high quality, damage-free materials for optoelectronic devices are required, or high aspect ratios have to be realized [159]. The other way to produce nanometer-sized structures is the bottom-up approach. Thereby, the ability of self-organization is utilized to produce nanometer size objects like particles or tubular structures [5]. Objects fabricated by this technology are e.g. carbon nanotubes or self-assembled quantum dots. Using these structures, electronic devices like single electron transistors [7,9] and quantum-dot based lasers have been demonstrated [8]. Since the formation is governed by statistical processes, utilizing single self-organized nanostructures is challenging, due to the lack of a well defined position, needed for integrated devices fabrication. In most cases, the material qual- ity is far superior to nano-objects, fabricated by the top-down approach [5]. Therefore, a combination of the bottom-up and the top-down approaches is needed. Recently, self-assembled quantum dots were positioned with conventional lithogra- phy techniques [10–12], opening the possibility to integrate new electronic devices such as single photon sources and quantum bits on a single chip [13]. For three- dimensional objects Prinz et al. [14,15] and Schmidt and Eberl [16,17] demonstrated a combination of the bottom-up with the top-down approach by the fabrication of self-organized nano-objects, releasing a thin layer from its substrate. By this tech- nique, a top-down process is used to define the starting edge of the formation, whereas the formation itself is a bottom-up process, since the nano-objects form themselves during the release of the layer. 112 7. Summary This work investigates the possibilities of this new technique for the III-V material combination, especially for the InxGa1−xAs/GaAs material system. Furthermore, the work mostly focused on nanostructures evolving from two-dimensional layers by rolling-up, called rolled-up nanotubes (RUNTs). The topic includes the fabrication, first characterizations and potential applications in nanotechnology of these RUNTs. After an introduction and a method chapter the third chapter focuses on the object formation. The first and second part of chapter 3 are dedicated to the possible nano- objects evolving from two-dimensional layers. Strained InxGa1−xAs/GaAs bilayers are grown on top of sacrificial AlAs layers by molecular beam epitaxy (MBE) and etched ex-situ with HF solutions. The obtained nanostructures are characterized by scanning electron microscopy. A variety of interesting structures such as nano- ribbons and rings (Fig 3.1 and Fig. 3.2) is found. To explore the potential of the rolled-up structures, RUNTs with diameters of 500 nm and 30 rotations on the substrate surface are fabricated (Fig 3.4). Figure 3.5 shows the lower end of the scalability of the RUNTs with the smallest RUNT diameter of 15 nm obtained in this work. Furthermore, the extension to a new material combination (InxGa1−xP/- InyGa1−yP) is demonstrated. Using an InxGa1−xP/InyGa1−yP strained bilayer grown on an AlGaAs sacrificial layer, a 2 mm long RUNT is fabricated and its diameter homogeneity investigated (Fig. 3.9 and 3.10). In the third part of chapter 3, real-time video microscopy is applied to monitor the formation of rolled-up InxGa1−xAs/GaAs tubes in great detail. Figure 3.11 shows the roll-up distance as a function of etching time for a RUNT with a diameter of 2 µm. The roll-up process is highly nonlinear at the beginning, linear at an intermediate stage and saturates for long etching times. A statistical analysis, shown in Fig. 3.11 and Fig. 3.12, reveals that this saturation is a self-limiting effect, where the roll-up distance becomes independent of the etching time. This self-limitation effect allows for good control over the RUNT position. The next step is the investigation of the formation of RUNTs on lithographically patterned substrates as a function of sacrificial layer thickness and tube diameter. The results are shown in Fig. 3.13 for sacrificial layer thicknesses between 1 nm and 10 nm and for tube diameters between 20 nm and 550 nm. The experimentally determined etching velocity is well-described by a simple diffusion model developed from a general case discussed in Ref. [62] and modified in this work (see Eq. 3.1). For RUNTs within the investigated diameter range, the roll-up velocity strongly depends on the sacrificial layer thickness but is independent of the tube diameter. For the use in nanotechnolgy the starting edge for the RUNTs has to be defined by standard semiconductor technology. The last section of chapter 3 covers the accurate positioning of the RUNTs. Optical lithography has been used to pattern the GaAs (001) substrates with deep trenches prior to MBE growth. The patterned 113 substrates are then overgrown with a standard MBE growth sequence described in section 2.4. Figure 3.14 shows such a patterned sample after MBE growth and after the ex-situ etching step. The RUNTs form parallel to the patterned trench, clearly indicating that the trench acts as starting edge for the RUNT formation. Using patterned substrates, it is shown that the areal density of the tubes on a surface can be doubled if a two-fold stack of strained bilayers is selectively underetched. Chapter 4 investigates the structural properties of the rolled-up nanotubes. The first part shows the diameter scalability of the RUNTs. A detailed investigation of the RUNT diameters for different InxGa1−xAs/GaAs bilayers is performed. The concen- tration of Indium x is varied from x = 0.05 to x = 1, keeping the nominal thickness of the InxGa1−xAs and GaAs layer equal (symmetric bilayer). The thickness of the InxGa1−xAs layer is extended to regimes, where InxGa1−xAs is known to form dislo- cation and islands. It is concluded that a minimum Indium concentration of x > 0.05 is needed to insure RUNT formation. Surprisingly, bilayers with high crystal defect densities showed a good ability to roll up. RUNTs with no structural defects on a length of over 90 µm and an overall length of 300 µm can evolve from such bilayers. Figure 4.5 shows the experimentally determined diameter as a function of the bi- layer thickness. The theoretical lines for plane stress and plane strain conditions are included into Fig 4.5. The experimentally determined RUNT diameters agree with the theory (plane strain) over a wide range of diameters, including RUNTs evolved from bilayer containing crystal defects. A systematic deviation of the RUNT diameters from the theoretically expected diameters is found for bilayers with three- dimensional surface morphology. Therefore, the relative roughness as a function of the bilayer thickness is measured. Figure 4.6 plots the absolute value of the relative deviation from plain strain theory as a function of the relative bilayer roughness. It is concluded from the analysis in Fig. 4.6 that the deviation arises from the in- creasing surface roughness, whereas dislocations or islands formed in the bilayer seem not to influence the RUNT diameter significantly as long as they not result in a rough surface morphology. Systematic deviations from the expected values of bilayers composed of InxGa1−xAs layers with crystal defects are observed for bilay- ers with a RMS roughness to bilayer thickness ratio rRMS > 0.09. This behavior is attributed to strain relaxation due to the undulated surface morphology of these bilayers. Bilayers with a flat surface morphology are well described by theory. Based on the experimental data, a diameter diagram for InxGa1−xAs/GaAs bilayers was derived showing the regime of possible RUNT diameters as a function of bilayer thicknesses (Fig. 4.7). Asymmetrical InAs/GaAs bilayers with thicknesses between 0.7 nm to 5 nm have been studied as well. The experimentally determined diameters for the series is shown in Fig. 4.10. Theoretical lines for plane stress and plane strain conditions of the RUNTs and the theoretical lines from Ref. [114] are included. Furthermore, 114 7. Summary the relative roughness of the bilayers as a function of bilayer thickness has been determined. The experimental data agrees with the theoretical line for plane strain conditions of the RUNT, but can also be described by the theoretical lines from Ref. [114]. In conclusion, the detailed study of the effect of bilayer thickness on the RUNT diameter favors plane strain conditions for the investigated RUNTs. Interestingly, symmetric bilayers containing islands or crystal defects such as dislocations show no systematic deviation from theoretically calculated diameters, as long as the surface morphology stays flat. To further investigate the mechanical boundary conditions for RUNTs evolved from thin bilayers a detailed study of the diameter dependencies on RUNT length would be useful. In the second part of chapter 4, the wall structure of individual, free-standing, rolled- up InAs/GaAs nanotubes is investigated using µ-Raman spectroscopy, transmission electron microscopy (TEM), and selected area electron diffraction. Fig. 4.12(a)-(c) show typical TEM and high resolution TEM (HRTEM) images obtained from free- standing RUNTs. They show that the wall structure of the RUNT exhibits alter- nating crystalline and non-crystalline layers. The Raman spectrum, obtained from a free-standing RUNT, is shown in Fig. 4.13. All features of the spectrum can be explained by the assumption that the RUNT wall consists of crystalline and non- cyrstalline regions — which agrees with the TEM investigations. RUNTs lying on the substrate show the same features in the Raman spectra as observed for free- standing structures. In conclusion, the study reveals that the walls of the RUNTs consist of a radial superlattice comprising alternating crystalline and non-crystalline layers as shown in Fig. 4.12(d). Chapter 5 deals with the functionalization of the RUNTs for applications in nano- technology. The first part describes experiments where individual RUNTs were lo- cally heated with a laser beam and Raman spectroscopy was used in-situ to monitor the structural changes. Figure 5.1 shows the different Raman spectra with increas- ing laser power. From the obtained spectra it is concluded that the heated part of a RUNT starts to oxidize at about 300◦C and eventually transforms into crystalline β-Ga2O3. Figure 5.2 shows the heating of the RUNT compared to the substrate temperature. This result indicates that RUNTs can serve as nanoreactors to locally synthesize material at intentional places on a substrate surface. Activating this lo- cal reaction within the RUNT results in a laterally modulated hybrid structure of Ga(In)As and the large band gap material β-Ga2O3. The next part of chapter 5 shows that RUNTs can be used for fluid transport and possibly be functionalized as a light emitting sources using organic dye solutions. In order to fill the tubes, a micromanipulation system has been set up during this work. Using the setup, it is demonstrated that RUNTs can be removed from their substrate 115 and transported to other positions. Using ultra fine capillaries from biotechnology, single RUNTs are addressed and filled with an organic dye solution (Rhodamin 6G). Figure 5.5 shows the filling process and furthermore, the strong fluorescence signal of a dye-filled RUNT in the red spectral range. Real-time video microscopy is used to demonstrate fluid transport in RUNT structures. For this propose, a sample containing RUNTs on the surface is dipped into a dye solution and rinsed with pure ethanol. After the cleaning process only the dye drawn into the RUNTs is present. The dry-out of the organic dye solvent is monitored with an optical microscope (Fig. 5.6). During the evaporation of the organic solvent, the dye moved in the RUNT showing that the structure is suitable for fluid transport. In conclusion, well-positioned RUNTs have been filled with red dye and their fluores- cence signal has been recorded. Since homogeneous defect-free RUNTs of more than 2 mm length (section 3.2) have been fabricated, RUNTs might act as nanopipelines for fluid transport over long distances or as light emission sources on a substrate surface. The last section of chapter 5 introduces the patented concept of fabricating micro- and nanocoils using RUNTs [140]. The concept is extended to construct transformers needing considerable less area on the chip than conventional planar inductors used in microtechnology. In this respect, coils based on RUNTs should be obtained by roll-up of a metal stripe processed on top of the strained bilayer as illustrated in Fig. 5.8(d). After roll-up the metal has to be contacted. To obtain inductivities of the structure suitable for device applications, the coil has to be filled with a ferromagnetic material. Figure 5.8(c) illustrates how to build a transformer based on the proposed coils. For this device, a double RUNT needs to be created as shown in Fig. 3.16 and Fig. 5.8(b). The coils and transformers should be easier to process than standard planar inductors since the critical step is the roll-up process relying on self-organization. 116 7. Summary Literaturverzeichnis [1] O. G. Schmidt, Ch. Deneke, Y. Nakamura, R. Zapf-Gottwick, C. Mu¨ller und N. Y. Jin-Phillipp. Nanotechnology – bottom-up meets top-down. 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