Beiträge zum Stuttgarter Maschinenbau 44 M ic ha el N eu ba ue r Ve rb es se ru ng d er d yn am is ch en B ah ng en au ig ke it k as ka di er t ge re ge lt er .. . Die dynamische Bahngenauigkeit von Industrierobotern steht seit Jahrzehnten im Fokus kontinuierlicher Entwick- lungsaktivitäten. Einen wesentlichen Einfluss haben die elastischen Antriebsstränge, deren gekoppelte Dynamik aus Antriebsregelung und Getriebemechanik zu genauig- keitsmindernden Schleppfehlern führt. Ein vielversprechender Lösungsansatz ist die semiakti- ve Dämpfung, die durch selektive Bremseingriffe eines Zusatzaktuators die Getriebemechanik dämpft. Daraus resultiert ein robusteres Regelstreckenverhalten, das eine performantere Auslegung der Antriebsregelung ermög- licht, wodurch die dynamische Bahngenauigkeit steigt. Diese Arbeit untersucht die Eignung der semiaktiven Dämpfung für kaskadiert geregelte Knickarmroboter. Dazu wird eine hochdynamische Scheibenbremse entwickelt und ein Regelgesetz zur bedarfsgerechten Ansteuerung eingeführt. Zur Regelungsparametrierung werden aus einem H∞-Entwurf inbetriebnahmegerechte Einstellregeln abgeleitet. Trajektorienfolge- und Fräsversuche belegen die Wirksam- keit der entwickelten Gesamtlösung. Abschließend wer- den Potenziale und Grenzen diskutiert, mit dem Fazit einer breiten Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Anwendungen. ISBN 978-3-8396-2089-2 Michael Neubauer Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit kaskadiert geregelter Knickarmroboter durch semiaktive Gelenkdämpfung Michael Neubauer Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit kaskadiert geregelter Knickarmroboter durch semiaktive Gelenkdämpfung Beiträge zum Stuttgarter Maschinenbau Band 44 Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Oliver Riedel Prof. Dr.-Ing. Alexander Verl Prof. Dr. rer. nat. Andreas Wortmann Fraunhofer Verlag Kontaktadresse: Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen ISW Seidenstr. 36 70174 Stuttgart info@isw.uni-stuttgart.de https://www.isw.uni-stuttgart.de Titelbild: © Michael Neubauer Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. ISSN: 2750-655X ISBN: 978-3-8396-2089-2 Zugl.: Stuttgart, Univ., Diss., 2025 Druck und Weiterverarbeitung: Fraunhofer-Druckerei, Stuttgart Für den Druck des Buches wurde chlor- und säurefreies Papier verwendet. © Fraunhofer Verlag, 2025 Nobelstraße 12 70569 Stuttgart verlag@fraunhofer.de www.verlag.fraunhofer.de als rechtlich nicht selbständige Einheit der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Hansastraße 27 c 80686 München www.fraunhofer.de Alle Rechte vorbehalten Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Bezeichnungen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und deshalb von jedermann benutzt werden dürften. Soweit in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z.B. DIN, VDI) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden ist, kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Geleitwort Die deutsche Wirtschaft ist weltweit bekannt für ihren Anlagen- und Maschinenbau. Dabei ist die Universität Stuttgart mit ihren beiden Maschinenbaufakultäten – unter deren Dach sich 42 Institute befinden – die größte universitäre Einrichtung für den Maschinenbau in Deutschland. Unsere wissenschaftliche Exzellenz stützt sich dabei auf unsere zahlreichen Promovierenden und ihre hervorragenden Dissertationen. Viele dieser Dissertationen entstehen in lokaler, nationaler und internationaler Zusammenarbeit mit renommierten Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen wie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Fraunhofer- Gesellschaft und der Max-Planck-Gesellschaft. Dabei reicht das inhaltliche Spektrum der Dissertationen von Biotechnik, Energietechnik, Fahrzeugtechnik, Kybernetik und Systemtechnik, Produktentwicklung und Konstruktionstechnik, Produktionstechnik bis hin zur Verfahrenstechnik und stützt sich auf die sechs Forschungsschwerpunkte Advanced Systems Engineering, Autonome Produktion, Software-Defined Manufacturing, Resiliente Versorgung, Biointelligenz und Dekarbonisierung der Industrie. Die Ergebnisse aus den Dissertationen zielen darauf ab, kunden-, produkt-, prozess- und mitarbeiterorientierte Technologie zielgerichtet und zeitnah zu entwickeln und anzuwenden. Viele der im Rahmen der Forschungsarbeiten an den Instituten entstandenen Dissertationen werden in diesen »Beiträgen zum Stuttgarter Maschinenbau« veröffentlicht. Die beiden Fakultäten des Stuttgarter Maschinenbaus wünschen den Promovierenden, dass ihre Dissertationen aus dem Bereich des Maschinenbaus in der breiten Fachwelt als maßgebliche Beiträge wahrgenommen werden und so den Wissensstand auf ein neues Niveau heben. Für den Stuttgarter Maschinenbau Stefan Weihe Oliver Riedel Vorwort der Herausgeber Innerhalb der Reihe »Beiträge zum Stuttgarter Maschinenbau« berichtet das Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen an der Universität Stuttgart (ISW) über seine Forschungsergebnisse. Das Institut beschäftigt sich in vielfältiger Form mit Steuerungs- und Automatisierungstechnik sowie dem Einsatz von modernen Methoden des Informationsmanagements. Dabei stehen Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Entwicklung in einem stetigen Austausch, wodurch ein kontinuierlicher Technologietransfer in die Praxis sichergestellt wird. Die am ISW entstandenen Dissertationen werden damit unter erweitertem Namen und inzwischen in vierter Generation in der bewährten Konzeption, die der Gründer des ISW Prof. Stute und sein Nachfolger Prof. Pritschow 1972 begonnen haben, durch die heutige Institutsleitung fortgesetzt. Herrn Michael Neubauer M.Sc. möchten wir für die geleistete Arbeit danken, dem Verlag für die Aufnahme dieser Schriftenreihe in sein Angebot und der Druckerei für die saubere und zügige Ausführung. Möge das Buch von der Fachwelt gut aufgenommen werden. Alexander Verl Oliver Riedel Andreas Wortmann Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit kaskadiert geregelter Knickarmroboter durch semiaktive Gelenkdämpfung Improvement of the Dynamic Path Accuracy of Cascaded Controlled Articulated Robots using Semi-Active Joint Damping Von der Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung Vorgelegt von Michael Neubauer, M.Sc. aus Ludwigsburg Hauptberichter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Alexander Verl Mitberichter: Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter Tag der mündlichen Prüfung: 31. Januar 2025 Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW) der Universität Stuttgart 2025 Vorwort Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Tätigkeit am ISW der Uni- versität Stuttgart. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. mult. Alexander Verl für die Betreuung der Arbeit und den Freiraum, den er mir bei der Erforschung des Themas gewährte. Herrn Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter spreche ich meinen herzlichen Dank für sein Interesse an meiner Arbeit und die Übernahme des Mitberichts aus. Herrn Dr.-Ing. Christoph Hinze und Herrn Dr.-Ing. Tim Engelberth danke ich herz- lich für ihre konstruktive Kritik und die sorgfältige fachliche Durchsicht der Arbeit. Mein Dank gilt außerdem den aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern des ISW, die mich während meiner wissenschaftlichen Arbeit begleitet und unterstützt haben. Neben den bereits genannten Personen möchte ich besonders Herrn Dr.-Ing. Peter Zahn, Herrn Dr.-Ing. Florian Eger, Herrn Colin Reiff, Herrn Dr.-Ing. Frederik Wul- le, Herrn Oliver Jud, Herrn Marcel Dzubba, Herrn Dr.-Ing. Armin Lechler, Herrn Dr.-Ing. Patrick Mesmer und Herrn Alexander Schulte hervorheben. Ein besonderer Dank gebührt außerdem Herrn Dr.-Ing. Nico Helfesrieder, Herrn Felix Brenner und Herrn Lukas Steinle, die bereits vor ihrem Eintritt in das ISW wichtige Beiträge zum Gelingen dieser Arbeit geleistet haben. Auch meinen ehemaligen Studenten möchte ich für ihre wertvollen Beiträge dan- ken. In chronologischer Reihenfolge sind dies die Herren Robert Dyhringer, Julius Greshake, Tobias Weiß, Andreas Bähr, Dominic Huschke, Julian Hitzer, Dominik Tschemernjak und Finn-Alexander Lutz. Meiner Frau Sandra danke ich von ganzem Herzen für ihre unermüdliche Unterstüt- zung, ihre Geduld und ihr Verständnis während der gesamten Zeit meiner Arbeit. Ohne ihre Rückendeckung und ihr Vertrauen wäre die Anfertigung dieser Disser- tation nicht möglich gewesen. Meinen Kindern Sophie und Mika danke ich für ihr unentwegtes Bestreben, meinen Blick auf die wichtigen Dinge des Lebens zu lenken. Stuttgart, im Januar 2025 M. Neubauer iii Kurzfassung Die Genauigkeit von Industrierobotern ist seit Jahrzehnten Gegenstand kontinuierli- cher Entwicklungs- und Forschungsaktivitäten. Einen wesentlichen Einfluss auf die dynamische Bahngenauigkeit haben die elastischen Antriebsstränge, deren Verhal- ten sich aus der gekoppelten Dynamik von Antriebsregelung und Getriebemechanik zusammensetzt. Eine negative Folge der Elastizität sind genauigkeitsreduzierende Schleppfehler, die selbst dann auftreten, wenn der Lageregelkreis über das Positi- onssignal der Getriebeabtriebswelle geschlossen wird. Ein vielversprechender Ansatz zur Schleppfehlerreduktion ist die Methode der semiaktiven Dämpfung, die im wissenschaftlichen Umfeld bereits erfolgreich bei Werkzeugmaschinen umgesetzt wurde. Das Funktionsprinzip basiert darauf, die Getriebemechanik durch bedarfsgerechte Bremseingriffe eines Zusatzaktuators zu dämpfen. Aus Sicht der Antriebsregelung resultiert daraus ein robusteres Regel- streckenverhalten, wodurch performantere Regelparameterwerte einstellt werden können. Die Parameteranpassung verbessert auf Achsebene sowohl das Führungs- als auch das Störverhalten und wirkt sich somit positiv auf die dynamische Bahnge- nauigkeit des Gesamtsystems aus. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die semiaktive Dämpfung mit einem kostengünstigen Zusatzaktuator auf kaskadiert geregelte Knickarmroboter zu übertragen, um eine Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit zu erreichen. Ausgehend von einer experimentellen Systemanalyse an einem Industrieroboter werden Anforderungen an die Lösung abgeleitet und Achse 1 als Integrationsziel für den Dämpfungsaktua- tor festgelegt. Zur Aktuatoransteuerung wird ein neues, semiaktives Regelgesetz vorgeschlagen, das modellfrei auf Basis vorhandener Zustandsgrößen arbeitet. Um- fangreiche Simulationen zeigen dessen Wirkungsweise und belegen die höhere Dämpfungswirkung im Vergleich zu bekannten Regelgesetzen aus dem Stand der Forschung. Für die Konstruktion des Dämpfungsaktuators werden Auslegungsre- geln und eine Möglichkeit zur Integration vorgeschlagen, die sich leicht auf andere v Kurzfassung Robotersysteme übertragen lassen. Der entwickelte Dämpfungsaktuator weist eine große Bandbreite und hohe Spitzenkräfte auf, sodass eine effektive Bedämpfung der Regelstrecke möglich ist. Zur anforderungsspezifischen Parametrierung der Antriebs- und Aktuatorregelung wird eine H∞-Entwurfsmethodik eingeführt und inbetriebnahmegerechte Einstellregeln daraus abgeleitet. Eine umfangreiche experi- mentelle Validierung belegt die Wirksamkeit der Gesamtlösung auf Achsebene sowie anhand von Trajektorienfolge- und Fräsversuchen. Basierend auf den Ergebnissen werden abschließend Potenziale und Grenzen der semiaktiven Dämpfung diskutiert, mit dem Fazit einer breiten Einsetzbarkeit in unterschiedlichen Anwendungen. Systemanalyse Visuelle Kurzfassung Lösungsentwicklung Semiaktives Regelgesetz + Dämpfungsaktuator + Parametrierung Validierung Anforderungen Gesamtlösung vi Abstract The accuracy of industrial robots is object of ongoing developments and research activities for decades. A significant influence on the dynamic path accuracy lies in the elasticity of the joints, whose behavior results from the coupled dynamics of drive control and gear mechanics. A negative consequence of elasticity is the occurrence of tracking errors which reduce the path accuracy, even if the position control loop is closed by the position signal of the gearbox output shaft. A promising approach to reduce tracking errors is the method of semi-active dam- ping, which has already been successfully realized in machine tools. The idea is to damp the gearbox mechanics through selective braking interventions by an addi- tional actuator. From the drive control perspective, this results in a well tempered plant behavior, allowing more performant control parameter settings. The parameter adjustment improves both the tracking behavior and the disturbance behavior at the joint level and therefore leads to a positive impact on the dynamic path accuracy of the entire system. The objective of this thesis is to investigate the potential of semi-active damping to improve the dynamic path accuracy of cascaded controlled articulated robots using an additional low-cost actuator. Starting from an experimental system analysis on an industrial robot, requirements for the solutions are derived and joint 1 is selected for integrating the damping actuator. To control the damping actuator, a novel, semi-active control law is proposed, which operates model-free on the basis of existing state variables. Numerous simulations demonstrate the functional principle and prove a higher damping effectiveness compared to known control laws from the state of the art. Design rules and a possibility for integration are proposed for the damping actuator, which can be easily transferred to other robot systems. The developed actuator has a large bandwidth and high peak forces, allowing an effective damping of the mechanical plant. A requirement-specific H∞ design methodology is introduced to parameterize the controls of the basic drive and the damping actuator. vii Abstract Setting rules derived from it simplify the parameterization process. A comprehensi- ve validation in the joint space, trajectory following experiments and milling tests prove the effectiveness of the solution. Finally, the potential and limits of semi-active damping for various applications are discussed on the basis of the findings. The central result is a broad applicability in different use cases. System Analysis Graphical Abstract Solution Development Semi-active Control Law + Damping Actuator + Parameterization Validation Requirements Solution viii Inhaltsverzeichnis Kurzfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . v Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xiii Symbolverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xv 1 Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 Stand der Technik und Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1 Grundlagen der Industrierobotik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1.1 Aufbau und Funktionsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.1.2 Dynamische Bahngenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit . . . 10 2.2.1 Steuerungstechnische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.2.2 Regelungstechnische Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 15 2.2.3 Konstruktive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.3 Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.3.1 Bewertung der Lösungsansatzklassen . . . . . . . . . . . . . 20 2.3.2 Defizit und Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben . . . . . . . . . . . . 23 2.4.1 Abtriebsseitige Last und Getriebe . . . . . . . . . . . . . . . 24 2.4.2 Servomotor und Frequenzumrichter . . . . . . . . . . . . . . 25 2.4.3 Drehzahl- und Lageregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2.4.4 Vorsteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3 Zielsetzung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ix Inhaltsverzeichnis 4 Systemanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.1 Versuchsumfeld und Messaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4.1.1 Bewertungsmetriken im Zeitbereich und Notation . . . . . . 39 4.2 Führungsverhalten im kartesischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . 40 4.3 Störverhalten im kartesischen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.4 Mechanisches Übertragungsverhalten der Hauptachsen . . . . . . . 45 4.5 Dominante Eigenfrequenz und Dämpfungsgrad von Achse 1 . . . . 47 4.6 Nichtidealitäten im Antriebsstrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.7 Praxisrelevante Randbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 5 Semiaktives Regelgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.1 Regelgesetzentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5.2 Wirkungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 5.3 Gegenüberstellung der Regelgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5.4 Einfluss des dynamikbegrenzten Dämpfungsaktuators . . . . . . . 63 5.5 Steuerungstechnische Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6 Dämpfungsaktuator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 6.1 Elektromagnetischer Dämpfungsaktuator . . . . . . . . . . . . . . . 71 6.1.1 Elektromagnetisches Teilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . 72 6.1.2 Mechanisches Teilsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6.1.3 Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.2 Elektromotorischer Dämpfungsaktuator . . . . . . . . . . . . . . . . 83 7 Parametrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7.1 Analyse des Verstärkungsfaktors Kd . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7.1.1 Einfluss auf die Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 7.1.2 Einfluss auf Drehzahl- und Lageregelung . . . . . . . . . . . 89 7.1.3 Wechselseitige Abhängigkeiten der Einstellparameter . . . . 90 7.2 Mixed-Sensitivity Loop Shaping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 7.2.1 Parametrische Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 7.2.2 Parametererhaltende Linearisierung der SAD . . . . . . . . . 94 7.2.3 Bandbreitenbeschränkendes Vorfilter . . . . . . . . . . . . . 96 7.2.4 Spezifikation der Optimierungsziele . . . . . . . . . . . . . . 98 x Inhaltsverzeichnis 7.3 Diskussion der (optimierten) Parametersätze . . . . . . . . . . . . . 102 7.4 Inbetriebnahmegerechte Einstellregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 8 Experimentelle Validierung am Industrieroboter . . . . . . . . . . . . . 107 8.1 Signalaufbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 8.2 Mechanisches Streckenverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 8.3 Robuste Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.4 Regelungsperformanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.5 Dynamische Bahngenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.5.1 Trajektorienfolgeverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 8.5.2 Fräsbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8.6 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 9 Potenziale und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.1 Einsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 9.2 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 10 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 A Geregeltes Zweimassenschwingermodell . . . . . . . . . . . . . . . 159 A.1 Parameterwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 B Industrieroboter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B.1 Technische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 B.2 Offene Steuerungsarchitektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 B.3 Betrachtete Posen und zugehörige Gelenkwinkel . . . . . . . 162 B.4 Parameterwerte für die Antriebsregelung . . . . . . . . . . . 163 C Dämpfungsaktuator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C.1 Technische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 C.2 Explosionszeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 xi Inhaltsverzeichnis D Direktantrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 D.1 Technische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 E Einfluss der Regelparameter des Drehzahlreglers . . . . . . . . . . . 167 E.1 Einfluss von Kp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 E.2 Einfluss von Tn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 F SAD mit antriebsseitiger Lageregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 xii Abkürzungsverzeichnis 2SO doppeltes symmetrisches Optimum APC Advanced Position Control AVC Absolute Value Control BIBO bounded-input, bounded-output CAD Computer-aided Design CAM Computer-aided Manufacturing CNC Computerized Numerical Control FEM Finite-Elemente-Methode FSDC Folded Skyhook Damping Control HA High Accuracy HDC Historical Data-based Correction IFR International Federation of Robotics IJC Independent Joint Control IK inverse Kinematik ILC Iterative Learning Control IPC Industrial Personal Computer IR Industrieroboter ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH KGT Kugelgewindetrieb KI künstliche Intelligenz LDA Lineardirektantrieb LQR linear quadratische Regler LT Lasertracker LZI linear zeitinvariantes MPC modellprädiktive Regelung MRK Mensch-Roboter-Kollaboration xiii Abkürzungsverzeichnis MSLS Mixed-Sensitivity Loop Shaping MT Machine-Tooling OB Optimierungsbedingung OSC on/off Skyhook Control PMSM Permanentmagnet-Synchronmotor PTP Punkt-zu-Punkt PWM Pulsweitenmodulation RSI Robot Sensor Interface SAD semiaktive Dämpfung SE Secondary Encoder SISO single-input single-output SO symmetrisches Optimum SPS speicherprogrammierbare Steuerung TCP Tool Center Point WZM Werkzeugmaschine ZRD Zustandsraumdarstellung xiv Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung ABb mm2 Querschnittsfläche des Bremsbelags ap mm Schnitttiefe AR dB Amplitudenreserve AR,s dB Sollamplitudenreserve α − Gewichtungskoeffizient zur Übertragungsfunktionslinearisierung β − Gewichtungskoeffizient zur Übertragungsfunktionslinearisierung C − Differentiationsklasse d Nms/° Gelenkdämpfungsskonstante dA mm Ankerplattendicke df mm Fräserdurchmesser Dm1 − Dämpfungsgrad des Einmassenschwingers Dm1,SAD − Dämpfungsgrad des Einmassenschwingers mit semiaktive Dämpfung (SAD) Dm1,s − Solldämpfungsgrad des Einmassenschwingers Dm2 − Dämpfungsgrad des Zweimassenschwingers Dm2,SAD − Dämpfungsgrad des Zweimassenschwingers mit SAD dsky Ns/m Skyhook-Dämpfungsskonstante ∆h m° | mm Überschwingweite δL mm Luftspalt ∆ϕ ° Verdrehwinkel des Gelenks ∆τd Nm Totbandbreite für das Dämpfungssolldrehmoment der SAD DK − Funktion der direkten Kinematik xv Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung q̇s,o °/s Offset-Geschwindigkeit auf die Gelenkwinkelsollposition bei sinusförmigen Vorgaben θ̇′s °/s Motorsollwinkelgeschwindigkeit (Auf die Abtriebsseite bezogene Führungsgröße des Drehzahlreglers) θ̇s °/s Motorsollwinkelgeschwindigkeit (Führungsgröße des Drehzahlreglers) E N/mm2 Elastizitätsmodul eθ̇ °/s Regeldifferenz des Drehzahlreglers eθ̇′q̇ dB Linearisierungsfehler der Übertragungsfunktion Gθ̇′q̇ eq ° Regeldifferenz des Lagereglers (Schleppfehler) eq,∞ ° L∞-Norm der Regeldifferenz des Lagereglers eq,Σ̄ ° Gemittelte L1-Norm der Regeldifferenz des Lagereglers) eτMθ̇ dB Linearisierungsfehler der Übertragungsfunktion GτMθ̇ eTCP mm Euklidischer Abstand zwischen Soll- und Istbahn im kartesischen Raum F N Kraft f Hz Frequenz f0,m1 Hz Kennfrequenz des Einmassenschwingers f0,m2 Hz Kennfrequenz des Zweimassenschwingers Fd,s N Solldämpfungskraft fd,θ̇ Hz Amplitudendurchtrittsfrequenz des offenen Drehzahlregelkreises fd,q Hz Amplitudendurchtrittsfrequenz des offenen Lageregelkreises fg Hz −3dB-Grenzfrequenz fg,θ̇ Hz −3dB-Grenzfrequenz des geschlossenen Drehzahlregelkreises fm1 Hz Gedämpfte erste mechanische Eigenfrequenz FN N Normalkraft des elektromagnetischen Dämpfungsaktuators f−π Hz Phasenschnittfrequenz Fs N Stellkraft des Aktuators xvi Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung fz mm Vorschub je Schneide G − Übertragungsfunktion g − Systemordnung GBF − Übertragungsfunktion eines Besselfilters Gθ̇′q̇ − Übertragungsfunktion der Mechanik Gsim θ̇′q̇ − Übertragungsfunktion der Mechanik inkl. SAD Gθ̇sθ̇ − Übertragungsfunktion des geschlossenen Drehzahlregelkreises Geθ̇ θ̇ − Übertragungsfunktion des offenen Drehzahlregelkreises Geθ̇τM,s Nms/° Übertragungsfunktion des Drehzahlreglers Geqq − Übertragungsfunktion des offenen Lageregelkreises Gqsq − Übertragungsfunktion des geschlossenen Lageregelkreises Gq̃sqs − Übertragungsfunktion des Vorfilters der Lageregelung GqsτM,s Nm/° Stellaufwand des Kaskadenregelung Gτd,sτd − Übertragungsfunktion des Direktantriebs GτM,sτM − Übertragungsfunktion des Motors GτMθ̇ °/Nms Übertragungsfunktion des Mechanikteils der Drehzahlregelstrecke Gsim τMθ̇ °/Nms Übertragungsfunktion des Mechanikteils der Drehzahlregelstrecke inkl. SAD GTF − Übertragungsfunktion eines Tschebyschefffilters G−zq µ°/Nm Störübertragungsfunktion G−zτM,s − Stellaufwand zur Störgrößenunterdrückung γ − Gewichtungskoeffizient zur Übertragungsfunktionslinearisierung G̃θ̇′q̇ − Übertragungsfunktion der Mechanik für den H∞-Entwurf G̃τMθ̇ °/Nms Übertragungsfunktion des Mechanikteils der Drehzahlregelstrecke für den H∞-Entwurf H − Übertragungsfunktion I A Stromstärke i − Achsnummer Îs A Stromstärkenamplitude xvii Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung Is,o A Stromstärkenoffset Is A Sollstromstärke Îs A Sprunghöhe der Sollstromstärke JL kgm2/° Massenträgheitsmoment der Last JM kgm2/° Massenträgheitsmoment des Motors k Nm/° Gelenksteifigkeitskonstante kBb N/mm Steifigkeit des Bremsbelags Kd Nms/° Proportionalverstärkungsfaktor der SAD Kf − Proportionalverstärkungsfaktor der Geschwindigkeitsvorsteuerung Kp Nms/° Proportionalverstärkungsfaktor des Drehzahlreglers Kv 1/s Proportionalverstärkungsfaktor des Lagereglers K − Vektor der Einstellparameter für die Kaskadenregelung l0,Bb mm Dicke des Bremsbelags JL kgm2/° Definitionsmenge des Massenträgheitsmoments der Last Kd Nms/° Definitionsmenge des Proportionalverstärkungsfaktors der SAD Kf − Definitionsmenge des Proportionalverstärkungsfaktors der Geschwindigkeitsvorsteuerung Kv 1/s Definitionsmenge des Proportionalverstärkungsfaktor des Lagereglers µG − Gleitreibungskoeffizient N − Zeitschrittanzahl n − Zeitschritt nS 1/min Spindeldrehzahl Olin − Optimierungsproblem zur Linearisierung der SAD Oparam − Optimierungsproblem zur Parameterisierung der erweiterten Kaskadenregelung ωSθ̇ rad/s Kreisfrequenz für die Gewichtungsfunktion der Sensitivitätsfunktion des Drehzahlregelkreises ωS̃q rad/s Eckkreisfrequenz für die Gewichtungsfunktion der Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises xviii Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung p − Polpaarzahl Pb W Bremsleistung P mm | ° Tool Center Point Px mm x-Koordinate des Tool Center Points Py mm y-Koordinate des Tool Center Points ϕ ° Phasenwinkel ϕR ° Phasenreserve Q °2 /s Kovarianz des Prozessrauschens q ° Abtriebsseitige Gelenkwinkelposition q̂ ° Beobachtete abtriebsseitige Gelenkwinkelposition q̇f °/s Programmierte Vorschubgeschwindigkeit im Gelenkwinkelraum qs ° Gelenkwinkelsollposition q̂s ° Amplitude der Gelenkwinkelsollposition bei sinusförmigen Vorgaben q̃s ° Gelenkwinkelsollposition vor dem Vorfilter q ° Vektor der abtriebsseitigen Gelenkwinkelpositionen R °2 /s Kovarianz des Messrauschens Ra µm Arithmetischer Mittenrauwert rBs mm Effektiver Radius der Bremsscheibe R30° z − Drehmatrix für eine 30°-Drehung um die z-Achse s Hz Komplexe Frequenzvariable S − Sensitivitätsfunktion Sθ̇ − Sensitivitätsfunktion des Drehzahlregelkreises ss mm Stellweg des Aktuators σ2 − Varianz S̃q − Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises mit Vorfilter t s Zeit T − Komplementäre Sensitivitätsfunktion Ta s Ausregelzeit Tab s Abtastzeit xix Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung Tθ̇ − Komplementäre Sensitivitätsfunktion des Drehzahlregelkreises Te,i ms Ersatzzeitkonstante des geschlossenen Stromregelkreises Te,iel ms Ersatzzeitkonstante des stromgeregelten Motors Tf,i ms Zeitkonstante des Stromsollwertfilters tg s Gesamtzeit Tn ms Nachstellzeit des Drehzahlreglers Tq − Komplementäre Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises ts ms Stellzeit des Aktuators Tt ms Totzeit Tt,i ms Summentotzeit des Stromregelkreises τ Nm Drehmoment τd Nm Dämpfungsdrehmoment der SAD τd,max Nm Spitzendrehmoment des Dämpfungsaktuators τd,s Nm Dämpfungssolldrehmoment der SAD τd,sl Nm Limitiertes Dämpfungssolldrehmoment der SAD τ̃d,sl Nm Aufbereitetes Dämpfungssolldrehmoment der SAD τdl Nm Limitiertes Dämpfungsdrehmoment der SAD τM Nm Motordrehmoment τ̂M Nm Motordrehmomentamplitude τM,max Nm Spitzendrehmoment des Motors τM, 3̄ √ Nm Äquivalente dynamische Belastung der Mechanik τM,s Nm Motorsolldrehmoment τ̂M,s Nm Motorsolldrehmomentamplitude τM,sl Nm Limitiertes Motorsolldrehmoment τM,s,o Nm Motorsolldrehmomentoffset τz Nm Stördrehmoment τ̂z Nm Amplitude des Störsolldrehmoments bei sinusförmigen Vorgaben T̄ − Maximum der komplementären Sensitivitätsfunktion θ ° Antriebsseitige Motorwinkelposition xx Symbolverzeichnis Symbol Einheit Beschreibung θ′ ° Antriebsseitige Motorwinkelposition bezogen auf die Abtriebsseite T̃q − Komplementäre Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises mit Vorfilter U V Elektrische Spannung UZK V Zwischenkreisspannung u − Getriebeübersetzungsverhältnis vc m/min Schnittgeschwindigkeit vf mm/min Programmierte Vorschubgeschwindigkeit im kartesischen Raum W − Gewichtungsfunktion w − Führungsgröße Wel,Σ kJ Kumulierte elektrische Energie WSθ̇ − Gewichtungsfunktion für die Sensitivitätsfunktion des Drehzahlregelkreises WS̃q − Gewichtungsfunktion für die Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises mit Vorfilter WTθ̇ − Gewichtungsfunktion für die komplementäre Sensitivitätsfunktion des Drehzahlregelkreises WT̃q − Gewichtungsfunktion für die komplementäre Sensitivitätsfunktion des Lageregelkreises mit Vorfilter x − Zustandsvektor ξ m Auslenkung y − Regelgröße Z µm Profilhöhe z − Störgröße zf − Schneidenanzahl des Fräsers z̃ − Diskrete Frequenzvariable xxi 1 Einleitung und Problemstellung „Der 6-Achs-Roboter wird aufgrund seiner Kinematik niemals die Steifigkeit von CNC-Werkzeugmaschinen erreichen.“ [1] Dieses Zitat stammt von Herrn Dr.-Ing. Michael Klos (General Manager bei Yas- kawa Europe GmbH), der sich zu der Frage äußert, ob Industrieroboter (IR) in der spanenden Fertigung am Thron der Werkzeugmaschinen kratzen. Tatsächlich wurden IR historisch betrachtet nicht für Bearbeitungsaufgaben entwickelt, auch wenn solche Anwendungsbeispiele bereits 1987 in der Literatur Erwähnung finden [2]. Bis in die heutige Zeit dominieren weiterhin klassische Aufgabenfelder wie Handhabung (43%), Schweißen (17%) und Montage (12%) die Branche [3]. Aller- dings treten zunehmend Anwendungen in den Vordergrund, bei denen es nicht nur auf das präzise Erreichen eines programmierten Endpunktes ankommt, sondern auf die dynamische Bahngenauigkeit [4, 5, 6]. Häufig genannte Fertigungsverfahren aus der klassischen Produktionstechnik sind Schleifen, Polieren, Entgraten, Laser- schneiden, Bohren und Fräsen. Eine breite Marktdurchdringung steht jedoch noch aus [3] und auch in der Forschung wird die Eignung von IR für solche Prozesse kritisch hinterfragt [6, 7, 8, 9]. Faktisch sind IR in dieser Hinsicht nicht mit einer Werkzeugmaschine (WZM) konkurrenzfähig. Bisher konnten sich IR lediglich in Anwendungsfeldern durchsetzen, in denen WZM weniger gut geeignet sind, wie beispielsweise das Bearbeiten großräumiger Bauteile im Flugzeugbau [10] oder in der Holzbranche [11, 12]. Zusammenfassend lässt sich ableiten, dass es einen poten- ziellen Markt gibt, der aufgrund einer zu geringen dynamischen Bahngenauigkeit von IR nicht erschlossen werden kann. Zur dynamischen Bahngenauigkeit trägt nicht nur das vergleichsweise schlechte Bahnfolgeverhalten [13] bei, sondern auch eine hohe Anfälligkeit gegenüber Schwin- gungen [8] und Störeinflüssen sowie bei der Fräsbearbeitung das Problem der Ratterneigung [6, 14, 15]. Diese Herausforderungen sind in der Literatur vielfach 1 1 Einleitung und Problemstellung beschrieben und zahlreiche Lösungsansätze wurden bereits vorgeschlagen [4, 5, 8, 16]. Trotz dieser Bemühungen bleibt der Wunsch nach einer weiteren Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit bei IR bestehen. Eine wesentliche Ursache für das Defizit sind die elastischen Robotergelenke [13]. Die Elastizität setzt sich aus dem gekoppelten dynamischen Verhalten von Antriebsreglung und Getriebemechanik zusammen. Robotergetriebe haben prinzipbedingt eine relativ geringe Steifigkeit, die sich konstruktiv – nach jahrzehntelanger Optimierung – kaum noch steigern lässt [13]. Ferner sind die Dämpfungseigenschaften von entscheidender Bedeutung für das dynamische Gelenkverhalten. Konstruktiv kann die Dämpfung auf zwei Arten beeinflusst werden. Zum einen lässt sich die Materialdämpfung durch den Einsatz von mehr Masse steigern, was dem Leichtbaugedanken und damit der en- ergetischen Effizienz widerspricht. Zum anderen durch das bewusste Einbringen von mehr Reibung, dem ebenfalls der Wunsch nach einer geringen Dissipation sowie nach einem guten Verschleißverhalten entgegensteht. Um der nicht weiter steigerbaren Steifigkeit und dem Spannungsfeld zwischen Energieeffizienz und hoher Dämpfung gerecht zu werden, wird ein Lösungsansatz angestrebt, mit dem die Dämpfung bedarfsgerecht eingebracht werden kann, ohne den Nachteil einer dauerhaften Erhöhung von Reibung oder Trägheit. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit von IR als Problemstellung behandelt. Zur Lösung wird ein Ansatz vorgeschlagen, der eine semiaktive Bedämpfung der Robotergelenke mittels Zusatzaktuatorik vorsieht, sodass die kaskadierte Antriebsregelung dynamischer ausgelegt werden kann. Um die Hürden für einen späteren Einsatz im industriellen Umfeld möglichst niedrig zu halten, wird bei der Lösungsfindung ein besonderes Augenmerk auf eine ho- he Robustheit, geringen Integrations- und Betriebsaufwand sowie niedrige Kosten gelegt. 2 2 Stand der Technik und Forschung Dieses Kapitel vertieft das Verständnis für die Problemstellung und bereitet den aktuellen Stand der Erkenntnisse auf dem Gebiet auf. Ziel ist es, daraus konkreten Handlungsbedarf abzuleiten. Dazu werden zunächst Grundlagen und Begrifflich- keiten zu IR (Zielsystem) und deren dynamischer Bahngenauigkeit (Zielgröße) eingeführt. Anschließend werden Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahn- genauigkeit aus dem Stand der Technik und der Forschung vorgestellt und bewertet. Durch die Herausarbeitung von Defiziten bestehender Ansätze können die Anforde- rungen an die Lösung konkretisiert und der Lösungsraum eingegrenzt werden. Nach der Fokussierung werden vertiefende Grundlagen zum dynamischen Verhalten von IR eingeführt, die für das Verständnis der weiteren Arbeit notwendig sind. 2.1 Grundlagen der Industrierobotik Um eine geschlossene Darstellung innerhalb dieser Arbeit zu erreichen, werden zunächst notwendige Grundlagen zum Aufbau, der Funktionsweise und zur dyna- mischen Bahngenauigkeit von IR eingeführt. 2.1.1 Aufbau und Funktionsweise IR sind laut ISO 8373 automatisch gesteuerte, frei programmierbare Mehrzweckmani- pulatoren, die in drei oder mehr Achsen programmierbar sind und zur Verwendung in der Automatisierungstechnik entweder an einem festen Ort oder beweglich an- geordnet sein können [17]. Zur Eingrenzung des Lösungsraums wird der Begriff und damit das betrachtete Zielsystem im Rahmen dieser Arbeit enger gefasst. IR beschreibt hier einen vertikalen Knickarmroboter mit 6 Achsgelenken und einer nominellen Traglast größer 15 kg (Grenze zur Leichtbaurobotik). Der kinematische Aufbau eines solchen IR ist beispielhaft in Abb. 2.1 dargestellt. Die Kinematik stellt eine serielle Kette aus mechanischen Strukturelementen (Gliedern) dar, die über 3 2 Stand der Technik und Forschung Gelenkachsen miteinander gekoppelt sind. Die 3 Hauptachsen A1−3 dienen vorwie- gend der translatorischen Bewegungsumsetzung (Position) im kartesischen Raum, während die Nebenachsen A4−6 die Realisierung der rotatorischen Bewegungen (Orientierung) übernehmen. Die Pose, bestehend aus Position und Orientierung, beschreibt den Tool Center Point (TCP) am Ende der kinematischen Kette. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 A1 A2 A3 A4 A5 A6 1 Grundgestell 2 Karussell 3 Gewichtsausgleich 4 Schwinge 5 Nebenachsmotoren 6 Arm 7 Handgelenk 8 Flansch 9 Frässpindel Hauptachsen: A1−3 Nebenachsen: A4−6 Abbildung 2.1: Kinematischer Aufbau eines IR Antriebsstrang In den Gelenken ist jeweils ein Antriebsstrang verbaut, der aus einem Servomotor (Permanentmagnet-Synchronmotor (PMSM)) und einem Untersetzungsgetriebe besteht. Die am häufigsten eingesetzte Getriebeart ist das Zykloidgetriebe [18]. Im Vergleich zu Planetengetrieben zeichnet es sich bei hohen Übersetzungsverhältnis- sen durch eine höhere Genauigkeit und Effizienz sowie ein besseres Verhältnis von Nenn-Drehmoment zu Gewicht aus [19]. Spannungswellengetriebe sind sehr kom- pakt und leicht, haben allerdings im Vergleich zu Zykloidgetrieben eine geringere Steifigkeit in Drehrichtung. Aufgrund dieser Eigenschaften kommen sie vorwiegend bei Robotern mit geringer Traglast und insbesondere bei Leichtbaurobotern sowie Cobots zum Einsatz [19, 20]. Da der Fokus dieser Arbeit auf IR liegt, beschränkt sich die weitere Betrachtung auf Zykloidgetriebe. 4 2.1 Grundlagen der Industrierobotik Abb. 2.2 zeigt beispielhaft den Aufbau eines solchen Getriebes. Der Servomotor treibt eine Exzenterwelle (2) an, die über ein Wälzlager (8) mit der Zykloidenscheibe (3) verbunden ist. Die Nocken der Zykloidenscheibe wälzen auf feststehenden Rollen (7) mit Rotationsfreiheitsgrad ab. Durch diese Anordnung zwingt die Exzenterwelle die Zykloidenscheibe zur Rotation um die eigene Symmetrieachse. Die Zykloidenschei- be stellt gleichzeitig einen Lochkranz dar, in dessen Löchern die Rollen (5) einer dahinterliegenden Rollenscheibe (4) laufen. Die koaxial zur Antriebswelle verbaute Abtriebswelle ist fest an die Rollenscheibe gekoppelt und wird von der Zykloiden- scheibe rotierend angetrieben. Insgesamt wird auf diese Weise eine Untersetzung der Motorwinkelgeschwindigkeit mit Drehrichtungsumkehr realisiert. 1 Rollenkranz 4 Rollenscheibe (Abtrieb) 7 Rollen 5 Abtriebsrollen 2 Exzenterwelle (Antrieb) 8 Wälzlager 3 Zykloidenscheibe 6 Bolzen 1 2 3 4 5 (a) Komponenten 1 3 5 6 7 8 (b) Schnitt durch die Getriebeachse Abbildung 2.2: Aufbau eines Zykloidgetriebes in Anlehnung an [21] Für einen ruhigeren Lauf und die Übertragungsfähigkeit höherer Drehmomente werden üblicherweise zwei um 180° zueinander versetze Zykloidenscheiben auf- einander verbaut [18]. Zudem werden die Nocken meist als verkürzte Zykloide ausgeführt, um die notwendige Exzentrizität der Antriebswelle zu verringern und damit verbundene Unwuchtkräfte zu reduzieren. Zur einfachen Anpassung des Gesamtübersetzungsverhältnisses wird außerdem häufig eine Stirnrad-Vorstufe ergänzt, um die Variantenzahl bei der Hauptstufe gering zu halten [18]. 5 2 Stand der Technik und Forschung Antriebsregelung Zur präzisen Positionierung des TCP auf einer vorgegebenen Bahn ist eine dyna- mische Folgeregelung notwendig. Die Regelung erfolgt meist auf der Ebene unab- hängiger Einzelgelenke (Independent Joint Control (IJC)) [22]. Um die Program- mierbarkeit des TCP im kartesischen Raum zu erhalten, wird die Bahnplanung in einem ortsfesten, kartesischen Weltkoordinatensystem durchgeführt. Anschließend erfolgt eine Koordinatentransformation in den Gelenkwinkelraum über die inverse Kinematik (IK). Jedes Gelenk kann auf diese Weise als single-input single-output- System (SISO-System) betrachtet und entkoppelt von den anderen geregelt werden. Im Weiteren wird daher die Antriebsregelung eines Einzelgelenks betrachtet. Die Aufgabe der Antriebsregelung besteht darin, unter Kenntnis des aktuellen Istge- lenkwinkels, eine passende Stellgröße für den Servomotor zu berechnen, um die Führungsgröße möglichst exakt einzuhalten. Hierfür gibt es eine Vielzahl an mögli- chen Regelungsstrategien, worüber Siciliano et al. einen Überblick verschaffen [23]. Eine Variante ist die in Abb. 2.3 dargestellte P-PI-Kaskadenregelung, welche im industriellen Umfeld breite Anwendung findet. Aus diesem Grund beschränkt sich Bahnplaner & Inverse Kinematik P-Lage- regler PI-Dreh- zahlregler Frequenz- umrichter Servo- motor Getriebe Last GelenkAntriebsregelung − − Abbildung 2.3: Aufbau einer antriebs- bzw. abtriebsseitig geschlossenen P-PI-Kas- kadenregelung mit Geschwindigkeitsvorsteuerung die weitere Betrachtung, abgesehen von den alternativen Ansätzen in Abschnitt 2.2, auf diese Art der Regelung. Bei der Kaskadenregelung wird die Gesamtregelstrecke in einzeln regelbare Teilstrecken separiert. Dazu werden mehrere Regelkreise mit isolierter Rückführung der jeweiligen Zustandsgröße ineinander geschachtelt, wobei die Stellgröße eines überlagerten Reglers dem unterlagerten als Führungsgröße dient. In der Antriebstechnik wird dem stromgeregelten Servomotor ein Drehzahlregler mit PI-Charakteristik überlagert. Dessen Aufgabe ist es, statische und niederfrequen- te Störgrößen auszuregeln und für eine hinreichende Dämpfung im Antriebssystem 6 2.1 Grundlagen der Industrierobotik zu sorgen [24]. Der Integralanteil dient zur Verbesserung der stationären Genauig- keit. Die Istwinkelgeschwindigkeit wird durch einen motorintegrierten Drehgeber erfasst. Überlagert sorgt ein P-Lageregler für eine möglichst verzerrungs- und über- schwingfreie Positionierung des Gelenks. Der Lageregelkreis kann auf zwei Arten geschlossen werden. Die in der Robotik verbreitetste Lösung besteht darin, den Regelkreis antriebsseitig, d. h. über das Drehgebersignal, zu schließen. Eine weniger häufige, aber im Werkzeugmaschinenbau übliche, Variante ist das Schließen über ein zusätzliches Messsystem auf der Getriebeabtriebsseite. In der Robotik hat sich hierfür der Begriff Secondary Encoder (SE) etabliert. Der Vorteil besteht in einer höheren Absolutgenauigkeit, da das Übertragungsverhalten des Getriebes Teil der Regelstrecke ist und somit dessen Fehler ausgeregelt werden können. Nachteilig sind die Zusatzkosten für den Sensor sowie eine geringere Lageregelbandbreite, die von der ersten Eigenfrequenz der Getriebemechanik limitiert wird. In der Praxis wird die antriebsseitige Lageregelung für Anwendungen eingesetzt, bei denen die dynamische Bahngenauigkeit nicht im Vordergrund steht, z. B. Pick & Place. Kommt es hingegen auf die Einhaltung der vorgegeben Bahn an, ist die abtriebsseitige Lage- regelung von Vorteil [25]. Dem Ziel dieser Arbeit entsprechend, ist diese Variante Gegenstand der weiteren Betrachtung. Durch die P-Lageregelung entsteht ein zur Geschwindigkeit proportionaler Regelfeh- ler (nachfolgend: Schleppfehler), dem mithilfe einer Geschwindigkeitsvorsteuerung entgegengewirkt werden kann. Dabei wird der erwartete Stellgrößenbedarf über die Führungsgröße ermittelt und additiv auf den Reglerausgang geschaltet. Auf diese Weise verbessert sich das Führungsverhalten der Antriebsregelung deutlich. 2.1.2 Dynamische Bahngenauigkeit In diesem Abschnitt werden Genauigkeitskenngrößen eingeführt und Einflussfakto- ren auf die dynamische Bahngenauigkeit vorgestellt. Kenngrößen Zur Beschreibung der Genauigkeit von IR gibt es verschiedene Kenngrößen, die zum Teil in Normen festgehalten sind. DIN EN ISO 9283 unterscheidet zwischen Posen- und Bahnkenngrößen [26] sowie zwischen Absolut- und Wiederholgenauig- 7 2 Stand der Technik und Forschung keit. Bei den Posenkenngrößen handelt es sich um eine statische Betrachtung von Einzelpunkt-Positioniervorgängen, d. h. es wird die Abweichung zwischen Soll- und Istzielpunkt bzw. die Streuung der Istzielpunkte bei wiederholter Ausführung quantifiziert. Relevanter für diese Arbeit sind die Bahnkenngrößen, die ein Maß für die Fähigkeit eines IR darstellen, vorgegebenen Bahnen (Position + Orientie- rung) im kartesischen Raum zu folgen. Analog zu den Posenkenngrößen ist die Bahn-Absolutgenauigkeit als Abstandsfunktion zwischen Soll- und Istbahn definiert, während die Bahn-Wiederholgenauigkeit die Übereinstimmung der Istbahnen bei wiederholter Ausführung beschreibt. Ein Nachteil dieser Kenngrößen ist, dass nur die örtliche, nicht aber die zeitliche Einhaltung der Bahnvorgabe bewertet wird. DIN EN ISO 9283 beschreibt zwar auch weitere dynamische Kenngrößen, wie die Bahngeschwindigkeits-Genauigkeit und die Bahngeschwindigkeits-Schwankung, jedoch handelt es sich dabei um keine Abstandsfunktion zwischen Soll- und Istbahn in Abhängigkeit von der Zeit. Ein weiteres Defizit besteht darin, dass es keine Kenn- größe gibt, die zusätzlich auftretende Störgrößen berücksichtigt. Im Rahmen dieser Arbeit wird daher die dynamische Bahngenauigkeit als relevante Kenngröße verwendet, die sich mit der euklidischen Bahnabweichung im karte- sischen Raum quantifizieren lässt. Diese entspricht der Bahn-Absolutgenauigkeit, umfasst jedoch analog zum Schleppfehler auf Achsebene den zeitlichen Charakter und schließt den Einfluss externer Störgrößen mit ein. Dabei kann nach gängigen Definitionen zwischen Führungs- und Störverhalten unterschieden werden [27], die zusammen das dynamische Verhalten des IR beschreiben. Die zugehörigen Metriken werden in Abschnitt 4.1.1 eingeführt. Einflussfaktoren IR unterliegen einer Reihe von Einflussfaktoren auf die Genauigkeit. Abb. 2.4 zeigt eine Klassifikationsmöglichkeit entlang der Prozesskette am Anwendungsbeispiel der Fräsbearbeitung. Die veranschaulichten Fehlerursachen begrenzen in ihrer Ge- samtheit die dynamische Bahngenauigkeit. Ausgehend vom Computer-aided Design (CAD), welches das gewünschte Werkstück geometrisch repräsentiert, erfolgt im Computer-aided Manufacturing (CAM) die Planung maschinenspezifischer Bahnen, die anschließend in G-Code nach DIN 66025 [28] überführt werden. Mit G-Code lassen sich ausschließlich vordefinierte Kurvenformen – wie beispielsweise Geraden 8 2.1 Grundlagen der Industrierobotik St ru kt ur fe hl er (t he r- m is ch , g eo m et ris ch , el as tis ch ) Sc hn ei d- pr oz es s- fe hl er Sc hl ep p- u nd Se ns or ik fe hl er St ru kt ur fe hl er (t he rm is ch , ge om et ris ch , e la st is ch ) 5 5 7 7 8 8 A bt rie bs se iti ge s M es ss ys te m G ru nd ge st el l M ot or D re hg eb er G et rie be G el en k 2 G el en k 3 G el en k 1 M as ch in en tis ch W er kz eu g W er ks tü ck Ei ns pa nn un g G lie d 2 G lie d 1 La ge rü ck fü hr un g D re hz ah lr üc kf üh ru ng La ge - re gl er D re hz ah l- re gl er - - 3 4 4 3 11 22 6 6 6 6 Pr og ra m - m ie r- fe hl er G lä t- tu ng s- fe hl er W er k- ze ug W er ks tü ck A uf sp an n- vo rr ic ht un g C A D C A M C N C A nt rie bs - re ge lu ng G el en k 1 K in em at ik + D yn am ik G el en k 1 in ne rh al b Re ge ls tr ec ke K in em at ik + D yn am ik G el en k 1 un d G lie d 1 au ße rh al b Re ge ls tr ec ke A nt rie bs - re ge lu ng G el en k 6 K in em at ik + D yn am ik G el en k 6 in ne rh al b Re ge ls tr ec ke K in em at ik + D yn am ik G el en k 6 un d G lie d 6 au ße rh al b Re ge ls tr ec ke Abbildung 2.4: Klassifikation der genauigkeitsbeeinflussenden Fehler an einem IR- System zur Fräsbearbeitung 9 2 Stand der Technik und Forschung und Kreise – programmieren, weshalb die geplanten Bahnen mit diesen angenähert werden müssen. Die Computerized Numerical Control-Steuerung (CNC-Steuerung) glättet die programmierten Bahnen, um den Antriebsreglern das Einhalten der Führungsgröße zu erleichtern und ermöglicht Funktionalitäten wie z. B. das Ecken- überschleifen. Das gekoppelte dynamische Verhalten von Antriebsregelung und Regelstrecke äußert sich im Schleppfehler, der als Differenz zwischen Lagesollwert und -istwert definiert ist. Das Regelstreckenverhalten setzt sich aus kinematischen und dynamischen Einflussfaktoren zusammen, die von den Messsystemen erfasst werden. Zur Kinematik gehören alle geometrischen Abweichungen wie Fertigungs- und Montagetoleranzen oder thermisch bedingte Verformungen. Die Dynamik umfasst hingegen Abweichungen, die Folge auftretender Kräfte sind, z. B. Nach- giebigkeiten und Reibung in Getriebe, Motor oder Lager. Da diese Fehler über das abtriebsseitige Messsystem erfasst werden, findet ein Ausregeln durch die Antriebs- regelung statt. Dabei ist jedoch zu beachten, dass einerseits die Istwerterfassung fehlerbehaftet ist und andererseits erst eine Regeldifferenz auftreten muss, bevor die Regelung reagieren kann. Demgegenüber stehen kinematische und dynamische Strukturfehler, die den Gliedern bzw. dem außerhalb der Regelstrecke liegenden Ge- lenkanteil (z. B. Kippnachgiebigkeit) zuzuordnen sind. Diese Fehler können mangels messtechnischer Erfassung nicht ohne Weiteres kompensiert werden. Beim Fräsen gilt dies auch für Schneidprozessfehler, die z. B. als Folge von Werkzeugverschleiß oder Aufbauschneiden auftreten, ebenso wie für Fehler durch die Einspannung. 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit Zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit von IR gibt es eine Vielzahl an Lösungsansätzen. Nachfolgend wird der Stand von Technik und Forschung auf diesem Gebiet beschrieben. Der Schwerpunkt liegt auf Quellen mit Umsetzungs- charakter und experimentellen Nachweisen am IR. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Ansätze gemäß Abb. 2.5 in Klassen eingeteilt. Kalibrierungslösungen und Ansätze zur Kompensation von Temperatureinflüssen werden aufgrund ihres nur indirekten Bezugs zu den Zielen dieser Arbeit aus der Betrachtung ausgeklammert. Dennoch sind dies relevante Themen, weshalb an dieser Stelle auf die einschlägige 10 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit Literatur verwiesen wird [29, 30, 31, 32]. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass die Fräsbearbeitung mit IR einen Schwerpunkt der Betrachtung darstellt, da diese Anwendung mitunter die anspruchsvollsten Anforderungen an die Lösung stellt. Program- mierung Sollwertbildung & -aufbereitung Korrekturwert- aufschaltung Antriebs- regelung Regelstrecke Zusatz- sensorik Zusatz- aktuatorik − Modell 2.2.1 Steuerungstech- nische Maßnahmen 2.2.2 Regelungstech- nische Maßnahmen 2.2.3 Konstruktive Maßnahmen Abbildung 2.5: Klassifikation der Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahn- genauigkeit von IR 2.2.1 Steuerungstechnische Maßnahmen Steuerungstechnische Maßnahmen beeinflussen das Systemverhalten durch Vorgabe einer Stellgröße. Dies geschieht ohne Kenntnis (Rückführung) der Steuergröße, die es zu beeinflussen gilt. Die Maßnahmen lassen sich weiter untergliedern in Program- mierung, Sollwertbildung & -aufbereitung sowie Korrekturwertaufschaltung. Programmierung Über das Roboterprogramm lassen sich Posen, Bahnen, Gelenkwinkelkonfiguratio- nen und Prozessparameter vorgeben, die das dynamische Verhalten von IR beein- flussen. Dementsprechend ist eine sinnvolle Parameterwahl und deren Abstimmung aufeinander eine Möglichkeit zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit. Der große Arbeitsraum von IR wird in der Regel nicht vollständig ausgenutzt. Wert- schöpfende Aufgaben werden meist nur in einem kleinen Arbeitsbereich durchge- führt, dessen Lage im Raum sich zudem festlegen lässt. Dieser Umstand kann ausge- nutzt werden, indem eine Roboterpose mit geeigneten dynamischen Eigenschaften 11 2 Stand der Technik und Forschung gewählt wird. Zur Posenoptimierung werden beispielsweise statische und dynami- sche Steifigkeitsmodelle verwendet [33, 34]. Erweiterte Modelle berücksichtigen zusätzliche Eigenschaften wie Trägheiten, Dämpfungen und Eigenfrequenzen [35]. Bei Fräsanwendungen kommen Nachgiebigkeitsmodelle für Aufspannung, Werk- zeug und Werkstück hinzu [36]. Zur Vermeidung von Umbauarbeiten bei der Po- senoptimierung kann die Platzierung des Werkstücks auf dem Maschinentisch angepasst werden. Dazu empfiehlt es sich, mithilfe von Fräskraft- und Steifigkeits- modellen die Bahnabweichung abzuschätzen und zu minimieren [37]. Außerdem können Prozessparameter wie Schnitttiefe, Spindeldrehzahl und Vorschubgeschwin- digkeit bereits während der CAM-Programmgenerierung auf Basis statischer oder dynamischer Nachgiebigkeitsmodelle optimiert werden [38]. Mithilfe von Stabili- tätskarten lassen sich die Prozessparameter so wählen, dass Ratterschwingungen vermieden werden können [39]. Steifigkeitsmodelle werden nicht nur zur Posenoptimierung, sondern auch zur Offline-Kompensation der Bahnabweichung eingesetzt. Dabei werden die program- mierten Punkte, auf Basis der zu erwartenden TCP-Abdrängung, im Roboterpro- gramm korrigiert. Neben der Information über die Robotersteifigkeit ist dafür die Kenntnis der auftretenden Fräskräfte notwendig. Dem Offline-Charakter des Ansat- zes entsprechend, ist die Ergänzung durch ein Fräskraftmodell zweckdienlich [40, 41]. Bei Losgrößen größer Eins können die Fräskräfte jedoch auch gemessen und als Berechnungsgrundlage für die Wiederholung genutzt werden [42]. Ein weiterer Ansatz ist die kamerabasierte Bahnanpassung. Durch einen Vergleich der Soll-CAD- Werkstückdaten mit den Ist-Kamera-Werkstückdaten lassen sich Fertigungsfehler nach der Herstellung quantifizieren und die programmierten Bahnen im Maschi- nenprogramm so anpassen, dass zukünftig zu fertigende Gleichteile eine bessere Qualität aufweisen [43]. Bei nicht wiederkehrenden Fertigungsaufgaben können Verbesserungen mithilfe der Historical Data-based Correction (HDC) erzielt wer- den [44]. Dabei werden historische Vermessungsdaten anderer Werkstücke genutzt, um die Fertigungsqualität durch geeignete Wahl von Fräsrichtung, Werkzeugorien- tierung, Fräsebene sowie axialer bzw. radialer Schnitttiefe zu steigern. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, welche die kinematische Redun- danz von 6-Achs-IR ausnutzen. Die zugrunde liegende Idee besteht darin, dass die meisten Posen im kartesischen Raum mit mehreren Gelenkwinkelkonfigurationen er- reicht werden können. Die Möglichkeiten lassen sich nach der Brute-Force-Methode 12 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit berechnen, während das Optimum anhand verschiedener Zielgrößen bestimmt werden kann [45]. Beispielsweise kann mithilfe eines Nachgiebigkeitsmodells die steifste Konfiguration entlang einer vorgegebenen Bahn im kartesischen Raum ge- wählt werden [46, 47]. Erweiterungen berücksichtigen zusätzlich die Dynamik und das Ratterverhalten [48, 49]. Die Ergebnisse zeigen, dass es für dieselbe Bahn in Be- zug auf das Rattern stabile und instabile Konfigurationen gibt. Bei der Optimierung lassen sich außerdem Randbedingungen wie die Vermeidung von Singularitäten beim Wechsel der Gelenkwinkelkonfiguration berücksichtigen [50]. Sollwertbildung und -aufbereitung Die Steuerung erzeugt aus dem Roboterprogramm die Positionssollwerte für die Einzelachsen. Die Bildung und Aufbereitung der Sollwerte kann so gestaltet werden, dass sie der Bahngenauigkeit des Gesamtsystems zuträglich ist. Um vorgegebene Bahnen bestmöglich einzuhalten, hat es sich im WZM-Bereich als vorteilhaft erwiesen, die Bahnen zu glätten und die Soll-Bewegungsprofile der Einzelachsen (Geschwindigkeit, Beschleunigung, Ruck) auf Basis der dynamischen Maschineneigenschaften zu berechnen. Für Anwendungen, bei denen es auf die Bahngenauigkeit ankommt, wurde dieser Ansatz auf IR übertragen. Dementspre- chend haben sich verschiedene industrielle CNC-Kerne in der Robotik etabliert [51]. Beispielhaft sei an dieser Stelle die KUKA.CNC mit dem Kern der Industrielle Steue- rungstechnik GmbH (ISG) genannt [52]. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Programmierung analog zur WZM mit G-Code erfolgen kann. Aus der Forschung ist bekannt, dass sich trapezförmige und sinusquadratförmige Beschleunigungsprofile positiv auf die Bahngenauigkeit auswirken [51]. Gegenstand der Untersuchung ist auch die Berücksichtigung von dynamischen Eigenschaften der elastischen Roboter- gelenke bei der Planung von Bewegungsprofilen [53]. Command-Shaping-Methoden zielen darauf ab, die gebildeten Sollwerte aufzube- reiten. Dabei wird ein Teil der schwingungsanregenden Frequenzanteile aus dem Sollwertprofil entfernt und mit zeitlichem Verzug nachgeholt. Auf diese Weise wer- den zwei Schwingungen induziert, die exakt gegenphasig verlaufen und sich somit auslöschen. Für einen breiten Überblick über die Vielzahl existierender Verfahren sei auf die Literatur verwiesen [54]. Zur Parametrierung ist die Kenntnis der Eigen- 13 2 Stand der Technik und Forschung frequenzen erforderlich, die sich entweder modellbasiert [55] oder durch künstliche Intelligenz (KI) [56] bestimmen lassen. Korrekturwertaufschaltung Als weitere steuerungstechnische Maßnahme ist die Korrekturwertaufschaltung zu nennen. Dabei werden entweder die Sollwerte oder die von der Antriebsregelung berechneten Stellgrößen mit Korrekturwerten beaufschlagt, welche meist über ein Streckenmodell bestimmt werden. Der klassische und in der Industrie weit verbreitete Ansatz zur Verbesserung des Führungsverhaltens besteht darin, die Achssollwerte nach der Zeit abzuleiten und als Geschwindigkeits- oder Beschleunigungsvorsteuerung additiv auf die jeweili- gen Stellgrößen aufzuschalten. Dabei handelt es sich um eine einfache Methode zur modellfreien Abschätzung des Stellgrößenbedarfs. Die Berücksichtigung von Streckeneigenschaften in Vorsteuerstrukturen ist in der Forschung weit verbreitet. Beispielsweise kann die IR-Starrkörperdynamik mithilfe von Modellen für die po- senabhängige Trägheit, nichtlineare Reibung sowie Gravitations-, Zentrifugal- und Corioliskräfte vorgesteuert werden [57]. Komplexere Ansätze berücksichtigen zu- sätzlich die Elastizität und das Umkehrspiel in den Robotergelenken [58, 59, 60]. Da Modellfehler bei diesen Ansätzen eine zentrale Herausforderung darstellen, werden zunehmend moderne Methoden wie Iterative Learning Control (ILC) ergänzend eingesetzt. Damit lassen sich weitere Verbesserungen erzielen, z. B. unter Verwen- dung der Achsschleppfehler in der Zielfunktion [57, 61]. Als Erweiterung der bereits beschriebenen Offline-Kompensation kann die TCP- Abdrängung bei der spanenden Bearbeitung zur Laufzeit berechnet werden. Die Korrektur erfolgt durch Aufschaltung des mittels Steifigkeitsmodell berechneten Off- sets auf die Sollbahn [62]. Der Vorteil gegenüber der Offline-Kompensation besteht darin, dass gemessene Prozesskräfte bereits während der ersten Fräsaufgabe zur Korrektur verwendet werden können [63]. Die beschriebenen Probleme mit der Echt- zeitfähigkeit der Korrekturwertvorgabe [62] lassen sich mit modernen Schnittstellen überwinden, wie z. B. Robot Sensor Interface (RSI) von Kuka. Die Fräskräfte können mithilfe von Kraftmessplatten [64] oder spindelseitig integrierten Messsystemen erfasst werden [65]. Hybride Ansätze verfolgen das Ziel durch Ergänzung eines Fräskraftmodells große Kraftänderungen, wie sie z. B. beim Ein- bzw. -Austritt des 14 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit Fräsers auftreten, prädizieren und besser kompensieren zu können [66]. Neben der rein statischen Betrachtung des IR lassen sich auch dessen strukturdynamischen Eigenschaften mitberücksichtigen [67, 68]. 2.2.2 Regelungstechnische Maßnahmen Regelungstechnische Maßnahmen haben das Ziel die Regelgröße möglichst exakt der vorgegebenen Führungsgröße nachzuführen. Neben der industriell verbreiteten P-PI-Kaskadenregelung werden in der Forschung vorwiegend modellbasierte Rege- lungsverfahren oder Verfahren unter Verwendung von Zusatzsensorik betrachtet. Modellbasierte Regelungsverfahren Kern der modellbasierten Regelungsverfahren sind Modelle, die das Verhalten der Regelstrecke abbilden. Die Kenntnis des Übertragungsverhaltens erlaubt die Berech- nung von Stellgrößen, die zu kleineren Schleppfehlern führen. Der Übergang zu den bereits beschriebenen modellgestützten Vorsteuerungsverfahren ist fließend. Nachfolgend werden Ansätze beschrieben, die auf einer reglerinternen Nutzung von Modellwissen beruhen. Ein klassisches Verfahren ist die Zustandsregelung, bei der die Regelgröße auf Basis der Zustandsraumdarstellung (ZRD) geregelt wird. Übliche Zustandsgrößen in der Robotik sind die an- und abtriebsseitigen Winkelpositionen und -geschwindigkeiten. Die Verwendung von Modellen zur Abbildung der Roboterdynamik ermöglicht den Entwurf von Reglern mit hoher Bandbreite [69]. Spezielle Formen, wie z. B. linear quadratische Regler (LQR) aus dem Feld der optimalen Regelung, erlauben die Reduktion von TCP-Schwingungen durch Minimierung eines zustandsabhängigen Kostenfunktionals [70]. Außerdem werden zunehmend moderne Verfahren, wie z. B. die modellprädiktive Regelung (MPC) [71, 72] auf IR angewandt. Allerdings sind in der Robotik Mischformen aus kaskadierter Regelungsstruktur und einem Zustandsregler weiter verbreitet [73, 74]. Auch die Ergänzung durch modellbasier- te Vorsteuerungen, Beobachterstrukturen und Gain-Scheduling zur Adaption der Regelparameter an die aktuelle Pose [13, 70, 75, 76] ist üblich. Eine weitere Möglichkeit ist die antriebsbasierte Schwingungsdämpfung, bei der die Servomotoren auftretende Schwingungen durch zusätzliche Drehmomentein- 15 2 Stand der Technik und Forschung griffe bedämpfen. Häufig wird dazu die kaskadierte Antriebsregelungsstruktur beibehalten, während ergänzende Dämpfungsregler hinzukommen [77, 78]. Nutzung von Zusatzsensorik Neben den standardmäßig verbauten Sensoren für die Antriebsregelung können weitere Messsysteme ergänzt werden, deren Messgrößen zusätzlichen Aufschluss über die Zustände des Systems geben. Diese Zusatzinformationen lassen sich rege- lungstechnisch zur Steigerung der Bahngenauigkeit einsetzen. Eine unmittelbare Methode besteht darin, die Pose des TCP direkt zu messen, um Abweichungen mithilfe eines Bahnreglers online auszuregeln. Die Erfassung erfolgt häufig über einen Lasertracker (LT) [79, 80, 81, 82]. Es kommen jedoch auch Stereo- Kamerasysteme zum Einsatz [83]. Im industriellen Umfeld konnten sich diese Lö- sungen aufgrund der hohen Kosten und der vergleichsweise hohen Totzeiten von der Messung bis zur Kompensation nicht durchsetzen. Im industriellen Umfeld ist die Integration von abtriebsseitigen Messsystemen (SE) in die Robotergelenke weiter verbreitet. Es gibt verschiedene Strategien das Wissen über die Zustände der Getriebeabtriebswellen genauigkeitssteigernd zu nutzen [84]. Ein einfacher Ansatz besteht darin, die Lageregelkreise über die SE anstatt über die Motordrehgeber zu schließen. Dies hat nicht nur Vorteile hinsichtlich der absoluten Bahngenauigkeit, sondern verbessert auch das Störverhalten [85, 86]. Kommerziell verfügbare Produkte, die diesen Ansatz verfolgen sind z. B. der Mabi Max-100 oder der Fill ACCUBOT. Weitere Verbesserungen lassen sich erzielen, indem die abtriebs- seitige Lageregelung durch eine Vorsteuerung des Getriebeverhaltens [59] oder dämpfende Rückführungen wie Siemens Advanced Position Control (APC) [87] ergänzt wird. Alternativ können die Lageregelkreise antriebsseitig geschlossen blei- ben, während die Zustandsinformation über die Abtriebsseite lediglich zur Schwin- gungsdämpfung eingesetzt wird. Diese Strategie verfolgt z. B. Fanuc mit seiner SE-Zusatzoption [88]. Außerdem ist es möglich die Lageregelkreise durch eine Line- arkombination aus an- und abtriebsseitiger Sensorik zu schließen [84]. Neben Positionsmesssystemen sind Kraft-Momenten-Sensoren weit verbreitet, ins- besondere bei Cobots. Grund dafür sind die strengen Richtlinien, die bei der Reali- sierung von Mensch-Roboter-Kollaboration-Anwendungen (MRK-Anwendungen) eingehalten werden müssen. Solche Sensoren bieten jedoch auch bei Bearbeitungs- 16 2.2 Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit aufgaben Vorteile. ABB vertreibt mit dem RobotWare Machining Force Control Paket eine Softwarelösung, mit der die Vorschubgeschwindigkeit adaptiert wird, um auftretende Kräfte beim Polieren oder Schleifen konstant zu halten. Für die Fräsbearbeitung gibt es vergleichbare Ansätze. Hier wird die Führungsgröße jedoch nicht konstant gehalten, sondern über ein Fräskraftmodell berechnet [89]. 2.2.3 Konstruktive Maßnahmen Konstruktive Maßnahmen zielen darauf ab, das dynamische Verhalten der Regel- strecke positiv zu beeinflussen. Meist steht dabei die Erhöhung der Steifigkeit im Vordergrund. Jedoch lässt sich auch Zusatzaktuatorik dazu einsetzen das Strecken- verhalten in gewünschter Weise anzupassen. Steifigkeitssteigerung Ein effektives Mittel zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit besteht darin, die Antriebsstränge bzw. die Roboterkinematik zu versteifen. Einerseits redu- zieren sich dadurch die trägheits- und prozessbedingten Verlagerungen. Anderer- seits können aufgrund des verbesserten Streckenverhaltens (höhere Eigenfrequen- zen) Regelverstärkungsfaktoren gewählt werden, die zu geringeren Schleppfehlern führen. Ein im Leichtbau etablierter Ansatz zur Erhöhung der spezifischen Steifigkeit me- chanischer Bauteile ist die Topologieoptimierung. Angewandt auf die Robotik lassen sich die Strukturglieder des IR mithilfe der Finite-Elemente-Methode (FEM) so auslegen, dass ein verbessertes Nachgiebigkeitsverhalten erreicht wird [90, 91]. Au- ßerdem werden Ansätze zur Parallelisierung des seriellen Aufbaus der Kinematik verfolgt. Beispielhaft sei an dieser Stelle der IRB 6660 von ABB genannt, bei dem die Schwinge durch einen Parallelarm verstärkt ist. Die Parallelisierung weiterer Teile der kinematisch offenen Kette [92] bis hin zur vollständigen Schließung ist bis heute Gegenstand von Untersuchungen. Ein weiterer Ansatz ist die Verkürzung der kine- matischen Kette, um die Anzahl an nachgiebigen Elementen zu reduzieren. Diesem Gedanken folgend setzt Stäubli mit dem RX170 HSM auf eine 5-Achskinematik mit integrierter Frässpindel in Achse 5 [93]. Die erhöhte Steifigkeit wird dabei durch einen Verlust an Flexibilität erkauft. Um diesen Zielkonflikt aufzulösen, kann die 17 2 Stand der Technik und Forschung Roboterkinematik mittels modularen Baukastensystemen anwendungsspezifisch rekonfiguriert werden. Ein prominentes Beispiel dafür ist das ATRO-System von Beckhoff. Passend dazu sind aus der Forschung Lösungen bekannt, welche die steuerungs- und regelungstechnischen Parameter automatisch auf die geänderte Kinematik und Dynamik des Systems anpassen [94]. Kuka setzt bei seinen Machine-Tooling-Modellen (MT-Modellen) einerseits auf konstruktiv steifer ausgeführte Strukturbauteile und andererseits auf steifere Ge- triebe mit Vorgelege. Außerdem begegnet das Unternehmen der Thematik mit dem Zusatzpaket High Accuracy (HA), wobei nur die gemäß End-of-Line Prüfung tole- ranzärmsten Antriebsstrangkomponenten verbaut werden. Die Weiterentwicklung und Gegenüberstellung verschiedener Getriebearten und der jeweiligen Untervari- anten ist bis heute nicht abgeschlossen [18, 19, 95]. Die Anstrengungen reichen von Detailverbesserungen wie präzisionssteigernde Profilmodifikationen bei Zykloiden- scheiben [96] bis hin zur Erfindung neuartiger Getriebegattungen wie beispielsweise das Galaxie-Getriebe von Wittenstein [18]. Bei der Auslegung des gesamten An- triebsstrangs spielt die Dynamikoptimierung mit Simulationsmodellen eine immer größere Rolle [97]. Ohne deren Hilfe lässt sich die Vielzahl an Design-Parametern, Randbedingungen und Zielgrößen kaum noch beherrschen oder gar anwendungs- spezifisch aufeinander abstimmen. Aber auch bei einem gegebenen Antriebsstrang lassen sich dessen Eigenschaften geschickt ausnutzen. Ein Beispiel dafür ist das nichtlineare Steifigkeitsverhalten. Durch Arretierung des IR in geneigter Stellung auf dem Boden wird in Achse 1 ein gravitationsbedingtes Vorspannungsdrehmoment induziert. Dieses verschiebt den Betriebspunkt in weniger nachgiebige Bereiche der Steifigkeitskennlinie [98]. Integration von Zusatzaktuatorik Die Integration von Zusatzaktuatorik stellt eine Möglichkeit dar auf das dynamische Verhalten von IR aktiv Einfluss zu nehmen. Bei hybriden Antriebsstrangkonzepten wird die etablierte Kombination aus Servo- motor und Getriebe in den Gelenken durch einen weiteren Antrieb ergänzt. Häufig wird auf der Abtriebsseite des Getriebes ein zusätzlicher Torquemotor mit Messsys- tem integriert. Auf diese Weise können die geplanten Bewegungsabläufe mit dem Standardantrieb realisiert werden, während der Torquemotor auftretende Schlepp- 18 2.3 Zusammenfassende Bewertung fehler auf der Abtriebsseite ausregelt [99]. Andere Regelungsstrategien zielen darauf ab, statische Lasten dem Grundantrieb zu überlassen, während der Torquemotor die dynamischen Lasten übernimmt [100]. Mit adaptronischen Armelementen lassen sich Strukturschwingungen aktiv be- dämpften [101]. Dabei werden Piezoaktuatoren und Kraftsensoren in die Struktur- glieder integriert, ohne deren Steifigkeit zu beeinträchtigen. Bei der Fräsanwendung konzentrieren sich die Bemühungen vorwiegend auf die Dämpfung prozesskraftinduzierter Schwingungen. Die Wirkprinzipien der zu die- sem Zweck untersuchten Dämpfungsaktuatoren unterscheiden sich. Allen gemein- sam ist jedoch die prozessnahe Integration an der Frässpindel sowie eine Tilgermasse, die Schwingungsenergie dissipiert. Eine vergleichsweise einfache Lösungsvariante stellen Wirbelstromdämpfer dar [102]. Aufgrund ihres passiv-dissipativen Cha- rakters ist kein Dämpfungsregelgesetz erforderlich. Eine aktive Schwingungsun- terdrückung ist z. B. mit Tauchspulenaktuatoren realisierbar [103]. Die Detektion der Schwingungen erfolgt dabei mittels Beschleunigungssensorik. Um die gewoll- ten, niederfrequenten Bewegungsabläufe des IR nicht zu behindern, werden die Ansteuersignale der Tauchspulen hochpassgefiltert. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet auch ein semiaktiver Schwingungsabsorber mit magnetorheologischem Elastomer [104]. Hier lässt sich die Schwingungsfrequenz der Tilgermasse durch Anlegen eines äußeren Magnetfeldes an die aktuelle Schwingung des zu bedämp- fenden Systems anpassen. Eine vom Robotersystem entkoppelte Lösung ist eine adaptronische Ausgleichsak- tuatorik, auf der die Frässpindel arretiert ist, während der Roboter das Werkstück trägt [105]. Die TCP-Abweichung wird mithilfe einer Ausgleichsbewegung durch hochdynamische Piezoaktuatoren mit Stellwegvergrößerung über Festkörpergelen- ke kompensiert. 2.3 Zusammenfassende Bewertung In diesem Abschnitt werden die vorgestellten Lösungsansatzklassen gegenüber- gestellt. Daraus werden Defizite und der Handlungsbedarf abgeleitet, um eine Fokussierung hinsichtlich der adressierten Fehlerart nach Abb. 2.4 und der vielver- sprechendsten Lösungsansatzklasse nach Abb. 2.5 vorzunehmen. 19 2 Stand der Technik und Forschung 2.3.1 Bewertung der Lösungsansatzklassen Obwohl aus der Fülle an publizierten Lösungsansätzen nur eine repräsentative Auswahl aufbereitet werden konnte, unterstreicht allein die Vielfalt der Herange- hensweisen die hohe wissenschaftliche und wirtschaftliche Relevanz der Problem- stellung und das Bedürfnis nach einer weiteren Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit. Dementsprechend sind ein gutes Führungsverhalten und ein gutes Störverhalten die Hauptkriterien der Bewertung. Für die Akzeptanz im in- dustriellen Umfeld sind jedoch weitere Kriterien relevant, weshalb sich ein Großteil der beschriebenen Ansätze bislang nicht in der Praxis etablieren konnte. Hierzu zählt insbesondere eine hohe Robustheit, sowohl im regelungstechnischen Sinne als auch gegenüber Ausfällen von Zusatzaktuatoren und -sensoren sowie gegen- über Verschleiß. Zudem ist eine einfache Integrierbarkeit (mechanisch, elektrisch, steuerungstechnisch) der zur Lösung gehörenden Hard- und Software erforderlich und dass die Flexibilität des IR nicht eingeschränkt wird. Darüber hinaus sollen der Betriebsaufwand (laufende Zusatzkosten, Energiebedarf, Wartung) und die Investitionskosten (Anschaffung, Aufbau, Inbetriebnahme) gering sein. Tab. 2.1 listet die nach diesen Kriterien bewerteten Ansatzklassen auf. Nachfolgend wird die Beurteilung erläutert. Steuerungstechnische Maßnahmen versprechen aufgrund ihres reinen Softwarech- arakters eine einfache Integration, geringen Betriebsaufwand und niedrige Inves- titionskosten. Zu Flexibilitätseinbußen kommt es nur bei den Ansätzen zur Posen- und Gelenkwinkeloptimierung bzgl. der Freiheit bei der Wahl des Arbeitsbereichs. Hinsichtlich der Robustheit ist festzustellen, dass fast alle Ansätze modellbasiert arbeiten. Abweichungen zwischen Modell und Realität können aufgrund des steu- ernden Eingriffs (ohne Rückführungsschleife) zwar nicht direkt zur Instabilität führen, allerdings zu nicht zweckmäßigen Resultaten. Lösungen aus den Klassen Programmierung und Korrekturwertaufschaltung bieten gegenüber denen der Soll- wertbildung & -aufbereitung teilweise Verbesserungen hinsichtlich der Störunterdrü- ckung. Alle steuerungstechnischen Maßnahmen verbessern das Führungsverhalten, jedoch ist das Potenzial im Vergleich zu den anderen Klassen begrenzt. Gegenüber den regelungstechnischen Maßnahmen ist die fehlende Rückführungsschleife ein Mangel. Im Vergleich zu den konstruktiven Maßnahmen ist anzuführen, dass ledig- lich das Symptom, nicht aber die Problemursache bekämpft wird. 20 2.3 Zusammenfassende Bewertung Tabelle 2.1: Gegenüberstellung der Ansatzklassen zur Verbesserung der dynami- schen Bahngenauigkeit Ansatzklasse K rit er iu m G ut es Fü hr un gs ve rh al te n G ut es St ör ve rh al te n H oh e Ro bu st he it Ei nf ac he In te gr at io n K ei ne Fl ex ib ili tä ts ei nb uß en G er in ge rB et rie bs au fw an d G er in ge In ve st iti on sk os te n Steuerungstechnische Maßnahmen Programmierung Sollwertbildung & -aufbereitung Korrekturwertaufschaltung Regelungstechnische Maßnahmen Modellbasierte Regelungsverfahren Nutzung von Zusatzsensorik Konstruktive Maßnahmen Steifigkeitssteigerung Nutzung von Zusatzaktuatorik Erfüllungsgrad: nicht teilweise voll Modellbasierte Regelungsverfahren haben ebenfalls Softwarecharakter und die da- mit verbundenen Eigenschaften. Das Potenzial hinsichtlich des Führungsverhaltens ist sehr groß, allerdings besteht aufgrund der geschlossenen Regelkreise die Ge- fahr der Instabilität bei Modellabweichungen. Einschränkungen ergeben sich, wenn z. B. die posenabhängige Trägheit nicht in den Regelgesetzen berücksichtigt wird. Der Einsatz von Zusatzsensorik verspricht ähnlich gute Ergebnisse hinsichtlich des Führungs- und des Störverhaltens bei gleichzeitig hoher regelungstechnischer Robustheit. Nachteilig sind jedoch die Gefahr eines Sensorausfalls, zusätzlicher Integrations- und Betriebsaufwand sowie höhere Investitionskosten. Zu Flexibilitäts- einbußen kann es lediglich bei der direkten Messung des TCP kommen, da dieser dauerhaft optisch zugänglich sein muss. 21 2 Stand der Technik und Forschung Konstruktive Maßnahmen bekämpfen in der Regel die Problemursache oder haben unmittelbaren Einfluss darauf. Entsprechend gibt es ein hohes Potenzial bzgl. des Führungs- und Störungsverhaltens bei gleichzeitig hoher (Ansätze zur Steifigkeits- steigerung) bzw. zum Teil vorhandener (Nutzung von Zusatzaktuatorik) Robustheit. Nachteilig sind die Kosten, der Integrationsaufwand und die teilweise vorliegende Einschränkung der Flexibilität. Zusatzaktuatoren sind zudem mit einem erhöhten Betriebsaufwand verbunden. Zusammenfassend lassen sich mit steuerungstechnischen Maßnahmen gute Genau- igkeitsergebnisse erzielen, ohne nennenswerte Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Bei den regelungstechnischen Maßnahmen ist das Potenzial zur Genauigkeitssteige- rung größer, allerdings sind die Ansätze weniger robust. Konstruktive Maßnahmen weisen eine ähnliche Performanz auf, sind jedoch vergleichsweise teuer. Im Hinblick auf die Hauptkriterien (gutes Führungs- und Störverhalten) bietet der Einsatz von Zusatzaktuatorik das größte Potenzial. 2.3.2 Defizit und Handlungsbedarf Ein Großteil der Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit adres- siert den Schleppfehler. Dies deckt sich zum einen mit publizierten Ergebnissen, welche die Dominanz der Schleppfehler gegenüber den Strukturfehlern beim Verfah- ren ohne äußere Krafteinwirkung belegen [106]. Zum anderen mit der Feststellung, dass selbst bei statischer Betrachtung die Getriebenachgiebigkeit eine ähnliche Grö- ßenordnung wie die Strukturnachgiebigkeit aufweist [62]. Der prozentuale Anteil hängt von der Pose ab. Außerdem ist gut belegt, dass die Gelenknachgiebigkeit in Getriebedrehrichtung am größten ist [107]. Entsprechend zielt auch diese Arbeit darauf ab, die dynamische Bahngenauigkeit durch eine Schleppfehlerreduktion zu verbessern. Es ist jedoch anzumerken, dass die Strukturfehler nicht vernachlässigbar klein [62] und daher berechtigterweise Gegenstand der Forschung sind. In der Bewertung hinsichtlich der Verbesserung des Führungs- und Störverhaltens erweist sich der Einsatz von Zusatzaktuatorik als potenziell am geeignetsten. Die hybriden Antriebssysteme, welche als einziger Vertreter dieser Klasse die Schlepp- fehlerreduktion zum Ziel haben, konnten sich im industriellen Umfeld aufgrund der hohen Investitionskosten nicht durchsetzen. Zusammenfassend besteht das Defizit des Standes der Technik und der Forschung 22 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben im Fehlen einer robusten und kostengünstigen Aktuatorlösung zur Schleppfehlerreduktion. Um eine hohe Robustheit sicherzustellen, soll der Einsatz von Modellen vermieden werden. Daraus resultiert jedoch weiterer Handlungsbedarf bei der Zustandsgrö- ßenerfassung und der robusten Reglerparametrierung. Mit dieser Konkretisierung werden im folgenden Abschnitt die bereits beschriebenen Grundlagen zu Antriebsstrang und Regelung um die dynamischen Eigenschaften von Roboterantrieben und zugehörige Kenngrößen ergänzt. 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben Das dynamische Verhalten von Roboterantrieben setzt sich aus dem gekoppelten Übertragungsverhalten von Antriebsregelung und Regelstrecke zusammen. Die exakte Abbildung des realen Verhaltens gestaltet sich schwierig [76], aufgrund einer Vielzahl an zu modellierenden Effekten. Zielführender ist es, für den spezifischen Anwendungsfall eine adäquate Modelltiefe bei ausreichender Abbildungsgenau- igkeit zu erreichen. Für die vorliegende Arbeit ist es ausreichend, die Lage und Ausprägung der ersten dominanten Eigenfrequenz des Antriebssystems korrekt abzubilden. Dementsprechend und um analytischen Untersuchungen gut zugäng- lich zu sein, bietet sich die Betrachtung als linear zeitinvariantes (LZI) System und die Beschreibung mit Übertragungsfunktionen an. Einen guten Kompromiss stellt ein P-PI geregelter Zweimassenschwinger gemäß Abb. 2.6 dar. Die Vorstellung der Ersatzmodelle erfolgt nach Abb. 2.3 von rechts nach links und orientiert sich an den Beschreibungen von Schröder, Groß und Zirn [24, 108, 109]. Zum besseren Verständ- Kv Kfs u Kp, Tn Te,i 1 sJM 1 u k s 1 sJL 1 s d 1 u z qs q̇s eq θ̇′s θ̇s eθ̇ τM,s τM θ̇ θ̇′ ∆ϕ̇ q̇ q − − − − − Abbildung 2.6: Blockschaltbild eines P-PI geregelten Zweimassenschwingers mit Geschwindigkeitsvorsteuerung 23 2 Stand der Technik und Forschung nis werden relevante Übertragungsfunktionen – anhand des später betrachteten IR in Pose b (siehe Anhang B.3) – bildhaft als Frequenzgänge und in Abhängigkeit von der Gelenkdämpfung d dargestellt. Die zugehörigen Parameterwerte sind in Anhang A.1 dokumentiert. 2.4.1 Abtriebsseitige Last und Getriebe Nach dem weit verbreiteten Ansatz von Spong [110] erfolgt die Modellierung der Robotermechanik durch Masse-Feder-Dämpfer-Systeme. Das abtriebsseitige Mas- senträgheitsmoment JL,i = f(q) eines Gelenks i setzt sich aus den Trägheiten der nachfolgenden Massenelemente zusammen und ist somit abhängig von den ab- triebsseitigen Gelenkwinkeln q. Da sich die Betrachtung auf Einzelgelenkebene beschränkt, wird im Folgenden zur besseren Übersichtlichkeit auf den Gelenkindex verzichtet. Mit der Gelenksteifigkeit k und der Gelenkdämpfung d wird die Elasti- zität des Getriebes abgebildet, während u das Übersetzungsverhältnis beschreibt. Unter Last stellt sich der Verdrehwinkel ∆ϕ = θ′ − q (2.1) zwischen dem abtriebsseitigen Gelenkwinkel q und der auf die Abtriebsseite bezo- genen Motorwinkelposition θ′ = θ u (2.2) ein. Das dynamische Verhalten der Gelenkmechanik kann durch die Übertragungs- funktion Gθ̇′q̇(s) := q̇(s) θ̇′(s) = 1 + s d k 1 + s d k + s2 JL k (2.3) beschrieben werden. Robotergetriebe sind schwach gedämpft und weisen daher ein komplex konjugiertes Polpaar auf. Dies äußert sich im Mechanikfrequenzgang durch eine dominante Resonanzfrequenz fm1, die annähernd der Kennfrequenz f0,m1 entspricht und deren Ausprägung von d abhängt, siehe Abb. 2.7a. Im Folgenden wird daher nicht weiter zwischen diesen beiden Frequenzen unterschieden, sondern f0,m1 24 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben verwendet. Die Nullstelle liegt – ebenfalls bedingt durch die geringe Dämpfung – deutlich weiter links in der komplexen Ebene als die Polstellen. Entsprechend gering ist deren Einfluss auf den niederfrequenten Bereich des Mechanikfrequenzgangs. −35 0 35 f0,m1 |G θ̇ ′ q̇ |[ dB ] d1 3d1 100 101 102 0 −90 −180 f [Hz] ϕ (G θ̇ ′ q̇ ) [°] (a) Mechanikfrequenzgang 0 70 1 s ( JM+ JL u2 ) f0,m1 f0,m2 1 sJM |G τ M θ̇ |[ dB ] 100 101 102 −90 0 90 f [Hz] ϕ (G τ M θ̇ ) [°] (b) Mechanikteil der Drehzahlregelstrecke Abbildung 2.7: Dynamisches Verhalten der Mechanikregelstrecke in Abhängigkeit von der Gelenkdämpfung d 2.4.2 Servomotor und Frequenzumrichter Servomotor und Frequenzumrichter bilden zusammen die Drehzahlregelstrecke, die sich aus einem mechanischen und einem elektrischen Teilsystem zusammensetzt. Der mechanische Teil wird durch das motorseitige Massenträgheitsmoment JM bestimmt. Zusätzlich wirkt die Rückkopplung der in Abschnitt 2.4.1 beschriebenen Mechanik auf die Drehzahlregelstrecke als Störgröße. Die Übertragungsfunktion GτMθ̇(s) := θ̇(s) τM(s) = 1 s ( JM + JL u2 )︸ ︷︷ ︸ starre Kopplung · 1 + s d k + s2 JL k 1 + s d k + s2 JMu2JL (JMu2+JL)k︸ ︷︷ ︸ Elastizität (2.4) von Motordrehmoment τM zu Motorwinkelgeschwindigkeit θ̇ beschreibt dies durch zwei Polynombrüche. Der erste repräsentiert die Starrkörperdynamik des Antriebs, während der zweite die Elastizität ergänzt. Für s → 0 nähert sich der Amplituden- gang dem Verhalten einer starren Kopplung an, vgl. Abb. 2.7b. Aus der Grenzwert- analyse für s → ∞ resultiert die Annäherung an einen Integrator mit rein antriebs- 25 2 Stand der Technik und Forschung seitiger Trägheit. Physikalisch lässt sich dies durch das typische Tiefpassverhalten mechanischer Systeme erklären. Die im Vergleich zu JM große Trägheit der abtriebs- seitigen Last führt zu einer Massenabkopplung. Demgemäß kann das Verhalten der mechanischen Drehzahlregelstrecke als zwei parallel zueinander verschobene Inte- graläste mit einem durch die Elastizität definierten Übergang beschrieben werden. Die geringe Systemdämpfung führt bei Gl. (2.4) zu je einem komplex konjugierten Pol- und Nullstellenpaar. Entsprechend ist der Übergang durch eine ausgepräg- te Tilger-/Resonanzstelle gekennzeichnet. Die charakteristischen Kennfrequenzen und Dämpfungsgrade ergeben sich aus dem Zähler- und dem Nennerpolynom 2. Ordnung: f0,m1 = 1 2π √ k JL Dm1 = d 2 √ 1 JLk , (2.5) f0,m2 = 1 2π √ (JMu2 + JL) k JMu2JL Dm2 = d 2 √ JMu2 + JL JMu2JLk . (2.6) Es gilt stets f0,m1 < f0,m2, sodass zunächst eine Phasenanhebung stattfindet, bevor es zu einer Phasenrückdrehung auf −90 ° an der Resonanzstelle kommt. Diese Reihen- folge ist insofern bedeutend, da kein Phasenabfall auf −180 ° stattfindet und somit die mechanische Drehzahlregelstrecke für die Stabilität des Drehzahlregelkreises unkritisch ist. Der drehmomentbezogene geschlossene Stromregelkreis vom Motorsolldrehmo- ment τM,s zum Motordrehmoment τM stellt den elektrischen Teil der Drehzahlregel- strecke dar. Dazu gehören die feldorientierte Stromregelung, die Leistungselektronik und das elektrische Verhalten des Servomotors. Das Übertragungsverhalten kann mit einem PT1-Glied und der (Summen-) Zeitkonstante Te,i angenähert werden: GτM,sτM(s) := τM(s) τM,s(s) = 1 1 + sTe,i . (2.7) Te,i setzt sich aus den Zeitkonstanten für Stromsollwertfilterung und -regelung, den Totzeiten für Stromregeltakt und Pulsweitenmodulation (PWM) sowie der elektri- schen Zeitkonstante des Servomotors zusammen. Diese Vereinfachung ist zulässig, da Te,i um mehr als eine Größenordnung kleiner ist als die Ersatzzeitkonstante der Mechanik. 26 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben 2.4.3 Drehzahl- und Lageregelung Die Aufgabe eines Reglers besteht darin, die Regelgröße y möglichst exakt der Füh- rungsgröße w (Sollwert) nachzuführen (Führungsverhalten y(s)/w(s) ! = 1) und dabei externe Störgrößen z zu unterdrücken (Störverhalten y(s)/z(s) ! = 0). Im Spezi- ellen hat der Drehzahlregler zudem die Aufgabe, die Regelstrecke zu dämpfen und niederfrequente Störgrößen schnell auszuregeln [24]. Dessen Übertragungsfunktion Geθ̇τM,s(s) := τM,s(s) eθ̇(s) = Kp 1 + sTn sTn (2.8) von der Drehzahlregeldifferenz eθ̇ zum Motorsolldrehmoment τM,s besitzt den Pro- portionalverstärkungsfaktor Kp und die Nachstellzeit Tn als Einstellparameter. Ein häufig angewandtes Auslegungsverfahren ist das symmetrische Optimum (SO) [108]. Hier wird das SO beispielhaft verwendet, um das gekoppelte Regler-/Strecken- verhalten zu verdeutlichen. Es sei jedoch auf die Vielzahl an Alternativen hingewie- sen, die Hinze gegenüberstellt [111]. Bei der Einstellung wird nach dem Verhältnis zwischen f0,m2 und der Durchtrittsfrequenz des offenen Drehzahlregelkreises fd,θ̇ unterschieden: Kp =  JM 2Te,i für f0,m2 < 10fd,θ̇ JM+ JL u2 2Te,i sonst , Tn = 4Te,i. (2.9) Für f0,m2 > 10fd,θ̇ liegt eine harte Ankopplung vor. Die Übertragungsfunktion GτMθ̇ beeinträchtigt das Verhalten des geschlossenen Regelkreises kaum, da f0,m2 weit über der Bandbreite fg,θ̇ (−3dB-Grenzfrequenz) des Drehzahlreglers liegt, siehe Abb. 2.8b. Entsprechend kann die Einstellung analog zu einem System mit Starrkörperdynamik erfolgen. Im Zeitbereich ergibt sich ein gutes Folgeverhalten. Der Winkelgeschwin- digkeit θ̇ sind lediglich kleine Eigenschwingungsanteile überlagert, die sich aufgrund der Frequenzlagen (f0,m2 > fg,θ̇) mit dem Regler nicht bedämpfen lassen. Im Bereich der weichen Ankopplung mit f0,m2 < 0,1fd,θ̇ ist die abtriebsseitige Last bei fd,θ̇ bereits vollständig abgekoppelt, vgl. Abb. 2.8a. Infolgedessen stellt sich zwar ein sehr gutes Drehzahlführungsverhalten ein, jedoch unterliegt der Abtrieb einer nicht kontrollierbaren, schwach gedämpften Schwingung. Die dynamische Einstellung 27 2 Stand der Technik und Forschung −80 0 80 fd,θ̇ |G e θ̇ θ̇ |[ dB ] d1 3d1 f0,m2 = 0,1fd,θ̇ f0,m2 = 10fd,θ̇ starre Koppl. 100 101 102 103 0 −90 −180 f [Hz] ϕ (G e θ̇ θ̇ ) [°] (a) Offener Führungsfrequenzgang −60 −30 0 |G θ̇ sθ̇ |[ dB ] 100 101 102 103 0 −90 −180 f [Hz] ϕ (G θ̇ sθ̇ ) [°] −60 −30 0 |G θ̇ sθ̇ |[ dB ] 100 101 102 103 0 −90 −180 f [Hz] ϕ (G θ̇ sθ̇ ) [°] (b) Geschlossener Führungsfrequenzgang Abbildung 2.8: Dynamisches Verhalten des nach dem SO eingestellten Drehzahlre- gelkreises für verschiedene Mechanikregelstrecken des Reglers stellt für die Last eine sprungartige Anregung dar, wodurch niedrige Eigenfrequenzen angeregt werden. Im Zwischenbereich 0,1fd,θ̇ < f0,m2 < 10fd,θ̇ tritt sowohl auf der Antriebs- als auch auf der Abtriebsseite schwingendes Verhalten auf. In diesem Fall liegt die Eigenfrequenz f0,m2 im Nutzfrequenzbereich der Rege- lung und beeinträchtigt den Frequenzgang des geschlossenen Drehzahlregelkreises deutlich, vgl. Abb. 2.8b. Das Diagramm zeigt jedoch auch den positiven Effekt zu- sätzlicher Dämpfung. Die Einflüsse von Kp und Tn auf die Form des geschlossenen Führungsfrequenzgangs können in Anhang E.1 bzw. E.2 nachgeschlagen werden. Der abtriebsseitig geschlossene Lageregler mit dem Proportionalverstärkungsfak- tor Kv hat die Aufgabe den Schleppfehler eq klein zu halten und gibt dem Drehzahl- regler zusammen mit der Geschwindigkeitsvorsteuerung die Sollwinkelgeschwin- digkeit θ̇s als Führungsgröße vor. Ohne Vorsteuerung (Kf = 0) gilt der Zusammen- hang: Kv = θ̇′s eq = θ̇s ueq = θ̇s u(qs − q) , (2.10) nach dem sich bei stationärer Geschwindigkeit ein konstanter Schleppfehler einstellt. Bei der Auslegung des Lagereglers ist die Betrachtung der Stabilität von zentraler Bedeutung. Im Allgemeinen sind die Amplitudenreserve AR = −|Geqq(f−π)| bei der Phasenschnittfrequenz f−π und die Phasenreserve ϕR = 180 ° + ϕ(Geqq(fd,q)) bei der 28 2.4 Dynamisches Verhalten von Roboterantrieben Amplitudendurchtrittsfrequenz fd,q des offenen Lageregelkreises die wesentlichen Stabilitätskriterien. Für die übliche Forderung nach einer aperiodisch gedämpften Lageregelung (kein Überschwingen) ergeben sich nach Zirn [24] die Zielwerte: AR ! > 10dB und ϕR ! > 75 °. Wie aus Abb. 2.9a hervorgeht, ist ϕR bei IR unkritisch, da die Amplitudenüberhöhung durch die Mechanik bei niedrigeren Frequenzen liegt als der Phasenabfall durch die Zeitverzögerung der elektrischen Komponenten. Daraus ergeben sich für diese Arbeit folgende Schlussfolgerungen: • Die erste Eigenfrequenz der Mechanik begrenzt den Kv-Faktor. • Zur Beurteilung der Stabilität des Lageregelkreises genügt die Betrachtung von AR. • Eine vereinfachte Modellierung des Regelstreckenverhaltens ist zulässig, sofern Lage und Ausprägung der ersten Eigenfrequenz hinreichend genau abgebildet sind. Die Einstellung von Kv kann mittels Loop Shaping erfolgen. Das Störverhalten des Lageregelkreises kann mit dem Nachgiebigkeitsfrequenz- gang |G−zq| beurteilt werden. Abb. 2.9b zeigt den dämpfenden Einfluss von d auf die Amplitudenüberhöhung im Resonanzbereich, während eine Kv-Steigerung die Nachgiebigkeit bei niedrigen Frequenzen reduziert. −100 −50 0 AR |G e q q |[ dB ] d1,Kv1 3d1,Kv1 3d1, 2,5Kv1 10−1 100 101 102 −90 −225 −360 f−π f [Hz] ϕ (G e q q ) [°] (a) Offener Führungsfrequenzgang 10−1 100 101 102 0 175 350 f [Hz] |G − z q |[ µ° / N m ] (b) Nachgiebigkeitsfrequenzgang Abbildung 2.9: Dynamisches Verhalten des Lageregelkreises in Abhängigkeit von d und Kv 29 2 Stand der Technik und Forschung 2.4.4 Vorsteuerung Mithilfe von Vorsteuerungsverfahren kann das Führungsverhalten der Kaskadenre- gelung weiter verbessert werden. Die gebräuchlichste Variante ist die Geschwindig- keitsvorsteuerung, bei welcher der mit einem Vorsteuerfaktor Kf ∈ [0; 1] gewichtete Geschwindigkeitssollwert q̇s additiv auf den Ausgang des Lagereglers geschaltet wird. Da der Schleppfehleraufbau allmählich geschieht, ergibt sich daraus eine dynamischere Führungsgröße für den Drehzahlregler θ̇s = θ̇′su = (Kveq +Kfq̇s)u. (2.11) In Abb. 2.10a ist die Dynamiksteigerung anhand des offen Führungsfrequenzgangs dargestellt. Beim geschlossenen Führungsfrequenzgang stellt sich unterhalb von f0,m1 ein weitgehend ideales Verhalten ein, siehe Abb. 2.10b. Mit Kf = 1 lässt sich bei stationärer Geschwindigkeit sogar ein schleppfehlerfreies Verhalten erzielen. Dies geschieht jedoch zulasten des Überschwingverhaltens und der Anregung des Dreh- zahlregelkreises. In Kombination mit bandbreitenbegrenzten Lagesollwerten, wie sie bei kommerziellen Steuerungen üblich sind, kann bei geeigneter Parametrierung dennoch ein aperiodisches Gesamtübertragungsverhalten Gqsq erreicht werden. Auf das Störverhalten hat die Geschwindigkeitsvorsteuerung keinen direkten Einfluss. −90 0 90 |G e q q |[ dB ] d1,Kf = 0 d1,Kf = 0,99 3d1,Kf = 0 3d1,Kf = 0,99 10−1 100 101 102 0 −180 −360 f [Hz] ϕ (G e q q ) [°] (a) Offener Führungsfrequenzgang −90 −45 0 |G q sq |[ dB ] 10−1 100 101 102 0 −180 −360 f [Hz] ϕ (G q sq ) [°] (b) Geschlossener Führungsfrequenzgang Abbildung 2.10: Einfluss der Vorsteuerung auf das dynamische Verhalten des Lage- regelkreises in Abhängigkeit von der Gelenkdämpfung d 30 3 Zielsetzung und Vorgehensweise Die adressierte Problemstellung dieser Arbeit ist die Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit kaskadiert geregelter IR. Der Stand von Technik und Forschung zeigt eine Vielzahl an Lösungsansätzen auf, die sich dieser Problematik annehmen. Die meisten Arbeiten konzentrieren sich auf die Reduktion der Achsschleppfehler, da diese einen großen Anteil am Gesamtfehler ausmachen. Für eine ganzheitliche Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit (Führungs- und Störverhalten) ist die Nutzung von Zusatzaktuatorik zielführend, vgl. Tab. 2.1. Das identifizierte Manko der schleppfehlerreduzierenden Ansätze aus dieser Lösungsklasse besteht in den hohen Kosten und der komplexen Integration, weshalb eine Etablierung im industriellen Umfeld bislang aussteht. Zudem erschweren zusätzliche Anfor- derungen wie eine hohe Robustheit und keine Einbußen bei der Flexibilität die Lösungsfindung. Im Rahmen dieser Arbeit soll das Konzept der semiaktiven Dämp- fung (SAD) auf seine Eignung zur Lösung der Problemstellung untersucht werden. Zusammenfassend leitet sich aus den bisherigen Resultaten folgende Zielstellung ab: Übertragung der SAD auf IR zur robusten Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit durch Schleppfehlerreduktion unter Verwendung kostengünstiger Zusatzaktuatorik. Abb. 3.1 veranschaulicht das Funktionsprinzip der SAD. Die zugrunde liegende Idee besteht darin, die erste mechanische Eigenfrequenz des Getriebes mithilfe eines Zusatzaktuators selektiv zu bedämpfen. Semiaktiv beschreibt in diesem Zusammen- hang den rein bremsenden, d. h. dissipativ wirkenden, Eingriff des Aktuators. Auf diese Weise wird die Amplitudenüberhöhung im Mechanikfrequenzgang |Gθ̇′q̇| re- duziert. Aus Sicht der Antriebsregelung erhöht sich die Systemdämpfung der Regel- strecke, sodass sich eine größere Stabilitätsreserve im Amplitudengang des offenen Lageregelkreises |Geqq| ergibt. Vor diesem Hintergrund können die Antriebsregelpa- rameter angepasst werden, bis sich wieder die ursprüngliche Stabilitätsreserve des Nominalsystems einstellt. Insgesamt betrachtet resultiert daraus eine ganzheitliche Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit. 31 3 Zielsetzung und Vorgehensweise Antriebs- regelung eq Frequenz- umrichter + Servomotor Getriebe θ Last q Dämpfungs- aktuator Semi- aktives Regelgesetz SAD − qs |G θ̇ ′ q̇ |[ dB ] Bedämpfung der Regelstrecke |G e q q |[ dB ] Erhöhung der Stabilitätsreserve |G e q q |[ dB ] Anpassung der Regelparameter Abbildung 3.1: Veranschaulichung des Funktionsprinzips der SAD Die Grundidee, ein schwingungsfähiges System mithilfe eines semiaktiven Kraftge- nerators durch selektive Bremseingriffe zu bedämpfen, wurde bereits 1974 publiziert und ihre Machbarkeit theoretisch nachgewiesen [112]. Anfang der 2000er-Jahre wur- de der Ansatz auf lineare Vorschubachsen von WZM übertragen [113, 114]. Dabei wurde der Einfluss des Zusatzaktuators auf das gekoppelte Gesamtverhalten von Antriebsregelung und Regelstrecke erkannt. Jedoch nutze erst Frey die erhöhte Sta- bilitätsreserve zur Anpassung des Kv-Faktors aus [115]. Erwähnenswert ist auch die Verwandtschaft zu dämpfenden Reibschuhen, wie sie in der Schwerbearbeitung mit WZM eingesetzt werden. Deren schwingungsmindernde Wirkung ist unbestritten, allerdings geht dieser Vorteil aufgrund der permanent eingebrachten Zusatzreibung mit Genauigkeitseinbußen einher [109]. Abb. 3.2 fasst das Vorgehen und den Aufbau der vorliegenden Arbeit zusammen. Um die Eigenschaften des Zielsystems besser zu verstehen, wird in Kapitel 4 eine System- analyse durchgeführt. Die resultierenden Erkenntnisse fließen in die darauffolgenden Kapitel als Anforderungen an die jeweilige Teillösung ein. Die Teilaufgaben bestehen im Entwurf eines semiaktiven Regelgesetzes (Kapitel 5), der methodischen Entwick- 32 3 Zielsetzung und Vorgehensweise lung eines geeigneten Dämpfungsaktuators (Kapitel 6) sowie der Erarbeitung einer Vorgehensweise zur optimalen Reglerparametrierung (Kapitel 7). In Kapitel 8 erfolgt eine ganzheitliche Validierung des Konzepts an Achse 1 eines Dürr EcoRs 210-2. Abschließend werden auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse die Potenziale und Grenzen der Methode in Kapitel 9 diskutiert. Kapitel 10 fasst die Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf potenzielle zukünftige Forschungsfragen. Ein Teil der nachfolgenden Ergebnisse wurde bereits in [116] veröffentlicht. Die Publikation stellt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse dieser Dis- sertation dar. 33 3 Zielsetzung und Vorgehensweise Kapitel 1: Einleitung und Problemstellung Motivation und Ausgangssituation Problemstellung: Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit von IR Kapitel 2: Stand der Technik und Forschung Grundlagen der Industrierobotik Ansätze zur Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit Defizit: Robuste und kostengünstige Aktuatorlösung zur Schleppfehlereduktion Kapitel 3: Zielsetzung und Vorgehensweise Zielstellung: Übertragung des Konzepts der semiaktiven Dämpfung auf IR zur robus- ten Verbesserung der dynamischen Bahngenauigkeit durch Schleppfehlerreduktion unter Verwendung kostengünstiger Zusatzaktuatorik Aufbau und wissenschaftlicher Beitrag der Arbeit Kapitel 4: Systemanalyse Eigenschaftsanalyse Anforderungsableitung Kapitel 5: Semiaktives Regelgesetz Regelgesetzentwurf Untersuchung der Wirkungsweise Kapitel 6: Dämpfungsaktuator Auslegungs- und Integrationsmethodik Untersuchung der Aktuatorperformanz Kapitel 7: Parametrierung Robuste Reglerauslegungsmethodik Ableitung von Einstellregeln Kapitel 8: Experimentelle Validierung am Industrieroboter Untersuchung von Robustheit und Performanz Zusammenfassende Bewertung Kapitel 9: Potenziale und Grenzen Einsetzbarkeit der Methode Po