ZIRN Interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt Risiko und nachhaltige Technikentwicklung Universität Stuttgart Institut für Sozialwissenschaften Abt. für Technik- und Umweltsoziologie DIALOGIK gemeinnützige Gesellschaft für Kommunikations- und Kooperationsforschung Stuttgarter Beiträge zur Risiko- und Nachhaltigkeitsforschung Mesoebenenanalyse – Praxisak- teure im Blickfeld nachhaltigen Wärmekonsums Katy Jahnke Nr. 17 / November 2010 Institut für Sozialwissenschaften Abt. für Technik- und Umweltsoziologie Prof. Dr. Dr.h.c. O. Renn Universität Stuttgart Mesoebenenanalyse – Praxisak- teure im Blickfeld nachhaltigen Wärmekonsums Katy Jahnke Nr. 17 / November 2010 Arbeitsbericht ISSN 1614-3035 ISBN 978-3-938245-16-3 Bremer Energie Institut (BEI) Tel.: 0421/200-4888, Fax.: 0421/200-4877 Email: info@bremer-energie-institut.de Internet: http://www.bremer-energie-institut.de Die folgendem Arbeitsbericht zugrunde liegenden Interviews sowie wesentliche Vorarbeiten zur Auswahl und Beschreibung der befragten Praxisakteure wurden unter Mitarbeit aller Projektpartner durchge- führt. Besonderer Dank geht deshalb an: ZIRN Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung der Universität Stuttgart Interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt Risiko und Nachhaltige Technikentwicklung Diana Gallego Carrera M.A., Sandra Wassermann M.A. Europäisches Institut für Energieforschung (EIFER) Dipl.-Ing. Andreas Koch, Pia Laborgne M.A. Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) der Universität Stuttgart Dr. Ludger Eltrop, Dipl.-Ing. Till Jenssen, Dipl.-Geograph Daniel Zech Dr. Marlene Schmidt, Dr. Frank Freitag (freie Mitarbeit) Dr. Jürgen Gabriel (BEI), Tim Brüggemann (stud. Hilfskraft) Ansprechpartner: Dipl.-Volkswirtin Katy Jahnke (BEI) Tel: 0421 / 200 4891 jahnke@bremer-energie-institut.de Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ........................................................................... 1 2 Zielsetzung und Annahmen ........................................... 3 3 Ablauf der Untersuchung ............................................... 7 3.1 Identifikation der relevanten Mesoakteure ..................... 10 3.2 Methodik der Empirischen Analyse ................................. 13 3.2.1 Qualitative, leitfadengestützte Interviews ........................... 13 3.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse ...................................................... 16 4 Akteursspezifische Auswertungen ............................. 23 4.1 Institutionelle Energieberatung ......................................... 25 4.1.1 Rollenverhalten ........................................................................ 25 4.1.1.1 Energieberatung der Verbraucherzentralen .......................... 26 4.1.1.2 Energieberatung des Energieberatungszentrums ................. 26 4.1.2 Einschätzung des Konsumenten ........................................... 27 4.1.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt .................................. 27 4.1.2.2 Beratungsinhalte/Nachfrage .................................................... 28 4.1.2.3 Informationsstand und Einfluss der Beratung ...................... 29 4.1.3 Anreize und Barrieren ............................................................ 30 4.1.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren .................. 30 4.1.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren ............................ 34 4.1.4 Beziehungsgeflecht der Akteure ........................................... 34 4.2 Sonderfall Energieberatung der Stadtwerke ................... 35 4.2.1 Rollenverhalten ........................................................................ 35 4.2.2 Einschätzung des Konsumenten ........................................... 37 4.2.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt .................................. 37 4.2.2.2 Informationsstand und Einfluss der Beratung ...................... 38 4.2.3 Beziehungsgeflecht der Akteure ........................................... 39 4.3 Bauplaner/innen: Architekt/innen und Ingenieur/innen39 4.3.1 Rollenverhalten ........................................................................ 39 4.3.2 Einschätzung des Konsumenten ........................................... 41 4.3.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt .................................. 41 4.3.2.2 Beratungsinhalte/Nachfrage .................................................... 42 4.3.2.3 Informationsstand und Einfluss der Beratung....................... 43 4.3.3 Anreize und Barrieren ............................................................ 44 4.3.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren .................. 44 4.3.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren ............................ 47 4.3.4 Beziehungsgeflecht der Akteure ........................................... 48 4.4 Handwerk – SHK und Schornsteinfeger/innen .............. 51 4.4.1 Rollenverhalten ....................................................................... 51 4.4.1.1 SHK-Handwerker/innen Akteursprofil .................................. 54 4.4.1.2 Schornsteinfeger/innen Akteursprofil ..................................... 54 4.4.1.3 Neuregelung Schornsteinfegergesetz (SchfG) ....................... 55 4.4.2 Einschätzung des Konsumenten ........................................... 56 4.4.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt ................................... 56 4.4.2.2 Nachfrage und Informationsstand der Konsument/innen ... 58 4.4.3 Anreize und Barrieren ............................................................ 60 4.4.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren .................. 60 4.4.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren ............................ 63 4.4.4 Beziehungsgeflecht der Akteure ........................................... 63 4.5 Wohnungsbaugesellschaften ............................................. 64 4.5.1 Rollenverhalten ....................................................................... 64 4.5.2 Einschätzung des Konsumenten ........................................... 65 4.5.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt ................................... 65 4.5.2.2 Nachfrage und Informationsstand der Konsument/innen ... 66 4.5.3 Anreize und Barrieren ............................................................ 68 4.5.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren .................. 68 4.5.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren ............................ 69 4.5.4 Beziehungsgeflecht der Akteure ........................................... 70 4.6 Zukünftige Entwicklung nachhaltigen Wärmekonsums71 5 Zusammenfassung und weiteres Vorgehen .............. 73 6 Literatur ............................................................................. 79 Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-1 Beziehung und Einfluss des sozialen Umfelds auf den Konsumenten ......................................................................................... 5 Abbildung 3-1 Kategorisierung der Mesoebene ........................................ 9 Abbildung 3-2 Mesoakteure und deren Beziehung zu den Umgebungsebenen .............................................................................. 12 Abbildung 3-3 Ablaufmodell induktiver (l) und deduktiver (r) Kategorienbildung nach Mayring (2000) .......................................... 17 Abbildung 3-4 Verwendete deduktive Untersuchungskategorien ....... 18 Abbildung 3-5 Anreiz- und Barrierenstruktur ........................................ 20 Abbildung 4-1 Netzwerkstrukturen Architekten und Ingenieuren ..... 49 Abbildung 5-1 konsumentenspezifische Hauptbarrieren ...................... 74 Abbildung 5-2 konsumentenspezifische Hauptanreize ......................... 75 Abbildung 5-3 Ansatzpunkte für Handlungsempfehlungen ................ 76 Tabellenverzeichnis Tabelle 4-1 Anreize und Barrieren aus Sicht institutioneller Energieberatung ................................................................................... 33 Tabelle 4-2 Anreize und Barrieren aus Sicht von Bauplaner/innen ...... 46 Tabelle 4-3 Handlungsfelder des Handwerks im Klimaschutz nach Fehrenbach (1999) ................................................................................ 53 Tabelle 4-4 Anreize und Barrieren aus Sicht von SHK und Schornsteinfeger/innen ....................................................................... 62 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 1 1 Einleitung Der Wärmekonsum von Konsument/innen findet in einem materiel- len und rechtlichen Umfeld statt, das in einem ersten Projektschritt bereits ausführlich analysiert wurde. Damit eng verwoben existiert ein Umfeld von Akteuren, wie z. B. Technologieherstellern, Stadtpla- ner/innen, Gesetzgebern sowie Akteuren, die im direkten oder indi- rekten Kontakt mit den Konsument/innen stehen. Letztere, als Mesoakteure bezeichnete Gruppe, zu der vor allem Handwer- ker/innen, Energieberater/innen oder Bauplaner/innen gehören, wur- de im nachfolgend dargestellten Projektabschnitt ausführlich unter- sucht. Das besondere an diesen Mesoakteuren ist, dass sie mit ihren Entscheidungen das strukturelle und damit materielle sowie rechtli- che Umfeld schaffen und verändern und/oder Konsument/innen in ihrem Wärmekonsumverhalten beeinflussen können, z. B. durch In- formation und Beratung oder durch die Installation von Wärme(- Effizienz-)Technologien. Zum einen wurde aus sozialwissenschaftlicher Perspektive nach den Instrumenten gefragt, die den Mesoakteuren zur Verfügung stehen, um die Konsument/innen zu einem nachhaltigen Wärmekonsum zu motivieren. Aus dieser Sicht ist besonders relevant inwiefern die Mesoakteure Einfluss auf die Konsument/innen ausüben können. Der potenzielle Einfluss bezieht sich sowohl auf die Steuerung und Beein- flussung des Informationsgrades der Konsument/innen als auch auf die Beeinflussung des Handelns. Diese über die Mesoakteure vermit- telten Hemmnisse und Freiheitsgrade sollen sowohl im Hinblick auf Wissen als auch bezüglich ihrer individuellen Handlungsmöglichkei- ten für die Konsument/innen aufgezeigt werden. Die Mesoakteure wurden daher zum einen hinsichtlich ihrer Informationsleistungen für Konsument/innen analysiert, zum anderen aber auch bezüglich der Möglichkeiten und Blockaden, die sie den Konsument/innen auf- zeigen, die einen nachhaltigen Wärmeenergiekonsum anstreben. 2 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Zum anderen erfolgte die Analyse der Einflussmöglichkeiten der Akteure sowie deren eigener Blockaden und Freiheitsgrade, um nachhaltig agieren zu können. Grundlage der Analyse waren persön- liche Interviews mit ausgewählten Praxisakteuren, die inhaltsanaly- tisch anhand deduktiver Untersuchungskategorien untersucht wur- den. Diese Analyse stellt daher einen Hauptbestandteil des nachfol- genden Berichts dar. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 3 2 Zielsetzung und Annahmen Ziel des Arbeitspaketes war es, einen detaillierten Überblick über die Mesoakteursebene (kurz: Mesoebene) des Wärmekonsums zu erhal- ten. Dabei sollte neben einer möglichst vollständigen Auflistung der relevanten Mesoakteure des Wärmekonsums, vor allem deren Beeinf- lussungspotenziale in Bezug auf Konsument/innen, Strukturebene sowie untereinander dargestellt werden. Ob Mesoakteure Einfluss auf Konsument/innen nehmen können, hängt entscheidend davon ab, inwiefern sie von den Konsu- ment/innen als kompetent und vertrauenswürdig anerkannt werden. Anerkennung in Form von Autorität oder Legitimität ist essentiell für den Einfluss eines Mesoakteurs, da andere bekannte soziale Mecha- nismen der Einflussnahme, wie z. B. Macht oder Zwang weitgehend entfallen. Auch wenn zwischen den Mesoakteuren und Konsu- ment/innen keine Herrschaftsbeziehung im klassischen Sinne besteht, so wird hier doch angenommen, dass Mesoakteure Einfluss auf die Konsument/innen nehmen können – z. B. mittels ihres weitgehend anerkannten sozialen Status als kompetente und vertrauenswürdige Instanzen. Parsons (1994) und Bourdieu (1987) verwiesen in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Autorität von Experten und ihren dadurch begründeten Einfluss auf moderne Gesellschaften. Zurückzuführen ist dieser Zusammenhang auf die Fähigkeit, Wissen – und damit einen bestimmten Blick auf die Realität – als gesellschaft- liches Wissen zu etablieren. Folgende Hypothesen lassen sich anhand dieser Annahmen für das Einflusspotenzial der Mesoakteure ablei- ten:  Je eher ein Akteur als neutraler Experte wahrgenommen wird, desto größer ist seine soziale Anerkennung und desto größer ist auch sein Einflusspotenzial. 4 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse  Je enger die Beziehungen zwischen einem Mesoakteur und den Konsument/innen sind, desto eher wird dem Mesoakteur Vertrauen geschenkt.  Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mesoakteur eine Orga- nisation oder Institution repräsentiert, die für einen bestimm- ten Aspekt des nachhaltigen Wärmekonsums die gesellschaft- lich anerkannte Deutungshoheit besitzt.  Neben diesen vorrangig auf die Beziehung zu den Konsu- ment/innen bezogenen Hypothesen, lassen sich noch weitere in Hinblick auf Kooperationen und Netzwerke von Akteuren ableiten. So kann folgendes angenommen werden:  Der Einfluss eines Mesoakteurs ist umso größer, je größer die Zahl seiner Außenbeziehungen ist und je mächtiger seine Kontaktakteure ihrerseits sind. Ein besonderes Augenmerk wurde in der Analyse der Mesoebene daher auf die Aspekte der Beziehungen zu den Konsument/innen und den Außenbeziehungen zu anderen Akteuren in Form von Netzwerken und Kooperationen gelegt. Hinsichtlich der Beziehun- gen zu den Konsument/innen lässt sich folgender in Abbildung 2-1 dargestellter Zusammenhang und Vergleich zu generellen Beziehun- gen im sozialen Umfeld annehmen. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 5 Abbildung 2-1 Beziehung und Einfluss des sozialen Umfelds auf den Konsumenten/innen Demnach ist davon auszugehen, dass der Einfluss von Familie, Freunden, Nachbarn, Kolleginnen und Kollegen aufgrund der enge- ren Beziehung zu den Konsument/innen und der dadurch meist ge- gebenen persönlichen Vertrauensbasis stärker ist als der Einfluss von Praxisakteuren und deren fachlicher Vertrauensbasis aus Sicht der Konsument/innen. Der empirischen Überprüfung dieser Hypothese wird bei der Analyse der Konsument/innen, weiter nachgegangen. Es sei an dieser Stelle aber bereits auf diesen Projektabschnitt verwiesen. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte der hier behandelten Zielsetzung der Mesoebenenanalyse betrachtet. Anhand einer Kategorisierung der Akteure sollte in einem ersten Schritt eine Übersicht zu den Handlungsoptionen und Einflussmög- lichkeiten bzw. Beziehungen zur Konsum- und Strukturebene in Form konzeptioneller Modelle der Akteursbeziehungen gegeben werden. Hier sollten das direkte bzw. indirekte Beeinflussungspoten- zial in Bezug auf Freiheitsgrade auf die Wärmekonsument/innen, die Strukturebene und innerhalb der Mesoebene verdeutlicht werden. Weiterhin wurden die Hemmnisse und Chancen, die sich auf das Beeinflussungspotenzial auswirken, dargestellt und konkrete Mög- lichkeiten des Hemmnisabbaus und der Chancennutzung aufgezeigt. Familie & Freunde Nachbarn & Kollegen Praxis- bzw. Mesoakteure Konsument E in flu s s a u f K o n s u m e n te n B e z ie h u n g z u m K o n s u m e n te n E in flu s s a u f K o n s u m e n te n B e z ie h u n g z u m K o n s u m e n te n 6 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Hinsichtlich der Beziehungen innerhalb der Mesoebene wurde deren Richtung und Dominanz verdeutlicht. Es ist dabei zu unterscheiden zwischen dominanten, gleichberechtigten und rezessiven Beziehun- gen. Anhand dieser Einteilung lässt sich auch direkt das Geflecht der Außenbeziehungen sowie konkrete Einflussrichtungen ablesen, wel- che für die spätere Konkretisierung von Handlungsempfehlungen für die Mesoakteure grundlegend war. Es ergab sich daraus zusammen- fassend folgende Ergebnisstruktur: 1. direktes/indirektes Beeinflussungspotenzial auf Konsum- und Strukturebene sowie innerhalb der Mesoebene. 2. Hemmnisse und Chancen für Konsument/innen und für die Mesoakteure selbst. 3. Informationsleistung der Mesoakteure: welches Wissen stellen sie bereit bzw. wird transferiert? 4. Hauptbeziehungsgeflecht innerhalb der Mesoebene un- terschieden nach dominanten, gleichberechtigten und re- zessiven Beziehungen. 5. Übersicht zum Rollenverhalten: Hauptrollen und Neben- rollen der Mesoakteure. 6. Anreize und Barrieren hinsichtlich institutioneller, tech- nischer und wirtschaftlicher Gegebenheiten (Struktur). Die Mesoebenenanalyse wird im weiteren Verlauf des Projektes um eine gendersensible und demographische Analyse der Bewertung des Akteursumfeldes ergänzt. Für die Befragung der Akteure war dabei unter anderem interessant, welche Rolle die Mesoakteure bei der Stärkung der Verbrauchermacht sowie den Benachteiligungen von Konsument/innen in Abhängigkeit von Gender- und Demographieaspekten spielen. Zudem wird in der Analyse der Kon- sument/innen eine Verifizierung der Relevanz der Mesoakteursgruppen aus Konsumentensicht durchgeführt. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 7 3 Ablauf der Untersuchung Um die geplanten Ziele zu erreichen, war es zunächst unerlässlich, eine Systematisierung für die Mesoebene zu entwickeln und dort die als relevant eingestuften Mesoakteurstypen zu verorten. Mit diesen Akteuren wurden dann Interviews geführt, die anhand der oben aufgeführten Ergebnisstruktur und eines darauf aufbauenden Kate- goriensystems (siehe Abschnitt 3.2.2) inhaltsanalytisch untersucht wurden. Die Identifikation der Akteure erfolgte in einem ersten Schritt abs- trakt-analytisch, d. h. der aktuelle Forschungsstand der verschiede- nen Disziplinen wurde dargestellt und daraus ein Systembild abge- leitet, in dem in einem nächsten Schritt die relevanten Akteure identi- fiziert und die Systemgrenzen gezogen wurden. Die Erarbeitung des Systembildes erfolgte unter Berücksichtigung folgender Fragestel- lungen: 1. Wer sind die für das Forschungsvorhaben relevanten Mesoakteure, die im Wärmekonsumbereich agieren? 2. Wie sehen ihre Handlungsfelder im Wärmeenergiebe- reich aus? 3. Wo liegen akteursspezifisch die Hemmnisse und die Chancen in Bezug auf die Förderung eines nachhaltigen Wärmekonsums? 4. Welche Interessen verfolgen die Mesoakteure und welche Auswirkungen auf die Konsumebene haben sie? 5. Wie gestalten sich die Beziehungen der Mesoakteure im System untereinander? 6. Welche Rolle nimmt der einzelne Mesoakteur in Bezug auf die Wärmekonsument/innen ein? 8 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 7. Welchen Einfluss haben die Mesoakteure auf die Struk- turebene und umgekehrt? Aus den Antworten auf die Fragen ergab sich ein Gesamtakteursbild mit den jeweiligen Wechselbeziehungen und Interessen. In einem zweiten Schritt wurde das Systembild forschungspraktisch konkretisiert, um ihm ein empirisches Relativ gegenüberzustellen, welches ein reales – und nicht mehr nur typisiertes – Abbild des Untersuchungsgegenstandes darstellt. Zur Vereinfachung des oben genannten Systembildes wurden im Vorfeld der eigentlichen Unter- suchung Überlegungen zur Kategorisierung der Mesoakteure ange- stellt. Die Einteilung der Akteursgruppen erfolgte anhand charakte- ristischer Spezifika. Zunächst wurde unterschieden, inwiefern sie einen Einfluss auf die Struktur- bzw. die Konsumebene haben. Die Akteure wurden dann wiederum nach den bereits festgelegten Untersuchungsbereichen innerhalb der Konsum- und Strukturebene aufgeteilt. Eine solche Einteilung hat den Vorteil einer unproblemati- schen Verknüpfung mit der Struktur- und Konsumebene. Es ließ sich dann auf der Strukturebene prinzipiell unterscheiden zwischen Mesoakteuren aus dem baulichen Umfeld, Mesoakteuren, die den rechtlichen Rahmen bestimmen bzw. mitbestimmen und Mesoakteuren, die Einfluss auf technische Systeme haben. Auf der Konsumebene erfolgte eine Einteilung nach Mesoakteuren mit Ein- fluss auf Mieter/innen sowie Mesoakteuren mit Einfluss auf Hausbe- sitzer/innen. Des Weiteren wurde zwischen einer direkten und indi- rekten Einflussnahme auf die genannten Umgebungsebenen unter- schieden. Als Unterscheidungskriterium wurden hier der Kontakt zu den Konsument/innen und die jeweiligen Einflussmöglichkeiten der Mesoakteure herangezogen. Abbildung 3-1 zeigt eine grobe Darstellung der zu untersuchenden Kategorien der Mesoebene. Es war zu erwarten, dass einige Akteure hinsichtlich einer derartigen Kategorisierung in mehrere Akteursgruppen fallen. So können z. B. Energieberater/innen sowohl Mieter/innen als auch Hausbesitzer/innen beeinflussen. Deshalb wurde auf einer zweiten Ebene das Rollenverhalten der Mesoakteure K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 9 analysiert. Idee dahinter ist, den Mesoakteuren Rollen zuzuordnen, in denen sie handeln. Dabei galt es grundsätzlich, eine Hauptrolle und die weiteren auftretenden Nebenrollen zu identifizieren. Wobei hinsichtlich der Nebenrollen nur die in Bezug auf den Wärmekon- sum relevanten Aktivitäten betrachtet wurden. Abbildung 3-1 Kategorisierung der Mesoebene In einem nächsten Schritt galt es, die für das Forschungsziel relevan- ten Mesoakteure zu identifizieren. Das dabei gewählte Vorgehen und die Ergebnisse werden im nachfolgenden Abschnitt detailliert be- schrieben. Konsumebene Strukturebene Siedlungsstrukturen/Gebäude rechtlicher Rahmen tec hno log isc he Sy ste me Hausbesitzer/innenMie ter/in nen Mesoebene 10 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 3.1 Identifikation der relevanten Mesoakteure Eine erste Maßnahme für die Analyse der Mesoebene war die Auflis- tung aller relevanten Akteure, der Nennung ihrer Hauptrollen, d. h. Haupttätigkeitsfelder im Wärmeenergiesektor sowie ihrer wichtigs- ten Nebenrollen, z. B. das Angebot nebenberuflicher Energiedienst- leistungen, wie Energieberatung und die Erfassung ihres Einflusspo- tenzials hinsichtlich der Konsum- und Strukturebene. Nach der Identifikation der Mesoakteure innerhalb der Akteursgruppen galt es, im Rahmen eines Praxispartnerworkshops die Auflistung praktisch zu prüfen und über den Dialog mit den Pra- xispartnern die relevanten Akteure herauszufiltern. Es erschien für die empirische Analyse unerlässlich, die Zahl der zu untersuchenden Akteurstypen einzuschränken und nur die bedeutendsten Akteure auszuwählen. Die Auswahl der zu befragenden Mesoakteurstypen erfolgte, wie bereits erwähnt, zum einen auf Basis der Ergebnisse des Praxispart- nerworkshops. Die Praxispartner konnten dabei konkrete Hinweise auf die Akteure liefern, die einen besonders starken Einfluss auf die Konsum- und Strukturebene ausüben, zum Teil ist dies dem Um- stand geschuldet, dass sie selbst als Praxisakteure die jeweiligen Rol- len der Mesoakteure einnehmen. Zum anderen erfolgte die Auswahl anhand einer anschließenden ausführlichen Diskussion der ersten Eingrenzungen durch die Projektpartner. Dabei waren vor allem die verschiedenen im Projekt vertretenen Disziplinen entscheidend an- hand derer die Plausibilität der Akteure für die verschiedenen Hand- lungsbereiche im Wärmeenergiebereich, vorrangig deren Relevanz im Technologie- und Gebäudesektor, erläutert und durch wissen- schaftliche sowie praktisch fundierte Erfahrungen der Projektpartner vertieft dargestellt werden konnte. Dadurch wurde wiederum die K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 11 Auswahl der im weiteren Verlauf zu analysierenden Praxisakteure wesentlich erleichtert. Laut obigen beschriebener Herangehensweise blieben 10 Kategorien übrig, die befragt werden sollten: Im Handwerk:  Schornsteinfeger/innen,  Sanitär/Heizung/Klima (SHK)-Installateur/innen,  Bauhandwerk, insbesondere Wärme-, Schallschutzisolie- rer/innen, Aus der Energieberatung:  Energieagenturen,  Verbraucherzentralen,  Energieversorger, Aus der Bauplanung und Gebäudestruktur:  Architekt/innen,  Wohnungsbaugesellschaften, sowie Hausmeister/innen und Energiedienstleister. Für das bereits angesprochene Systembild der Mesoebene ergibt sich daraus folgen- de Abbildung 3-2. 12 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Abbildung 3-2 Mesoakteure und deren Beziehung zu den Umge- bungsebenen In der weiteren Diskussion konnte festgestellt werden, dass das Tä- tigkeitsfeld der Hausmeister/innen bereits über Wohnungsbaugesell- schaften abgedeckt wird bzw. die Tätigkeiten hauptsächlich im Auf- trag der Wohnungsbaugesellschaften stattfinden. Dadurch entfiel diese Kategorie für die Befragung. Bei der Auswahl der konkreten Interviewpartner/innen entfiel dann aufgrund des Regionen-Ansatzes: Stuttgart-Leipzig, die Kategorie der Energiedienstleister, da in diesen Regionen keine relevanten Energiedienstleister, die z. B. Kleinanlagencontracting für private Haushalte anbieten, identifiziert werden konnten, demnach also auch nicht in Bezug auf die Projektziele und die Privatkonsument/innen, tätig sind. Für den Bereich des Bauhandwerks musste anhand weite- rer Recherchearbeit das Beeinflussungspotenzial überdacht werden, was zu dem Ergebnis führte, dass das Bauhandwerk eher eine rein passive ausführende Rolle einnimmt und bisher kaum selbst tätig, z. B. im Bereich der Energieberatung, aktiv ist. Aus der Befragung wur- Mikroebene Hausbesitzer/innenMieter/innen Bauhandwerk Energieberatungsagenturen Stadtwerke/EVU Architekten Ingenieurbüros SHK-Handwerk Wohnungsbau- gesellschaften Verbraucherzentralen Makroebene Siedlungsstrukturen/Gebäude (rechtlicher Rahmen) technologische Systeme Schornsteinfeger Architekten Energiedienstleister Hausmeister K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 13 de diese Kategorie deshalb gestrichen und wird in der folgenden Auswertung nur sekundäranalytisch betrachtet. Zudem sei hier da- rauf verwiesen, dass im Laufe der Interviews die Relevanz der Ban- ken als bedeutender Kooperationspartner und Akteur von einigen befragten Akteuren erwähnt wurde und demnach die von uns als wenig einflussreich erachtete Tätigkeit der Kreditinstitute für nach- haltige Wärmekonsummuster im Nachhinein überdacht werden musste. 3.2 Methodik der Empirischen Analyse 3.2.1 Qualitative, leitfadengestützte Inter- views Innerhalb der empirischen Analyse dienten leitfadengestützte Inter- views zur Aufdeckung von konkreten Handlungsfeldern und direk- ten sowie indirekten Einflusspotenzialen der einzelnen Akteure bzw. Akteursgruppen sowie deren Beziehung zu anderen Mesoakteurstypen. Der Leitfaden orientierte sich an der bereits er- wähnten Ergebnisstruktur. Dabei waren zunächst alle Projektpartner aufgefordert für ihren spezifischen Kompetenzbereich entsprechende Forschungsfragen und Hypothesen in Bezug auf die Tätigkeit der Mesoakteure und deren Einflussmöglichkeiten hinsichtlich nachhal- tiger Konsumstrategien zu sammeln und zu entwickeln. Dafür wur- den im Vorfeld die Akteure auf die Institutionen aufgeteilt:  Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwen- dung der Universität Stuttgart (IER) übernahm dabei aufgrund des ingenieurwissenschaftlichen Forschungshintergrundes hauptsächlich Akteure, die im Bereich der Versorgungstechnolo- gien tätig sind, insbesondere sind dabei die SHK-Handwerker und die Energieversorger bzw.. Stadtwerke zu nennen. 14 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse  Das Europäische Institut für Energieforschung in Karlsruhe (EI- FER) mit seiner Kompetenz im Gebäudebereich übernahm dem- nach vor allem Architekten und Wohnungsbaugesellschaften.  Der Interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt Risiko und Nach- haltige Technikentwicklung am Internationalen Zentrum für Kul- tur- und Technikforschung der Universität Stuttgart (ZIRN) so- wie das Bremer Energie Institut (BEI) deckten dann den gerade bezüglich des sozialwissenschaftlichen und ökonomischen An- satzes der Einflussnahme auf die Informationsvermittlung wich- tigen Bereich der Energieberatung ab, zudem sowohl die Ver- braucherzentralen als auch die Energieagenturen zählen.  Juristische Aspekte wurden von Juristen des Instituts für Arbeits- , Wirtschafts- und Zivilrecht der Johann Wolfgang Goethe- Universität betrachtet. Des Weiteren wurde hier vertiefend die Sonderrolle des Schornsteinfegerhandwerks betrachtet. Nach Zusammenstellung und Diskussion der relevanten Fragestellungen durch die Projektpartner wurde die endgültige Version des Leitfadens vom ZIRN in Abstim- mung mit dem BEI und den anderen Projektpartnern übernommen. Der Interviewleitfaden umfasste jeweils akteursspezifisch folgende Themenbereiche: 1. Handlungsfelder des Mesoakteurs im Bereich Wärme- konsum (Rollenverhalten) 2. Einfluss und Bewertungen hinsichtlich Anreizen/Motiven sowie Barrieren/Hemmnissen auf Konsumebene 3. Einfluss und Bewertungen in Bezug auf den Informati- ons- und Wissensstand der Konsument/innen 4. Einfluss und Bewertungen in Bezug auf die Strukturebe- ne (v.a. gesetzliche und förderpolitische Situation) 5. Beziehungen zu anderen Mesoakteuren (Kooperatio- nen/Netzwerke) Neben den konkreten Fragestellungen des hier beschrieben Projekt- abschnittes, wurden auch Fragestellungen aus anderen Arbeitspake- K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 15 ten in den Leitfaden integriert, so z. B. Gender- und Demographieaspekte. Als Schnittstelle für die Befragung und Analy- se von Konsument/innen sind unter anderem Fragen bzgl. der von den Konsument/innen wahrgenommenen Optionen nachhaltiger Konsummuster und -strategien relevant. Wie in der Antragsphase besprochen, wurde auch bei der Durchfüh- rung der Interviews die Interdisziplinarität gewahrt, indem Interviewerteams mit zwei Personen aus unterschiedlichen Diszipli- nen der Partnerinstitute des Projekts gebildet wurden, um zum einen die sozialwissenschaftliche, ökonomische sowie juristische und zum anderen die technische und gebäudespezifische Dimension bestmög- lich abzudecken. Sowohl die technische als auch die gebäude- spezifischen Dimensionen übernahmen hauptsächlich die Part- ner/innen aus IER und EIFER. Die sozialwissenschaftliche Dimension wurde wiederum durch ZIRN und EIFER abgedeckt, das BEI über- nahm die ökonomische und die Uni Frankfurt deckte die juristische Dimension ab. Die konkrete Durchführung der Interviews basierte auf persönlichen Interviewgesprächen mit den Mesoakteuren vor Ort. Die Interview- partner/innen wurden dabei zum einen auf Basis der im Projekt vor- handenen Praxispartner, zum anderen anhand Internet basierter Re- cherchen ausgewählt. Dabei wurden je Akteurstyp ein bis zwei Inter- viewpartner/innen aus dem Großraum Leipzig und ein bis zwei In- terviewpartner/innen aus dem Großraum Stuttgart ausgewählt und befragt. Bei der letztgenannten Internet basierten Recherche wurde darauf geachtet Interviewpartner/innen zu wählen, die bereits mit dem Thema „nachhaltiger Umgang mit Wärme“ vertraut waren, um insbesondere deren Erfahrungen aus der Praxis zu analysieren und akteursspezifische Anreize und Barrieren für nachhaltiges Handeln und entsprechende Angebote zu identifizieren. Insgesamt wurden dann im Zeitraum Mai/Juni 2009 18 Interviews durchgeführt. Die Interviews wurden wortwörtlich transkribiert und deren Inhalt aus- gewertet. Die angewendete Methodik der qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (2000) wird im nachfolgenden Abschnitt 16 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse detailliert erläutert und die Vorgehensweise der Auswertung ver- deutlicht. 3.2.2 Qualitative Inhaltsanalyse Die Qualitative Inhaltsanalyse wie sie Mayring (2000) beschrieben hat, ist ein Bündel aus regelgeleiteten Verfahrensweisen zur systema- tischen Textanalyse. Sie wurde bei dem vorliegenden Forschungs- vorhaben gewählt, da sie insbesondere geeignet ist, um eine größere Anzahl von Interviews effizient auszuwerten. Weiterhin ist eines ihrer Charakteristika, dass die grundlegenden Aussagen der Inter- viewten geordnet und zusammengefasst werden, was bei den durch- geführten Experteninterviews methodisch am günstigsten erschien, da der Subtext (unterschwellige Aussagen) und die spezifische Inter- aktion mit dem Interviewer vernachlässigt werden können. Orientiert an Mayrings allgemeinem inhaltsanalytischen Ablaufmo- dell wird im Folgenden beschrieben, in welcher Weise die Analyse der Interviews bei der vorliegenden Studie durchgeführt wurde. Nachfolgende Abbildung 3-3 verdeutlicht zunächst den ursprüngli- chen Ablauf der induktiven und deduktiven Kategorienbildung nach Mayring. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 17 Abbildung 3-3 Ablaufmodell induktiver (l) und deduktiver (r) Ka- tegorienbildung nach Mayring (2000) Wie bereits erwähnt, wurde die Auswertung lediglich in Anlehnung an Mayring Methode erstellt. Nachfolgend wird deshalb das explizite Vorgehen erläutert. Der Analyse lagen 18 transkribierte Interviews mit einer durch- schnittlichen Dauer von 90 Minuten zu Grunde. Die Interviewpart- ner/innen stammten aus den verschiedenen Untergruppen der Mesoakteure: Architekt/innen, Heizungsbauer/innen, Schornsteinfe- ger/innen, Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgungsunter- nehmen, Verbraucherzentralen und Energieagenturen. Im Zentrum des Vorgehens stand die zusammenfassende Inhaltsana- lyse. Dabei wurden zunächst alle Interviews einzeln analysiert. Hier- bei wurde ein deduktiv-induktives Verfahren verwendet, d. h. es wurden im Vorfeld Untersuchungskategorien festgelegt nach denen die vorliegenden Interviewtranskriptionen systematisch durchsucht wurden. Da die verwendete Methodik lediglich an Mayrings Ab- laufmodell angelehnt ist, wurde z. B. auf die Erstellung eines explizi- ten Kodierleitfadens aufgrund der geringen Anzahl zu untersuchen- der Kategorien verzichtet. Vielmehr sollten durch die festgelegten 18 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Kategorien insbesondere eine Hilfestellung für die Inhaltsanalyse gegeben werden, die dann induktiv erfolgte. Die verwendeten Unter- suchungskategorien sind in Abbildung 3-4 dargestellt. Abbildung 3-4 Verwendete deduktive Untersuchungskategorien Die verwendeten Untersuchungskategorien orientieren sich an der bereits vorgestellten Ergebnisstruktur und wurden nach einer ersten Durchsicht des vorliegenden Interviewmaterials nochmals angepasst. Daraus ergaben sich folgende Themen nach denen die Interviews zu- nächst inhaltlich durchsucht und systematisch in Analyseeinheiten zerlegt wurden: das Rollenverhalten zielt dabei auf die Identifikation der Haupt- und Nebenaufgaben in Bezug auf Aktivitäten der be- trachteten Mesoakteure im Wärmesektor ab. Zudem wird der Bezug dieser Aktivitäten zur Nachhaltigkeit des Wärmekonsums analysiert. Die zweite Kategorie beinhaltet eine Analyseeinheit zur Bewertung der Konsument/innen bzw. Kundinnen und Kunden der Akteure hinsichtlich Gender- und Demographieaspekten sowie den dargeleg- ten und wahrgenommenen Handlungsoptionen nachhaltiger Kon- akteursspezifische Inhaltsanalyse der leitfadengestützten Interviews Ist (Hemmnisse und Chancen) Soll (Handlungsempfehlungen) Rollenverhalten Einschätzung des Konsumenten Beziehungsgeflecht unter Akteuren Anreize und Barrieren Haupt- und Nebenrollen Gender/ Demographie Informationen/ Wissen Handlungs- optionen konsumenten- spezifisch Kooperationen/ Netzwerke akteurs- spezifisch konsumenten- spezifisch Bezug zu Nachhaltigkeit akteurs- spezifisch K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 19 summuster. Hinzu kommt, neben der Einschätzung des allgemeinen Informationsstandes der Konsument/innen, die Leistung der Akteure bezüglich der Vermittlung von Wissen und Informationen. Die Ein- schätzung von generellen Barrieren und Anreizen erfolgt dann so- wohl konsumenten- als auch akteursspezifisch. Ein letzter Punkt der Erfassung des Ist-Zustandes sind existierende Kooperationen und Netzwerke mit anderen Akteuren im Wärmeenergiebereich und de- ren Vor- und Nachteile. In Bezug auf den Soll-Zustand werden die Wünsche der Akteure hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung nachhaltigen Wärmekonsums erfasst, woraus sich Handlungsemp- fehlungen für Akteure und Konsument/innen ableiten lassen. Das Material wurde darauf aufbauend und dem inhaltsanalytischen Ablaufmodell folgend, in kategorisierte Analyseeinheiten zerlegt und schrittweise bearbeitet. Nach der Zuordnung zu Analyseeinheiten wurden wenig inhaltstragende Textstellen gestrichen. Aussagen der Interviewer/innen wurden nur beibehalten, wenn sie unerlässlich für das Verständnis der Antwort waren, ansonsten wurde nur mit den Antworten der Interviewpartner/innen gearbeitet. Die inhaltstragen- den Textstellen wurden anschließend paraphrasiert, indem sie auf eine am Ursprungstext orientierte Kurzform gebracht, grammatika- lisch bereinigt und wo nötig in die dritte Person umgewandelt wur- den. Im nächsten Schritt, der Generalisierung, wurde die Paraphrase auf ein höheres Abstraktionsniveau gebracht, wobei bedeutsam ist, dass möglichst nur eine Hauptaussage darin vorkommen sollte. Es sollte in der Generalisierung ein Bezug zu den verwendeten Untersu- chungskategorien (siehe Abbildung 3-4) zu erkennen sein. Inhalts- gleiche oder irrelevante Generalisierungen wurden gestrichen. Die am Schluss stattfindende Reduktion diente dazu, die gefundenen Generalisierungen den Untersuchungskategorien zuzuordnen. In einer letzten Phase wurden alle Interviewauswertungen einer Be- rufsgruppe nochmals zusammengefasst und tabellarisch den genann- ten Kategorien zugeordnet. Dabei wurde für die Kategorie Anreize und Barrieren eine an Prognos (2006) angelehnte Anreiz- und 20 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Barrierenstruktur gewählt, die in Abbildung 3-5 graphisch dargestellt ist. Abbildung 3-5 Anreiz- und Barrierenstruktur Es wird dabei unterschieden zwischen finanztechnischen, informato- rischen, motivatorischen und auch rechtlichen Anreizen und Barrie- ren. Hinsichtlich der finanztechnischen Aspekte handelt es sich vor allem um ökonomische Determinanten, wie Energiepreise und Ener- giepreisentwicklungen insbesondere für fossile Brennstoffe, Höhe der Investitionskosten sowie individuelle konsumentenspezifische Bud- getrestriktionen, die Anreiz-basiert durch die Inanspruchnahme fi- nanzieller Förderprogramme geschmälert werden können. Aus informatorischer Sicht sind vorrangig der bisherige Wissens- stand zum Thema „nachhaltiger Wärmekonsum“ sowie Möglichkei- ten der Informationsbeschaffung hervorzuheben. Hierbei ebenfalls zu beachten sind ausbildungstechnische Besonderheiten in Bezug auf die Mesoakteure, d. h. inwiefern Nachhaltigkeitsaspekte in der Aus- bildung eine Rolle spielen. Zudem wird auf das Angebot spezifischer Weiterbildungsmaßnahmen zu diesem Thema eingegangen. Anreize und Barrieren finanztechnisch informatorisch rechtlichmotivatorisch Förder- programme Wissensstand Informationen Umwelt- bewusstsein Gesetze Investitions- kosten Kosten- bewusstesein Energiepreise Persönlicher Komfort Sozio- demographie K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 21 Hinsichtlich der motivatorischen Anreize und Barrieren handelt es sich meist um intrinsische, d. h. von den Konsument/innen abhängige Einstellungsvariablen. Sowohl der jeweilige Grad des Umwelt- schutzbewusstseins als auch Einstellungen zu Kosten und persönli- chen Komfortansprüchen spielen dabei eine ausschlaggebende Rolle für den Grad der Nachhaltigkeit umgesetzter und geplanter Maß- nahmen. Als letzte Kategorie sind durch die aktuelle Gesetzeslage rechtliche Anreize und Barrieren für nachhaltige Konsummuster determiniert. Die in Abbildung 3-5 vorgestellte Struktur dient unter anderem dem besseren Verständnis der Ansatzpunkte für Handlungsempfehlun- gen, um zu verdeutlichen welche Akteure im Umfeld nachhaltiger Wärmeenergienutzung verantwortlich sind. Die Unterkategorien: Förderprogramme, Investitionskosten, Energiepreise, Informationen und Gesetze deuten dabei auf die Zuständigkeit hoheitlicher Akteure (Makroakteure) sowie jener Mesoakteure hin, die jeweils direkten Einfluss auf die genannten Barrieren oder Anreize haben, d. h. ent- weder Barrieren abbauen oder Anreize verstärken können. So ist z. B. die Bundesebene für die Verabschiedung entsprechender Gesetze und für die Auflage von bundesweiten Förderprogrammen zustän- dig. Der Bereich Informationen könnte vor allem aufgrund der Nähe der Mesoakteure zu den Konsument/innen deutlich beeinflusst wer- den. Die Unterkategorien: Soziodemographie, Wissensstand, Um- welt-, Kostenbewusstsein und persönlicher Komfort sind eher indi- viduell konsumentenabhängig und können nur indirekt durch Mak- ro- oder Mesoakteure verändert werden. Insbesondere handelt es sich bei den motivatorischen Barrieren und Anreizen um intrinsische Einstellungsvariablen, die nur indirekt durch Maßnahmen zur Förde- rung nachhaltigerer Konsumstrukturen im Wärmemarkt beeinfluss- bar sind. Dennoch könnten hier z. B. langfristige Kampagnen im Umweltbildungsbereich zielführend sein. Nachfolgendes Kapitel beschreibt ausführlich die akteursspezifischen Auswertungen anhand der vorgegebenen deduktiven Untersu- 22 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse chungskategorien und geht explizit auf die Anreiz- und Barrierenstruktur ein. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 23 4 Akteursspezifische Auswertun- gen Für eine bessere Übersicht der Auswertung wurden zunächst die bereits vorgestellten Mesoakteurstypen hinsichtlich ihrer Schwer- punkte bezüglich Einfluss und Art des Einflusses auf Konsu- ment/innen sowie inhaltlicher Kernthemen ihrer Aktivitäten im Wärmesektor in folgende Oberkategorien zusammengefasst: Institutionelle Energieberatung:  Energieberatung der Verbraucherzentralen  Energieagenturen auf lokaler, regionaler Ebene  Sonderfall Energieberatung der Energieversorgungsunter- nehmen Bauplaner/innen:  Architekt/innen  Ingenieur/innen Handwerk:  SHK-Handwerker/innen  Schornsteinfeger/innen Wohnungsbaugesellschaften Die Ergebnisse der Interviewauswertungen dieser Mesoakteurstypen werden nachfolgend jeweils einzeln nach den in Abbildung 3-4 vor- gestellten Kategorien betrachtet. Der letzte Fragenblock des Interviewleitfadens, in dem die Akteure nach ihrer persönlichen Einschätzung bezüglich zukünftiger Ent- wicklungen des nachhaltigen Wärmekonsums gefragt wurden, wird aufgrund der personenabhängigen Einstellungen und Wünsche akteursübergreifend ausgewertet. Bevor die einzelnen Akteure be- trachtet werden, soll noch kurz auf ein paar Besonderheiten der Be- fragungserfahrungen und -ergebnisse eingegangen werden, die vor 24 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse allem in Bezug auf die Projektinhalte und -ziele eine wichtige Rolle spielen und dem besseren Verständnis der Interviewauswertungen für den weiteren Projektverlauf dienen sollen. Ein erster Punkt der vor allem für den Kontext des Projektes bedeu- tend ist, bezieht sich auf das Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffes und der daraus resultierenden Optionen und Strategien für nachhal- tige Konsummuster im Wärmeenergiebereich aus Sicht der befragten Akteure. Hier konnte festgestellt werden, dass die Akteure teils eine sehr unterschiedliche Auffassung von Nachhaltigkeit haben und einige von ihnen zunächst von uns eine Definition des Nachhaltig- keitsbegriffes für den Wärmebereich wünschten. Dies lag in den meisten Fällen an der in den Medien und Wissenschaft sehr breit gefächerten Auslegung und recht „schwammigen“ Erläuterungen des Nachhaltigkeitsbegriffs. Aus diesen Fragen nach einer vernünfti- gen und, vor allem für die Mesoakteure als auch für die Konsu- ment/innen, greifbaren Begriffsdefinition, ergab sich auch die Forde- rung an hoheitliche Entscheidungsträger hier Klarheit zu schaffen. Zudem wurde deutlich, dass Begriffe wie „Energieeffizienz“ und „Nutzung erneuerbarer Energien“ in den Tätigkeitsbereichen der Mesoakteure und auch aus den jeweiligen Erfahrungen mit Kundin- nen und Kunden sehr wohl geläufig sind, da mit ihnen konkrete Technologien und Maßnahmen verbunden werden. Generell lässt sich die Vermutung bestätigen, dass je breiter der Tätigkeitsbereich des Akteurs ausfällt umso breiter sind auch das Verständnis der Nachhaltigkeit und die daraus resultierenden Optionen im Wärme- bereich. So sprachen Energieberater, insbesondere die institutionel- len, von umfassenden Maßnahmenpaletten die sowohl Suffizienz-, Effizienz- als auch Konsistenzstrategien einbezogen, begrifflich je- doch eher die konkreten Maßnahmen wie Energiesparen, Wärme- dämmung und erneuerbare Energientechnologien verwendeten. Die stärker am Markt tätigen Akteure, wie z. B. Handwerker, hingegen nutzen weitgehend nur die Maßnahmen, die ihnen aus ihrem Tätig- keitsfeld und vorhandenen Kooperationen mit anderen Akteuren geläufig sind. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 25 Ein weiterer Aspekt, der vor allem für den im Projekt verwendeten Regionen-Ansatz bedeutend ist, sind die kaum feststellbaren Unter- schiede zwischen den im Westen befragten Akteuren und denen aus dem Osten. Hinsichtlich ihrer Einschätzungen bezüglich der Konsu- ment/innen sowie deren Anreizen und Barrieren nachhaltig zu Han- deln, ergaben sich keine wesentlichen Unterschiede. Lediglich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Gesetzeslage in den zwei betrachteten Regionen ein wenig unterschiedlich ist, so gilt in Baden- Württemberg neben dem bundesweiten EEWärmeG das in seinen Vorschriften schärfere EWärmeG, welches ab 2010 auch den Gebäu- debestand mit einbezieht. Aus diesem Grund wird in der nachfol- genden Auswertung auf eine Unterscheidung der Ergebnisse nach Ost und West verzichtet. Ergaben sich dennoch relevante Unter- scheidungsaspekte zwischen Ost und West so werden diese inner- halb der Auswertung explizit erwähnt. 4.1 Institutionelle Energieberatung 4.1.1 Rollenverhalten Akteursprofil Aufgrund der gleichgerichteten Zielsetzung wurden die institutionell angebotenen Energieberatungen: Energieberatung der Verbraucher- zentralen und lokale, regionale Energieberatungszentren zusammen- gefasst untersucht und die wesentlichen Unterschiede zum Sonder- fall der Energieberatung der Energieversorgungsunternehmen nach- folgend extrahiert hervorgehoben. Ziel der hier betrachteten instituti- onellen Energieberatungsarten ist die Unterstützung der Verbrau- cher/innen bei Investitionsentscheidungen oder Verhaltensänderun- gen zur Förderung der Energieeinsparung und des Einsatzes erneu- erbarer Energien. In beiden Fällen wird die Beratung stationär ange- boten. Die Beratungen an sich werden durch qualifizierte Energiebe- 26 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse rater/innen verschiedenster Fachrichtungen (Architekt/innen, Bau- physiker/innen und Ingenieur/innen der Fachrichtungen Bauingeni- eurwesen, Heizungs-, Versorgungs- oder Energietechnik mit nach- gewiesener Berufspraxis) auf Honorarbasis durchgeführt. Zu erwäh- nen sei hier noch, dass eine Vergütung durch die Kundinnen und Kunden meist nicht erfolgt, die Angebote also kostenfrei sind. Ledig- lich die Verbraucherzentralen erheben ein geringes Entgelt. 4.1.1.1 Energieberatung der Verbraucherzentralen Die stationäre Energieberatung der Verbraucherzentralen wird seit 1978 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert. Im Rahmen des Projekts werden private Verbrau- cher/innen zu wirtschaftlich und ökologisch sinnvollen Maßnahmen der Energieeinsparung beraten. Das Projekt unterstützt damit aus- drücklich die Klimaschutzziele der Bundesregierung. Die Beratung ist anbieterunabhängig und wurde bis Ende 2005 für die Ratsuchen- den kostenlos angeboten. Danach wurde ein eher symbolisches Ent- gelt in Höhe von 5 Euro eingeführt. Ergänzend zur stationären Bera- tung wird seit 2004 das „Fallmanagement vor Ort“ angeboten, in dem Energieberater/innen bei Bedarf nach einer stationären Beratung zu- sätzlich eine (kostenpflichtige) Beratung im Gebäude des Ratsuchen- den vornehmen können, um Detailprobleme zu klären. 4.1.1.2 Energieberatung des Energieberatungszent- rums Neben der Energieberatung der Verbraucherzentralen gibt es weitere institutionelle Einrichtungen, die Energieberatung als Dienstleistung anbieten. In unserem Fall wurde neben den Verbraucherzentralen in Stuttgart und Leipzig, ein Energieberatungszentrum im Großraum Stuttgart in die Befragung aufgenommen. Der wesentliche Unter- schied zur Energieberatung der Verbraucherzentralen ist hier das kostenlose Angebot und die Finanzierungsstruktur. Das Energiebera- K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 27 tungszentrum finanziert sich als eingetragener Verein hauptsächlich über Mitgliederbeiträge und Spenden. Die Unabhängigkeit der Bera- tung ist auch hier selbstverpflichtend. Diese Unabhängigkeit führt in beiden Fällen zu der Prämisse, dass keine Empfehlungen für andere Mesoakteure gegeben werden dürfen und somit auch der Spielraum für etwaige Kooperationen und Netz- werkaktivitäten stark eingeengt wird. Lediglich das Energiebera- tungszentrum gibt pauschale wertfreie Mitgliederlisten an Ratsu- chende weiter. 4.1.2 Einschätzung des Konsumenten 4.1.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt Hinsichtlich der Kundenprofile ist generell zwischen Hausbesit- zer/innen und Mieter/innen zu unterscheiden. Es konnte festgestellt werden, dass Mieter/innen aufgrund von Neuerungen in der Bera- tungsstruktur der Verbraucherzentralen seltener eine Energiebera- tung nachfragen. Grund hierfür kann zum einen die Auslagerung von Themen wie Heizkostenabrechnungen in den Bereich der juristi- schen Beratung sein. Dies führt dazu, dass Mieter/innen, die sich zu Heizkosten beraten lassen wollen, meist an die juristische Beratung verwiesen werden. Zum anderen können auch die eingeschränkten Möglichkeiten für Mieter/innen Energie durch Suffizienz- und Effizi- enzmaßnahmen einzusparen zu einem geringeren Anteil an Mie- ter/innen als Kundinnen und Kunden führen. Aus einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) zur Evaluation der stationären Energieberatung der Verbraucherzentra- len ist jedoch zu entnehmen, dass der Anteil der Mieter/innen in den neuen Bundesländern höher ist als in den Alten. Dennoch kommt der Großteil der Ratsuchenden aus dem Bereich der Hausbesitzer/innen oder Häuslebauern. Hinsichtlich soziodemogra- phischer Aspekte ließ sich hier feststellen, dass Hauseigentü- 28 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse mer/innen, also Besitzer/innen von bereits bestehenden Gebäuden häufig mittleren bis älteren Bevölkerungsgruppen angehören, bei denen die Kinder teils bereits aus dem Haus sind. Hingegen über- wiegen bei den Häuslebauern die jungen Familien. Beide Haupt- gruppen der Eigenheimbesitzer/innen kommen aus den besser ver- dienenden Schichten, dies wird auch durch die Ergebnisse der bereits erwähnten IFEU-Studie bestätigt. Aufgrund der Reichweite der einzelnen Beratungsstellen, die meist eine bestimmte Region, hier Stuttgart-Stadt und Leipzig-Stadt abde- cken, kommen auch die Kundinnen und Kunden hauptsächlich aus diesen Regionen. Die Geschlechterverteilung bei den Ratsuchenden ist laut der befragten Berater/innen recht gleich verteilt. Es ließen sich hier also keine Besonderheiten in Bezug auf Genderaspekte feststel- len. Der Kontakt zu den Kundinnen und Kunden geht hauptsächlich von diesen selbst aus, die telefonisch oder über das Internet nach einem konkreten Beratungstermin fragen. Hinsichtlich der Öffentlichkeits- arbeit dienen Annoncen/Plakatwerbung sowie die Präsenz auf Ver- brauchermessen und im Internet zur Ansprache von Kundinnen und Kunden bzw. zur Information über das Beratungsangebot. 4.1.2.2 Beratungsinhalte/Nachfrage Da der Kontakt hauptsächlich durch die Kundinnen und Kunden selbst zustande kommt, konnte bei der Nachfrage nach Beratungsin- halten festgestellt werden, dass hier meistens Beratung zu einem konkreten Vorhaben nachgefragt wird. Im Bereich der Eigenheimbe- sitzer/innen beziehen sich diese nachfragten Maßnahmenvorschläge entweder auf Sanierungsvorhaben, wie Verbesserung der Wärme- dämmung oder Erneuerung der Heiztechnik. Für Mieter/innen ist nach Aussage der Berater/innen die Motivation für die Inanspruch- nahme einer Beratung meistens durch Energiekosten bedingt, d. h. Beratungsinhalte beziehen sich auf hier vor allem auf Einsparpoten- ziale und entsprechende Verhaltensanpassungen. Demnach konnten K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 29 ähnliche Ergebnisse der IFEU-Studie durch unsere Ansprechpart- ner/innen bei den institutionellen Energieberatungen bestätigt wer- den. Deutlich wurde in der Befragung des IFEU-Instituts noch das Ranking der Themen, wobei die Beratung zur Erneuerung der Heiz- technik (45% der Antworten) vor einer nachträglichen Wärmedäm- mung (33% der Antworten) nachgefragt wurde. Diese „Bevorzu- gung“ des Themas Heiztechnik lässt sich gut anhand der Ergebnisse unserer Befragung zu vorhandener Wissensbasis und Vorinformation der Kundinnen und Kunden sowie der eigentlichen Motivation zum Handeln erklären, welche in den nachfolgenden Abschnitten näher erläutert werden. 4.1.2.3 Informationsstand und Einfluss der Bera- tung Die Einschätzung zum Informationsstand der Kundinnen und Kun- den fiel den befragten Vertretern der Energieberatungsinstitutionen eher schwer, zum einen aufgrund der Vielzahl unterschiedlichster Kundenprofile zum anderen aufgrund sehr unterschiedlicher Infor- mationsgrade, die nicht unbedingt abhängig vom jeweiligen Kun- denprofil waren. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass sich die Kundinnen und Kunden grob unterscheiden lassen in bereits Vorin- formierte und kaum bis wenig Informierte. Hinsichtlich der Vorin- formierten ist jedoch zu bemerken, dass die jeweiligen Vorinforma- tionen nicht immer passend für das jeweilige Vorhaben der/des Kon- sumenten/in bzw. qualitativ nicht gut sind. In diesem Zusammen- hang wurde von den Berater/innen konstatiert, dass insbesondere der Bezug zum Objekt, d. h. zum Gebäude fehlt. Gerade technisch gut Vorinformierte sind sich dieses Zusammenhangs häufig nicht be- wusst. Zudem sind die frei verfügbaren Informationen auf dem Markt sehr vielschichtig und hinsichtlich der verfügbaren Masse an Informationen immens. Kundinnen und Kunden stehen deshalb häu- fig vor dem Problem diese Flut an Informationen zu verarbeiten. Dies sei auch ein Grund, dass ein Teil der Konsument/innen eine Beratung 30 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse in Anspruch nimmt. Auch die Unabhängigkeit der angebotenen Bera- tung wurde als ein wichtiger Faktor für die Kundinnen und Kunden genannt. Häufig haben Kundinnen und Kunden bereits Informatio- nen aus dem Internet oder von Handwerker/innen erhalten und die befragten Berater/innen merkten dahingehend an, dass sich die Kon- sument/innen nicht immer sicher sind ob diese Angebote für ihren spezifischen Fall auch die besten sind, meist vor allem aus finanz- technischer Sicht. Hier zeichnet sich auch ein Hauptpluspunkt für den Einfluss der institutionellen, unabhängigen Energieberatung auf den Informationsstand der Konsument/innen aus. Den Konsu- ment/innen werden Informationen geboten, die es ihnen ermögli- chen, die für sie und ihr Gebäude beste Alternative zu wählen und dies völlig unabhängig von Handwerkerangeboten, welche meist nicht herstellerunabhängig und eigennutzbedingt sind. 4.1.3 Anreize und Barrieren 4.1.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barri- eren Neben dieser Informationsleistung für die Konsument/innen als An- reiz zur Umsetzung von Maßnahmen nachhaltigen Wärmekonsums und des Aufzeigens entsprechender herstellerunabhängiger Mög- lichkeiten gibt es eine Reihe weiterer Anreize und Barrieren für die Konsument/innen im Sinne nachhaltiger Konsummuster zu handeln. Wie bereits einleitend erwähnt, lässt sich hinsichtlich der Anreize und Barrieren eine Struktur bezüglich verschiedener Unterformen (finanztechnisch, informatorisch, motivatorisch und rechtlich) identi- fizieren. Die Interviews mit den Vertretern der Verbraucherzentralen K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 31 Stuttgart und Leipzig sowie des Energieberatungszentrums wurden angepasst an diese Struktur ausgewertet. Tabelle 4-1 verdeutlicht die Ergebnisse in Bezug auf die Einschätzung der Energieberatungsinsti- tutionen bezüglich der konsumentenspezifischen Anreize und Barrie- ren. Zusammenfassend lässt sich hier feststellen, dass finanztechni- sche und informatorische Anreize und vor allem entsprechende Bar- rieren bei den Konsument/innen überwiegen. Als besonders gravie- rend wurden von den Energieberater/innen finanzielle Restriktionen hervorgehoben, die zwar über Förderangebote gelöst werden könn- ten, hier jedoch die Problematik fehlender Konstanz und Einfachheit im aktuellen Fördersystem in Deutschland zum Tragen kommt. Hin- zu kommen mögliche Doppelförderungen aufgrund von Förderun- gen auf verschiedenen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen, Privat- wirtschaft). Einen möglichst aktuellen Überblick über dieses System zu haben erfordert von den Akteuren einen hohen Informationssuch- und Verarbeitungsaufwand, der die Berater/innen aus Sicht der Kon- sument/innen vor die Aufgabe stellt zusätzlich zur eigentlichen Energieberatung, Förderberatung anzubieten. Verstärkt wird diese Problematik aufgrund stetiger und gerade in letzter Zeit durchge- führter Anpassungen und Änderungen der Förderkonditionen. Als ein weiteres Hauptproblem wurde in diesem Zusammenhang auch hier die generelle Informationsüberflutung auf dem Markt ge- nannt. Hierunter sind vor allem Informationen und Informationska- näle zu nennen, die für die Konsument/innen (kosten-)frei zugänglich sind (Internet, Tages-, Wochenzeitungen, Verbrauchermessen). Bemängelt wurde vor allem die Qualität der bereitgestellten Informationen und bei den Kundinnen und Kunden das fehlende Wissen zum Zusammenhang von Gebäude und Tech- nik. Neben diesen fehlenden oder fehlerhaften Informationen spielen auch die Einstellungen der Konsument/innen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung von Maßnahmen. So wurden hinsichtlich der Motive für die Umsetzung hauptsächlich Kostenaspekte genannt, d. h. Energie- und Kosteneinsparungen. Demnach fragen Kundinnen und Kunden häufig nach kosteneffizienten und wirtschaftlichen Maßnahmen. Eventuelle Nachhaltigkeitsgewinne der Maßnahmen im 32 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse ökologischen oder sozialen Sinne werden daher meist nur als schöner Nebeneffekt gesehen. Zudem scheint in Bezug auf das Thema „Wär- mekonsum“ ein eher geringes Bewusstsein für nachhaltiges Handeln bei den Konsument/innen zu existieren. Bedingt wird dieses geringe Bewusstsein auch durch eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Thema, häufig sind Bau- oder auch Modernisierung-/ Sanie- rungsvorhaben an sich schon mit einem hohen Komplexitätsniveau verbunden, welches durch die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsan- forderungen nur erhöht werden würde. Abhilfe bieten hier mit Si- cherheit aktuelle gesetzliche Regelungen, die eine erzwungene Ein- haltung bestimmter Standards gewährleisten. Zudem könnte eine vermehrte Öffentlichkeitsarbeit und breite Informationsstreuung das Bewusstsein in der Bevölkerung wecken und zumindest eine ver- stärkte Auseinandersetzung mit dem Thema „Nachhaltige Konsum- muster“ erreichen. Als ein weiterer wichtiger Anreiz wurden aktuelle Preisentwicklun- gen fossiler Energieträger genannt, die indirekt mit dem Wunsch nach Kosteneinsparungen verbunden sind und je nach Preisentwick- lung den Kostensparanreiz verstärken oder wie aktuell zu beobach- ten – niedrige Preise für fossile Energieträger – eher abschwächen. Verstärkt wird diese Abschwächung durch die zukünftig schwer einzuschätzende generelle wirtschaftliche Lage, bedingt durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Folge ist eine eher abwartende Haltung der Konsument/innen, welche gewiss aufgrund der langfris- tigen Energiepreisentwicklungsprognosen nur kurzfristig anhalten wird. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 33 Tabelle 4-1 Anreize und Barrieren aus Sicht institutioneller Ener- gieberatung Barrieren: Gesetzes- änderungen führen kurzfristig zu erhöhtem Beratungs- bedarf Barrieren: Nachhaltigkeitsaspekte spielen nur eine untergeordnete Rolle, wenn dann sind sie ein schöner Nebeneffekt Barrieren: Informations- überflutung Mangelnde Qualität der Informationen Häufige Herstelleranhängigkeit bei Handwerkern Fehlendes Wissen über Gesetze und Fördermöglichkeiten Ständige Änderungen von Förderprogrammen und Gesetzesneuerungen führen zur Notwendigkeit immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben Zusätzliches Förderberatungs- angebot nötig Barrieren: Momentane Ausgestaltung der Förderprogramme ist häufig zu kompliziert Doppelförderungen sind nicht effizient Aktuell niedrige Energiepreise für fossile Brennstoffe wirken negativ auf Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Technologien Knappe finanzielle Eigenmittel, Niedrige Einkommen Anreize: Neue Gesetze führen zu „erzwungener“ Handlungs- bereitschaft Gesetzliche Standards sichern bestimmtes Niveau von Nachhaltigkeit Anreize: Umweltbewusstsein kann in Bezug auf Wärmekonsum positiv wirken Kosteneinsparungen sind meist Hauptmotiv für die Umsetzung von Maßnahmen Anreize: Inanspruchnahme von Energieberatung führt zu höheren Umsetzungsraten von Maßnahmen Informationsstreuung und vermehrte Öffentlichkeitsarbeit führen zu verstärktem Bewusstsein zu Handeln Anreize: Förderprogramme können finanzielle Budgetrestriktionen lösen Steigende Energiepreise wirken positiv auf die Wirtschaftlichkeit nachhaltiger Technologien Hohe Einkommens- situationen sind förderlich für die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen rechtlichmotivatorischinformatorischfinanztechnisch Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren aus Sicht institutioneller Energieberatung 34 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 4.1.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren Hinsichtlich der akteursspezifischen Anreize und Barrieren ist für die Gruppe der institutionellen Energieberater/innen festzuhalten, dass sie aufgrund der bereits genannten Förder- und Gesetzeslage einen erhöhten Aufwand in Form von zusätzlichen und auch verstärkt nachgefragten Beratungsangeboten haben. Da aber keine wirtschaft- lichen Gewinne aus der Energieberatung erzielt werden, existieren für diese Gruppe auch keine besonderen Anreize. Vielmehr sind die Inhalte gesetzlich oder satzungsmäßig vorgegeben und folgen somit hoheitlichen Zielen. 4.1.4 Beziehungsgeflecht der Akteure Kooperationen und Netzwerke Wie beim Akteursprofil bereits erwähnt, sind die Möglichkeiten für Netzwerke und Kooperationen bei den institutionellen Energiebera- tungen meist aufgrund satzungsgemäßer und projektbedingter Vor- gaben stark eingeschränkt, d. h. die Weitergabe von Empfehlungen für Marktakteure ist hier nicht möglich. Lediglich das befragte Ener- gieberatungszentrum gibt pauschale Mitgliederlisten aus. Da meist Innungen und Verbände als Mitglieder eingetragen sind, beinhalten die ausgegebenen Listen auch sämtliche Mitglieder der Innungen und Verbände. Zudem greift das Energieberatungszentrum in Zeiten starker Nachfrage auf ein Netzwerk freier Energieberater/innen als Unterstützung zurück und steht in Kontakt zu anderen Energieagen- turen auf Landesebene. Auch die Verbraucherzentralen haben einen, jedoch eher unregelmäßigen, Austausch mit Verbraucherzentralen in anderen Bundesländern. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 35 4.2 Sonderfall Energieberatung der Stadtwerke 4.2.1 Rollenverhalten Akteursprofil Als „Stadtwerk“ bezeichnet man ein kommunales Unternehmen, das die Grundversorgung der Bevölkerung mit Strom, Wasser, Nah- und Fernwärme, Gas und oft auch die Abwasser-Entsorgung abdeckt. In Deutschland sind die Stadtwerke im Regelfall inzwischen privatwirt- schaftlich organisierte Betriebe in der Rechtsform einer AG oder GmbH. Hinsichtlich des Angebots im Wärmeenergiebereich sei zu erwähnen, dass die Fernwärme im deutschen Energiemarkt nur eine unterge- ordnete Rolle spielt. Ihr Anteil ist in den östlichen Bundesländern, wo 32 % der Haushalte mit Fernwärme versorgt werden, wesentlich hö- her als in den westlichen Bundesländern, wo nur 9 % der Haushalte an ein Fernwärmenetz angeschlossen sind. Im Rahmen des Arbeits- pakets wurden zwei Stadtwerke befragt eines in Baden-Württemberg und eines in Sachsen. Bei dem ostdeutschen Stadtwerk handelt es sich um ein kommunales Unternehmen. Es ist verantwortlich für die Bereitstellung von Strom, Gas und Fernwärme. Zudem werden Energieberatung und weitere Dienstleistungen, wie Contracting im gewerblichen Bereich angebo- ten. Im Energieberatungszentrum (Vertriebs-, energie- und abrech- nungsrelevante Beratung) werden neben kundenrelevanten Bera- tungsthemen, wie An- und Abmeldungen, Beratung zur Abrech- nung, z.B. Rechnungserläuterung, Änderung der Bankverbindung und/oder Abschlagshöhe oder auch Beratung zu und Ausleihe von Energiemessgeräten folgende Themengebiete behandelt: 36 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse  Umfangreiche Beratung zu Verträgen, Produkten und Preisen der Stadtwerke  Beratung rund ums Energiesparen  Beratung zu Förderprogrammen der Stadtwerke und anderer Institutionen Das westdeutsche Stadtwerk liefert Wasser, Erdgas, Wärme, betreibt die städtischen Bäder und bietet viele weitere Dienstleistungen wie Contracting und Facility Management an. Neben der Lieferung der Primärenergie Erdgas versorgt das Stadtwerk Wohn- und Gewerbe- anlagen direkt mit Wärme und warmem Wasser. Neben Großanlagencontracting gibt es ein standardisiertes Kleinanlagencontracting für einen wesentlichen breiteren Kunden- stamm im Privatkundensegment. Die Kundin oder der Kunde schließt einen Wärmevertrag über 15 Jahre ab, egal welche Art der Energieerzeugung er/sie wünscht, egal ob Pellets, Erdwärme, Öl, Gas. Alle Einwohner des Versorgungsgebietes können sich von speziell geschulten Energieberater/innen über einen wirtschaftlichen und umweltschonenden Einsatz von Heizenergie informieren. Dabei ist es unerheblich, ob bereits mit Erdgas oder mit einer anderen Energie geheizt wird. Die Energieberater/innen erstellen:  Analysen bestehender Kesselanlagen  Berechnung zur Wirtschaftlichkeit von Heizanlagen  Investitionskalkulationen und künftige Verbrauchskosten  Ersparnismöglichkeiten durch Förderprogramme  Im Rahmen des Altbau-Modernisierungsprogramm-BW einen EnergieSparCheck, für 200,00 Euro Zudem bieten beide befragte Stadtwerke auch eigene Förderpro- gramme im Bereich Wärme an. Der allgemeine Fokus soll in der fol- genden Auswertung der geführten Interviews auf nachhaltigen An- geboten und Energieberatung liegen. Es ist davon auszugehen, dass der klassische Interessenkonflikt, der durch das parallele Angebot von Energieberatung und Energieversorgung vorliegt. Die Energie- beratung, die hauptsächlich dem Ziel der Energieeinsparberatung dient, könnte damit hypothetisch zu Absatzeinbußen für das Haupt- geschäft dem Verkauf von Energie als Produkt führen. Demzufolge K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 37 wurde bei beiden befragten Stadtwerken eigenen Angaben nach eine Erweiterung des Angebotsspektrums in Richtung zusätzlicher Ener- giedienstleistungen, wie Beratungsleistungen oder Contracting durchgeführt. 4.2.2 Einschätzung des Konsumenten 4.2.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt Typische Kundenprofile sind bei Stadtwerken schwer auszumachen, da häufig aufgrund regionaler monopolartiger Versorgungsstruktu- ren ein sehr breit gefächerter Kundenstamm existiert. Dennoch kann man für die privaten Wärmekundinnen und -kunden feststellen, dass dies typischerweise Hausbesitzer/innen in mittleren Altersstrukturen oder Vermieter/innen, wie auch Wohnungsbaugesellschaften sind, die das Angebot Fernwärme nutzen. Auch für den Bereich der Ener- gieberatung finden sich häufiger Hausbesitzer/innen, die dieses An- gebot in Anspruch nehmen. Mieter/innen nutzen dieses Angebot nach Angaben der befragten Stadtwerksmitarbeiter dagegen seltener, ihr Hauptaugenmerk bzw. Interesse im Rahmen einer Beratung liegt bei Strom- oder Gasabrechnungen. Die befragten Vertreter der Stadtwerke vermuteten zudem, dass die Kundinnen und Kunden, die Energieberatung nachfragen, meist aus gebildeten und besser verdie- nenden Bevölkerungsschichten kommen. Es wird angenommen, dass hier die Affinität zum Thema „Nachhaltigkeit“ bzw. „nachhaltiges Handeln“ wesentlich größer ist. Hinsichtlich der Kundenansprache wird in beiden Regionen versucht aktiv zu werben. Bezüglich der angebotenen Energieberatung z. B. durch Pressemitteilungen oder entsprechende Informationsveranstal- tungen. Dennoch geht der erste Kontakt meist von den Kundinnen und Kunden selbst aus, die explizit eine Beratung nachfragen. Inso- fern lässt sich das Beratungsangebot mit dem der Verbraucherzentra- len oder Energieagenturen vergleichen. In Sachsen wird sogar aktiv 38 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse versucht, mit der ansässigen Verbraucherzentrale zu kooperieren und ein gemeinsames Angebot für Energieberatung zu erstellen. Zu- sammenfassend wird deutlich, dass großteils nur der interessierte Kunde oder die interessierte Kundin das Beratungsangebot in An- spruch nimmt. 4.2.2.2 Informationsstand und Einfluss der Bera- tung Der Informationsstand wird bei den Kundinnen und Kunden ähnlich bewertet wie durch die anderen befragten Energieberater, der Groß- teil der Kundinnen und Kunden ist wenig informiert, z. B. im Hin- blick auf neue Gesetze und Förderprogramme. Bei den wenigen Vor- informierten ist die Qualität der Informationen nicht immer die Beste und in der Beratung muss laut den Berater/innen viel Aufklärungsar- beit und Richtigstellung des Informationsstandes geleistet werden. Zudem wurde auch hier wieder die Informationsüberflutung in den Medien als Problem angesprochen, was bei den Kundinnen und Kunden häufig zu Verwirrung und Überforderung führt. In Bezug auf Energiespartipps, d. h. Maßnahmen die relativ einfach und ohne großen Aufwand umgesetzt werden können, sind ausreichend In- formationen vorhanden, gerade weil solche Informationen breit ge- streut in allen Medien zu finden sind. Bei Betrachtung des Einflusses der durch die Stadtwerke angebote- nen Energieberatung muss, unter Beachtung eines gewissen Eigenin- teresses – Verkauf von Energie, hier vor allem Fernwärme – anhand der Antworten geschlussfolgert werden, dass die geschulten Ener- gieberater/innen genau wie die anderen institutionellen Energiebera- ter/innen durchaus positiv auf das Niveau der Nachhaltigkeit des Wärmekonsums und entsprechender Maßnahmen wirken können. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 39 4.2.3 Beziehungsgeflecht der Akteure Kooperationen und Netzwerke Aus Sicht der Stadtwerke werden Handwerker/innen als Multiplika- toren angesehen und nicht nur als Konkurrenz im Sinne der Energie- beratung. Häufig wird dabei eine Stärkung der Kooperation durch Angebote von Weiterbildungen, z. B. zu neuen Gesetzen oder dem hydraulischen Abgleich o. ä. angestrebt. Des Weiteren bietet sich nach Meinung der befragten Stadtwerksvertreter eine Zusammenar- beit mit dem Handwerk bzgl. des Kleinanlagencontractings an. Wie bereits erwähnt, gibt es auch Bestrebungen der Stadtwerke in der Region Stuttgart zur Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen in Bezug auf das Angebot von Energieberatungsdienstleistungen. Hier gibt es aber durchaus Schwierigkeiten, die vor allem auf der von den Verbraucherzentralen geforderten Unabhängigkeit der Beratung beruhen. 4.3 Bauplaner/innen: Architekt/innen und Ingenieur/innen 4.3.1 Rollenverhalten Akteursprofil Aufgabenschwerpunkte bei der Bauplanung liegen, wie der Name bereits sagt, in der Planung und Konzeption von Bauvorhaben, aber auch bezüglich der Erweiterung und Sanierung von Bestandsgebäu- den. Die Bauplanung umfasst dabei nach der Honorarordnung für Architekt/innen und Ingenieur/innen (HOAI) verschiedene Phasen von der Grundlagenermittlung, über Vor-, Entwurfs-, Genehmi- gungs- und Ausführungsplanung bis zur Bauüberwachung. Teil der Ausführungsplanung ist dabei auch die Vorbereitung und die Verga- 40 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse be (meist über Ausschreibungen) von Aufgaben, die im vorher er- stellten Leistungsverzeichnis bzw. Bauvertrag beschrieben sind. Architekt/innen sind ausbildungsbedingt hauptsächlich für die bauli- che Konstruktion (Fassade, Wände, Dach, Fenster u. ä.) und Ingeni- eur/innen für die jeweilige Haustechnik (Elektro-, Heiz- und sonstige Technik) verantwortlich bzw. haben in diesen Bereichen die entspre- chenden Kompetenzen. Bei der Auswahl der Interviewpartner/innen war ein Kriterium die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in ihrer täglichen Arbeit. Ermittelt wurden die Interviewpartner/innen und deren Bezug zur Nachhaltigkeit über Internetrecherchen oder ihre Beteiligung als Pra- xispartner im Projekt. Der Grund für die Wahl eines solchen Aus- wahlkriteriums lag hauptsächlich in der Analyse und den zu erwar- tenden Ergebnissen in Bezug auf akteursspezifische Anreize und Barrieren. Es ist davon auszugehen, dass Akteure, die sich bereits intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit in ihrer täglichen Arbeit aus- einandergesetzt haben, viel eher Anreize und Barrieren für akteursseitige Aktivitäten im Sinne nachhaltiger Wärmekonsummus- ter, z. B. nachhaltige Angebote aufzeigen können. Die Gruppe der hier befragten Bauplaner/innen umfasst Archi- tekt/innen und Ingenieur/innen, die neben ihren Hauptaufgaben, die sich aus der Planung und Konzeption von Gebäuden und Technik sowie Bauüberwachung ergeben, zusätzlich Energieberatung als Dienstleistung anbieten. Dabei konnte festgestellt werden, dass diese bei den Architekt/innen zu einer deutlich vermehrten Betätigung im Bestandsgebäudebereich führte, nicht zuletzt aufgrund der stärkeren Energieeinsparpotenziale in diesem Bereich und einer entsprechen- den Nachfrage nach Beratungsangeboten. Hinsichtlich des Neubaus führen die aktuelle Gesetzeslage und Förderprogramme bereits zur Einhaltung bestimmter Hausstandards. Die wenigsten Bauherren gehen über diese Standards hinaus, da dies meist mit einem nicht unerheblichen Mehraufwand bei eher degressiv verlaufenden zusätz- lichen Energieeinsparungen in Bezug auf eine Erweiterung des Haus- standards führt. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 41 Zudem ließ sich feststellen, dass die thematischen Schwerpunkte der angebotenen Energieberatung stark von den ursprünglichen Ausbil- dungsschwerpunkten, also Architektur vs. Ingenieurswissenschaften abhängen. Demnach beraten Architekt/innen eher zu Themen wie Wärmedämmung und Ingenieur/innen eher zu Heiztechnologien. 4.3.2 Einschätzung des Konsumenten 4.3.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt Bezüglich des Kundenprofils ist zunächst anhand der Antworten der befragten Akteure festzustellen, dass es sich bei den Kundinnen und Kunden von Bauplaner/innen größtenteils um Eigenheimbesit- zer/innen oder Bauherr/innen, also zukünftigen Eigenheimbesit- zer/innen handelt, hier vorrangig von Einfamilienhäusern. Dement- sprechend sind hier wiederum typische Kundenprofile, wie bereits bei den institutionellen Energieberatungen auszumachen. Zum einen gibt es unter den Bauherr/innen meist junge Familien. Die Bestands- gebäudebesitzer/innen kommen hingegen häufiger aus mittleren bis älteren Bevölkerungsschichten. Entsprechend stammen sie aus den gut bis besser verdienenden Schichten. Kundinnen und Kunden mit Migrationshintergrund sind auch in dieser Akteursgruppe eher sel- ten zu finden. Zudem agieren die Bauplaner/innen meist regional, d. h. nur selten werden Projekte außerhalb der Region bearbeitet. Gen- der spezifisch ließ sich feststellen, dass die befragten Akteure häufig den Mann als Hauptentscheider gerade bei technischen Details wahrnehmen, jedoch der Einfluss der Frau bei Entscheidungen für die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen von nicht zu verachtender Bedeutung zu sein scheint und deshalb unter keinen Umständen unterschätzt werden sollte. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, die Frau grundsätzlich in Beratungssituationen einzubeziehen, um dieses Einflusspotenzial zu nutzen. 42 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Der überwiegende Teil des Kundenkontaktes kommt über Empfeh- lungen anderer Marktakteure zustande, zurückzuführen ist dies auf das später noch beschriebene verstärkte Handeln in Netzwerken und Engagement bei Kooperationen. Hinsichtlich der Energieberatung nutzen zudem viele der Energieberater die Eintragung auf diversen Internetplattformen, die Energieberaterlisten führen, zur Kundenak- quise. 4.3.2.2 Beratungsinhalte/Nachfrage Wie bereits verdeutlicht sind die Energieberatungsangebote meist ausbildungsabhängig. Dennoch kann man pauschal erkennen, dass Kundinnen und Kunden schwerpunktmäßig Maßnahmen zur Ener- gieeinsparung und nachhaltiger Energieerzeugung nachfragen, hie- runter fallen unter anderem Fragen zu Möglichkeiten der Wärme- dämmung sowie zur Erneuerung der Heiztechnik. Auch hier wurde von den befragten Akteuren eine leichte thematische Bevorzugung der Heiztechnik vor Wärmedämmmaßnahmen bemerkt, welches gerade für die befragten Architekt/innen und deren Energiebera- tungsangebot bedeutet, sich auch in diesem ausbildungsfernen The- menfeld Kompetenzen anzueignen bzw. Kooperationen mit beraten- den Ingenieur/innen einzugehen. Auffällig ist, dass in Beratungsfäl- len ein stärkerer Bezug zur Nachhaltigkeit entsprechender Maßnah- men gefordert wird. D. h. es besteht bei diesen Kundinnen und Kun- den ein vermehrter Anspruch auf Nachhaltigkeit der durchzufüh- renden bzw. geplanten Maßnahmen. Dieser drückt sich aus in einer entsprechenden Nachfrage nach erneuerbaren Energientechnologien und Optionen ökologisch-wirtschaftlichen Bauens. Der Anspruch an die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen wurde auch hier als allge- genwärtig erkannt. Hinzukommt die Forderung an die Baupla- ner/innen zum Angebot einer zusätzlichen Förderberatung. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 43 4.3.2.3 Informationsstand und Einfluss der Bera- tung Die Einschätzung des Informationsstandes der Kundinnen und Kun- den zeigt ähnliche Ergebnisse wie bereits für die Kundinnen und Kunden der institutionellen Energieberater/innen, d. h. auch hier wurde der Informationsgrad von den befragten Bauplaner/innen sehr unterschiedlich bewertet. Bemängelt wurde vor allem die geringen Kenntnisse bezüglich aktueller Gesetze und Förderprogramme. Zwar sind die wichtigsten Bundesprogramme, wie die Programme der KfW und das Marktanreizprogramm des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) namentlich bekannt, jedoch sind ge- naue Förderkonditionen meist unbekannt. Es gibt allerdings auch wenige Kundinnen und Kunden, die teilweise sogar einen besseren Überblick und aktuelleren Wissensstand haben als die befragten Bauplaner/innen. Des Weiteren wurde auch hier die Problematik der Informations- überflutung und Qualität der frei verfügbaren Informationen hervor- gehoben sowie die daraus resultierenden Probleme bei der Energie- beratung, denn nicht immer ist der/die vorinformierte Kunde bzw. Kundin richtig informiert und häufig tritt der Fall ein, dass diese meist bereits auf eine bestimmte Maßnahme fixiert sind und sich schwer auf den „richtigen Weg“ zurückbringen lassen. Demnach ist der Einfluss auf die Kundinnen und Kunden auch abhängig von der Qualität der Informationen, die der Kunde bzw. die Kundin bereits hat. Positiv bewertet wurden zudem die Akzeptanz der von den Ak- teuren gelieferten Informationen durch die Kundinnen und Kunden und die Existenz einer fachlichen Vertrauensbasis gegenüber den Bauplaner/innen. Neben dem Informationsstand der Kundinnen und Kunden wurde auch der Informationsstand der Akteure als Expert/innen themati- siert. Beanstandet wurde die geringe Berücksichtigung von Nachhal- tigkeitsaspekten bei der Ausbildung von Architekt/innen und Ingeni- eur/innen. Es sind hier häufig eigenständige Weiterbildungen erfor- 44 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse derlich, die einen zusätzlichen Aufwand bezüglich Kosten und gege- bener zeitlicher Restriktionen für die Bauplaner/innen darstellen. 4.3.3 Anreize und Barrieren 4.3.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barri- eren Die Interviews mit den Bauplaner/innen ergaben hinsichtlich Anrei- zen und Barrieren folgende in Tabelle 4-2 dargestellten Ergebnisse bzw. Einschätzungen in Bezug auf die Konsument/innen. Deutlich wird auch hier wiederum, dass finanztechnische und informatorische Anreize und Barrieren überwiegen. Einige Anreize und Barrieren wurden bereits bei der institutionellen Energieberatung identifiziert sowie beschrieben und sollen deshalb um Doppelungen zu vermei- den hier nicht nochmals erwähnt werden. Der Vollständigkeit halber werden sie aber dennoch in der Tabelle aufgeführt. Zu nennen sind dabei vor allem die Wirkungen von Förderprogrammen und Geset- zen, sowohl in Bezug auf Anreize als auch in Bezug auf Barrieren. Dennoch wurde hier erstmals die Problematik von Investitionen im Mehrfamilienhaussektor bzw. im Bereich vermieteter Gebäude the- matisiert. In diesem Zusammenhang wurde die Existenz des sogenannten In- vestor/Nutzer-Dilemmas genannt sowie die Ursache, auf die dieses Phänomen in Deutschland zurückgeführt werden kann. Die Mög- lichkeiten der Umwälzung von Investitionskosten auf den Nutznie- ßer der Investition, in diesem Fall die Mieter/innen, sind durch das aktuelle Mietrecht stark begrenzt. Die Möglichkeit der Kostenumlage muss in den Mietverträgen geregelt sein, wenn der/die Vermieter/in nicht Gefahr laufen will, die Kosten allein zu tragen. Eine entspre- chende vertragliche Regelung ist aber nur bei Neuverträgen möglich, eine entsprechende Anpassung bestehender Mietverträge ist nur bei K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 45 Zustimmung der Mieter/innen möglich. Auch die steuerliche Absetz- barkeit von Investitionskosten ist beschränkt. Daraus kann geschluss- folgert werden, dass es für Vermieter/innen nicht lohnenswert er- scheint Maßnahmen durchzuführen, da die Nachteile, wie Kosten der Investition, gegenüber den Vorteilen, die die Maßnahmen mit sich bringen würden, wie z. B. bessere Vermietbarkeit oder auch Instand- haltungsaspekte, weit überwiegen. Gerade wenn es sich um Vermietermärkte handelt, d.h. wenn die Anzahl Wohnungssuchen- der die Anzahl zu vermietender Wohnungen übersteigt, wird diese Barriere verstärkt. Zudem relevant sind aus Sicht der freiberuflichen Energiebera- ter/innen, die in Bezug auf konsumentenspezifische Anreize und Barrieren zu erwartenden möglichen Mainstream-Bewegungen nachhaltigen Konsums. Wie bereits heute im Lebensmittelsektor zu beobachten, könnten ähnliche Entwicklungen auch im Wärmesektor Einzug nehmen. In diesem Zusammenhang ist der Einfluss aus dem näheren Umfeld der Konsument/innen nicht zu unterschätzen. So kann auch die Solaranlage des/der Nachbar/in motivierend auf das eigene Handeln wirken. 46 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Tabelle 4-2 Anreize und Barrieren aus Sicht von Bauplaner/innen Barrieren: Ungünstige Rechtslage im Miet- und Steuerrecht Planungs- sicherheit bei Gesetzen und Förder- programmen eher nicht gegeben Barrieren: Investor/Nutzer- Dilemma im Bereich vermieteter Gebäude  fehlende wirtschaftliche Anreize bei Vermietern  Vermietermärkte umfassendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit wenig gegeben Zahlungsbereitschaft für Energieberatungs- dienstleistungen Barrieren: Informationsüberflutun g und (Zeit-) Aufwand für die Informationssuche Pauschalität und der Informationen in Internet und Presse Mediengemachte Vorurteile gegenüber erneuerbaren Energien Wenig Informationen für Mehrfamilienhaus- bereich Geringe Nachfrage nach kostenpflichtiger Beratung Zuvor erhaltene Falschberatungen geringes Wissen über Gesetze und Fördermöglichkeiten Barrieren: Momentane Ausgestaltung der Förderprogramme zu komplex komplizierte Beantragung und Nachweisführung bei Inanspruchnahme von Fördermitteln momentane Energiepreislage wirkt hemmend auf Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen Anreize: Gesetzliche Regelungen sichern bestimmten Nachhaltigkeit s-standard Anreize: Vermehrter Anspruch auf Nachhaltigkeit wirkt in Bezug auf Wärmekonsum anreizend Wirtschaftlichkeits- aspekte spielen eine bedeutende Rolle Einflüsse aus dem Umfeld Mainstream- bewegungen in Bezug auf nachhaltigen Konsum Anreize: Inanspruchnahme von Energieberatung führt zu höheren Umsetzungsraten von Maßnahmen Objektbezogene Beratung Anreize: Finanzielle Förderung führt zur Umsetzung bisher weniger rentabler Maßnahmen Steigende Energiekosten Förderprogramme senken Investitionskosten Wirtschaftliche Maßnahmen werden meist auch umgesetzt rechtlichmotivatorischinformatorischfinanztechnisch Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren aus Sicht von Bauplaner/innen K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 47 4.3.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren Ein positiver Aspekt, der hervorzuheben ist, sind die Vorteile objekt- bezogener Beratungen. Hier können Fehlinformationen bzw. ein feh- lendes Bewusstsein für den Zusammenhang von Heiztechnik und Gebäude gelöst werden. Demnach ergibt sich hier ein Haupteinfluss- feld für Vor-Ort-Beratungen. Allerdings ergeben sich daraus auch akteursbezogene Anreize und Barrieren. Ein Problem mit dem die freiberuflichen Energieberater/innen zurzeit (noch) zu kämpfen ha- ben, ist die geringe Zahlungsbereitschaft der Konsument/innen für derartige Energieberatungsdienstleistungen. Zu spüren ist dies an- hand der geringen Nachfrage. In diesem Zusammenhang wurde auch kritisiert, dass aus erfolgten Energieberatungen eher selten Auf- träge für das eigentliche Betätigungsfeld, also Bauplanung eingehen. Zudem wurde ein vorhandenes Überangebot an Energiebera- ter/innen konstatiert, welches es wiederum den Konsument/innen schwer macht, eine/n passende/n Energieberater/in zu wählen. Zu- sätzlich wurde die Problematik der nicht-standardisierten/ zertifizier- ten Qualifikation zum/zur Energieberater/in angesprochen. Dies führt dazu, dass der Fall eintreten kann, dass auch unseriöse Angebo- te auf dem Markt existieren, die zum einen den Preis drücken und zum anderen den Ruf seriöser Energieberater/innen schädigen kön- nen. Ein Vorschlag zur Lösung derartiger Probleme könnte die Auf- nahme von Energieberatungsdienstleistungen in die Honorarord- nung HOAI sein. Eine weitere nicht zu unterschätzende Barriere kann aufgrund der Anforderungen der von der BAFA geförderten Vor-Ort- Energieberatung entstehen. Die Anforderungen, die an den zu erstel- lenden Endbericht und an den Umfang der Beratungsleistung gestellt werden, werden aus Sicht der Energieberater als sehr hoch einge- schätzt und sind für den geforderten Umfang eher schlecht honoriert. Des Weiteren wird bezweifelt, dass eine solch umfangreiche Bera- tung für die Kundin oder den Kunden wirklich hilfreich ist. Denn häufig fragen Kundinnen und Kunden nach Lösungen für ein kon- 48 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse kretes Problem und bräuchten demnach nur eine Teilberatung. Des- halb tendieren einige der Energieberater/innen dazu, diese geförderte Beratung gar nicht (mehr) anzubieten. Das bereits angesprochene Problem der nötigen fachübergreifenden Kompetenzen, die bei der Energieberatung verlangt werden, kann durch Kooperationen zwischen den Fachrichtungen Architektur und Ingenieurswesen streckenweise gelöst werden. Wie derartige Koope- ration und Netzwerke aussehen und welche Vorteile sich daraus ergeben, wird im nächsten Abschnitt genauer erläutert. 4.3.4 Beziehungsgeflecht der Akteure Kooperationen und Netzwerke Um das Beziehungsgeflecht zwischen den Akteuren in Netzwerken und Kooperationen zu verdeutlichen, wurde versucht die durch die Befragung identifizierten Beziehungen der Akteure untereinander in Abbildung 4-1 graphisch darzustellen. Dabei stellen die Pfeile die Richtung der Beziehung dar. Man unterscheidet dabei, wie eingangs erwähnt, zwischen dominanten, rezessiven und gleichberechtigten Beziehungen. Die dominanten Beziehungen zeichnen sich hier da- durch aus, dass vom betrachteten Akteur ein Auftrag vergeben wird bzw. Aufgaben verteilt werden. Rezessive Beziehungen sind genau gegenläufig, d. h. der betrachtete Akteur erhält einen Auftrag von einem Netzwerkpartner. Die gleichberechtigte Beziehung ist der ei- gentliche Inbegriff der Kooperation, bei der ein gegenseitiger Aus- tausch stattfindet, der eher weniger auf der Vergabe von Aufträgen denn auf gleichberechtigter Zusammenarbeit beruht. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 49 Abbildung 4-1 Netzwerkstrukturen Architekten und Ingenieuren Wie aus Abbildung 4-1 ersichtlich, haben sowohl Ingenieur/innen als auch Architekt/innen rezessive Beziehungen zu Makler/innen oder Hausvertriebler/innen oder auch Bauträgern und Eigentümer/innen. Diese Beziehung bezieht sich hauptsächlich auf den Neubau von Häusern und die Rezessivität ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Kundenkontakt zunächst beim/bei der Makler/in oder einem Bauträger stattfindet und diese/r dann einen Auftrag für die Baupla- nung an eine/n Architekt/in und/oder Ingenieur/in vergibt. Einen gewissen Netzwerkcharakter hat diese Beziehung dennoch, da Bau- träger häufig mit denselben Architekt/innen oder Ingenieur/innen zusammenarbeiten bzw. diese weiterempfehlen. Dominante Beziehungen sind bei Ingenieur/innen und Archi- tekt/innen in Bezug auf Material- oder Technologiehersteller auszu- machen. Hier steht jedoch, neben konkreten Lieferaufträgen, die eher vom Bauträger abgewickelt werden, eine andere Beziehung im Vor- dergrund, nämlich die Informationsvermittlung über neue Produkte und Materialien. Der/die Architekt/in oder Ingenieur/in holt sich dafür entsprechende Vertreter/innen der Hersteller ins Haus und lässt sich beraten. Eine weitere dominante Beziehung besteht zum Bauhandwerk, dies lässt sich aufgrund der üblichen Ausschrei- bungsverfahren bei der Vergabe von Aufträgen erklären. Das Bau- Architekten Konsumebene Strukturebene Gebäude/Siedlungsstruktur Eigentümer/innen Ingenieure Makler/Hausvertriebler Bauträger Heizungsinstallateure MaterialherstellerBauhandwerk Ingenieure Konsumebene Strukturebene Technische Systeme Eigentümer/innen Architekten Makler/Hausvertriebler Bauträger Heizungsinstallateure TechnologieherstellerBauhandwerk 50 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse handwerk ist dabei hauptsächlich als Ausführungsbetrieb tätig. Für Ingenieur/innen besteht eine solche Beziehung auch zum Installati- onshandwerk, wohingegen für Architekt/innen hier eher eine Koope- ration besteht. Erklärt werden kann dieser Unterschied damit, dass aus finanziellen Engpässen bei der Bauplanung häufiger nur ein/e Architekt/in eingesetzt wird und auf eine/n Technikplaner/in verzich- tet wird. Aufgrund unterschiedlicher Kompetenzen ist es hier von Vorteil, wenn in einem solchen Fall der/die Architekt/in die Kompe- tenzen des ausführenden Installationsbetriebes für die Optimierung der Haustechnik nutzt. Zum anderen werden Kooperationen zwi- schen SHK-Handwerker/innen und Ingenieur/innen gerade aus Sicht der Handwerker/innen (siehe auch nachfolgende Handwerksauswer- tung) als schwierig bewertet. Die aber wohl bedeutendste Kooperation lässt sich zwischen Archi- tekt/innen und Ingenieur/innen selbst feststellen. Nicht nur bei der Bauplanung ist die Zusammenarbeit aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzen meist unerlässlich, auch für die Beratung wird der Austausch von Fachwissen genutzt. Nicht selten wird bei fachfrem- den Anfragen ein Kooperationspartner der anderen Fachrichtung zu Rate gezogen. Generell lässt sich für die betrachteten Bauplaner/innen feststellen, dass Kooperationen und fachübergreifende Zusammenarbeit beste- hen und Empfehlungen für andere Akteure durchaus üblich sind. Im Rahmen eines (Bau-)Projektes liegen jedoch meist vorgegebene Be- ziehungen für die Auftragvergabe, z. B. Ausschreibungsverfahren für ausführende Gewerke, vor. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 51 4.4 Handwerk – SHK und Schornstein- feger/innen 4.4.1 Rollenverhalten Die Einbeziehung des Handwerks als wichtiger Akteur bezüglich nachhaltigen Wärmekonsums lässt sich anhand verschiedener Ar- gumente begründen. Zum einen hat das Handwerk den Vorteil des direkten und in einigen Fällen regelmäßigen Kundenkontaktes, zum anderen sind Maßnahmen auf diesem direkten Wege meist schnell und effizient umsetzbar. Weiterhin wird von der Annahme Abstand genommen, dass das Handwerk lediglich auf veränderte Nachfrage, z. B. beeinflusst durch politische Eingriffe, wie Gesetzesänderungen oder Förderprogramme, reagiert und selbst wenig Innovationsbereit- schaft an den Tag legt. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass Handwerker/innen sehr wohl aktiv Einfluss auf die Entwicklung nachhaltiger Wärmeversorgung und -konsummuster nehmen kön- nen. „Aufgrund seiner Marktnähe kann das Handwerk sowohl bei seinen Kunden als auch auf Lieferantenseite durch Information und Wer- bung Einfluss auf die Entwicklung umweltgerechter Konsum- und Produktionsmuster nehmen. Mit ihrem Angebot nehmen gerade SHK-Handwerker oder die Bau-/Ausbauhandwerke bei der Gebäu- desanierung entscheidenden Einfluss auf die einzubauende Technik und die einzusetzenden Materialien.“ Auf Grundlage dieser Multiplikatorfunktion des Handwerks werden im Folgenden die verschiedenen Möglichkeiten für das Handwerk erläutert, aktiv in Bezug auf nachhaltigen Wärmekonsum tätig zu werden. Zu nennen sind dabei vor allem Aktivitäten in den Berei- chen: 52 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse  Bestandssanierung  Neubau  Energiedienstleistungen Für diese drei Gebiete ergeben sich für Handwerker/innen wiederum verschiedenste Umsetzungsschwerpunkte. Für Sanierungen im Be- stand bieten sich zum einen Aufgabenschwerpunkte hinsichtlich der Gebäudehülle, d. h. verbesserte Dämmung, neue Fenster und Türen und/oder zum anderen der Haustechnik, d. h. energieeffiziente Hei- zungen, Solarthermie, Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen, generell alternative Brennstoffe usw. an. Zusätzlich kann für die stärkere Um- setzung solcher Maßnahmen im Bestand Energieberatung als zusätz- liche Dienstleistung angeboten werden. Hierfür kann bei den Hand- werkskammern eine Zusatzqualifikation zum/zur Gebäudeenergie- berater/in im Handwerk erworben werden. Im Bereich des Neubaus spielen vor allem die Umsetzung nachhalti- ger Hausstandards, wie Niedrigenergie-, Passiv- oder Nullenergie- haus, sowie die Verwendung alternativer Materialien und nachwach- sender Rohstoffe eine bedeutende Rolle, um den Energieverbrauch zu minimieren. Für die letzte Handlungskategorie, den Bereich der Energiedienstleistungen, wären Contractingangebote eine Möglich- keit für Handwerker/innen tätig zu werden. Laut Fehrenbach (1999) lassen sich die Handlungsfelder des Handwerks wie in nachfolgen- der Tabelle 4-3 zusammenfassen. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 53 Tabelle 4-3 Handlungsfelder des Handwerks im Klimaschutz nach Fehrenbach (1999) Bei der Auswahl der zu befragenden Handwerker/innen entstanden im Vorfeld Diskussionen aufgrund der Relevanz der verschiedenen Gewerke, die in Bezug auf Wärmeenergie und nachhaltigen Wärme- konsum tätig sind. Die wichtigsten Gruppen sind dabei das Bau-, Elektro- und SHK-Handwerk sowie Schornsteinfeger/innen. In die Befragung aufgenommen wurden hier jedoch nur SHK-Handwerk und Schornsteinfeger/innen. Zu begründen ist diese Auswahl auf- grund der bisher zu beobachtenden Aktivitäten dieser Gewerke in Bezug auf Nachhaltigkeit im Wärmesektor sowie deren Potenzial hinsichtlich ihres Einflusses in diesem Bereich. Denn auch hier galt als Auswahlkriterium die Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltig- keit in der täglichen Arbeit. Wie bereits bei den Architekt/innen und Ingenieur/innen, wurde dieses Kriterium anhand von Internetrecher- chen und der Einbeziehung der Praxispartner geprüft. Zunächst werden nachfolgend die Akteursprofile beider ausgewählter Hand- werkstypen vorgestellt. 54 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 4.4.1.1 SHK-Handwerker/innen Akteursprofil Die genaue Ausbildungsbezeichnung für dieses Gewerk lautet seit 2003 Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatech- nik. Der/die Anlagenmechaniker/in für SHK ist in der Lage, Sanitär-, Heizungs- und Klimasysteme nach Plan zu erstellen, die Anlagen zu warten und zu reparieren, womit auch seine/ihre Hauptaufgabenfel- der abgedeckt wären. Eine Vereinbarung, die der Zentralverband des SHK-Handwerks (ZVSHK) und die Spitzenorganisation der Elektro- handwerke (ZVEH) im Jahre 2002 unterschrieben haben, ermöglicht Sanitär- und Heizungsbetrieben künftig Elektroarbeiten auszuführen, wichtig z. B. bei der Installation von Photovoltaik- oder Wärmepum- penanlagen. Voraussetzung ist eine Teileintragung nach § 7a der Handwerksordnung für das Elektrotechniker-Handwerk. Eine solche Eintragung wird nach Absolvieren eines entsprechenden bundesein- heitlichen 240-Stunden-Weiterbildungslehrgangs mit Sachkunde- nachweis möglich. Umgekehrt dürfen Elektriker/innen auch im Sani- tär- und Heizungsbereich aktiv werden. 4.4.1.2 Schornsteinfeger/innen Akteursprofil Die Hauptaufgabe eines/einer Schornsteinfegers/in ist die Reinigung und Überprüfung von Schornsteinen und Abgasanlagen, sowie die Überprüfung von Feuerstätten wie z. B. Heizungen und Durchlauf- wasserheizern. Damit ein sicherer Abzug der Abgase gewährleistet bleibt, werden Schornsteine von Schornsteinfeger/innen überprüft und gereinigt, insbesondere bei Feuerung mit festen Brennstoffen kann somit ein Schornsteinbrand verhindert werden. Der/die Schorn- steinfeger/in überprüft zudem den CO-Gehalt im Abgas von Gasfeu- erstätten, das schon in geringer Konzentration lebensgefährlich für die Hausbewohner werden kann. Darüber hinaus misst er/sie auch den Abgasverlust einer Heizungsanlage. Bei der Feuerstättenprüfung werden die einzelnen Feuerstätten einer visuellen Kontrolle, hinsicht- lich der Zulässigkeit des Aufstellortes, des Brennstoffs, der Abstände zu brennbaren Bauteilen, Decken, Wänden, Türen und Ähnlichem K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 55 unterzogen. In Deutschland hat bislang das so genannte Kehrmono- pol gegolten, welches festlegt, dass Hausbesitzer/innen die gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten nur durch den/die jeweilige/n Bezirksschornsteinfegermeister/in durchführen lassen dürfen. Die Zuteilung der Bezirke erfolgte bisher nicht in einem Ausschreibungs- verfahren sondern anhand der Eintragung in eine Bewerberliste aus der die zuständige Behörde je nach Reihenfolge der Eintragung die zuständigen Schornsteinfeger/innen auswählte. Die Zuteilung eines Kehrbezirks ist bislang nicht befristet, das Recht erlischt bei Erreichen der Altersgrenze, bei der freiwilligen Aufgabe des Bezirksschorn- steinfegers oder in seltenen Fällen durch Anordnung der Behörde, wenn offensichtliches Fehlverhalten nachgewiesen wurde. Im Endef- fekt bedeutete diese Monopolstellung innerhalb der Kehrbezirke, dass der Marktzutritt in extremer Form eingeschränkt ist und vor allem der/die Verbraucher/in keine Wahlmöglichkeit besitzt. Die Interessenvertretung der Schornsteinfeger/innen begründet diese historisch gewachsene Struktur vor allem mit Qualitäts- und Sicher- heitsstandards, die bei einer anderen Organisationsform unter Druck geraten würden. Die Europäische Kommission teilt diese Auffassung jedoch nicht und sah in der Regel eine Verletzung des europäischen Rechts. 4.4.1.3 Neuregelung Schornsteinfegergesetz (SchfG) Im März 2008 reagierte die deutsche Bundesregierung auf diese Ver- letzung europäischen Rechts mit der Neuerung des Schornsteinfegergesetzes und damit einer Lockerung des Kehrmono- pols. Haus- und Wohnungseigentümer/innen haben nach einer Übergangsfrist die Wahl, welche/n Schornsteinfeger/in sie mit der Durchführung der vorgeschriebenen Überprüfungs-, Kehr- und Messarbeiten beauftragen. Allerdings bleiben die 1935 eingeführten Kehrbezirke und die Ernennung von Bezirksschornsteinfeger/innen erhalten. Sie werden über ein objektives, transparentes und diskrimi- 56 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse nierungsfreies Ausschreibungsverfahren jeweils befristet für sieben Jahre an eine/n Bezirksbevollmächtigte/n vergeben. An der Aus- schreibung können gestützt auf der EU/EWR-Handwerk-Verordnung auch Bewerber/innen aus anderen europäischen Ländern teilnehmen. Zudem können Schornsteinfegerarbeiten, die keine Kontrollaufgaben beinhalten, im Wettbewerb innerhalb des Schornsteinfegerhandwerks angeboten werden. Voraussetzung ist die nach der Handwerksordnung vorgeschriebene handwerksrechtli- che Qualifikation. Das bisher im alten Schornsteinfegergesetz enthal- tene Nebentätigkeitsverbot wird damit aufgehoben. Unternehmen des Schornsteinfegerhandwerks ist es demnach ab 2012 möglich, auch Tätigkeiten anzubieten, die nicht zu dem klassischen Schornsteinfegeraufgaben gehören. In diesem Zusammenhang äußer- te der ZVSHK Kritik. Es wurde der Vorwurf erhoben, dass mit dieser Neuregelung ein verzerrender Eingriff in den freien Wettbewerb, aufgrund der nach Ansicht des ZVSHK unzulässigen Vermischung zwischen Kontroll- und Handwerksaufgaben, stattfindet, der den Schornsteinfeger/innen einen deutlichen Vorteil bei der Akquise von Handwerksaufgaben verschaffen würde. Das Gesetz beinhaltet des Weiteren explizite Verweise auf die Übernahme von Nebentätigkei- ten im Bereich der Gebäudeenergieberatung. 4.4.2 Einschätzung des Konsumenten 4.4.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt Zunächst sei hier angemerkt, dass bezüglich spezifischer Kundenpro- file der Schornsteinfeger/innen wenig Aussagen getroffen werden können, da aufgrund der festgelegten Kehrbezirke, alle dort ansässi- gen Bewohner bzw. Hausbesitzer/innen zum Kundenstamm des/der jeweiligen Schornsteinfeger/in zählen. Es kann hier demnach nur festgestellt werden, dass es sich im überwiegenden Teil der Fälle Hausbesitzer/innen handelt. Grund hierfür ist der einfache Fakt, dass Mieter/innen nur selten Besitzer/innen der zu kontrollierenden Anla- K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 57 gentechnik sind. Allerdings lässt auch der übliche Kundenstamm der SHK-Handwerker/innen für den Bereich Wärme Mieter/innen mis- sen. Dies mag sicherlich auch hier an ähnlichen Gründen wie bei den Schornsteinfeger/innen liegen – Mieter/innen sind meist nicht Eigen- tümer/innen der Anlagentechnik und deshalb auch nicht berechtigt, etwas an ihr zu verändern. Für den Bereich der Hausbesitzer/innen zeigen sich anhand der Antworten der befragten Handwerker ähnli- che Profile wie bereits bei den Bauplaner/innen. Ein wesentlicher Teil der Kundinnen und Kunden kommt aus dem Bestandsgebäudebe- reich. Auch hier finden sich typischerweise junge Familien, die bauen wollen oder ältere, die noch einmal in ihr Haus investieren, um es in Stand zu halten bzw. um es den Erb/innen in einem „ordentlichen Zustand“ zu hinterlassen. Zudem gehen die hier befragten Hand- werker/innen davon aus, dass es sich um besser verdienende Mittel- ständler handelt. Kundinnen und Kunden mit Migrationshinter- grund sind auch hier eher selten. Da ein Großteil der Kundinnen und Kunden auf Empfehlung kommt, kann dabei ein Bekanntenkreis mit einem hohen Ausländeranteil auch zu einem höheren Anteil auslän- discher Kundinnen und Kunden führen. Die Reichweite der Hand- werksleistungen ist meist regional begrenzt, dies ist vor allem auf- grund des sonst höheren Aufwands durch Fahrtkosten und längere Anfahrtszeiten begründet. Der erste Kontakt von Seiten der Kundinnen und Kunden läuft sehr häufig, gerade bei Fragen zur Technik, über den männlichen Haus- haltsvorstand. Dennoch ist es ein nicht seltener Fall, das bei Vor-Ort- Terminen die Frau als Ansprechpartnerin fungiert. Auch wurde an- gemerkt, dass die Frau bei Entscheidungen eine wichtige Rolle spielt, grundsätzlich bleibt aber anscheinend bei den technischen Details der Mann der Hauptentscheider. Neben dem üblichen Kundenkontakt über Empfehlungen, dienen Internetauftritte sowie die Präsenz auf Messen als Instrumente der Kundenansprache. Hinsichtlich zusätz- lich angebotener Gebäudeenergieberatung können Vor-Ort-Termine, wie bei Schornsteinfeger/innen der Prüftermin oder bei Handwer- ker/innen etwaige Wartungstermine genutzt werden, um auf dieses Angebot hinzuweisen. 58 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse „Bei Wartungen oder konkreten Beratungsgesprächen können Handwerker den Nachfragern von Wärme- und/oder Stromerzeu- gungsanlagen bestimmte Anlagen bzw. Versorgungskonzepte emp- fehlen.“ In vielen der von den befragten Handwerker/innen beschriebenen Fälle stellen Kundinnen und Kunden generell weiterführende Fragen zu Heiztechnik oder auch Möglichkeiten der Energie- und Kostenein- sparung. Durch einen Verweis auf das Energieberatungsangebot, könnten diese Fragen anknüpfend in einer Beratung geklärt werden. In wieweit dieses Angebot auch tatsächlich genutzt wird, ist noch offen bzw. dazu konnte von den Akteuren keine klaren Aussagen gemacht werden, da diese zusätzliche Dienstleistung der Schorn- steinfeger/innen erst seit kurzem angeboten wird und sich erst zeigen muss, wie die Kundinnen und Kunden dies annehmen. 4.4.2.2 Nachfrage und Informationsstand der Kon- sument/innen Bezüglich der Nachfrage nach Handwerksleistungen bzw. dem anfal- lenden Beratungsbedarf der Konsument/innen zeigt sich, dass die Kundinnen und Kunden der hier befragten Akteure verstärkt alterna- tive Energien nachfragen. Die entsprechende Technik sollte jedoch in den meisten Fällen möglichst wirtschaftlich, effizient und leicht ver- ständlich sein. Beliebt sind auch Kombilösungen, z. B. mit Solar. Zu- dem konnte auch aus Sicht der befragten Handwerker/innen ein zu- nehmender Bedarf an Fördermittelberatung identifiziert werden. Gerade ältere Kundinnen und Kunden sind einer Beratung gegen- über meist offener eingestellt. Wohingegen junge Kundinnen und Kunden vermehrt das Internet und frei zugängliche Medien zur In- formationssuche nutzen. Insgesamt ließ sich hinsichtlich des Informa- tionsstandes feststellen, dass der Großteil der Kundinnen und Kun- den sich bereits informiert hat, bevor sie eine/n Handwerker/in zu Rate ziehen. Viele der Vorinformationen kommen dabei vor allem bei K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 59 Neubauprojekten von Architekt/innen oder anderen Baupla- ner/innen. Auch die Handwerker/innen in unserer Befragung sehen die Qualität der Informationen, die in einschlägigen Medien zu finden sind, als problematisch an. Häufig fehlt bei technisch gut informierten Kun- dinnen und Kunden, der schon vormals angesprochene Bezug zum Gebäude, dieser wird bei Informationen im Internet oder in Prospek- ten von Technologieherstellern oft vernachlässigt. Der Einfluss von Handwerker/innen auf den Informationsstand der Konsument/innen kann schwerpunktmäßig vor allem durch Aufklä- rung und Erläuterung der verschiedenen Heiztechniken oder auch Möglichkeiten der Heizungsregelung gesehen werden. Die zusätzli- che Qualifikation zum/zur Gebäudeenergieberater/in im Handwerk ermöglicht es den Akteuren zudem neben der Beratung zu techni- schen Fragen auch Themen der Gebäudedämmung zumindest ober- flächlich anzusprechen. Ein Thema welches in Bezug auf die Gebäudeenergieberater/innen im Handwerk immer wieder kritisch angemerkt wurde, ist die häufig vorhandene Abhängigkeit von Herstellerunternehmen, wobei Handwerker oft als Vertriebspartner auftreten. Hier wird unterstellt, dass in einem solchen Fall keine wirklich unabhängige Beratung an- geboten werden kann bzw. Handwerker/innen auch ein gewisses Eigennutzverhalten an den Tag legen, um die Auftragslage im Kern- geschäft zu verbessern. Bei Schornsteinfeger/innen verhält es sich mit dieser Kritik bisher aufgrund der Hauptaufgaben im Kontrollbereich noch anders. Mit Wegfall des Nebenerwerbsverbotes müssen aber auch sie sich dieser Kritik stellen, wenn sie nebenbei weitere Hand- werksleistungen, wie Wartungen und eigene Installationen anbieten würden. Aufgrund dieser unterstellten Herstellerabhängigkeit und des Eigennutzverhaltens ist es laufenden Handwerksbetrieben auch nicht möglich, die geförderte Vor-Ort-Energieberatung des BAFA anzubieten. 60 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 4.4.3 Anreize und Barrieren 4.4.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barri- eren Wie bereits bei den Bauplaner/innen werden nachfolgend lediglich die wesentlichen Neuerungen im Vergleich zu den bereits genannten Anreizen und Barrieren für die Konsument/innen hervorgehoben. Zunächst ließ sich wieder feststellen, dass die finanziellen Anreize und Barrieren deutlich überwiegen bzw. als am gravierendsten ein- geschätzt wurden. Neue Aspekte sind zum einen die Problematik der Ressourcenabhängigkeit und die Versorgungssicherheit fossiler Energieträger, die häufig in Verbindung mit der Energiepreisent- wicklung genannt wurden. Im Zusammenhang mit den höheren Investitionskosten für erneuerbare Energien wurde zum anderen konstatiert, dass sich derartige Anlagen häufig nicht wirtschaftlich rechnen lassen. Diese Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind wiede- rum abhängig von der Brennstoffpreisentwicklung, d. h. steigen die Preise für fossile Brennstoffe bei gleichbleibenden Preisen erneuerba- rer Energieträger, werden die entsprechenden erneuerbaren Energientechnologien wirtschaftlicher. Auch Fördermittel können zur Wirtschaftlichkeit beitragen, allerdings wurde von den befragten Handwerker/innen bemängelt, dass Technologieförderungen meist den Bezug zum Gebäude vernachlässigen. Positiv wurde angemerkt, dass es aufgrund zunehmender Förderung im Mehrfamilienhausbe- reich zu höheren Umsetzungsraten von geplanten Maßnahmen in diesem Bereich kommt. In Bezug zu den informatorischen Anreizen und Barrieren wurde erstmals Bezug auf die Möglichkeiten moderner Regeltechniken ge- nommen und das generelle Angebot nachhaltiger Produkte durch die Marktakteuren hervorgehoben, welche wiederum einen positiven Einfluss auf Investitionsentscheidungen und Konsumentenverhalten haben können. Negativ hingegen wurden suggestive Informationen von Herstellern bewertet, wie z. B. die Bewerbung der Wärmepumpe K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 61 als erneuerbare Technologie, die prinzipiell nur als solche zu be- zeichnen wäre, wenn der für den Antrieb erforderliche Strom auch aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt wurde. Auch unterschiedli- che Empfehlungen von Handwerker/innen können die Kundinnen und Kunden zusätzlich verwirren und dadurch die Umsetzung von Maßnahmen hemmen. Auf Seiten der motivatorischen Aspekte, die die Investitionsentschei- dungen und das Konsumentenverhalten beeinflussen können, wurde erstmals auf den Verschleiß der Heizanlagen verwiesen und deren motivatorischer Zwang zur Handlung angesprochen, denn häufig führt erst ein Problem mit der Anlage zur Beschäftigung mit Themen wie „nachhaltige Wärmeerzeugung und -konsum“. Auch ein gerade in Baden-Württemberg nach Aussagen der befragten Handwer- ker/innen zu beobachtendes Phänomen ist die Prestigefähigkeit der Heizanlage, die einen Anreiz schaffen kann, um nachhaltig zu inves- tieren. Häufig ist dabei die „schöne Solaranlage“ des/r Nachbarn/in ein Auslöser um selbst über eine eigene neue Anlage nachzudenken. Hemmend hingegen wirken sich generelle Komfortbedürfnisse gera- de in Bezug auf Suffizienzstrategien aus. Besonders im Bereich der Mieter/innen scheinen nach Angaben der befragten Akteure energie- sparende Verhaltensweisen sehr selten zu sein. Rechtliche Hemmnis- se lassen sich unter anderem aufgrund zu geringer Kontrollen der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben erkennen. Hierdurch ist es eventuell auch möglich, Gesetze zu umgehen, dies trifft dabei im Bestand häufiger zu. Hinsichtlich der bei bzw. für die Konsu- ment/innen bestehenden Barrieren und Anreize soll auch hier eine Tabelle (Tabelle 4-4) dazu dienen eine Zusammenfassung zu bieten. 62 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Tabelle 4-4 Anreize und Barrieren aus Sicht von SHK und Schorn- steinfeger/innen Barrieren: Neue Gesetze können im Bestand durchaus auch umgangen werden Ungenügende Kontrolle der gesetzlichen Vorschriften Barrieren: Investor/Nutzer- Dilemma im Bereich vermieteter Gebäude Energie- einsparungen sind aus Komfortgründen Grenzen gesetzt Nachhaltigkeit ist zweitrangig Konsumenten- verhalten im Mehrfamilienhaus- bereich wenige Nachhaltig Zahlungsbereitschaft für Energieberatung Barrieren: Informations- überflutung und (Zeit-) Aufwand für die Informationssuche Qualität der Informationen in Internet und Presse Geringe Nachfrage nach kostenpflichtiger Beratung Häufig suggestive Informationen von Herstellern Widersprüchliche Informationen verschiedener Handwerker Barrieren: Ständige Änderungen der Förderkonditionen Komplizierte Beantragung und Nachweisführung bei Technologieförderung fehlt Bezug zum Gebäude momentane Energiepreislage wirkt hemmend auf Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen nicht immer lassen sich gerade erneuerbare Energientechnologien wirtschaftlich rechnen Anreize: Gesetzliche Regelungen sichern bestimmten Nachhaltigkeits- standard Anreize: Verschleiß der alten Anlage Vermehrter Anspruch auf Nachhaltigkeit wirkt in Bezug auf Wärmekonsum anreizend Wirtschaftlichkeits- aspekte spielen eine bedeutende Rolle Einflüsse aus dem Umfeld, Nachbarn, Bekannte Prestigefaktor Heizung Anreize: Inanspruchnahme von Energieberatung Konkrete Beratung am Objekt Moderne Regeltechnik, automatisierte Heizungsregelung Nachhaltige Angebote von Marktakteuren Anreize: Finanzielle Förderung führt zu höherer Umsetzungsquote Ressourcen- abhängigkeit und steigende Energiekosten Förderprogramme senken Investitionskosten Wirtschaftliche Maßnahmen werden meist auch umgesetzt Fördermittel im Mehrfamilienhaus- bereich rechtlichmotivatorischinformatorischfinanztechnisch Konsumentenspezifische Anreize und Barrieren aus Sicht von SHK und Schornsteinfegern K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 63 4.4.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren Bezüglich der für die Akteure selbst beobachteten Anreize und Barri- eren, ließ sich feststellen, dass vor allem die teilweise Intransparenz am Markt, insbesondere bezogen auf tatsächliche Kosten, „Scharlata- ne“ und „Schattenwirtschaft“ Probleme darstellen mit denen Hand- werker/innen zu kämpfen haben. Hervorgehoben wurde hierbei vor allem der Preiswettbewerb, der durch diese Zustände verschärft wird. Umso überraschender waren jedoch die Ergebnisse zu den Neuerungen des SchfG, vor allem der ab 2012 bevorstehende Wett- bewerb aufgrund des Wegfalls des Nebenerwerbsverbotes für Schornsteinfeger/innen, die von den befragten Schornsteinfe- ger/innen als auch Handwerker/innen als weniger gravierend beur- teilt wurden als es auf Verbandsebene und den dort teils harten Dis- kussionen den Anschein machte. Viel eher ließ sich eine deutliche Kooperationsbereitschaft erkennen, auf die im folgenden Abschnitt genauer eingegangen werden soll. 4.4.4 Beziehungsgeflecht der Akteure Kooperationen und Netzwerke Den Handwerker/innen wird in der wissenschaftlichen Literatur oft vorgeworfene eine gewisse Kooperationsmüdigkeit an den Tag zu legen. Diese These konnte bei den von uns befragten Akteuren jedoch eher nicht festgestellt werden. Dies mag mitunter dem Umstand ge- schuldet sein, dass bei der Auswahl der hier befragten Handwer- ker/innen darauf geachtet wurde, Akteure zu wählen, die sich bereits stärker mit dem Thema Nachhaltigkeit in ihrer täglichen Arbeit aus- einandergesetzt haben und in diesem Zusammenhang angenommen wurde, dass entsprechend tätige Akteure viel eher Kooperationen bilden um vor allem den Austausch von Fachwissen und Synergieef- fekte zu nutzen. Zu einem hatten die hier Befragten dabei ein wesent- lich stärkeres Bewusstsein, aktiv eine Rolle in Bezug auf die Umset- 64 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse zung nachhaltiger Wärmekonsummuster einzunehmen, zum anderen konnte festgestellt werden, dass die befragten Handwerker/innen über ein breitgefächertes Netzwerk zu anderen Handwerker/innen verfügen und Kontakte meist schon über viele Jahre oder sogar Jahr- zehnte bestehen. Auch gegenseitige Empfehlungen sind in diesem Rahmen übliche Praxis. Betrachtet man allerdings Kooperationen mit Handwerker/innen des gleichen Gewerks, überwiegt hier häufig der Konkurrenzgedanke. Demnach ist durchaus zu erwarten, dass sich bei Wegfall des Nebenerwerbsverbotes für Schornsteinfeger/innen ab 2012 der zunehmende Wettbewerb negativ auf entsprechende Ko- operationen auswirken kann und neben den Schwierigkeiten des Kontrolleur-Kontrollierten-Verhältnisses zusätzlich Konkurrenz- druck entsteht. 4.5 Wohnungsbaugesellschaften 4.5.1 Rollenverhalten Akteursprofil Die Aufgaben einer Wohnungsbaugesellschaft oder -genossenschaft liegen im Bau, in der Bewirtschaftung, Verwaltung und Vermarktung von eigenen Wohnimmobilien und/oder Gewerbeeinheiten. Auch die Fremdverwaltung von Mietwohnungen anderer Eigentümer/innen und von Eigentumswohnungen gehört zu einem oft zu beobachten- den Angebot. Je nach Struktur der Anteilseigner/innen unterscheidet man zwischen Wohnungsunternehmen in kommunaler oder kirchli- cher Trägerschaft und freien Wohnungsunternehmen. Des Weiteren ist zwischen gemeinnützigen Tätigkeiten der Wohnungsbaugesell- schaften, welche vorrangig das Ziel umfassen eine faire Wohnraum- versorgung für die Bevölkerung zu gewährleisten und erwerbswirt- schaftlichen Tätigkeiten zu unterscheiden. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 65 Befragt wurden hier insgesamt drei Wohnungsbaugesellschaften verschiedener Formen. Zum einen Wohnungsbaugesellschaften in kommunaler/kirchlicher Hand, zum anderen mit privaten Anteils- eignern in Form einer Wohnungsbaugenossenschaft. Alle drei haben die Zielsetzung, sozialverträglich Wohnraum zur Verfügung zu stel- len. Zudem handeln sie auch erwerbswirtschaftlich, z. B. als Bauträ- ger oder Verwalter für Eigentümergemeinschaften. Der Bezug zur Nachhaltigkeit lässt sich bei Wohnungsbaugesellschaf- ten auf den einfachen Fakt zurückführen, dass das jeweilige angebo- tene Produkt, die Gebäude bzw. Wohnungen, möglichst lange erhal- ten bleiben und auch in Zukunft von Mieter/innen als attraktiv emp- funden werden sollten. Die Verfolgung dieses Ziels zeigt sich vor allem in Form von vielfältigen Sanierungsmaßnahmen, die die von uns befragten Unternehmen in den letzten Jahren durchgeführt oder für die Zukunft geplant haben. 4.5.2 Einschätzung des Konsumenten 4.5.2.1 Kundenprofil und Ansprache/Kontakt Erwartungsgemäß handelt es sich bei den Kundinnen und Kunden von Wohnungsbaugesellschaften hauptsächlich um Mieter/innen bzw. stellt diese Gruppe den Großteil der Kundinnen und Kunden dar, die von den Unternehmen betreut werden. Daneben gibt es wie bereits erwähnt auch Eigentümergesellschaften und Eigentü- mer/innen, die über die Auftragvergabe der Verwaltung oder ent- sprechend über die von der Wohnungsbaugesellschaft übernommene Bauträgerschaft als Käufer eines Gebäudes in Beziehung zu den Wohnungsunternehmen stehen. Bezüglich der Mieterstrukturen lassen sich kaum typische Profile identifizieren, welches auch auf die Größe der hier befragten Unter- nehmen und deren unterschiedlich gefächertes Angebot an Wohn- raum zurückzuführen ist. Demnach reicht der Kundenstamm von 66 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Hartz-IV-Empfänger/innen bis zum/zur gut verdienenden Geschäfts- führer/in. Jedoch ist laut Aussagen der Vertreter der Wohnungsbau- gesellschaften eine leichte Tendenz zu wirtschaftlich schwächer ge- stellten Bevölkerungsschichten auszumachen. Zudem kommen die Mieter/innen aus allen Altersschichten, hier lässt sich aber dennoch feststellen, dass aufgrund der demographischen Entwicklung in Zu- kunft ein zunehmender Anteil Rentner/innen zu erwarten ist. Als Reaktion auf diese Entwicklungen haben die hier befragten Woh- nungsbaugesellschaften bereits verstärkt Aktivitäten unternommen, altersgerechten Wohnraum zu schaffen. Hinsichtlich Mieter/innen mit Migrationshintergrund wurde deutlich, dass der Anteil meist über dem durchschnittlichen Anteil in der Bevölkerung liegt. Bei der Kontaktaufnahme bzw. beim allgemeinen Kundenkontakt ist zu unterscheiden zwischen Bestandsmieter/innen und potenziellen Mieter/innen. Hinsichtlich der ersten Kategorie finden sich hier übli- che Kontaktformen, z. B. allgemeine Betreuung und Servicedienstleis- tungen, Hauswartservice sowie Abrechnungen der Nebenkosten. Für die Ansprache potenzieller Mieter/innen werden häufig Internetprä- senz oder auch teilweise aktive Werbung genutzt, um Kundinnen und Kunden auf das Angebot der Wohnungsbaugesellschaften auf- merksam zu machen. Hier konnte festgestellt werden, dass gerade bei Vermietermärkten, d. h. einem Überschuss an Wohnraumnach- frage, weniger Werbung nötig ist, um Leerstand zu vermeiden. Dies war vor allem bei den Wohnungsbaugesellschaften in der baden- württembergischen Region zu beobachten. Im Großraum Leipzig zeigte sich eher eine Tendenz zum Leerstand, welcher jedoch auf- grund der zunehmenden Nachfrage durch erhöhte Studentenzahlen unter dem für das Bundesland Sachsen üblichen Durchschnitt liegt. 4.5.2.2 Nachfrage und Informationsstand der Kon- sument/innen Hauptinteressen bzw. -nachfragen kommen von den potenziellen Mieter/innen vor allem bezüglich Miethöhe, Nebenkosten, Infra- und K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 67 Wohnungsstruktur und ähnlichen strukturbezogenen Faktoren. Nachfragen nach Art der Wärmeerzeugung, genutzten Brennstoffen oder auch Möglichkeiten der Energieeinsparung kommen laut Aus- sagen der Wohnungsbaugesellschaften so gut wie nie vor. Demnach kann man in diesem Zusammenhang vermuten, dass sich die meisten Mieter/innen mit der Thematik eher wenig bis gar nicht auseinander- setzen. Wenn dann sind es auch hier eher die „Umweltbewussten“, die entsprechend handeln und ihr Heizverhalten anpassen. Auch bei vergleichbar hohen Nebenkostenabrechnungen reflektieren Mie- ter/innen nicht unbedingt ihr eigenes Heizverhalten, welches maß- geblich zu diesen hohen Kosten geführt hat, sondern gehen nach Aussagen der befragten Akteure teilweise von falschen Abrechnun- gen durch die Wohnungsbaugesellschaften aus. Eine Möglichkeit hier Einfluss auf das Verhalten der Mieter/innen zu nehmen, sind spezifische Informationen über richtiges Lüften und Energiesparmöglichkeiten. Informationsblätter oder auch -broschüren bieten sich hier gut als Informationsmedium an. Inwie- weit die bereitgestellten Informationen und Tipps von den Mie- ter/innen auch umgesetzt werden, lässt sich jedoch schwer beurteilen. 68 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 4.5.3 Anreize und Barrieren 4.5.3.1 Konsumentenspezifische Anreize und Barri- eren Wie bereits erwähnt, sind steigende Heizkosten auch bei Mie- ter/innen der Hauptanreiz, Verhaltensanpassungen durchzuführen. Dennoch sind es hier laut Aussagen der befragten Wohnungsbauge- sellschaften meist nur die umweltbewussten Mieter/innen, die auch wirklich tätig werden. Generell ließen sich sehr wenige Tendenzen feststellen, die auf nachhaltiges Heizverhalten schließen lassen. Als ein Hauptgrund hierfür wurde die zeitliche Differenz zwischen Ver- brauch und Zahlung genannt. Abrechnungen kommen häufig mit einer Zeitverzögerung von einem Jahr bei den Mieter/innen an. Beim eigentlichen Heizen ist dem/der Mieter/in meist gar nicht bewusst, wie viel es ihn/sie kostet wenn er/sie die Heizung höher stellt. Die Einführung von Feedbacksystemen, bei denen z. B. eine häufigere Abrechnung der Heizkosten durchgeführt oder ein konkretes Feed- back zum jeweiligen Verbrauch gegeben werden würde, könnte zu- sätzliche Anreize für Mieter/innen schaffen bzw. zunächst einmal das Bewusstsein für das eigene Heizverhalten stärken, aus dem dann eventuelle Verhaltensanpassungen entstehen könnten. Des Weiteren wären auch moderne Heizungsregler eine Möglichkeit, Energieein- sparungen indirekt zu induzieren. Beide Methoden führen jedoch bei den Wohnungsbaugesellschaften zu einem erhöhten personellen und finanziellen Aufwand. Auch im Bereich der Wohnungssuchenden spielen grundsätzlich andere Aspekte eine ausschlaggebende Rolle bei der Wohnungswahl. Dies zeigt sich auch in der geringen Anzahl Mieter/innen, die Ener- gieausweise oder generell Wärmeerzeugung als Thema bei der Suche ansprechen. Sei es zum einen aus Unwissenheit oder zum anderen aus Desinteresse bzw. dem Fakt, dass man als Mieter/in sowieso kei- K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 69 nen Einfluss auf die Art der Energieerzeugung nehmen kann. Ver- stärkt anzutreffen ist dies bei Vermietermärkten, wo laut Aussagen der Vertreter der Wohnungsbaugesellschaften Mieter/innen froh sind, überhaupt eine Wohnung zu bekommen. 4.5.3.2 Akteursspezifische Anreize und Barrieren Über die Durchführung von Sanierungs- und Modernisierungsmaß- nahmen nehmen die Wohnungsbaugesellschaften indirekt Einfluss auf den Wärmeverbrauch der Mieter/innen. Allerdings ließen sich hier einige Barrieren für die Wohnungsbaugesellschaften feststellen, die es ihnen erschweren, mehr in dieser Richtung umzusetzen. Zum einen ist es für größere Unternehmen nahezu unmöglich, Förderzu- schüsse zu beantragen, da sie meist aufgrund der zugrunde gelegten Finanzsumme, zu der dementsprechend auch der Gebäude- und Wohnungsbestand gezählt wird, keinen Anspruch auf Investitions- zuschüsse, z. B. der KfW, haben. Zum anderen spielt auch hier die Problematik der mietrechtlichen Umlage der Investitionskosten eine nicht unwesentliche Rolle. Verstärkt wird die Problematik der Umla- ge in Baden-Württemberg durch das Landeswohnraumförderungs- gesetz, welches es verbietet, eine bestimmte Miethöhe zu überschrei- ten. In den neuen Bundesländern hingegen ist schon bei kleinen Mietanpassungen mit starkem Widerstand der Mieter/innen zu rech- nen. Den Wohnungsbaugesellschaften bleiben daher wenig Spiel- raum nachhaltige Maßnahmen umzusetzen, auch wenn dies ihr aus- drückliches Ziel ist. 70 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 4.5.4 Beziehungsgeflecht der Akteure Kooperationen und Netzwerke Hinsichtlich bestehender Kooperationen ist bei Wohnungsbaugesell- schaften eine Besonderheit festzustellen, denn zum Großteil verfügen sie über eigene Handwerker/innen bzw. Vertragspartner/innen, die Aufträge der Wohnungsbaugesellschaften ausführen. Es gibt dem- nach feste Strukturen und Netzwerke, die aber auf der anderen Seite sehr starr sind und Kooperationen am Markt eher erschweren bzw. hier kein Bedarf aus Sicht der Wohnungsbaugesellschaften gesehen wird. Bei größeren Maßnahmen besteht zusätzlich Kontakt zu Archi- tekt/innen und Ingenieur/innen, auch dies sind teils langfristige Be- ziehungen oder die Unternehmen beschäftigen eigene Baupla- ner/innen. Weiterhin besteht Kontakt zu Energieversorgern, welcher aber über die üblichen vertraglichen Versorgungsverträge kaum hin- ausgeht. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 71 4.6 Zukünftige Entwicklung nachhalti- gen Wärmekonsums Eine letzte Fragenkategorie des verwendeten Interviewleitfadens, der der Befragung der Mesoakteure zugrunde lag, bezog sich auf deren Wünsche hinsichtlich des zukünftigen nachhaltigen Wärmekonsums, d. h. wie sollte der Wärmekonsum ihrer Meinung nach aussehen. Die Ergebnisse werden hier, wie bereits erwähnt, zusammengefasst über alle befragten Akteure dargestellt, da die Auswertung der Antworten persönliche Einstellungen umfassten und zudem viele Überschnei- dungen und Doppelungen erkennbar waren. Generell kann man vier Themengebiete identifizieren, die bezüglich eines zukünftig nachhaltigen Wärmekonsums von hoher Bedeutung für die Akteure sind: 1. Sanierungen im Gebäudebestand 2. Nutzung erneuerbarer Energien 3. Förderprogramme und Gesetze 4. Information und Bildung Zu Punkt 1 wurde bemerkt, dass die vorhandenen und nicht zu ver- achtenden Einsparpotenziale durch energetische Sanierungen im Gebäudebestand zukünftig vermehrt vorangetrieben werden sollten. Ein erhöhtes Nachhaltigkeitsniveau soll dabei vor allem durch opti- male Dämmung, aber auch durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe beim Bau erreicht werden. Zudem sollen nach Punkt 2 vermehrt erneuerbare Energieträger für die Wärmeerzeugung einge- setzt werden. Diese Entwicklung soll vor allem durch Förderpro- gramme und entsprechende Gesetze (Punkt 3) unterstützt werden. Damit verbunden sind allerdings Probleme bezüglich der Umsetzung von gesetzlichen Vorgaben, die im Gebäudebestand bisher noch we- nig fordern (z. B. Regelungen des EEWärmeG oder der EnEV) oder 72 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse auf der anderen Seite gesetzliche Regelungen, wie miet- oder auch steuerrechtliche Gegebenheiten, welche sich für Vermieter/innen hemmend auf die Umsetzung energetischer Sanierungsmaßnahmen bzw. Investitionsentscheidungen auswirken. Hauptaugenmerk ist dabei auf das resultierende Investor-Nutzer-Dilemma zu legen, wel- ches von den Akteuren als schwerwiegendes und besonders ernstzu- nehmendes Problem von den politischen Entscheidungsträgern in naher Zukunft unbedingt angegangen werden sollte. Des Weiteren sollte aus Sicht der befragten Akteure eine verstärkte Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben in Betracht gezogen werden. In Bezug darauf müsste auch die bisherige Förderstrategie grundlegend überdacht werden. Die zunehmende Komplexität der Förderinstru- mente und die daraus entstehenden Barrieren für Konsument/innen und Praxisakteure wurden bereits mehrfach angesprochen. Folglich ergibt sich hier die Forderung nach einfachen Förderstrukturen in Kombination mit vernünftigen gesetzlichen Standards. Generell sollte sich die Politik dabei auf eine eher lenkende Rolle beschränken. Ein letzter Punkt, der auf das Bewusstsein zum Handeln sowohl auf Konsument/innen- als auch auf Mesoakteursebene abzielt, sind Maß- nahmen im Bereich Informationen und Bildung. Hierbei wurden zum einen Maßnahmen angesprochen, die auf schulische Allgemeinbil- dung abzielen als auch Angebote für Akteure, sich im Bereich Nach- haltigkeit für ihr Gewerk oder ihren Fachbereich ausbilden oder wei- terbilden zu lassen. Zum anderen wurden aber auch konkrete Kam- pagnen zur breiten Informationsstreuung vorgeschlagen, um das Bewusstsein für nachhaltige Konsumstrukturen in der gesamten Be- völkerung zu stärken. Gerade in Bezug auf die Ausbildung wurde gefordert, vermehrt das Thema Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und entsprechende Aspekte als Ausbildungsinhalte aufzunehmen. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 73 5 Zusammenfassung und weiteres Vorgehen Abschließend kann man für die betrachteten Untersuchungskatego- rien einige Gemeinsamkeiten, aber auch spezifische meist akteursabhängige Unterschiede feststellen. Hinsichtlich der Kunden- profile der befragten Akteure ist zu unterscheiden zwischen Akteu- ren, die bei ihren Tätigkeiten im Wärmebereich hauptsächlich auf Hauseigentümer/innen treffen, wie Energieberater/innen, Baupla- ner/innen, aber auch Handwerker/innen und Schornsteinfeger/innen. Auf der anderen Seite stehen Akteure, die vor allem aufgabenbedingt eher einen großen Kundenstamm an Mieter/innen aufweisen, wie Wohnungsbaugesellschaften. Bei der Betrachtung des Kundenkontaktes wurde deutlich, dass sich alle interviewten Praxisakteure eher passiv bei der Kundenansprache verhalten. Besonders deutlich wurde dies bei den institutionellen Energieberatungen. Aber auch die freiberuflich beratenden Akteure nehmen von aktiver Kundenakquise meist aufgrund ihrer weniger erfolgreichen Erfahrungen Abstand. Das Hauptproblem was sich hier herauskristallisierte, ist die wenig vorhandene Zahlungsbereitschaft der Konsument/innen für derartige Beratungsdienstleistungen. Des Weiteren wurde auf die breite Konkurrenz und den Preiswettbewerb im Bereich der Energieberatung hingewiesen, die teilweise von einer anfangs lukrativ erscheinenden Geschäftsfelderweiterung zu einer wenig lohnenden Nebentätigkeit verkommt. Erstaunlicherweise wurde von den Beratern auch die vom BAFA geförderte Vor-Ort- Energiebeartung als problematisch hinsichtlich Umfang und Hono- rierung angesehen. Generell besteht bei den Energieberatern das Problem, dass nur die interessierten Konsument/innen eine Beratung nachfragen. Schornsteinfeger/innen haben im Bereich der Energiebe- ratung den entscheidenden Vorteil, dass sie aufgrund ihrer Kontroll- 74 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse tätigkeiten regelmäßig in Kontakt mit ihren Konsument/innen stehen und somit auch bessere Akquisemöglichkeiten für Beratungsaufga- ben haben. Folgende Abbildung 5-1 und Abbildung 5-2 sollen zunächst die kon- sumentenspezifischen Hauptbarrieren und -anreize geordnet nach der verwendeten Anreiz- und Barrierenstruktur zusammenfassend wiedergeben. Abbildung 5-1 konsumentenspezifische Hauptbarrieren Der Konsument Finanztechnisch: •Komplexität der Fördersituation •Knappe finanzielle Eingenmittel •Geringe Wirtschaftlichkeit alternativer Technologien Informatorisch: •Informationüberflutung •Schlechte Informationsqualität •Fehlendes Wissen über nachhaltigen Wärmekonsum Motivatorisch: •Fehlendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz •Investor/Nutzer-Dilemma im Mietbereich Rechtlich: •Ungünstige Rechtslage im Miet- und Steuerrecht •Ungenügende Kontrolle gesetzlicher Vorgaben K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 75 Abbildung 5-2 konsumentenspezifische Hauptanreize Die Einschätzung zum Informationsstand der Konsument/innen zeig- te ein geteiltes Bild. Auf der einen Seite gibt es den wenig informier- ten Kunden, auf der anderen den Kunden mit bereits vorhandenem Wissenstand zum Thema nachhaltiger Energienutzung. Beide Typen werden als problematisch angesehen, interessanterweise vor allem der bereits informierte Kunde. Hier wurde konstatiert, dass dieser sich von seiner bereits vorgefertigten Meinung aufgrund eigener Recherchen schwer wieder abbringen lässt und häufig der Zusam- menhang zwischen Gebäude und Technik vernachlässigt wird bzw. nicht bekannt ist. Zudem wurde die Nachfrage nach Energieberatung als eher gering eingestuft, was zum einen auf die bereits angespro- chene fehlende Zahlungsbereitschaft, zum anderen aber auch auf ein mangelndes Interesse am Thema „nachhaltiger Wärmekonsum“ zu- rückgeführt wurde. Im Zusammenhang mit der Informationsvermitt- lung wurde die in den freien Medien vorhandene Informationsflut und die teils mangelhafte Qualität der Informationen thematisiert. Der/die Konsument/in wurde vor allem als wirtschaftlich handelndes Wesen beschrieben, d. h. im Vordergrund steht für ihn/sie die Wirt- schaftlichkeit von Maßnahmen. Ist diese gegeben, werden Maßnah- Der Konsument Finanztechnisch: •Steigende Energiepreise •Hohe finanzielle Eingenmittel •Finanzielle Förderung senkt Investitionskosten Informatorisch: •Energieberatung, objektbezogen •Vermehrte Öffentlichkeitsarbeit, breite Informationsstreuung Motivatorisch: •Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Umweltschutz •Verschleiß der alten Anlage •Einfluss des sozialen Umfelds Rechtlich: •Gesetzliche Verpflichtung •Gesetzliche Regelungen sichern bestimmten Nachhaltigkeitsstandard 76 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse men in der Regel auch umgesetzt. Daneben wurde deutlich, dass nach der Inanspruchnahme einer Energieberatung die Umsetzungs- wahrscheinlichkeit ebenfalls erhöht ist. Dennoch bleibt ein Hauptmo- tiv für die Auseinandersetzung mit der Thematik „nachhaltiger Um- gang mit Wärme“ bzw. die Umsetzung entsprechender Maßnahmen der Zwang aufgrund einer defekten Heizanlage oder eines generellen Sanierungsbedarfs. Wobei die Nachhaltigkeit dabei eher ein schöner Nebeneffekt als eine Voraussetzung ist. Ein weiterer Anreiz der eben- falls finanziell motiviert ist, sind steigende Energiepreise und damit verbunden der Wunsch nach Kosteneinsparungen. Hinzu kommen Förderangebote, die jedoch hauptsächlich die Umsetzung vereinfa- chen bzw. vergünstigen als wirklich anreizen. Es wird hier davon ausgegangen, dass Maßnahmen auch ohne Förderung von den Kon- sument/innen durchgeführt würden und die Programme lediglich die Richtung oder auch den Grad der Nachhaltigkeit beeinflussen können. Nachfolgende Abbildung 5-3 soll den Zusammenhang der konsumentespezifischen Anreize und Barrieren und möglicher An- satzpunkte für Handlungsempfehlungen verdeutlichen. Abbildung 5-3 Ansatzpunkte für Handlungsempfehlungen In Bezug auf die aktuelle Fördersituation hatte der Großteil der be- fragten Akteure eine geteilte Meinung. Zum einen wurde die Aus- stattung der Fördermittel gelobt, zum anderen aber die Ausgestal- Der Konsument Soziodemographische Handlungsfähigkeit: •Einkommen •Bildungsstand Motivatorische Einstellungsvariablen: •Umweltbewusstsein •Kostenbewusstsein •Persönlicher Komfort Wissensstand Informationen Allgemeine Bildung Aus- und Weiterbildung Öffentlichkeitsarbeit Energieberatung Förderung und Gesetze Verpflichtung zum Handeln: •EEWärmeG •EnEV Finanzielle Förderung: •Investitionszuschüsse •Zinsgünstige Kredite K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 77 tung und die Bedingungen der Förderprogramme kritisiert. Komple- xität und Mehrebenenförderung, sowie ständige Änderungen der Förderkonditionen führen nicht nur bei den Konsument/innen zu einem erhöhten Informationsbedarf. Gerade Energieberater/innen sind gefordert, sich auf dem aktuellsten Stand zu halten, da in Bera- tungssituationen zunehmend auch Förderberatung nachgefragt wird. In diesem Zusammenhang wurde auch auf weitere Aus- und Weiter- bildungsmaßnahmen eingegangen. Nicht nur im Hinblick auf För- derprogramme sondern auch allgemein sehen die Akteure einen erhöhten Bildungsbedarf, der von der allgemeinen Schulbildung bis zur fachspezifischen Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Ausbildung von Praxisakteuren reicht. Auch fachübergreifende Kooperationen und Netzwerktätigkeiten können zu einem Austausch von Wissen innerhalb der Mesoebene führen. Dennoch scheint die Nutzung dieser Möglichkeiten bisher noch wenig entwickelt bzw. wenig strukturiert. Geschuldet ist dieser Umstand in einigen Fällen sowohl dem Konkurrenzdenken als auch den teilweise vorhandenen Kompetenzbarrieren. Ein Punkt, der für alle Akteure von hoher Bedeutung war, ist die Förderung von Maßnahmen im Bestand. Das hier vorhandene Ener- gieeinsparpotenzial wird bisher viel zu wenig genutzt und auch in den aktuellen Gesetzesneuerungen eher vernachlässigt. Aus den genannten Aspekten ergeben sich einige Ansatzpunkte bzw. Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber: 1. Neuordnung und Vereinfachung der Förderinstrumente 2. Einbeziehung bzw. Ausweitung von Nachhaltigkeits- themen in Schul- und weiterführender Berufsausbildung 3. Erweiterung der Fördermöglichkeiten für den Bestands- bereich, insbesondere im Mehrfamilienhaus-Segment bzw. Einbeziehung des Gebäudebestandes in gesetzliche Vorgaben Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die betrachteten Akteu- re hinsichtlich ihrer Beziehungen zu Konsument/innen und anderen 78 K. Jahnke: Mesoebenenanalyse Mesoakteuren durchaus Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede aufweisen, die insbesondere für die Optionen nachhaltiger Angebote und Netzwerkkooperationen Ansatzpunkte für Handlungsempfeh- lungen bieten. Diese Handlungsempfehlungen sollten sich jedoch eher auf die Konsumebene als auf die Mesoebene beziehen, da die zu beobachtenden Hemmnisse auf der Mesoebene weniger gravierend sind als auf der Konsumebene. Es wurde deutlich, dass der/die Kon- sument/in den entscheidenden Ausschlag für Handeln und Nicht- Handeln gibt. Die genaue Untersuchung der Anreize und Barrieren aus Sicht der Konsument/innen wird als nächster Schritt bei der Ana- lyse der Konsument/innen ausführlich erfolgen. K. Jahnke: Mesoebenenanalyse 79 6 Literatur Bourdieu, P. (1987). Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftli- chen Urteilskraft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Dispan, Jürgen (2003). Regionale Strukturen und Beschäftigungsper- spektiven im Handwerk. Regionalanalyse, Entwicklungstrends, Her- ausforderungen, regionalpolitische Handlungsfelder, Umsetzungsan- sätze in der Region Stuttgart. gefördert durch die Hans-Böckler- Stiftung (Projekt-Nr. 2000-230-1) den Verband Region Stuttgart, die IG Metall Region Stuttgart, die Handwerkskammer Region Stuttgart und den Baden-Württembergischen Handwerkstag. Stuttgart. Fehrenbach, Silke (1999). Nachhaltigkeit im Handwerk. Eine Unter- suchung konzeptioneller Ansätze und Projekte im Handwerk für eine nachhaltige Entwicklung. Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg, Arbeitsbericht Nr. 123/Mai 1999, ISBN 3- 932013-51-4, ISSN 0945-9553. Stuttgart. Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg GmbH (IFEU) & TNS-Emnid. (2008). Evaluation des Förderprogramms „Energieein- sparberatung vor Ort“. Schlussbericht Kurzfassung. Im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Heidelberg. IFEU & TNS-Emnid. (2005). 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Endbericht 18/06. im Auftrag von Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Berlin und Basel.