REAKTIONSTECHNISCHE UNTERSUCHUNG DER SELEKTIVOXIDATION VON O-XYLOL ZU PHTHALSÄUREANHYDRID IM EXPLOSIONSBEREICH UNTER VERWENDUNG VON MIKROSTRUKTURREAKTOREN VON DER FAKULTÄT FÜR CHEMIE DER UNIVERSITÄT STUTTGART ZUR ERLANGUNG DER WÜRDE EINES DOKTORS DER NATURWISSENSCHAFTEN (DR. RER. NAT.) GENEHMIGTE ABHANDLUNG VORGELEGT VON THOMAS LANGE AUS KARL-MARX-STADT (CHEMNITZ) HAUPTBERICHTER: PROF. DR.-ING. ELIAS KLEMM MITBERICHTER: PROF. DR.-ING. ULRICH NIEKEN TAG DER MÜNDLICHEN PRÜFUNG: 20. JULI 2018 INSTITUT FÜR TECHNISCHE CHEMIE 2018 Inhaltsverzeichnis 1 Abstract 1 2 Einleitung 3 3 Kenntnisstand und Motivation 6 3.1 Industrielle Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3.2 Mechanismus und Katalysator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3.3 Kinetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3.4 Mikroverfahrenstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 3.4.1 Mikrostrukturreaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.4.2 Mikroreaktionstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3.4.3 Neue Prozessfenster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.5 Reaktionstechnische Kennzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4 Experimentelle Arbeiten 27 4.1 Katalysatorpräparation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4.1.1 Herstellung des Trägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 4.1.2 Herstellung der Grafting-Katalysatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2 Katalysatorcharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2.1 Stickstoffadsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4.2.2 ICP-OES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.2.3 Röntgenpulverdiffraktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 4.2.4 Temperaturprogrammierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2.5 Infrarot-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.2.6 Raman-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.2.7 Katalysatortest im Rohrreaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.3 Reaktionstechnische Untersuchungen im Explosionsbereich . . . . . . . . . . . . 34 4.3.1 Verwendung des Wandkatalysators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.3.2 Schichtdickenvariation und Thermografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I 5 Ergebnisse und Diskussion 41 5.1 Katalysatorcharakterisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.1.1 Stickstoffadsorption und ICP-OES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 5.1.2 Röntgenpulverdiffraktometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5.1.3 Temperaturprogrammierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 5.1.4 IR- und Raman-Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 5.1.5 Katalysatortest im Rohrreaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5.2 Untersuchungen am Mikrofestbett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.2.1 Versuche außerhalb des Explosionsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 5.2.2 Versuche im Explosionsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5.3 Vergleich von Mikrofestbett und Wandkatalysator . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.4 Schichtdickenvariation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5.5 Vergleich der Literatur-Kinetiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.6 Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5.7 Stoffbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 5.7.1 Papageorgiou-Froment-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.7.2 Porennutzungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 6 Schlussfolgerungen 117 Literaturverzeichnis 121 Abbildungsverzeichnis 134 Tabellenverzeichnis 139 A Anhang 142 A.1 Diagramme und Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A.2 Stoffwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A.3 Wärmetransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 A.3.1 Herleitung Hot-Spot-Abschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 A.4 Stofftransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 A.4.1 Reynolds-Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 A.4.2 Porennutzungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 A.4.3 Effektive Reaktionsgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 A.4.4 Katalysatorwirkungsgrad und Thiele Modul . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 A.4.5 Auswertung mittels Polynomregression . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II Danksagung Die vorliegende Arbeit entstand in der Zeit von Oktober 2008 bis Mai 2012 am Institut für Tech- nische Chemie der Universität Stuttgart und in der Anfangszeit an der Professur für Chemische Technologie der TU Chemnitz. An erster Stelle danke ich Herrn Prof. Dr.-Ing. Elias Klemm für die Initiierung dieses For- schungsprojekts, die Betreuung der Arbeit, die Diskussionsbereitschaft sowie das entgegenge- brachte Vertrauen und die Unterstützung auch in schwierigen Projektabschnitten. Herrn Prof. Dr.-Ing. Ulrich Nieken danke ich für die Übernahme des Koreferats. Bei Herrn Dr. rer. nat. Hartmut Hieronymus, Herrn Dr.-Ing. Christian Liebner und meinem Kol- legen Sebastian Heinrich bedanke ich mich für sehr angenehme Zusammenarbeit im Rahmen der Kooperation. Den Mitarbeitern der Professur für Chemische Technologie der TU Chemnitz danke ich für die sehr angenehme Zusammenarbeit in der Anfangszeit des Projekts und die Durchführung der Beschichtung. Ein besondere Dank gilt den technischen Angestellten des Instituts für Technische Chemie. Herrn Christoph Ringwald danke ich für die zahlreichen Diskussionen bezüglich Anlagenbau und technische Fragestellungen. Den Herrn Andreas Stieber und Ingo Nägele aus der Institutswerkstatt danke ich für die technische Unterstützung und die Fertigung zahlreicher Bauteile. Frau Heike Fingerle danke ich für die Durchführung der ICP-OES Messungen und Frau Sabine Schuster für die Durchführung der Stickstoffadsorptionsmessungen. Ein großer Dank gilt auch allen Kollegen am Institut für Technische Chemie für die sehr an- genehme und freundliche Atmosphäre. Insbesondere Frau Sandra Weber, Herrn Matthias Aimer, Herrn Gregor Näfe und Herrn Thomas Montsch möchte ich an dieser Stelle erwähnen. Ein besonderer Dank gilt auch den Studenten und Diplomanden die ich während meiner Arbeit betreuen durfte, insbesondere Herrn Thorsten Jänisch und Herrn Martin Hennig. Für die finanzielle Förderung gilt der Dank der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG (Vor- haben KL 1071/8-1 und HI 876/4-1). Meinen Freunden und insbesondere meinen Eltern und Bruder danke ich für Vieles in meinem Leben. IV Symbol- und Abkürzungsverzeichniss Lateinische Symbole Symbol Bedeutung Einheit aV volumenbezogene spezifische Oberfläche [m−1] A Oberfläche [m2] Bo Bodenstein-Zahl [-] c Konzentration [molL−1] c0 Anfangs-Konzentration [molL−1] cp spezifische Wärmekapazität [Jmol−1 K−1] d Durchmesser [mm] dp Partikeldurchmesser [µm] D molekularer Diffusionskoeffizient [m2 s−1] Dax axialer Dispersionskoeffizient [m2 s−1] DaII Damköhler-Zahl zweiter Art - δKat Katalysatorschichtdicke [µm] ∆RH Reaktionsenthalpie [kJmol−1] ∆CH Verbrennungsenthalpie [kJmol−1] EA Aktivierungsenergie [Jmol−1] G0 Massenstrom im Calderbank-Modell [kgm−2 h−1] lc charakteristische Länge [mm] L Länge des Katalysatorbettes bzw. der Beschichtung [m] m Masse [g] M molare Masse [gmol−1] M̄ mittlere molare Masse des Feeds im Calderbank-Modell [gmol−1] n Reaktionsordnung - ṅ Stoffmengenstrom [mols−1] p Druck [bar] Weiter auf der nächste Seite V Symbol Bedeutung Einheit PT mittlerer Druck im Reaktor des Calderbank-Modells [atm] Q̇ Wärmestrom [W] r Radius [mm] ri Geschwindigkeit der Reaktion i [molL−1 s−1] R universelle Gaskonstante [JK−1 mol−1] R0 Primärpartikelradius [m] Ri Stoffmengenänderungsgeschwindigkeit der Komponente i - Re Reynolds-Zahl [-] s Spaltweite; Plattenabstand des Mikroreaktors [mm] S Selektivität [%] SBET,Träger Spezifische Oberfläche nach BET-Methode [m2 g−1] Sc Schmidt-Zahl [-] Pé ax axiale Péclet-Zahl [-] t Zeit [s] tD Zeitkonstante der Diffusion [s] tR Zeitkonstante der Reaktion [s] tW Zeitkonstante der Wärmeübertragung [s] T Temperatur [◦C] u Strömungsgeschwindigkeit [ms−1] V Volumen [m3] V̇ Volumenstrom [mLmin−1] wV2O5 Massenanteil - x axiale Koordinate X Umsatz [%] Y Ausbeute [%] z laterale Koordinate Griechische Symbole Symbol Bedeutung Einheit α Wärmeübergangskoeffizient [Wm−2 K−1] Weiter auf der nächste Seite VI Symbol Bedeutung Einheit β Stoffübergangskoeffizient [m3 s−1 m−2] δ Konstriktivität [-] ∆ Differenz [-] ε Porosität [-] η Viskosität des Fluids [kgm−1 s−1] λ Wärmeleitfähigkeit [Wm−1 K−1] π Kreiszahl [-] ρ Dichte des Fluids [kgm−3] ρKat Dichte des Katalysators [kgm−3] τ Tortuosität (Gewundenheit) [-] τ hydrodynamische Verweilzeit [s] τmod modifizierte Verweilzeit [sgmL−1 ] Θi Oberflächen-Bedeckungsgrad von Komponente i für das Modell von Dias et al. [-] υi stöchiometrischer Koeffizient der Komponente i [-] Indizes Symbol Bedeutung Einheit 0 Anfangsbedingungen - ad adiabat - ax axial - C Verbrennung bzw. Totaloxidation - e effektiv - gas Gasphase - HS Hotspot (Temperaturüberhöhung) - i Komponente i - K Knudsen (Diffusion) - Kat bezogen auf Katalysator - m bezogen auf Massen - s bezogen auf Oberflächen - Weiter auf der nächste Seite VII Symbol Bedeutung Einheit R Reaktion - sch bezogen auf Schüttung bzw. Schicht - V bezogen auf Volumen - x bezogen auf x-Achse des Reaktors (Strömungsachse) - y bezogen auf y-Achse des Reaktors (senkrecht zur Strö- mungsachse) - Abbkürzungen Symbol Bedeutung Einheit BS Benzoesäure - CSA Citraconsäureanhydrid - MSA Maleinsäureanydrid - NPW New Process Window (Neues Prozessfenster) - oX o-Xylol - PA Phthalic anhydride (Phthalsäureanhydrid) - PH Phthalid - PSA Phthalsäureanhydrid - TA o-Toluylaldehyd - TS o-Toluylsäure - RZA Raum-Zeit-Ausbeute [kgPSA h−1 kg−1 Kat] WHSV Weight Hourly Space Velocity (massenbezogene Raumge- schwindigkeit) [mLg−1 h−1] ZP Zwischenprodukt - VIII 1 Abstract Heterogeneously catalyzed selective oxidations are an important class of chemical reactions, which are normally operated in laboratory or production plants outside or near the explosion limit. This is important with respect to safety aspects, since explosive gas mixtures simply need an ignition sour- ce (e.g. hotspot) to initiate an explosion. Due to the characteristics of microstructured reactors, like the high surface to volume ratio and the small dimensions, radicals have a higher recombination ra- te (quenching of chain explosions) and also the heat transfer performance is higher then in conven- tional reactors (quenching of heat explosions). Because of these characteristics, micro structured reactors where succesfully used in the past to investigate reaction and safety engineering aspects with explosive gas mixtures. Therefore it is known that deflagrations as well as detonations can be suppressed due to the flame arrestor effect using micro structured reactors. This could be shown for the hydrogen and ethylene oxidation. Goal of this work was the transfer of the highly exothermic heterogeneously catalyzed o-xylene oxidation to phthalic anhydride into a microstructured reactor. Additionally the application of micro fixed-beds and catalyst coatings should be investigated and their performance in highly exothermic reactions should be compared. This work could show that a highly exothermic reaction like the partial o-xylene oxidation to phthalic anhydride (PA) can be operated even far in the explosion regime when a micro structured reactor is used. The reaction could be operated at educt concentrations of up to 25 vol.% o-xylene in pure oxygen without any hazards. No loss in selectivity to PA could be found up to 7 vol.% o- xylene (21 vol.% O2, balance N2). At higher o-xylene concentrations the selectivity to PA dropped in favor of total oxidation products especially for the micro fixed-bed. The application of an hotspot estimation according to the theory of Frank-Kamenetskii revealed the possibility of hotspots for both catalyst systems. The expected hotspot temperature should be higher for the micro fixed- bed than the catalyst coating. A possible thermal deactivation of the catalyst could be verified indirectly for the fixed-bed catalyst through XRD, FT-IR spectroscopy and N2-adsorption of the used catalyst. A variation of the coating thickness was applied to investigate the influence of heat and mass transfer limitations including thermographic investigations. With regard to the heat transfer limitations it could be shown that up to 10 vol.% o-xylene (30 vol.% O2, balance N2) no significant hotspots could be detected using the 250 µm coatings at 370◦C. At higher o-xylene concentrations and also at higher coating thickness (e.g. 500 µm 1 coating) significant over-temperatures, partially of more than 100 K above the reactor temperature, could be measured. The maxima of the hotspots were proportional to the volumetric flow rate and therefore to the molar flow rate. This behavior can be explained with a higher heat production due to higher concentrations in the reactor, whereas the heat transfer occurs mainly through conduction and therefor remains constant. In contrast, increasing the flow rate in a conventional fixed-bed reactor (turbulent flow regime) leads to a reduction of the lamianr boundary layer surrounding the particles , therefor increasing the heat transfer. This typically reduces teh hotspot and pushes the hotspot in the direction of the reactor exit. With a theoretical consideration of the mass transfer using the Froment kinetic model to cal- culate the reaction rate of o-xylene, it could be revealed that at high o-xylene concentrations and catalyst coating thicknesses internal mass transfer limitations can occur. This could not be con- firmed experimentally due to the low values of the measured reaction rates of o-xylene, especially above 1 vol.% o-xylene. These were far below the theoretical values of the literature kinetic. This can be explained with the simultaneously proceeding total oxidation, which has a much higher oxy- gen consumption than the partial oxidation, so that the amount of oxygen is too low to convert all of the o-xylene. This could lead on the one hand to a coking and therefor blocking of the pores and the catalyst surface due to incomplete combustion of dimeres and multi-core aromatics, which are mentioned in the literature to be COx-sources. On the other hand the low amount of oxygen could lead to an incomplete reoxidation of already reduced VOx-centers, which would also reduce the effective reaction rate. Presumably the literature kinetic is not appropriate to describe the o-xylene oxidation at high o-xylene concentrations in the explosion regime and therefore overestimates the reaction rate. To prove these explanations additional investigations are needed. 2 2 Einleitung Mit einer weltweiten Kapazität von 5,15 Mt im Jahr 2013 und einer weitreichenden Verwendung in Weichmachern, Phthalocyanin-Farbstoffen, Polyesterharzen sowie zahlreichen Feinchemikalien, stellt Phthalsäureanhydrid (PSA) ein wichtiges Produkt der chemischen Industrie dar [1, 2]. Der ursprüngliche Rohstoff für die Herstellung von PSA, Naphthalin, wurde dabei seit den 1960er Jahren sukzessive durch o-Xylol ersetzt. Die selektive Oxidation von o-Xylol wird bei etwa 360 bis 390°C und einem Druck von ca. 1 bis 1,5 bar durchgeführt, wobei aufgrund der starken Exothermie (∆RH = -1108,7 kJ/mol, ∆CH = -4380 kJ/mol) hauptsächlich Rohrbündelreaktoren mit Salzbadkühlung eingesetzt werden [3]. Als Katalysatoren werden für diesen Prozess V2O5/TiO2-Trägerkatalysatoren verwendet, wobei die aktive Phase V2O5 auf dem Träger TiO2 (Anatas-Modifikation) mit einer Vielzahl an Promo- toren versetzt wird, um die katalytischen Eigenschaften zu steuern. Während in älteren Prozessen noch Vollkatalysatoren in Form von Extrudaten eingesetzt wurden, werden in modernen Prozes- sen Schalenkatalysatoren verwendet. Der Katalysator liegt dabei als Schicht (ca. 70-100 µm) auf einem inerten Keramik-Formkörper vor (Kugeln oder Ringe, ca. 6 mm Durchmesser). Zusätzlich werden in modernen Prozessen mehrere unterschiedlich aktive Katalysatoren in bis zu vier Lagen (in axialer Richtung) eingesetzt, um die schrittweise Oxidation von o-Xylol bis zum PSA möglichst selektiv durchzuführen und schlussendlich einen möglichst hohen Umsatzgrad zu erreichen. Des Weiteren erlaubt diese Verfahrensweise die freiwerdende Reaktionswärme über einen möglichst großen Bereich zu verteilen. Dies wird umso wichtiger, je höher die Eingangskonzentration von o-Xylol in Luft ist. Während bei der Einführung der Phthalsäureanhydridherstellung noch Edukt- konzentrationen von knapp unter 1 Vol.-% üblich waren, werden in modernen Prozessen bis zu 2,3 Vol.-% eingesetzt (BASF-Prozess) [3]. Durch diese hohen o-Xylol-Konzentrationen in der modernen Prozessführung ergeben sich eini- ge Problemstellungen. Zum einen liegt die untere Explosionsgrenze eines o-Xylol/Luft-Gemisches unter Standardbedingungen bei 1 Vol.-% (o-Xylol in Luft), wodurch bei der Verwendung von bis zu 2,3 Vol.-% o-Xylol bereits eine Zündquelle ausreicht, um eine Explosion des Gasgemisches zu verursachen. Da die Selbstentzündungstemperatur von o-Xylol bei 465°C liegt, führt dieser Um- stand zu einem gewissen Sicherheitsrisiko. Zum anderen kann allein schon die sehr hohe Exother- mie der selektiven Oxidation zu PSA dazu führen, dass entlang der Strömungsrichtung lokal die 3 Wärmeabfuhrleistung nicht aussreicht und dadurch ein Wärmestau bzw. Hotspot am Katalysator auftritt. Insbesondere im Kern der ersten Hälfte der Katalysatorschüttung ist das der Fall [4]. Dies konnte in den Arbeiten von Anastasov et. al ausführlich gezeigt werden, wobei je nach der Bela- dung des Eingangsgasstroms, dem Volumenstrom und der Reaktortemperatur, Hotspots von 60 bis 100 K über der Reaktortemperatur gemessen werden konnten [5]. Ein Durchgehen der Reaktion, wobei eine Wärmeexplosion als Zündquelle zusätzlich zu einer Kettenexplosion führen kann, ist demnach durchaus möglich und war in der Vergangenheit bereits die Ursache für zum Teil schwe- re Unfälle. Ein Hotspot in der Katalysatorschüttung kann nicht nur als Zündquelle dienen. Unter den hohen Temperaturen kann der Katalystor zudem deaktiviert werden, wobei neben Sinterung und Bildung von Vanadiumoxid-Kristalliten auch eine Phasenumwandlung des Titandioxids von Anatas in Rutil auftreten kann [6, 7]. Durch das hohe Wärmeerzeugungspotential der o-Xylol-Oxidation und den ausgedehnten Ex- plosionsbereich von o-Xylol/Luft-Gemischen bzw. von Gemischen mit Sauerstoff, ist eine weitere Erhöhung der o-Xylol-Konzentration im Gasstrom zur Steigerung der Raum-Zeit-Ausbeute (RZA) stark eingeschränkt. Die standardmäßig verwendeten Rohrbündelreaktoren stoßen hier trotz ihrer hohen Wärmeabfuhrleistung an ihrer Grenze. Auch die Verwendung mehrerer Katalysatorlagen mit unterschiedlich aktiven und selektiven Katalysatoren wie im BASF-Prozess reicht nicht aus, um die Wärmeproduktion so weit entlang der Strömungsachse zu strecken, dass eine weitere deut- liche Steigerung der o-Xylol-Konzentration möglich ist [4, 5, 8]. Der Einsatz von Mikrostrukturreaktoren verspricht hier neue Möglichkeiten zur Untersuchung dieser Reaktion im Explosionsbereich und eventuell zur industriellen Anwendung. Durch das große Oberflächen-zu-Volumen-Verhältnis und die geringe charakteristische Länge für den Wär- metransport steigt die volumenspezifische Wärmeabfuhrleistung beträchtlich. Dadurch ist nicht nur das Risiko eines thermischen Durchgehens deutlich niedriger, sondern der Bereich, in dem unter Laborbedingungen isotherm gearbeitet werden kann, auch um einiges größer [9]. Anderer- seits bietet die große Oberfläche auch deutlich mehr Rekombinationsmöglichkeiten für Radikale wie sie bei Kettenexplosionen vor und während dem Zünden der Gasphase auftreten. Zusätzlich ist durch die geringen internen Abmessungen das Volumen der Reaktionsgase und somit auch die Stoffmenge der Edukte, der sogenannte Holdup, stark verringert. Durch diese Eigenschaften mikrostukturierter Reaktoren können daher Wärme- und Kettenexplosionen unterdrückt werden. Dadurch sind nicht nur extreme Reaktionsbedingungen in Mikrostrukturreaktoren beherrschbar, sondern auch das Gefährdungspotential geringer als bei großvolumigen Reaktoren. Somit haben sich mikrostrukturrierte Reaktoren als nützliches Werkzeug bei der Anwendung „Neuer Prozess- fenster“ erwiesen und die Durchführung chemischer Reaktionen unter extremen Bedingungen er- möglicht [10–12]. 4 Ziel dieser Arbeit ist es daher, am Beispiel der sehr stark exothermen partiellen Oxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid, das Potential der Mikrostrukturreaktoren sowohl für die- se Reaktion als auch für andere stark exotherme Reaktionen auszuloten. Dazu sollten ausge- hend von industriellen Bedingungen entsprechende Untersuchungen durchgeführt werden, wo- bei o-Xylol-Konzentrationen bis weit in den Explosionsbereich angestrebt wurden. Dabei sollten die Fragen geklärt werden, ob sich das Reaktionsverhalten bei Verwendung von Vanadiumoxid- Trägerkatalystoren ändert und ob auch Mikrostrukturreaktoren aus reaktionstechnischer Sicht, vor allem was Wärme- und Stofftransport anbelangt, in diesen Prozessfenstern Grenzen gesetzt sind. 5 3 Kenntnisstand und Motivation 3.1 Industrielle Produktion Die Reaktion wird bei etwa 360 bis 390°C und einem Druck von ca. 1 bis 1,5 bar durchgeführt, wobei aufgrund der starken Exothermie (∆RH = -1108,7 kJ/mol, ∆CH = -4380 kJ/mol) der Selek- tivoxidation hauptsächlich Rohrbündelreaktoren mit Salzbadkühlung verwendet werden [3]. Ne- ben o-Xylol kann je nach verwendetem Katalysator auch Naphtalin oder ein o-Xylol/Naphthalin- Gemisch als Edukt verwendet werden. O-Xylol stellt dabei das wichtigste Edukt für die Her- stellung von Phthalsäuranhydrid dar, da es bei der Erdöl-Raffination anfällt, während Naphthalin hauptsächlich aus Steinkohlenteer in Kokereien aus Steinkohle gewonnen wird. Die Selektivoxi- dation von o-Xylol an V2O5/TiO2-Trägerkatalysatoren hat daher einen Anteil von 85 % weltweit und ca. 94 % in Westeuropa. Die weltweite Produktionskapazität betrug 2005 ca. 4,5 Mt, wobei die Nachfrage 2006 bei etwa 3,6 Mt lag [2]. Im Jahr 2013 betrug die weltweite Kapazität bereits 5,15 Mt und der Verbrauch lag bei mehr als 4 Mt [1]. Üblicherweise werden in der Industrie Rohrbündelreaktoren als Festbettreaktoren für die Gas- phasenoxidation von o-Xylol verwendet. Durch die Verwendung von Rohrbündelreaktoren kann die hohe Reaktionswärme, die bei der Selektivoxidation von o-Xylol entsteht, weitestgehend ab- geführt werden. Die eingesetzten Rohrbündelreaktoren bestehen aus etwa 10.000 bis 20.000 Ein- zelrohren, wobei die Rohrlänge etwa 3 bis 3,5 m und der Innendurchmesser etwa 25 mm beträgt. Der Volumenstrom pro Rohr beträgt ca. 3 bis 4,5 Nm3/h [13]. Daneben gibt es noch Anlagen zur Selektivoxidation in flüssiger Phase an Co-, Mn- und Br-haltigen Katalysatoren, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Heutzutage werden meist Prozesse eingesetzt, die nach einem von BASF entwickelten Verfahren arbeiten. Das BASF-Verfahren erlaubt mit 2,3 Vol.-% die höchstmögliche Feedkonzentration an o-Xylol. Es lässt sich nicht mit Naphthalin als Feed betreiben und ist daher von Rohölbasiertem o-Xylol abhängig. Daneben kommt noch der Rhone-Poulenc-Prozess zum Einsatz, der ebenfalls nur mit o-Xylol als Feed betrieben werden kann. Weitere Verfahren wurden von Wacker, Alusuisse Ftalital und Nippon Shokubai entwickelt, die sowohl mit o-Xylol wie auch mit Naphthalin betrieben werden können [3]. Typischerweise wird ein Umsatz nahe 100 % ange- strebt und eine Selektivität bezüglich Phthalsäureanhydrid von ca. 80 % erzielt. Der hohe Umsatz ist notwendig, um eine möglichst hohe Selektivität zu Phthalsäureanhydrid zu erreichen und die 6 Zwischenprodukte umzusetzen. Insbesondere die möglichst vollständige Entfernung von Phtha- lid ist wichtig, da dieses die Qualität des gewünschten Produkts direkt beeinflusst und sich nur schwer von Phthalsäureanhydrid trennen lässt. Die industriellen Prozesse werden bei 360 bis 390° C durchgeführt. In früheren Prozessen wurde 0,9 Vol.-% o-Xylol (ca. 40 g/m3) in Luft zuge- führt. Heutige Prozesse arbeiten mit bis zu 2,3 Vol.-% o-Xylol in Luft (105 g/m3, BASF-Prozess). Eine der großen Herausforderungen der industriellen Prozesse ist die Bildung einer Temperatur- überhöhung („Hotspot“) am Anfang des Katalysatorbettes. Dieser kann eine um 60 bis 100 K höhere Temperatur aufweisen als das übrige Katalysatorbett. Da die Selbstentzündungstempera- tur von o-Xylol bei 465°C liegt und die Prozesstemperatur bis 390°C betragen kann, besteht die Gefahr einer Selbstentzündung der Kohlenwasserstoffe im Gasstrom. Bei Reaktionsgemischen im Explosionsbereich kann es daher zu einer Explosion durch Selbstentzündung kommen [3]. 3.2 Mechanismus und Katalysator Nachfolgend wird der Mechanismus der Selektivoxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid an V2O5/TiO2-Trägerkatalysatoren beschrieben. Die Bruttoreaktionsgleichungen für die Selektiv- oxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid und die Hauptnebenreaktion zu Totaloxidations- produkten ist in Abbildung 3.1 dargestellt. Die Totaloxidation von o-Xylol erfordert dabei die 3,5-fache Menge an Sauerstoff wie die Selektivoxidation, wobei ca. 13 % mehr Moleküle gebildet als eingesetzt werden. V2O5/TiO2-Trägerkatalysatoren katalysieren neben der o-Xylol-Oxidation auch die Selektivoxidationen von anderen Alkylaromaten wie Toluol oder m- bzw. p-Xylol. Für Oxidationsreaktionen dieses Typs wird dabei in der Regel ein Mars-van-Krevelen-Mechanismus angenommen. Die Reaktion verläuft dabei über das in Abbildung 3.2 dargestellte vereinfachte Schema. Dabei wird o-Xylol schrittweise am Katalysator zum Phthalsäureanhydrid oxidiert, wobei der Katalysator reduziert und anschließend durch Sauerstoff reoxidiert wird (V5+/V3+). Als Zwi- schenprodukte der Oxidation von o-Xylol enstehen o-Toluylaldehyd, o-Toluylsäure und Phthalid, während als Nebenprodukte Maleinsäureanhydrid, Benzoesäure, Citraconsäureanhydrid, CO2, CO und Wasser nachweisbar sind. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Reoxidation des Katalysators Abbildung 3.1: Bruttoreaktionsgleichung der Selektivoxidation und Totaloxidation von o-Xylol. 7 V2O5/TiO2 schon bei niedrigen Temperaturen unterhalb von 300°C erfolgt (TPO-Experimente), während erst bei höheren Temperaturen (T > 300°C) eine Reduktion einsetzt (TPR-Experimente). Das Maximum der Reduktion liegt dabei, je nach Zusammensetzung des Katalysators, oberhalb von 450°C. Dies deutet darauf hin, dass die Reoxidation des Katalysators nicht geschwindigkeits- bestimmend für die Reaktion ist. O OH CH3 O OH CH3 O O O O O O O O O O O O CH3 CO2, CO, H2O oX MSA TA TS PH PSA BS CSA Abbildung 3.2: Reaktionsnetzwerk der o-Xylol-Oxidation nach [3]. oX: o-Xylol, TA: o- Toluylaldehyd, TS: o-Toluylsäure, PH: Phthalid, PSA: Phthalsäureanhydrid, MSA: Maleinsäureanhydrid, BS: Benzoesäure, CSA: Citraconsäureanhydrid. Desweiteren ist in der Literatur bekannt, dass bei Temperaturen unterhalb von 320°C und bei geringen Umsätzen von o-Xylol eine Bildung von schwersiedenden Rückständen beobachtet wur- de, wodurch zum einen die C-Bilanz negativ beeinflusst und zum anderen die Bildung von CO2 begünstigt wird [6, 14–17]. Die Zahl der Veröffentlichungen, die zumindest Aussagen über die geeignete Zusammensetzung von V2O5-Trägerkatalysatoren zur Selektivoxidation von Kohlenwasserstoffen, insbesondere von o-Xylol, enthalten, ist ausgesprochen groß. Durch die große Bedeutung dieser Prozesse in der Industrie und die Tatsache, dass sie immer noch nicht vollständig verstanden sind, ist das Interesse von Wissenschaft und Wirtschaft trotz jahrzehntelanger Forschung ungebrochen [18–21]. Die Zusammensetzung und Struktur des Katalysators sind für die Selektivoxidation von o-Xylol von besonders großer Bedeutung für die erzielbaren Selektivitäten. So beeinflussen die Struktur 8 des V2O5 und dessen Wechselwirkung mit dem Trägermaterial sowie die Oxidationsstufe des Va- nadiums das Verhalten des Katalysators. Die Oxidationsstufe der aktiven Spezies V2O5 beträgt dabei nicht in jedem Fall +5, wie es die Summenformel beschreibt, sondern kann auch zum Teil +4 annehmen. So werden in der Literatur häufig mittlere Oxidationsstufen von etwa + 4,85 bis 4,9 angegeben, was einem Anteil von 10 bis 15 % an V4+ Zentren entspricht. Als geeignetes Trägermaterial hat sich bereits in den 1960er Jahren Titan(IV)-oxid der Modifi- kation Anatas erwiesen, was vor allem auf die synergistischen Effekte zwischen Träger und akti- ver Spezies zurückzuführen ist [18]. Rutil als zweite Modifikation in der Titan(IV)-oxid vorliegen kann, weist hingegen keine besondere Eigenschaft zur Steigerung der Aktivität und Selektivität auf, genauso wie Al2O3 oder SiO2. Die genaue Ursache für die Wechselwirkung zwischen Vana- diumpentoxid und Anatas ist noch nicht vollständig geklärt. Es bestehen allerdings deutliche Ähn- lichkeiten in der elektronischen Struktur der beiden Materialien. Desweiteren ist die Struktur des Vanadiumpentoxids von entscheidender Bedeutung. Monolagen von Vanadiumpentoxid auf Ana- tas weisen besonders gute Eigenschaften für die Oxidation von o-Xylol hinsichtlich Aktivität und Selektivität auf. Im Gegensatz dazu zeigen kristalline Strukturen deutlich geringere katalytische Aktivität und neigen zur Totaloxidation, ähnlich wie reines V2O5 oder TiO2 [22, 23]. Desweiteren wurde auch der Einfluss von Promotoren durch verschiedene Arbeitsgruppen untersucht, wobei die verschiedenen Ergebnisse sowohl für als auch gegen die Verwendung eines bestimmten Promotors sprechen, abhängig von der Art des Promotors und der Reaktion, die katalysiert wird [24–29]. Eine Präparation von V2O5/TiO2-Trägerkatalysatoren ist auf verscheidene Weise möglich. Die Modifikation des Trägers lässt sich nach der Hydrolyse eines Precursors in Gas- oder Flüssigpha- se (z.B. TiCl4 oder Ti(OtBu)4 etc.) durch die Temperatur beim Kalzinieren einstellen. Oberhalb von 823 K entsteht vor allem Rutil, während bei Temperaturen zwischen 600 und 773 K haupt- sächlich Anatas vorliegt [30, 31]. Bei der Herstellung der gewünschten Modifikation Anatas ist es möglich, über die Temperatur die spezifische Oberfläche des Trägermaterials einzustellen, wo- bei mit höheren Temperaturen geringere Oberflächen durch Sinterung entstehen. Zur Aufbringung von Vanadiumpentoxid auf den Träger haben sich drei Methoden als besonders geeignet erwiesen. In der Industrie wird Vanadiumpentoxid vor allem durch Imprägnierung von TiO2 mit Ammoni- ummetavanadat oder Vanadiumoxalat und anschließender Kalzinierung hergestellt. Der Nachteil hierbei ist, dass sich keine definierte Struktur einstellen lässt und somit auch kristalline Bestandtei- le vorhanden sein können, die ähnlich wie reines V2O5 eine geringere Selektivität und Aktivität für die o-Xylol-Oxidation aufweisen. Weitere Möglichkeiten zur Herstellung geeigneter Katalysato- ren sind das thermisch induzierte Spreiten von Vanadiumpentoxid auf Anatas sowie das Grafting. Beim Spreiten wird das vorher mechanisch gemischte feinpulvrige TiO2 und V2O5 bei Tempe- raturen zwischen 600 und 773 K mehrere Tage im Ofen behandelt. Aufgrund der Affinität von Vanadiumpentoxid zu Titandioxid und der geringen Grenzflächenspannung, benetzt (spreitet) die- 9 ses die TiO2-Oberfläche und bildet eine Monolage aus, wobei überschüssiges Vanadiumoxid als Kristallite bestehen bleibt [32, 33]. Beim Grafting wird ein Vanadiumprecursor (z.B. VOCl3 ) mit den OH-Gruppen der Oberfläche des Titandioxids umgesetzt, wobei nur eine Reaktion mit den freien OH-Gruppen erfolgen kann und somit keine höhere Belegung als ein Monolage möglich ist. Nach dem Kalzinieren liegt der V2O5/TiO2-Trägerkatalysator vor und kann nach einer weite- ren Hydrolyse mit Wasser auch mehrmals mit dem Precursor umgesetzt werden. Auf diese Weise können auch hier Beladungen erzielt werden, die mehreren Monolagen entsprechen [34–36]. 3.3 Kinetik Die Kinetik der o-Xylol-Oxidation wurde bereits von einer ganzen Reihe von Arbeitgsruppen un- tersucht und verschiedene kinetische Modelle unterschiedlicher Komplexität veröffentlicht. Die Modelle unterscheiden sich dabei sehr stark durch die zugrunde liegenden Reaktionsbedingungen und den verwendeten Katalysatoren. Die größten Schwierigkeiten bereiteten bei allen bisherigen Untersuchungen die Komplexität des Reaktionsnetzwerks und des Reaktionsmechanismus, die De- aktivierung des Katalysators sowie die Berücksichtigung der Temperaturverläufe. Die Modelle be- ziehen sich dabei meistens auf den Mars-van-Krevelen-Mechanismus bei dem ein quasi-stationärer Zustand zwischen der Oxidation des Kohlenwasserstoffs mit dem Sauerstoff des Katalysators (Re- duktion des Katalysators) und der Reoxidation des Katalysators mit dem Sauerstoff der Gasphase angenommen wird. Die frühen Modelle vor den 1990er Jahren wurden bereits ausgiebig von Wain- wright und Foster [18] sowie Nikolov et al. [19] diskutiert. 1977 untersuchten Calderbank et al. die Kinetik der katalysierten Selektivoxidation von o-Xylol mit Luftsauerstoff an kommerziellen Katalysatoren. Das dazugehörige Reaktionsnetzwerk ist in Abbildung 3.3 und die verwendeten Gleichungen zur Beschreibung der Reaktionsgeschwindigkei- ten sind in den Gleichungen 3.1 bis 3.6 dargestellt [37]. Bei den Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass im Bereich von 370 bis 440°C der Umsatz von o-Xylol bei niedrigen Konzentrationen Näherungsweise einer ersten Ordnung entsprach. Mit steigender Konzentration an o-Xylol und hö- herer Temperatur nähert sich die Reaktionsordnung den Wert 0 an. In Bezug auf Sauerstoff konnte ein entgegengesetztes Verhalten beobachtet werden, wobei bei niedrigen Temperaturen eine Re- aktionsordnung von 0 festgestellt werden konnte und oberhalb von 440°C eine Reaktionsordnung von 1. 10 Abbildung 3.3: Reaktionsnetzwerk der o-Xylol-Oxidation für das kinetische Modell nach Calder- bank [37]. oX: o-Xylol, TA: o-Toluylaldehyd, PH: Phthalid, PSA: Phthalsäurean- hydrid Kinetische Calderbank 1977 Gleichung k0 EA Nr. [kmolkg−1 s−1 Pa−1] [kJkmol−1] 1 3,828 ·105 69417 2 5,56 ·104 46473 3 3,58 ·104 54512 4 1,295 ·105 52586 5 3,190 ·105 38519 Tabelle 3.1: Geschwindigkeiteskoeffizienten nach Calderbank [37] r1 = k1 ·α ·PoX ,S (3.1) r2 = k2 ·α ·PTA,S (3.2) r3 = k3 ·α ·PoX ,S (3.3) r4 = k4 ·α ·PoX ,S (3.4) r5 = k5 ·α ·PPH,S (3.5) r6 = k6 ·α ·PPSA,S (3.6) Mit: α = kc ·PO2,S kc ·PO2,S +PA,S(m1k1 +m3k3 +m4k4)+PB,Sm2k2 +PC,Sm5k5 +PD,Sm6k6 (3.7) 11 Kinetische Katalysator O 4-26 Katalysator O 4-28 Gleichung k0 EA k0 EA Nr. [kmolkg−1 s−1 Pa−1] [kJkmol−1] [kmolkg−1 s−1 Pa−1] [kJkmol−1] 1 2,3406 ·105 69417 1,5493 ·105 69417 2 3,2424 ·104 46473 2,3305 ·104 46473 3 2,1785 ·104 54512 1,4388 ·104 56312 4 7,7514 ·104 52586 5,2993 ·104 52586 5 1,9495 ·105 38519 1,2970 ·105 38519 Tabelle 3.2: Geschwindigkeiteskoeffizienten nach Anastasov auf Basis des Calderbank-Modells [5] Die Gleichungen 3.1 bis 3.6 für die Reaktionsgeschwindigkeit der Einzelreaktionen im Reakti- onsnetzwerk gemäß Abb. 3.3 ergeben die folgenden Gleichung für die Stoffmengenänderungsge- schwindigkeiten entlang der axialen Koordinate x eines idealen Strömungsrohrreaktors: −γ d poX dx = r1 + r3 + r4 = kga(poX − poX ,S) (3.8) γ d pTA dx = r1− r2 = kga(pTA,S− pTA) (3.9) γ d pPH dx = r2− r5 = kga(pPH,S− pPH) (3.10) γ d pPSA dx = r5 + r4− r6 = kga(pPSA,S− pPSA) (3.11) Mit: γ = G0 M̄PT ρKat(1− ε) (3.12) Anastasov et al. führten ihre Experimente zur o-Xylol-Oxidation im industriellen Massstab, produktionsbegleitend in der Anlage ORGAHIM-Russe (Bulgarien) durch, wobei verschiedene kommerzielle Katalysatoren (ein alter Katalysator für Beladungen bis 40 g/m3 und State-of-the- Art-Katalysatoren O 4-26 und O 4-28 für Beladungen von 60 bzw. 80 g/m3 der BASF) herange- zogen wurden [5]. Nach der Modernisierung der Anlage wurden weitere Katalysatoren eingesetzt und die alten sowie neuen Prozessdaten sollten mittels eines kinetischen Modells überprüft wer- den. Um ein gängiges kinetisches Modell nach längerer Laufzeit der Katalysatoren mittels expe- rimenteller Daten zu verifizieren, wurde das Modell von Calderbank et al. (1977, Abbildung 3.3) herangezogen. Dabei konnte gezeigt werden, dass dieses Modell nur für Beladungen bis 40 g/m3 gute Übereinstimmungen ergibt. Bei höheren Beladungen wies das Modell hingegen deutliche Ab- weichungen auf und die präexponentiellen Faktoren sowie die Aktivierungsenergien wurden neu bestimmt (Tabelle 3.2). 12 Das resultierende Modell wies gute Übereinstimmung für die beiden o-Xylol-Konzentrationen (60 bzw. 80 g/m3) auf. Als Nachteil bleibt aber die Tatsache bestehen, dass das Modell von Cal- derbank nicht die Reduktion und Reoxidation des Katalysators berücksichtigt und damit nicht auf dem Mars-van-Krevelen Mechanismus der schrittweisen Oxidation entspricht. Des Weiteren wird durch die Möglichkeit einer direkten Bildung von Phthalsäureanhydrid aus o-Xylol und damit feh- lender Berücksichtigung von Zwischenprodukten die Bewertung des Einflusses von verschiedenen Reaktionsbedingungen und Katalysatoren erschwert. Dias et al. veröffentlichten eine detaillierte mathematische Studie zur Modellierung und Analyse des Reaktionsnetzwerks der o-Xylol Oxidation [38] auf Basis der experimentellen Daten der vor- hergehenden Veröffentlichungen [6, 14, 15]. Dabei wurden neben o-Xylol auch o-Toluylaldehyd als Edukte verwendet, um so eine breitere Datenbasis zu generieren und Teilschritte der Oxidati- on zu Phthalsäureanhydrid genauer untersuchen zu können. Dabei wurde das Reaktionsnetzwerk in Abbildung 3.4 für die o-Xylol-Oxidation aufgestellt und das dazugehörige kinetische Modell mittels numerischer Algorithmen an die experimentellen Daten angepasst [38]. Abbildung 3.4: Reaktionsnetzwerk für die Oxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid nach Dias et al., oX: o-Xylol, TA: o-Toluylaldehyd, PH: Phthalid, PSA: Phthalsäurean- hydrid, RS: organische Rückstände (Koks) [38] 13 −roX = k jΘoX −Ki poX (3.13) rTA = KbΘTA−Ka pTA (3.14) rPH = KdΘPH−Kc pPH (3.15) rPSA = K f ΘPSA−Ke pPSA (3.16) rRS = KhΘRS−Kg pRS (3.17) rCO2 = k5ΘTA + k14ΘoX + k8ΘPH + k9ΘPSA + k10ΘRS (3.18) Die Herleitung der Parameter A’ bis L’ ist in der Arbeit zur Modellierung und Analyse des Re- aktionsnetzwerks der o-Xylol-Oxidation von Dias et al. dargestellt [38]. Diese Parameter sind Konstanten die von dem Adsorptions-Desorptions-Gleichgewicht und den kinetischen Konstanten abhängen. Die resultierenden Ausbeuten in Abhängigkeit vom Umsatzgrad der einzelnen Kompo- nenten lassen sich nach Gleichungen (3.19) bis (3.23) berechnen. dYTA dX = A′−B′ YTA 1−X (3.19) dYPH dX =C′+D′ YTA 1−X −E ′ YPH 1−X (3.20) dYPSA dX = F ′+G′ YTA 1−X +H ′ YPH 1−X − I′ YPSA 1−X (3.21) dYRS dX = J′+K′ YTA 1−X −L′ YRS 1−X (3.22) dYCO2 dX = 1− YTA 1−X − YPH 1−X − YPSA 1−X − YRS 1−X (3.23) Die von Dias et al. ermittelten Parameter sind in Tabelle 3.3 dargestellt. Durch die Analyse des Reaktionsnetzwerkes konnten von Dias et al. einige Reaktionspfade aus- geschlossen und ein vereinfachtes Reaktionsschema der schrittweisen Selektivoxidation von o- Xylol entwickelt werden. So wurde die Bildung von Phthalid oder Phthalsäureanhydrid direkt aus o-Xylol im Gegensatz zu früheren Modellen ausgeschlossen, da die Parameter C’ und F’ für alle Bedingungen 0 ergaben. Ebenso entfiel die Bildung von Phthalsäureanhydrid aus o-Toluylaldehyd, was sich aus den Ergebnissen der Oxidation von o-Toluylaldehyd ergab. Des Weiteren konnten Dias et al. zeigen, dass an der Bildung der polymeren Rückstände hauptsächlich o-Xylol und o-Toluylaldehyd beteiligt sind. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten zeigte sich hier, dass Tota- loxidationsprodukte auch von allen anderen Zwischenprodukten gebildet werden können. Dabei wurde die Vermutung geäußert, dass vor allem Lewis-Säure-Zentren bei starker Wechselwirkung mit Aromaten dafür verantwortlich sein könnten [6]. 14 Temperatur [◦C] Parameter 260 300 320 340 360 A’ 0,29 0,12 0,09 0,06 0,03 B’ 5,02 0,90 2,00 1,24 0,09 C’ 0 0 0 0 0 D’ 1,47 5,24 2,94 1,35 10 E’ 0,56 9,41 1,43 0,15 7 F’ 0 0 0 0 0 G’ 5,5 10,41 11,85 14,5 18,00 H’ 0,56 2,01 3,01 1,0 22,14 I’ 0 0,72 0,03 0,09 2,14 J’ 0,62 0,73 0,92 0,94 0,98 K’ 1,92 1,64 0 0 0 L’ 1,39 2,90 3,39 1,82 2,38 r 0,987 0,983 0,986 0,981 0,925 Tabelle 3.3: Geschwindigkeitskonstanten des Modells von Dias et al. [38], wobei r den Korrelati- onskoeffizient angibt. Papageorgiou und Fromment et al. führten ihre Untersuchungen an einem integralen Festbettre- aktor mit einem industriellen Katalysator (japanischen Typs) unter isothermen Bedingungen durch [39]. Die Isothermie wurde dabei durch eine starke Verdünnung des Katalysators mit SiC gewähr- leistet, wobei in mehreren Lagen vom Eingang zum Ausgang die Verdünnung reduziert wurde. Mit Hilfe der experimentell gewonnenen Daten stellten sie ein kinetisches Modell auf, in dem die oxidierten und reduzierten Zentren des Katalysators berücksichtigt wurden. Mit diesem Modell betrachteten sie zwei Fälle, einmal die Reoxidation der aktiven Zentren und einmal die Oxidation der aromatischen Komponenten als geschwindigkeitsbestimmenden Schritt. Die experimentellen Daten zeigten allerdings, dass nur der zweite Fall relevant war. Das Modell stellt damit eine Erwei- terung des Hougen-Watson-Geschwindigkeitsansatzes dar, das eine detaillierte Berücksichtigung der Wechselwirkung der Reaktanden mit den aktiven Zentren des Katalysators mit einbezieht. Das Modell in Abbildung 3.5 beinhaltet dabei die folgenden Reaktionsschritte: • Die Dissoziative Chemisorption von Sauerstoff an den reduzierten aktiven Zentren: l+ 1 2 O2 ko−−⇀↽−− kor lo K′o = ko kor • Die Adsorption der aromatischen Komponenten (AK) o-Xylol (oX) und o-Toluylaldehyd (TA) an den oxidierten aktiven Zentren: AK+ lo −−⇀↽−− AK−lo K′A = AK−lo pAK lo 15 Abbildung 3.5: Reaktionsschema der Oxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid nach Papage- orgiou et al. [39]. oX: o-Xylol, TA: o-Toluylaldehyd, PH: Phthalid, PSA: Phthal- säureanhydrid, C: CO und CO2. • Die Adsorption der aromatischen Komponenten o-Toluylaldehyd (TA), Phthalid (PH) und Phthalsäureanhydrid (PSA) an den reduzierten aktiven Zentren: AK+ l−−⇀↽−− AK−l K′B = AK−l pAK l • Und die Oxidation der adsorbierten Komponenten: oX−lo + lo k′1−−→ TA−l+ l r1 = k′1(oX− lo)(lo) TA−l+ lo k′2−−→ PH−l+ l r2 = k′2(TA− l)(lo) TA−lo + lo k′3−−→ PSA−l+ l r3 = k′3(TA− lo)(lo) PH−l+ lo k′4−−→ PSA−l+ l r4 = k′4(PH− l)(lo) oX−lo + lo k′5−−→ C−l+ l r5 = k′5(oX− lo)(lo) 16 In seiner Grundform (siehe Gln. (3.24) bis (3.28)) sind bis auf Toluylsäure und Maleinsäurean- hydrid alle wesentlichen Spezies enthalten, die im Rahmen der experimentellen Arbeiten analy- tisch erfasst werden konnten. d poX dt = −(k1 + k5) · poX · pO2 DEN (3.24) d pTA dt = k1 · poX · pO2− pT (k2 √pO2 + k3 · pO2) DEN (3.25) d pPH dt = (k2 · pTA− k4 · pPH) √pO2 DEN (3.26) d pPSA dt = k3 · pTA · pO2 + k4 · pPH · √pO2 DEN (3.27) d pC dt = k5 · poX · pO2 DEN (3.28) Mit: DEN = [ 1+Ko · √ pO2 +KA(poX + pTA) √ pO2 +KB(pTA + pPH + pPSA) ]2 (3.29) k1 = k′1K′AK′o 2 (3.30) k2 = k′2K′BK′o (3.31) k3 = k′3K′AK′o 2 (3.32) k4 = k′4K′BK′o (3.33) k5 = k′5K′AK′o 2 (3.34) kA = K′AK′o (3.35) kB = K′B (3.36) Ko = K′o (3.37) Wie anhand der Gln. (3.24)) bis (3.28) zu erkennen ist, wird o-Xylol (Komponente oX) durch zwei Reaktionen verbraucht, deren Geschwindigkeitskoeffizienten durch k1 und k5 dargestellt sind. Dabei stellt die Reaktion 1 die Oxidation zu Toluylaldehyd (Komponente TA) dar, während Reak- tion 5 die Bildung von Totaloxidationsprodukten (Komponente C) darstellt. Im weiteren Verlauf wird Toluylaldehyd zum einen über Reaktion 3 direkt zu Phthalsäureanhydrid (Komponente PSA) und zum anderen über Reaktion 4 zu Phthalid (Komponente PH) umgesetzt. Reaktion 4 lässt sich dabei als abgekürzter Reaktionsweg mit der Bildung von Phthaldialdehyd bzw. Phthalsäure verste- hen, die weiter zu Phthalsäureanhydrid reagieren können. Dieser Reaktionsweg ist in der Arbeit zum Reaktionsnetzwerk der o-Xylol-Oxidation von Marx et al. enthalten [17]. 17 Nach diesem relativ einfachen Reaktionsschema ist die Bildung von Totaloxidationsprodukten nur von der Konzentration an o-Xylol abhängig. Der Grund für diese Annahme ist, dass o-Xylol an Brønsted-Säure-Zentren mit Sauerstoff unter anderem zu polyzyklischen Aromaten oder an- deren organischen Rückständen kondensieren bzw. reagieren kann, welche wiederum als Quellen für Kohlenstoffoxide dienen [15, 40, 41]. Im Gegensatz zu anderen Kohlenwasserstoffen weißt Phthalsäureanhydrid durch das 5-Ring-Anhydrid eine sehr stabile Struktur auf. Die weitere Oxi- dation ist daher im Gegensatz zu vielen anderen Oxidationsprodukten von Kohlenwasserstoffen, wie beispielsweise den Aldehyden, durch eine hohe Aktivierungsenergie deutlich erschwert. Da- durch wird in den meisten kinetischen Modellen die weitere Oxidation von Phthalsäureanhydrid vernachlässigt, da sie erst bei Umsätzen nahe 100 % auftritt und je nach Reaktionsbedingungen sehr gering ausfällt [18, 19, 42]. 3.4 Mikroverfahrenstechnik Die Mikroverfahrenstechnik ist eine vergleichsweise junge Disziplin der chemischen Verfahrens- technik. Sie beschäftigt sich mit der Analyse, Auslegung und Entwicklung technisch-chemischer Apparate, deren interne Strukturen zumindest in einer Dimension 1 mm oder kleiner sind. Erste Arbeiten bezüglich verfahrenstechnischer Mikroapparaturen stammen vom Ende der 1980er Jah- re. So beschreibt ein Patent von 1986 aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik miniaturisierte verfahrenstechnische Apparate und deren Herstellung. Die Apparate besaßen dabei eine Stapelbauweise mit mehreren Funktionsebenen, deren Strukturen beispielsweise durch Ätz- oder Fräsverfahren hergestellt werden sollten [43]. Ein weiteres Beispiel findet sich in einer Ar- beit von 1989 von Schubert et al. [44] vom Forschungszentrum Karlsruhe. Der darin beschriebene mikrostrukturierte Kreuzstrom-Wärmeübertrager war ebenfalls in Stapelbauweise gefertigt, wobei die Mikrostruktur in Plättchen aus 100 µm dicken Folien durch Präzisionszerspanung eingearbei- tet wurde. Mit einem Apparatevolumen von nur einem Kubikzentimeter war bei einer mittleren Temperaturdifferenz von ca. 59◦C eine Wärmeübertragerleistung von mehr als 19 kW ermittelt worden. Mitte der 1990er Jahre erfuhr die Mikroverfahrenstechnik einen deutlichen Schub durch Ar- beitsgruppen aus Forschung und Industrie, um das Potential dieser Apparate auszuloten [45–47]. Mikrostrukturierte Apparate haben sich seitdem als wirksames Werkzeug zur reaktionstechnischen Untersuchung chemischer Reaktionen und in der Herstellung von Fein- und Spezialchemikalien sowie pharmazeutischen Produkten etabliert. In den nachfolgenden Abschnitten werden daher die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe und Grundlagen aus diesem Gebiet näher erläutert. 18 3.4.1 Mikrostrukturreaktoren Nach [48] handelt es sich bei Mikrostrukturreaktoren um Reaktoren, deren dreidimensionale Struk- turen von den Abmessungen her zumindest in einer Dimension unterhalb von 1 mm liegen. Die Abmessungen der Strukturen liegen oftmals im Bereich von mehreren 100 µm, seltener bis zu we- nigen 10 µm [49–51]. Zur Herstellung werden je nach angestrebten Dimensionen und verwendeter Materialien nicht nur mikrotechnologische Fertigungsverfahren wie Ätz- oder Lithographietech- niken verwendet [52, 53], sondern auch verschiedene Frästechniken und 3D-Druck [43, 54, 55]. Während für Laboruntersuchungen oft einzelne Kanäle oder Kapillaren ausreichend sind, wer- den für Pilotanlagen oder bei der Übertragung vom Labor in die Produktion („Scale-Up“) größere Reaktoren für den entsprechend höheren Durchsatz benötigt. Da eine Vergrößerung der Kanal- durchmesser nur sehr begrenzt möglich ist, um im Submillimeter-Bereich zu bleiben, wird meist die Anzahl der Kanäle erhöht und mehrere Reaktionsmodule in Stapelbauweise verbunden („Num- bering-Up“). Durch diese Art der Parallelisierung ist eine relativ einfache Vergrößerung des Reak- tionsvolumens möglich. Eine größere Herausforderung stellt die Gleichverteilung der Eduktströme auf die Kanäle bzw. Platten dar, um die enge Verweilzeitverteilung beizubehalten, die für Mikrostrukturreaktoren ty- pisch ist [56]. Eine genaue Charakterisierung der Strömungsverhältnisse im Reaktor kann bei- spielsweise mittels CFD-Simulationen und/oder experimenteller Bestimmung der Verweilzeitver- teilung erreicht werden und zur Reaktorentwicklung beitragen [57–59]. Bei mehrphasigen Sys- temen wie Flüssig-Flüssig- oder Gas-Flüssig-Reaktionen ist die Kontaktierung beider Fluide von großer Bedeutung. Die Ausbildung einer möglichst großen Phasengrenzfläche zwischen beiden Fluiden ist für einen schnellen Stofftransport unabdingbar, um eine Stofftransportlimitierung, ins- besondere bei schnellen Reaktionen, zu vermeiden. Als eine sehr effektive Methode hat sich dabei das Prinzip der Multilamination erwiesen, wobei die nicht-mischbaren Phasen in dünnen Schichten alternierend zueinander in Kontakt gebracht werden [60, 61]. Während mikrostukturierte Reaktoren in der Forschung relativ häufig Verwendung finden, um Reaktionen auch unter drastischen Bedingungen isotherm und ohne Strofftransportlimitierung un- tersuchen zu können, sind sie in der Produktion nur selten zu finden. In der großtechnischen Pro- duktion findet man neben pharmazeutischen Wirkstoffen vor allem Fein- und Spezialchemikali- en, daher hochpreisige Produkte, die meist durch komplexe und/oder empfindliche Reaktionen oder aufwendige Reinigungsschritte gekennzeichnet sind. Diese Produkte werden üblicherweise in Rührkesselreaktoren hergestellt, wobei durch die Limitierung von Stoff- und Wärmetransport in diesen Reaktoren oft Einbußen in Selektivität und Ausbeute oder sehr lange Reaktionszeiten in Kauf genommen werden müssen. Die Übertragung dieser Reaktionen aus dem Batch-Betrieb in den kontinuierlichen Betrieb unter Einsatz der Mikrostrukturreaktoren eröffnete hier eine Viel- zahl neuer Möglichkeiten [52]. Vor allem stark exotherme organische Synthesen (z.B. Grignard- 19 Reaktionen, Nitrierungen) oder sicherheitstechnisch bedenkliche Synthesen bzw. Eduktgemische konnten durch die besonderen Eigenschaften mikrostrukturierter Reaktoren erfolgreich durchge- führt werden. Die Produktion im kontinuierlichen Betrieb erlaubte deutlich kleinere Reaktoren und Anlagen, was auch die Flexibilität erhöht, um auf Nachfragen des Marktes reagieren zu können [52, 53]. Beispiele für diese Entwicklung finden sich unter anderem bei den Firmen Merck, Sigma Aldrich oder Lonza [54, 62, 63]. In großtechnischen Anlagen zur Herstellung von Massenchemikalien konnten sich Mikroreak- toren noch nicht etablieren. Untersuchungen zu diesen oftmals heterogen katalysierten Reaktio- nen sind bislang noch nicht über den Pilot-Maßstab hinausgekommen. Im Rahmen des DEMiS®- Projekts wurde beispielsweise die Epoxidierung von Propen mittels Wasserstoffperoxid in der Gasphase untersucht. Dabei sollte das Reaktordesign und die betriebliche Durchführbarkeit für den Einsatz mikrostrukturierter Reaktoren zur Produktion von Massenchemikalien evaluiert wer- den [64, 65]. Herausforderungen waren dabei neben der Übertragung vom Labor- in den Pilot- Maßstab, bei Beibehaltung der Wärme- und Stofftransporteigenschaften, die Einbringung ausrei- chender Mengen an Katalysator und die sichere Verdampfung des Wasserstoffperoxids möglichst nah am Katalysator, um eine Zersetzung zu vermeiden. Die Einbringung heterogener Katalysatoren in Mikroreaktoren ist dabei alles andere als trivial. Zwar ist es möglich, die Katalysatoren analog von Rohrreaktoren als Schüttung im Kanal zu ver- wenden, allerdings ist der hohe Druckverlust, vor allem bei kleinen Partikeldurchmessern und ho- hen Durchflüssen, oft nicht erwünscht. Neben teilweise recht aufwendigen Methoden wie der che- mischen Gasphasenabscheidung (chemical vapor deposition, CVD) oder der anodischen Oxidation und anschließender Imprägnierung der mesoporösen Oxidschicht, hat sich vor allem der Einsatz von Suspensionen zur Katalysatorbeschichtung etabliert [66, 67]. Insbesondere die Verwendung von Suspensionen zur Aufbringung der Beschichtung („washcoat“) ist durch den jahrzehntelangen Einsatz zur Herstellung von beispielsweise Monolith-Katalysatoren für die Abgasnachbehandlung oder Schalenkatalysatoren erprobt. Ein weiteres Verfahren, welches im Rahmen des sogenannten DEMiS®-Projekts entwickelt wurde, ist ein Niederdruckspritzverfahren [68]. Dieses Verfahren er- laubt abhängig von den physikalischen Eigenschaften des Katalysators die Aufbringung poröser sowie thermisch und mechanisch belastbarer Schichten von mehreren 100 µm und wurde im Rah- men dieser Arbeit verwendet, um die Wandkatalysatoren herzustellen. 3.4.2 Mikroreaktionstechnik Die Mikroreaktionstechnik beschäftigt sich mit der Durchführung chemischer Reaktionen in Mi- krostrukturreaktoren und deren Auslegung. Dabei kommen die gleichen Prinzipien und Vorgehens- weisen wie bei der klassischen Reaktionstechnik zum Einsatz, allerdings unter Berücksichtigung der Submillimeter-Maßstäbe in wenigstens einer Dimension, die für mikrostrukturierte Reakto- 20 ren typisch ist [69, 70]. Die Vorteile dieser Reaktoren lassen sich in den meisten Fällen auf die geringen lateralen Abmessungen ihrer inneren Strukturen zurückführen, die oft als „Mikroeffek- te“ bezeichnet werden. Dies sind Skalierungseffekte, die in makroskopischen Anlagenbauteilen vernachlässigt werden können. Grundlegende verfahrenstechnische Effekte sind nach [56]: • Intensivierung des Stofftransports ṅ = D ∆c ∆x • Intensivierung des Wärmetransports Q̇ = λ ∆T ∆x • Hohe spezifische Oberfläche aV = A V Da in makroskopischen Apparaten meist turbulente Strömungsverhältnisse herrschen, die für den Stoff- und Wärmetransport relevant sind, können dort Diffusionsprozesse aufgrund der großen lateralen Abmessungen oftmals vernachlässigt werden. Im Gegensatz dazu liegen bei den gerin- gen lateralen Dimensionen im Submillimeter-Bereich mikrostrukturierter Bauteile laminare Strö- mungsverhältnisse vor. Unter diesen Bedingungen sind Diffusionsprozesse senkrecht zur Strö- mungsachse beispielsweise für den Stofftransport von entscheidender Bedeutung. Durch die geringe Abmessung der internen Strukturen ergibt sich ein hohes Oberfläche-zu- Volumen-Verhältnis. Die geringen lateralen Abmessungen und daraus folgende hohen Oberflächen im Vergleich zum Volumen bedingen ein Steigerung der maximal zulässigen Wärmeströme gegen- über konventionellen Reaktoren von vier bis sechs Größenordnungen [71]. Außerdem erhöht die große Oberfläche im Mikrostrukturreaktor die Rekombinationswahrscheinlichkeit von Radikalen. Dadurch wird das Risiko von Kettenexplosionen verringert, wobei die Möglichkeit einer Explo- sion mit kleiner werdendem Kanal-Querschnitt abnimmt bzw. das Potential eine Explosion zu quenchen zunimmt [62, 72, 73]. In Mikrostrukturreaktoren sind daher stark exotherme Reaktio- nen oder auch explosionsfähige Reaktionsmischungen sicherer handhabbar als in konventionellen Reaktoren. Dies bedeutend allerdings nicht, dass es eine inhärente Sicherheit bei der Verwendung mikrostrukturierter Reaktoren gibt, wie Arbeiten am Bundesamt für Materialforschung und Prü- fung gezeigt haben [74–76]. 3.4.3 Neue Prozessfenster Wie Volker Hessel et. al. berichten, lässt sich unter Anwendung neuer Prozessfenster eine Um- stellung der Prozessführung von der heute üblichen, durch Wärme- und Stofftransportlimitierung begrenzten effektiven Kinetik, zur intrinsischen Kinetik der Reaktion bewirken. Hessel et. al. defi- nieren hierzu die vorher allgemein als „drastische Reaktionsbedingungen“ bezeichnete Art Reak- tionen ablaufen zu lassen mit dem Begriff „neue Prozessfenster“ [10–12]. Die neuen Prozessfenster umfassen 6 neue Möglichkeiten Reaktionsprozesse durchzuführen: 21 • neue chemische Umwandlungen • Reaktionsrouten bei stark erhöhter Temperatur • Reaktionsrouten bei stark erhöhtem Druck • Reaktionsrouten bei stark erhöhter Konzentration bzw. ohne Lösemittel • Prozessintegration • Reaktionsrouten im Explosionsbereich oder Reaktionen, die thermisch durchgehen Ziel der Anwendung der neuen Prozessfenster ist eine Verschiebung der Reaktionsdauer vie- ler Reaktionen vom Bereich 100 s bis 1.000 s in den einstelligen Sekundenbereich. Hessel et. al. führen in ihren Publikationen einige EU-Initiativen an, die zum Ziel haben die chemische Pro- duktion unter Anwendung der neuen Prozessfenster nachhaltiger, kostengünstiger und flexibler zu gestalten. In dieser Arbeit wurde die Oxidation von o-Xylol im Explosionsbereich im Mikrostrukturreak- tor untersucht. Dabei wurden Konzentrationen von bis zu 5 Vol.-% o-Xylol in Luft verwendet und zwischen 7 und 25 Vol.-% o-Xylol stöchiometrisch mit Sauerstoff (21 - 75 Vol.-% O2, Rest N2) im Feed eingesetzt. Die untersuchten Konzentrationen sind in Abbildung 4.4 (Seite 37) in einem Dreiecksdiagramm dargestellt. Damit wurde das Konzentrationsniveau gegenüber dem Industrie- prozess erheblich angehoben (max. 2,3 Vol.-% o-Xylol beim BASF-Prozess). Da selbst die Selek- tivoxidation von o-Xylol zu Phthalsäureanhydrid stark exotherm ist (∆RH = -1108,7 kJ/mol, ∆CH = -4380 kJ/mol), benötigt man eine Technologie, die in der Lage ist die entstehende Reaktions- wärme, bei diesen hohen Konzentrationen und dem Vorliegen explosionsfähiger Eduktgemische, abzuführen. Herkömmliche Rohrbündelreaktoren können die Reaktionswärme bei so hohen Kon- zentrationen nicht mehr ausreichend abführen, da die Transportwege aus dem Kern der Schüttung bis zur Reaktorwand zu groß sind. Dies hat zur Folge, dass ein thermisches Durchgehen der Re- aktion und damit eine Wärmeexplosion auftreten kann. Für die Reaktionsführung in dieser Arbeit wurde daher ein Mikrostrukturreaktor gewählt. Eine ähnliche Reaktionsführung im Mikrostruktur- reaktor wurde bisher z.B. für die Synthese von Ethylenoxid und Wasserstoffperoxid angewendet [9, 53, 73, 77–80]. Kestenbaum et. al. untersuchten die Oxidation von Ethylen zu Ethylenoxid an polykristallinen Silberkatalysatoren und an Silberkatalysatoren auf einem α-Al2O3-Träger unter Verwendung von Mikrostrukturreaktoren, die speziell auf industrielle Bedingungen zugeschnitten waren. Sie arbeiteten mit Ethylenkonzentrationen von 3 bis 15 Vol.-% im Feed. 15 Vol.-% Ethy- len wurden dabei in reinem Sauerstoffstrom umgesetzt. Diese Feedzusammensetzung befindet sich nach Kestenbaum et. al. in der Mitte des Explosionsbereiches. Trotzdem konnte die Reaktion si- cher durchgeführt werden. Insbesondere bei den hohen Sauerstoffkonzentrationen erhielten Kes- 22 tenbaum et. al. sehr hohe Selektivitäten bezüglich Ethylenoxid. Inoue et. al. erforschten die Syn- these von Wasserstoffperoxid in Glasmikroreaktoren an Pd/C und Pt/Al2O3-Katalysatoren durch direkte Umsetzung von Wasserstoff mit Sauerstoff bei Raumtemperatur und Drücken bis 1 MPa. Auch sie konnten explosive Mischungen sicher handhaben [81]. 3.5 Reaktionstechnische Kennzahlen Im folgenden Abschnitt werden die dimensionslosen Kennzahlen, die in Abschnitt 5.7 verwen- det werden, näher erläutert. Die Reynolds-Zahl wird in der Strömungslehre verwendet und kann als das Verhältnis von Trägheits- zu Zähigkeitskräften bzw. als das Verhältnis von spezifischer Impulskonvektion zu Impulsdiffusion im System verstanden werden. Es zeigt sich, dass das Tur- bulenzverhalten geometrisch ähnlicher Körper bei gleicher Reynolds-Zahl identisch ist. Für die Charakterisierung des Strömungsprofils in einem Reaktor oder einer Rohrleitung wird mittels der mittleren Strömungsgeschwindigkeit ū, der Fluiddichte ρ , der charakteristischen Länge lc und der dynamischen Viskosität η die Reynolds-Zahl Re (Gleichung 3.38) berechnet. Die charakteristi- sche Länge bezieht sich dabei auf die Geometrie des durchströmten Rohrquerschnitts oder der Formkörper bei durchströmten Schüttungen, wobei im Falle von Schüttungen von der Partikel- Reynolds-Zahl Rep gesprochen wird (siehe Gleichung (3.39)). Die Reynolds-Zahl erlaubt eine entsprechende Aussage darüber, ob eine turbulente oder laminare Strömung vorliegt. Re = u · lc ·ρ η (3.38) Rep = u ·dp ·ρ (1− ε) ·η (3.39) Für kleine Reynolds-Zahlen in einem Lehrrohr liegt eine laminare Strömung vor, wobei an den Wänden die Strömungsgeschwindigkeit gegen Null geht und im Kern der Strömung ein Maxi- mum erreicht wird und somit das Strömungsprofil eine parabolische Form annimmt. Bei voll aus- gebildeten turbulenten Strömungen ist die Strömungsgeschwindigkeit hingegen nahezu konstant über den gesamten Rohrquerschnitt. Als Übergangsbereich zwischen laminarem und turbulentem Strömungsregime in leeren Rohren, wird häufig eine Reynolds-Zahl von 2300 zitiert, wobei der Übergangsbereich bis 104 reichen kann [82]. In Schüttungen von Festbett-Reaktoren und insbe- sondere in Mikrostrukturreaktoren liegt dieser Übergangsbereich deutlich niedriger. Nach Eisfeld und Schnitzlein liegt der Übergangsbereich für die Partikel-Reynolds-Zahl zwischen 10 und 300 [83]. 23 Die Schmidt-Zahl Sc (Gleichung (3.40)) ist eine dimensionslose Kennzahl, die den diffusen Impulstransport zum diffusen Stofftransport ins Verhältnis setzt. Zur Berechnung wird der Quotient aus der dynamischen Viskosität und der Fluiddichte sowie dem Diffusionskoeffizienten gebildet. Sc = η ρ ·D = Pé Re (3.40) Die Schmidt-Zahl kann auch als Quotient der Péclet-Zahl und der Reynolds-Zahl verstanden wer- den. Die Péclet-Zahl (Gleichung (3.41) ) beschreibt dabei das Verhältnis von konvektiven und dif- fusiven Transportprozessen. Sie wird sowohl in Betrachtungen zum Stofftransport als auch zum Wärmetransport herangezogen. Neben der mittleren Strömungsgeschwindigkeit (ū) kommt die charakteristische Länge (hier lc) sowie der Diffusionskoeffizient zum Tragen. Für den Stofftrans- port gilt folgende Gleichung: Pé = ū · lc D (3.41) Für den Wärmetransport ist die Péclet-Zahl folgendermaßen definiert. Pé = lc · ū ·ρ · cp λ = Re ·Pr (3.42) Für die Beschreibung von Wärmetransportvorgängen (Gleichung (3.42)) sind demnach die fluidi- schen Eigenschaften wie Dichte (ρ) und spezifische Wärmekapazität (cp) sowie die Wärmeleitfä- higkeit (λ ) ausschlaggebend. Die Bodenstein-Zahl (Gleichung (3.43)) dient in der Reaktionstechnik zur Charakterisierung der axialen Rückvermischung in einem Reaktor. Sie ist damit als Verhältnis zwischen Konvektions- strom und Dispersionsstrom im betrachteten Reaktionsraum definiert. Für einen idealen Rührkes- sel würde man aufgrund der vollständigen Durchmischung eine Bodensteinzahl von 0 erhalten. Im Gegensatz dazu würde bei einem idealen Strömungsrohr ohne axiale Rückvermischung die Boden- steinzahl unendlich groß sein. In der Regel wird für Reaktoren ab einer Bodenstein-Zahl größer 100 zur einfachen Beschreibung das Verhalten eines idealen Strömungsrohres angenommen [56, 84]. Für vollentwickelte laminare Strömungen in Rohren gilt nach Taylor unter Vernachlässigung der axialen Diffusion [85]: Bo = 192 Re ·Sc = 192 · L ·Di u · s2 = Pé ax L s = 192 Re ·Sc · L s = 192 · L ·Di u · s2 (3.43) 24 Bo = u ·L Dax = Pé ax L lc (3.44) Als dimensionslose Kennzahl bildet die Prandtl-Zahl die Stoffwerte des Fluids ab und beschreibt das Verhältnis zwischen innerer Reibung (kinematischer Viskosität - υ) und der Temperaturleitzahl (a). Dabei kann ν durch η ·ρ−1 und a durch λ ·ρ−1 ·c−1 p ersetzt werden, wie in Gleichung 3.45 zu sehen ist. Pr = υ a = η · cp λ (3.45) Für die dimensionslose Beschreibung des Wärmeübergangskoeffizienten führte Nusselt die so- genannte Nusselt-Zahl ein, die das Verhältnis zwischen Wärmestrom und Wärmeleitung darstellt. Dabei ist der Wärmeübergangskoeffizient durch α gegeben, die Wärmeleitfähigkeit durch λ und die charakteristische Länge (z.B. Rohr-Innendurchmesser) durch lc. Je nach Geometrie, Strö- mungsregime und Fluid kann die Nusselt-Zahl auch mittels der Reynolds und Prandtl-Zahl ab- geschätzt werden, wobei C von der Bauart beispielsweise eines Wärmetauschers abhängt [86, 87]. Nu = α · lc λ =C ·Rem ·Prn (3.46) Analog gilt für den Stofftransport die Sherwood-Zahl: Sh =C ·Rem ·Scn = β · lc Di (3.47) Für die Berechnung des Umsatzgrades eines Stoffes i (Edukt) wird Gleichung 3.48 verwendet. Dabei wird die Stoffmenge n des Stoffes i zum Zeitpunkt 0 (ni,0) oder im Falle eines kontinuierli- chen Systems der Stoffmengenstrom am Reaktoreingang (ṅi,0) mit dem am Reaktorausgang bzw. zu einem definierten Zeitpunkt (ni) verrechnet und mit dem Anfangswert ins Verhältnis gesetzt. Xi = ni,0−ni ni,0 = 1− ni ni,0 (3.48) Um die Ausbeute des Produktes k einer chemischen Reaktion zu bestimmen, wird der Quotient aus dessen gebildeter Menge (Endwert minus Ausgangswert) mit der Menge des Eduktes unter 25 Berücksichtigung der stöchiometrischen Verhältnisse berechnet (siehe Gleichung 3.49). Yk = nk−nk,0 ni,0 · |υi| |υk| (3.49) Für die Berechnung der Selektivität zu Produkt k (siehe Gleichung 3.50) wird der Quotient aus der gebildeten Menge des Stoffes k und der umgesetzten Menge an Edukt unter Berücksichtigung der stöchiometrischen Verhältnisse berechnet. Sk = nk−nk,0 ni,0−ni · |υi| |υk| = Yk Xi (3.50) 26 4 Experimentelle Arbeiten 4.1 Katalysatorpräparation Ein Großteil der käuflich zu erwerbenden Katalysatoren für die PSA-Herstellung enthält Promo- toren verschiedenster Art und Anteile (z.B. K, Cs, P, etc.). Deren Einfluss auf diese Reaktion ist bis heute noch nicht vollständig verstandenen. Daher ist es ein Ziel dieser Arbeit einen geeigne- ten (selektiven und aktiven) Katalysator für die partielle Oxidation von o-Xylol zu präparieren, der ausschließlich aus dem Träger Anatas und der Aktivkomponente V2O5 besteht. Dazu soll der Täger mittels Aufpropfen, dem sogenannten Grafting, mit der Aktivkomponente Vanadiumoxid belegt werden. Mit dieser Methode können besonders aktive aber auch selektive Katalysatoren insbesondere für die o-Xylol-Oxidation hergestellt werden [88–91]. Im folgenden Abschnitt wird die Herstellung des Trägers ebenso wie die Synthese des Katalysators beschrieben. Für die Katalysatorpräparationen wurde eine Monolage von V2O5 auf dem Träger angestrebt, da diese laut Literatur die höchsten Selektivitäten zu Phthalsäureanhydrid der Katalysatoren ohne Promotoren aufweisen. Die dafür benötigte Masse an Vanadiumpentoxid errechnet sich mit den folgenden Gleichungen: Ma%V2O5,ML = SBET,TiO2 ·100% ( ΦV2O5 MV2O5 )+SBET,TiO2 (4.1) Ma%V2O5 = wV2O5 ·100 wV2O5 = Ma%V2O5 100 = mV2O5 mV2O5 +mTiO2 mV2O5 = Ma%V2O5/100 ·mTiO2 1−Ma%V2O5/100 (4.2) 27 Formelzeichen Einheit Bedeutung Ma%V2O5,ML [%] Masseprozent nötig für eine Monolage V2O5 SBET,TiO2 [m2/g] BET Oberfläche des Trägermaterials ΦV2O5 [m2/mol] Platzbedarf für V2O5 auf der Oberflächen MV2O5 [g/mol] Molare Masse von V2O5 wV2O5 - Massenanteil mTiO2 [g] eingesetzte Masse an Träger mV2O5 [g] benötigte Masse an V2O5 Die molare Masse von V2O5 beträgt 181,9 g/mol und der Platzbedarf von V2O5 ΦV2O5 beträgt 1,24 ·105 m2/mol. Die BET Oberflächen sind in Tabelle 4.1 aufgeführt. 4.1.1 Herstellung des Trägers Für die Herstellung des Anatas werden ca. 500 ml Wasser in ein Becherglas gegeben und kräf- tig exzentrisch gerührt, so dass die Trombe außerhalb der Mitte liegt und der Flüssigkeitspegel bei ca. 800 ml (Skalierung vom Becherglas) liegt. Als Vorläufer für das TiO2 wird Titan(IV)- isopropylat (97% Sigma Aldrich) verwendet, wovon 60 ml mit ca. 2 Tropfen/s zugegeben werden. Nach beendeter Zugabe wird noch 3 min weiter gerührt, der entstandene weiße Niederschlag wird abfiltriert und gründlich mit Wasser gewaschen. Der Filterkuchen wird nun 12 h bei 110°C im Tro- ckenschrank getrocknet und anschließend gemörsert. Um die gewünschte Oberfläche des Anatas zu erhalten, muss dieser noch bei 400 - 500°C kalziniert werden, wobei höhere Oberflächen laut Literatur bei niedrigerer Temperatur erhalten werden. In der nachfolgenden Tabelle 4.1 ist eine Übersicht der hergestellten Träger-Chargen mit den er- mittelten BET-Oberflächen aufgeführt. Daraus wird ersichtlich, dass mit steigender Kalzinierung- stemperatur die spezifische Oberfläche der Trägermaterialien deutlich absinkt. Dies wird durch ein Sintern des Trägers verursacht, bei dem die Poren und Kanäle der Partikel thermisch geschlossen werden. Prob.-Bez. Kalzinierungstemperatur BET-Oberfläche [°C] [m2/g] A8K 450 79,39 A9K 400 108,8 A10K 500 52,88 Tabelle 4.1: Übersicht der hergestellten Träger TiO2 (Anatas) und deren BET-Oberfläche 28 4.1.2 Herstellung der Grafting-Katalysatoren Beim einmaligen Grafting mit VOCl3 wurde die abgewogene Masse an Trägeroxid zuerst mit de- stilliertem Wasser im Massenverhältnis 1:5 in einer Porzellanschale 1 min mit einem Stößel gut gemischt und anschließend bei 110°C für 18h im Ofen in Luft getrocknet. Danach wurde der Trä- ger in einen mit trockenem Stickstoff gespülten 500 ml Dreihalskolben gegeben. Der Stickstoff (ca. 0,6 l/min) wurde dabei über zwei Trockentürme (befüllt mit Blaugel bzw. P2O5) in den Drei- halskolben geleitet. Dadurch sollte vermieden werden, dass Luft und Feuchtigkeit in den Kolben gelangt. Danach wurde trockenes Toluol in den Kolben eingefüllt, wobei das Toluol vorher über Molsieb getrocknet wurde. Durch Rühren mit einem Rührknochen wurde der Träger in Toluol gut verteilt. Die entsprechende Menge an VOCl3 (99% Sigma Aldrich) wurde in einer Pipette, die zuvor mit Stickstoff gespült wurde, aufgezogen und über einen mit ca. 50 ml Toluol gefüll- ten Tropftrichter in den Kolben zugegeben. Der Kolben mit der braungefärbten Lösung wird für 5 h unter Rühren und Rückfluss bei 75°C thermostatisiert. Der Kolben wurde anschließend auf Raumtemperatur abgekühlt. Durch Filtration wurde der Feststoff vom Lösungsmittel abgetrennt und solange mit Toluol gewaschen, bis eine farblose Flüssigkeit aus dem Filterkuchen heraustrat. Danach wurde der Feststoff über Nacht an Luft getrocknet und hydrolysiert. Anschließend wurde der „grüne Katalysator“ im Ofen in Luft bei 110°C 6 h getrocknet und bei 400°C 6 h thermisch behandelt [34, 91]. 4.2 Katalysatorcharakterisierung Im folgenden Abschnitt werden die angewandten Charakterisierungsmethoden für die hergestellten Katalysatoren näher erläutert. 4.2.1 Stickstoffadsorption Die Tieftemperatur-Stickstoff-Adsorptionsmessungen zur Aufzeichnung der Physisorptionsisother- men für die Bestimmung der spezifischen Oberflächen der untersuchten Materialien wurden mit dem Analysengerät Autosorb-3B der Firma Quantachrome von Frau Sabine Schuster durchgeführt. Bei allen Proben wurde mittels der Fünfpunkt-BET-Methode die spezifische Oberfläche bestimmt. Zur Probenvorbereitung wurden jeweils 0,25 g der zu untersuchenden Träger und Katalysatoren verwendet. Die Proben wurden in die zur Apparatur gehörenden Messgefäße gefüllt und anschlie- ßend im Hochvakuum (p < 1 Pa) auf 300°C erwärmt und für 12 h bei dieser Temperatur gehalten. 29 Die Aufnahme der Adsorptionsisothermen mit dem Gerät Autosorb-3B erfolgte durch schritt- weises Dosieren einer vorgegebenen Menge Stickstoff in eine die Katalysatorprobe enthaltende Bürette, welche durch flüssigen Stickstoff (TS = 77 K) gekühlt wurde. Durch Vergleich des dabei gemessenen Druckanstiegs in der Bürette mit dem beim Einsatz der leeren Bürette erhaltenen Wer- ten, konnte unter Berücksichtigung des Gerätetotvolumens nach dem idealen Gasgesetz das adsor- bierte Gasvolumen berechnet werden. Mit Hilfe der integrierten Software wurden unter Berück- sichtigung der DIN66131 die BET-Oberflächen aus dem Adsorptionsast der Sorptionsisothermen im Relativdruckbereich 0,04 < p/p0 < 0,4 berechnet. Die Bestimmung des Porendurchmessers erfolgte durch Analyse des Desorptionsastes der Sorptionsisothermen nach DIN 66134. 4.2.2 ICP-OES Die Probenvorbereitung und die ICP-OES Messungen wurden von Frau Heike Fingerle am Institut für Technische Chemie der Universität Stuttgart durchgeführt. Für den Aufschluss der Katalysator- proben wurden jeweils ca. 50 mg der zu untersuchenden Probe mit 3 ml zehnprozentiger Flusssäure (Fa. Merck) und 3 ml Königswasser (Fa. Merck) versetzt. Anschließend wurde die Probe in einer Mikrowelle für 50 min bei 200°C und 800 bis 900 Watt aufgeschlossen. Der erhaltene Aufschluss wurde in einen 250 ml Maßkolben überführt und mit bidestilliertem Wasser auf 250 ml aufgefüllt. Von jedem Katalysator wurden jeweils 2 Proben aufgeschlossen und untersucht. Für die Messung der Emmissionsspektren wurde das Gerät Vista-MPX CCD Simultaneous ICP-OES (Fa. Varian) verwendet. 4.2.3 Röntgenpulverdiffraktometrie Mittels Röntgenpulverdiffraktometrie sollten die hergestellten Katalysatoren hinsichtlich der Rein- heit des Trägers untersucht werden. Da V2O5 bei der Katalysatorpräparation, auch wenn es in kris- talliner Form vorliegt, nur sehr kleine Kristalle bildet, die unterhalb der Nachweisgrenze für die Röntgendiffraktometrie liegen, konnte es mit dieser Methode nicht detektiert werden. Es wurde das Gerät D8 Advance (Fa. Brucker AXS) verwendet. Eine Röntgenröhre mit einer Hochspannung von 40 kV und einer Stromstärke von 30 mA erzeugt mit einer Kupferanode eine CuKα - und CuKβ -Strahlung. Eine Monochromatisierung der Röntgenstrahlung erfolgt über ei- ne Metallfolie bestehend aus Ni, die die CuKα -Strahlungsanteile absorbiert. Als Detektor wurde ein Vantec-Detektor verwendet, welcher es erlaubt Röntgendiffraktogramme sehr schnell aufzu- zeichnen, da bis zu 12° 2θ gleichzeitig aufgenommen werden können. Gemessen wurde von 5° bis 80° in 0,0165° Schritten mit 0,2 s pro Schritt. Als Probenhalter wurden Spiegelobjektträger verwendet, wobei von jeder Probe etwa 0,1 g auf diesen gegeben und mit einer Glasplatte glatt gestrichen wurden. Die Auswertung der Diffraktogramme erfolgt mit dem Computerprogramm 30 DIFFRAC.EVA, wobei die Datenbank der Software auf denen des International Centre for Dif- fraction Data® (ICDD®) beruht. 4.2.4 Temperaturprogrammierte Methoden Für die Untersuchungen mittels temperaturprogrammierter Methoden wurde eine entsprechende Apparatur der Firma Altamira Instruments verwendet. Die Apparatur wurde mittels der zum Gerät gehörenden Software Ami1 gesteuert und die experimentellen Daten erfasst. Die Untersuchungen wurden durchgeführt um das Redox-Verhalten der Katalysatoren in Abhängigkeit von der Tem- peratur zu ermitteln. Für die Untersuchungen wurden für jeden Katalysator mehrere Zyklen aus temperaturprogrammierter Oxidation und Reduktion gefahren um die Ergebnisse zu reproduzieren und statistisch abzusichern [92, 93]. Von den zu untersuchenden Katalysatoren wurden jeweils 50 mg abgewogen und diese mit SiC (Fa. Sigma-Aldrich; 99,9%; 35-74 µm) verdünnt um eine gleichmäßige Schüttung zu erreichen. Das Gemisch wurde in den dafür vorgesehenen Quarzglasreaktor überführt und dieser in dem Ofen eingebaut. Anschließend wurden die Versuchsparameter in der Software eingestellt und die Mes- sung gestartet. Das Reaktionsgas (5 % O2 in He oder 10 % H2 in Ar) strömt dabei zuerst durch die Vergleichszelle des WLD und passiert danach die Schüttung im Reaktor. Eventuell entstehendes Wasser wird in einem mit Molsieb gefüllten nachgeschalteten U-Rohr aus dem Gasstrom abgefan- gen, da dieses das WLD-Signal beeinträchtigt. Anschließend wird der Produktgasstrom durch die Messzelle geleitet und Differenzen in der Wärmeleitfähigkeit zwischen Edukt- und Produktgass- trom werden als Signale angezeigt. Die Volumenstrom durch die Messzelle wurde während den Messungen auf 30 mln/min einge- stellt. Während der Messungen wurde zunächst für 10 min eine Temperatur von 25°C gehalten. Anschließend wurde der Ofen mit 10 K/min auf 600°C aufgeheizt und diese Temperatur für 30 min gehalten. 4.2.5 Infrarot-Spektroskopie Für die infrarotspektroskopischen Untersuchungen wurden von allen hergestellten Katalysatoren sowie für den reinen Träger A8K verdünnt in KBr Presslinge hergestellt. Die Presslinge wurden anschließend mittels des FTIR-Spektrometers Nicolet 6700 der Firma Fischer Scientific in Trans- mission bei Raumtemperatur an Luft untersucht. Der verwendete Wellenlängenbereich betrug 400 bis 4000 cm-1 und die Auflösung 2 cm-1. Für jede Probe wurden 64 Einzelspektren aufgenommen und gemittelt. Von den zu untersuchenden Proben wurden jeweils 20 mg mit 0,93 g KBr im Mörser gut verrieben und gemischt. Anschließend wurden wenige Spatelspitzen in das Presswerkzeug (10 31 mm Innendurchmesser) überführt und mit einem Druck von 12 Tonnen beaufschlagt. Nach 10 min wurde die fertige Tablette aus dem Presswerkzeug entnommen. 4.2.6 Raman-Spektroskopie Die Untersuchung mittels Raman-Spektroskopie erfolgte am Max-Planck-Institut für Festkörper- forschung in Stuttgart. Bei dem verwendeten Raman-Spektrometer handelte es sich um ein Jobin Yvon Typ V 010 Labram Eingitter-Spektrometer mit doppeltem Razor-Egde Filter. Die Spektren wurden mittels eines Mikroskops aufgenommen, wobei linear-polarisiertes Laserlicht eines Di- odenlasers mit einer Anregungswellenlänge von 532 nm verwendet wurde. Die Leistung betrug weniger als 6 mW und der Laser wurde durch die 50-fache Vergößerung eines Objektivs auf eine größe von 15 µm fokusiert, wobei die Auflösung bei dem verwendeten Gitter (1800 L/mm) 1 cm-1 betrug. Die Katalysatoren wurden als Pulver bei Raumtemperatur an Luft untersucht und mittels Objektträgern unter das Objektiv des Mikroskops gebracht. 4.2.7 Katalysatortest im Rohrreaktor Um die präparierten Katalysatoren außerhalb des Explosionsbereiches zu testen wurden zwei Strömungsrohrreaktoren (siehe Abbildung 4.1) in die Anlage integriert. Der Reaktor 1 (Anla- genfließbild) diente zur Totaloxidation des o-Xylols, um dessen Konzentration in der Gaspha- se zu überprüfen. Als Katalysator wurde hier ein Chrom-Oxid/Zink-Oxid-Mischkatalysator ver- wendet und der Reaktor wird bei 420°C betrieben. Das entstehende CO2 wurde mittels eines Siemens-Gasanalysator Ultramat/Oxymat 6 erfasst. Damit wurde sichergestellt, dass die o-Xylol- Konzentration, die mittels des Sättigers eingestellt wurde, die angestrebten 0,15 Vol.-% erreichte. Der Reaktor 2 diente der partiellen Oxidation und wurde mit dem zu untersuchenden Katalysator befüllt. Beide Reaktoren waren aus Duran-Glas gefertigt, 20 cm lang und der Innendurchmesser betrug 8 mm, wobei eine Glasfritte am Ende der Reaktionszone den Austrag des Katalysators verhinderte. Die Reaktionszone, also der Bereich, der auf die gewünschte Reaktortemperatur be- heizt wurde, war 10 cm lang. Die drei Anschlüsse waren als GL-Verschraubungen gefertigt, wobei der Gaseingang am Kopf als seitlicher Ansatz angebracht war. Ein Thermoelement wurde über den zweiten Anschluss des T-Stücks in der Schüttung platziert, um die Temperatur in der Ka- talysatorschüttung zu erfassen. Von den zu testenden Katalysatoren wurden jeweils etwa 50 mg der Siebfraktion 100 - 200 µm auf etwa 1 g mit Seesand der gleichen Siebfraktion aufgefüllt, um eine ausreichende Verdünnung zu gewährleisten. Der Abgasstrom wurde über zwei Konden- satoren (Auffangen des PSA) geleitet die wechselseitig über ein 6-Port-Ventil (Fa.VICI/Valco) angesteuert werden konnten, wobei alle hochsiedenden Produkte auskondenst wurden. Über einen nachgeschalteten Druckregler (Fa. Brooks) lies sich der Anlagendruck einstellen. Im Anschluss 32 wurde das Gas nochmals durch eine Kühlfalle geleitet und mittels eines Volumenstrommessers der Abgasvolumenstrom gemessen. Anschließend erfolgte die Erfassung der Sauerstoffkonzentration mittels eines paramagnetischen Sauerstoffsensors und die Bestimmung der CO und CO2 Konzen- tration mittels des Infrarotphotometers im Kombinationsgerät Ultramat/Oxymat 6 (Fa. Siemens). Zur Untersuchung der organischen Bestandteile (o-Xylol, PSA etc.) wurde der Abgasstrom vor dem 6-Port-Ventil aufgeteilt und ein kleiner Teil über eine 1/16" Leitung zum GC geleitet. Die Analytik der organischen Produkte erfolgte mittels FID eines 7890A GC (Fa. Agilent), wobei für die Trennung eine DB-5 Säule eingesetzt wurde. Um ein Auskondensieren der Produkte zu ver- meiden, wurden alle Leitungen im Anschluss an den Reaktor bis zu den Kondensatoren bzw. zum Abgas des GC auf 250°C beheizt. N2 5:1 CO: 5 Vol% CO2: 5Vol% O2: 25 Vol% PIC 01 150°C o-Xylol 10-1000 µl/min P1 A/B EV 1 100- 1000 mbarü 3 3 TIC1 2 0°C 0 °C B1 B2 B3 H1 H2 H3 NV2 MV1 Abgas K2 K1 DRV1 I-19F5 I-20 F1 O2 N2 V1 V2 I-17 V-34 V-27 V-26 2500 ml/ min 500 ml/min 50 ml/min F4 I-23 I-16 I-18F3 I-22 V-31 V-25 500 ml/min 50 ml/min F2 I-21 H5 Reaktor 1 Reaktor 2 H6 H7 I-24 V-42F6 H9 E-18 I-25 V-43F7 V-45 H8 Total Oxidation Partielle Oxidation Sättiger Vakuum Pumpe Mikrostruktur- reaktor Kondensator 1 Kondensator 2 V-51 S-31 E-21 FIC FIC FIC FIC FIC PI PI PI FIC TIC TIC PI FIC Abbildung 4.1: Fließbild der Versuchsanlage für die Katalysatortests und reaktionstechnischen Untersuchungen. Die Rohrreaktoren (Totaloxidation und partielle Oxidation) wur- den nur für die Katalysatortests außerhalb des Explosionsbereichs verwendet. Die partielle Oxidation von o-Xylol zu PSA wurde für drei ausgewählte Katalysatoren im Strö- mungsrohrreaktor durchgeführt. Dabei wurden von den hergestellten Grafting-Katalysatoren je- weils die mit Monolagen und verschiedenen Trägeroberflächen verwendet. Die verwendeten Kata- lysatoren sind in Tabelle 4.2 zusammengestellt. Die verwendeten Parameter für die Durchführung der Katalysatortests sind in Tabelle 4.3 aufgeführt. 33 Bezeichnung Verwendung TKalz.,Träger SBET,Träger Bel.V2O5 Bel.V2O5,theo. [◦C] [m2/g] [Ma %] [Ma %] A10K-VG10 Mikrofestbett 500 52,9 5,9 6,2 A10K-VG21 Wandkatalysator 500 52,9 5,8 6,2 A8K-VG6 Schichtdickenvariation 450 79,4 9,3 10,4 Tabelle 4.2: Zusammenstellung der eingesetzten Katalysatoren Temperatur: T = 330 - 370°C Volumenstrom: V̇ges = 100 - 400 mL/min Katalysatormasse: mKat = 50 mg Kornfraktion: 100 - 200 µm o-Xylol Konzentration: co−Xylol = 0,15 Vol.-% Sauerstoffkonzentration: cO2 = 20,5 Vol.-% Tabelle 4.3: Übersicht der Versuchsbedingungen für die Katalysatortests 4.3 Reaktionstechnische Untersuchungen im Explosionsbereich Für die reaktionstechnischen Untersuchungen im Explosionsbereich wurde die kontinuierliche Strömungsapparatur, die für die Katalysatortests verwendet wurde, modifiziert. Wie im Fließbild der Versuchsanlage in Abbildung 4.2 zu erkennen ist, wurden die konventionellen Strömungsrohr- reaktoren und der Sättiger entfernt und der Mikrostrukturreaktor zentral in der Anlage verbaut. Dies war notwendig, um für die späteren Schichtdickenvariationen und vor allem die Thermogra- fieuntersuchungen den Reaktor in einer Position zu montieren, in der die verwendete NIR-Kamera einen günstigen Abstand zur Katalysatorschicht hat. Zusätzlich wurden als Sicherungsmaßnahme vor und hinter dem Reaktor Flammensperren eingesetzt, um im Falle einer Explosion die großvo- lumigen oder empfindlichen Anlagenteile soweit wie möglich zu schützen. Zusätzlich sollte das Risiko eines Durchschlags in Richtung der Kondensatoren und somit die Möglichkeit einer Sekun- därexplosion weitestgehend minimiert werden. Des Weiteren konnte über die Nebenleitung vom Zwei-Wege-Hahn H6 nach der Flammensperre FA2 im Anschluss an den Reaktor Stickstoff hinzu- dosiert werden, um das Produkt-Gasgemisch auf 1 Vol.-% oder niedriger zu verdünnen und damit unter die untere Explosionsgrenze von o-Xylol zu kommen. Für die o-Xylol-Dosierung wurde bei den hohen Konzentrationen im Explosionsbereich eine Doppelkolben-Spritzenpumpe vom Typ MDSP1f (Fa. MMT GmbH) verwendet und o-Xylol flüs- sig und ohne Zugabe eines Trägergases in einen bei 220°C betriebenen Verdampfer geleitet. Der Verdampfer bestand dabei aus einer 1/16" Kapillare (0,5 mm Innendurchmesser), die um eine Heiz- patrone gewickelt war. Die Spritzenpumpe ermöglichte Fluidströme von 5 bis 200 µLmin−1 und 34 GC CO: 5 Vol% CO2: 5Vol% O2: 25 Vol% o-Xylol 5-200 µl/min P1 A/B EV 1 100- 1000 mbar 3I-11 0°C 0 °C B1 H1 H4 FI off gas K2 K1 I-5F5 I-1 F1 O2 N2 V1 V2 I-4 V-3 2500 ml/ min 500 ml/min 50 ml/min F4 2 I-3F3 I-2 V-4 500 ml/min 50 ml/min F2 1 H2 I-6 V-6F6 H 5 Mikrostruktur- reaktor Gas- analysator FIC FIC FIC FIC FIC PI PI TIC PI FIC H6 I-8 PIC 1 TI 8 TI 7 TI 16 TI 9 TI 10 TI 4 TI 6 TI 3 TI 5 TI 11 TI 14 TI FA 1 FA 2 V-5 2 TI 12 TI 13 TI H3 Abbildung 4.2: Fließbild der Versuchsanlage für die reaktionstechnischen Untersuchungen im Ex- plosionsbereich unter Verwendung von Mikrostrukturreaktoren verfügte über ein Schaltventil, welches einen wechselseitigen Betrieb der beiden Spritzen ermög- lichte. Somit war eine pulsarme und kontinuierliche Förderung möglich, wie sie für den Betrieb des nach dem Prinzip der Totalverdampfung arbeitenden Verdampfers nötig war. Die Trägergas freie Verdampfung ermöglichte die freie Einstellung der o-Xylol-Konzentration bis zu Gemischen mit reinem Sauerstoff. Um die o-Xylol-Konzentration für die Versuchsreihen zu ermitteln, konnte der o-Xylol-Dampfstrom durch den Dreiwege-Hahn H4 am Reaktor vorbeigeleitet werden und somit die Eduktgas-Zusammensetzung direkt mittels des GC überprüft werden. Für jede Messreihe wur- de mindestens eine dieser Bypass-Messungen (Vorkanal) durchgeführt. Die Analytik erfolgte wie in Abschnitt 4.2.7 beschrieben mittels eines Gasanalysators Ultramat/Oxymat 6 (Fa. Siemens) für CO, CO2 und O2 und für die organischen Substanzen mittels FID eines 7890A GC (Fa. Agilent), der mit einer DB-5 Säule ausgestattet war. Der für die reaktionstechnischen Untersuchungen eingesetzte Mikrostrukturreaktor ist in Ab- bildung 4.3 dargestellt. Das Konstruktionsprinzip ist dabei an den Reaktor des DEMiS®-Projekts angelehnt, wobei im Gegensatz zu diesem Ein- und Auslass senkrecht zur Strömungsachse im Deckel des Reaktors untergebracht waren. Der dadurch auftretende Prallstrahl ermöglichte eine Gleichverteilung des Gasstroms über den gesamten Bereich der Einlaufstrecke. Die Kanalbreite 35 Eingang Ausgang Sichtfenster Schlitzbreite 20 mm Abbildung 4.3: Mikrostrukturreaktor für die Durchführung der reaktionstechnischen Untersuchun- gen mit schlitzartigem Kanal. Die Spaltweite des hier gezeigten Modells beträgt 0,5 mm. der Mikrostruktur betrug 20 mm und die Länge 100 mm. Die Spaltweite (Kanalhöhe) war frei wählbar, wobei für die Versuche im Explosionsbereich Platten mit 0,5 mm Spaltweite verwendet wurden. Die Auslegung bezüglich der Länge der Katalysatorschicht, der Spaltweite und damit dem Reaktorvolumen über der Beschichtung sowie der Schichtdicke erfolgte nach den literaturbekann- ten Daten bezüglich fluiddynamischer und modifizierter Verweilzeit des industriellen Prozesses [5, 13, 19]. Bei 0,5 mm Spaltweite ergab sich eine 50 mm x 20 mm Beschichtung mit 250 µm Dicke. Für die sicherheitstechnischen Untersuchungen an der Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung war ein Sichtfenster vorgesehen, das eine Durchlässigkeit für Licht vom visuellen Bereich bis in den Nahinfrarot-Bereich ermöglichen sollte. Dadurch waren Video-Aufzeichnungen mit Hochgeschwindigkeitskameras möglich, um die Explosionsausbreitung zu verfolgen. Zusätzlich erlaubte die Durchlässigkeit bis in den NIR-Bereich den Einsatz einer Hochgeschwindigkeits NIR- Kamera, um die Temperaturverläufe eines Hotspots (Thermografie) oder auch einer Explosion auf- zuzeichnen. Als Material für das Sichtfenster wurde dabei einkristallines Al2O3 (Saphir, Fa. Korth Kristalle) verwendet. Das Sichtfenster hatte die Abmessung 50 x 20 mm. Für die Katalysator- 36 Beschichtung konnte eine Vertiefung von bis zu 100 mm Länge in die Bodenplatte eingebracht werden. Die Abdichtung der Einschrauber (Ein- und Ausgang), des Fensters und der Bodenplat- ten gegen den Deckel wurde durch die Verwendung von metallverstärkten Graphit-Rahmen bzw. Ringen erreicht. Als Reaktormaterial wurde der Stahl 1.4122 gewählt, da sich dieser durch eine vergleichsweise geringe Wärmeausdehnung (11,6 µmm−1 K−1 @ 400°C) auszeichnet. Dies war nötig, um bei den Reaktionsbedingungen zwischen 350 und 400°C eventuelle Undichtigkeiten im Bereich des Saphir-Sichtfensters vorzubeugen, da dessen Wärmeausdehnung (5,6 µmm−1 K−1 @ 20°C) etwa die Hälfte des verwendeten Stahls aufweist. Zusätzlich weist der verwendete Stahl eine gute Warmfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit auf, was unter den angestrebten Versuchsbedin- gungen von Vorteil ist. S tic k s to ff 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 o -X yl o l 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Sauerstoff 0102030405060708090100 Explosionsgrenzen Luftlinie Stöchiometrielinieox 1 ox 5 ox 7 ox 10 ox 17.5 ox 25 Abbildung 4.4: Dreiecksdiagramm für o-Xylol in Sauerstoff bei Raumtemperatur und Normal- druck. Die mit ox 1 bis 25 markierten Punkte verdeutlichen die angestrebten Gas- zusammensetzungen für die Experimente im Explosionsbereich. Für die Untersuchungen wurden die im Dreiecksdiagramm in Abbildung 4.4 dargestellten und in Tabelle 4.4 aufgeführten Edukt-Gaszusammensetzungen verwendet. Die Einstellung verschie- dender Verweilzeiten wurde durch die Variation der Volumenströme und sukzessive Erhöhung der Katalysatormasse im Mikrofestbett erreicht. Dabei wurde für die Versuche mit 1 Vol% o-Xylol eine Katalysatormasse von 250 mg, für 5 und 7 Vol% o-Xylol eine Katalysatormasse von 500 mg und für die Versuche mit 10 bis 25 Vol.-% o-Xylol eine Katalysatormasse von 1500 mg eingesetzt. 37 Exp.No. c0,oX cO2 cN2 Oxidationsmittel Bemerkung mKat [Vol.- %] [Vol.- %] [Vol.- %] [mg] oX 1 1 20,3 78,7 Luft Überschuss an O2 250 oX 5 5 19.5 75.5 Luft Überschuss an O2 250 u. 500 oX 7 7 21 72 O2 Stöchiometrischer Anteil von O2 500 oX 10 10 30 60 O2 Stöchiometrischer Anteil von O2 1500 oX 17,5 17,5 52,5 30 O2 Stöchiometrischer Anteil von O2 1500 oX 25 25 75 0 O2 Stöchiometrischer Anteil von O2 1500 Tabelle 4.4: Feed-Gaszusammensetzung der Experimente im Mikrofestbett Die Spaltweite und damit die Schüttungshöhe bei Verwendung des Mikrofestbetts betrug 0,5 mm und die Schüttungslänge etwa 10 cm. Wie in Tabelle 4.2 aufgeführt, wurde für das Mikrofestbett der Katalysator A10K-VG10 mit einer Beladung von 5,9 Ma% V2O5 verwendet. 4.3.1 Verwendung des Wandkatalysators Für den Vergleich von Mikrofestbett und Wandkatalysator wurde der Katalysator A10K-VG21 verwendet. Wie Tabelle 4.2 zu entnehmen ist, ist die Beladung von V2O5 mit 5,8 Ma% annähernd gleich zu der des Katalysators A10K-VG10, der im Mikrofestbett zum Einsatz kam. Die Beschich- tung der Katalysatoren für diese Anwendung und die Schichtdickenvariation wurde an der Profes- sur für Chemische Technologie der TU Chemnitz durchgeführt. Dafür wurde ein im Rahmen des DEMiS®-Projektes entwickeltes und erfolgreich eingesetztes Niederdruck-Spritzverfahren ver- wendet [68]. Die hier verwendete Schichtdicke betrug 250 µm, wobei die Katalysatormasse 0,3 g betrug und die Spaltweite war mit 0,5 mm identisch mit der des Mikrofestbettes. Die Variation der Verweilzeit erfolgte bei Einsatz der Beschichtungen ausschließlich durch Variation des Volu- menstroms zwischen 25 mln/min und 250 mln/min. Die o-Xylol-Konzentration betrug 5 bis 25 Vol.-% wie in Tabelle 4.4 aufgeführt ist, während die Reaktortemperatur wie bei Verwendung des Mikrofestbett auf 350 und 370◦C eingestellt wurde. 38 4.3.2 Schichtdickenvariation und Thermografie Für die Schichtdickenvariation und die darin vorgesehenen Untersuchungen von möglichen Wärme- und Stofftransportlimitierungen wurde der Katalysator A8K-VG6 verwendet. Wie in Tabelle 4.2 zu erkennen ist, beträgt die spezifische Oberfläche des Trägers 79,4 m2/g und ist demnach et- wa 50 % größer als die der Katalysatoren für das Mikrofestbett und des Wandkatalysators. In einer ähnlichen Größenordnung steigt auch die Beladung mit Vanadiumoxid als Monolage auf 9,3 Ma%. Durch die höhere Beladung an Vanadiumoxid in Form einer Monolage stehen mehr aktive Zen- tren bezogen auf die Katalysatormasse zur Verfügung. Hierdurch war eine Steigerung der Aktivität des Katalysators zu erwarten, welche insbesondere für die Bewertung der Stoff- und Wärmetrans- portlimitierung und somit der Grenzen des Mikrostrukturreaktors von Interesse ist. Gerade für die Untersuchung mittels Thermografie zur Bestimmung der Temperaturprofile der Katalysatorschich- ten ist dies von Vorteil, da man davon ausgehen kann, dass ein aktiverer Katalysator im gleichen Verweilzeitbereich einen höheren Umsatz an o-Xylol erreicht. Für die Schichtdickenvariation wurde neben der 250 µm dicken Schicht mit 50 mm Länge, eine 125 µm dicke Schicht mit 100 mm Länge und eine 500 µm dicke Schicht mit 25 mm Länge ver- wendet. Durch die Dimensionen der 125 µm dicken Schicht war die Hälfte der Katalysatorschicht optisch nicht zugänglich, was eine Untersuchung mittels der NIR-Kamera unmöglich machte. Die Experimente zur Schichtdickenvariation wurden im Bereich von 7 bis 10 Vol.-% bei 350 und 370 ◦C durchgeführt. Die Eigenschaften der verwendeten beschichteten Bodenplatten für die Schicht- dickenvariation sind in Tabelle 4.5 zusammengefasst. In Abbildung 4.5 sind zwei beschichtete Bodenplatten mit jeweils 250 µm Schichtdicke und 0,5 mm sowie 0,25 mm Spaltweite zu sehen. Für die Untersuchungen wurde nur die Bodenplatte mit 0,5 mm Spaltweite verwendet. Für die thermografischen Untersuchungen der Katalysatorschicht wurde eine Infrarot-Kamera (Xenics, Modell XEVA-FPA-1.7-320) im Abstand von ca. 1,2 m zum Reaktor auf einem Stativ positioniert. Die Kamera wurde dabei so ausgerichtet, dass diese sich senkrecht zur Katalysator- schicht befand und die Isolation des Reaktors nicht Teile des Sichtfensters verdeckte. Schicht Schichtdicke Länge Katalysatormasse Bez. ρKat L mKat [µm] [mm] [g] 125 111 100 0,36 250 231 50 0,31 500 490 25 0,32 Tabelle 4.5: Eigenschaften der verwendeten Beschichtungen im Rahmen der Schichtdickenvariati- on 39 Abbildung 4.5: Bodenplatten mit 250 µm Schichten nach der Beschichtung. Oben 0,5 mm Spalt- weite, unten 0,25 mm Spaltweite. 40 5 Ergebnisse und Diskussion In den nachfolgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der im Rahmen dieser Arbeit durchge- führten Untersuchungen dargestellt und deren Auswertung diskutiert. 5.1 Katalysatorcharakterisierung Die für den Einsatz im Mikrostrukturreaktor synthetisierten Katalysatoren wurden vor ihrer Ver- wendung für die reaktionstechnischen Untersuchungen eingehend charakterisiert. Damit sollte ge- währleistet werden, dass die gewünschten Eigenschaften des Trägermaterials bzw. der Aktivkom- ponente bei deren Herstellung erhalten wurden. 5.1.1 Stickstoffadsorption und ICP-OES Tabelle 5.1 zeigt die Oberflächen und Beladungen der hergestellten und für die reaktionstechni- schen Untersuchungen verwendeten Katalysatoren. Bezeichnung Verwendung TKalz.,Träger SBET,Träger Bel.V2O5 Bel.V2O5,theo. [◦C] [m2/g] [Ma %] [Ma %] A10K-VG10 Mikrofestbett 500 52,9 5,9 6,2 A10K-VG21 Wandkatalysator 500 52,9 5,8 6,2 A8K-VG6 Schichtdickenvariation 450 79,4 9,3 10,4 Tabelle 5.1: Oberflächen und Beladungen der Grafting-Katalysatoren Die Beladungen der Katalysatoren A10K-VG10 und -VG21 mit V2O5, die mittels ICP-OES bestimmt wurden, weichen nur geringfügig von der theoretischen Beladung mit einer Monolage von 6,2 Ma % ab. Die theoretische Beladung wurde dabei anhand der spezifischen Oberfläche des Trägermaterials und dem Vanadiumoxid-Platzbedarf auf der Oberfläche (ΦV2O5= 1,24 ·105 m2/mol) berechnet [94, 95]. 41 5.1.2 Röntgenpulverdiffraktometrie Die Untersuchung der präparierten Trägermaterialien und Katalysatoren mittels Röntgenpulver- diffraktometrie (XRD) sollte Aufschluss darüber geben, ob die gewünschte Modifikation von Ti- tandioxid, Anatas, erhalten wurde und welche Verunreinigungen vorliegen. Neben Brookit, was in Abhängigkeit von der Präparationsmethode gebildet wird, kann auch die Hochtemperaturmodi- fikation Rutil entstehen, wobei hier vor allem die Kalzinierungstemperatur einen großen Einfluss hat. Reflexe von Vanadiumoxid ware nicht zu erwarten, da durch die Grafting-Methode nur eine Monolage auf dem Trägermaterial gebildet wird, wodurch nicht genug Netzebenen für die Bragg- sche Reflexion zu Verfügung stehen. Aus diesem Grund können nur Kristallite ab etwa 30 Å mittels XRD nachgewiesen werden, da die Reflexe ansonsten zu breit und zu wenig intensiv werden und sich nicht mehr ausreichend vom Hintergrund unterscheiden [96]. 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 10 20 30 40 50 60 70 80 In te n s it ä t [a .u .] 2ϴ [°] A10K-VG10 A8K-VG6 Abbildung 5.1: XRD des Grafting Katalysators A10K-VG10 im Vergleich zum Katalysator A8K- VG6. (Anmerkung: Die Kalzinierungstemperatur des Trägers A8K betrug 450°C anstelle von 500°C). Gefüllte Raute: Anatas, Gefülltes Dreieck: Rutil, leeres Qua- drat: Brookit. In Abbildung 5.1 ist das Röntgenpulverdiffraktogramm des Katalysators A10K-VG10 darge- stellt. Wie der Tabelle 5.1 in Abschnitt 5.1.1 entnommen werden kann, wurde der Träger A10K bei 500°C kalziniert. Die Reflexe im Diffraktogramm bei 25,35° (100 %), 37,78° (22 %)und 48,07° 42 (33 %) können dabei eindeutig Anatas zugeordnet werden. Des Weiteren sind im Diffraktogramm auch Reflexe von Rutil und Brookit zu erkennen, wobei diese aufgrund der geringen Mengen deut- lich niedrigere Intensitäten aufweisen. Die charakteristischen Reflexe von Brookit bei 25,35° bzw. 25,65° (100 respektive 80 %) liegen unter dem Reflex von Anatas. Im Gegensatz dazu sind die Brookit-Reflexe bei 30,71° und 34,45° deutlich zu erkennen. Die Reflexe bei 27,52° (100 %) und 36,06° (41 %) konnten Rutil zugeordnet werden. Die Röntgenpulverdiffraktogramme der im Rahmen dieser Arbeit hergestellten Katalysatoren bestätigten, dass die Trägermaterialien hauptsächlich Anatas mit geringen Anteilen Brookit ent- hielten, wobei für die Katalysatoren A10K-VG10 und A10K-VG21 (Kalzinierung des Trägers bei 500°C) auch geringe Mengen an Rutil nachgewiesen werden konnten. Die geringen Mengen an Rutil oder Brookit haben keinen Einfluss auf die katalytischen Eigenschaften der präparier- ten Katalysatoren. Da die Beladung mit Vanadiumoxid durch das Grafting-Verfahren erst nach der Kalzinierung des Trägermaterials erfolgt und somit nur eine geringe Anzahl an zugänglichen Adsorptionsplätzen des Trägers vorliegt, sind unerwünschte Reaktionen am Trägermaterial ver- nachlässigbar [97]. 5.1.3 Temperaturprogrammierte Methoden Bei Selektivoxidationen an oxidischen Katalysatoren nach dem Mars-van-Krevelen-Mechanismus durchläuft dieser Redoxzyklen, wobei die aktiven Zentren von dem Substrat (hier o-Xylol) redu- ziert werden und anschließend durch den Sauerstoff aus der Gasphase wieder reoxidiert werden. Temperaturprogrammierte Methoden stellen eine erprobte Untersuchungsmethode dar, dieses Re- doxverhalten zu charakterisieren. Die für die reaktionstechnischen Untersuchungen verwendeten Katalysatoren wurden mittels der temperaturprogrammierten Oxidation und Reduktion in mehre- ren Zyklen untersucht. Dadurch lassen sich Aussagen ableiten, in welchen Temperaturbereichen die Reduktion des Katalysators und damit die Oxidation des o-Xylols bzw. di