Übergangsmetallkatalysierte C-H- Aktivierungen Von der Fakultät Chemie der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) genehmigte Abhandlung vorgelegt von Pascal S. Eisele geboren am 07.02.1990 in Weingarten. Hauptberichter: Prof. Dr. Bernd Plietker Mitberichterin: Prof. Dr. Sabine Laschat Tag der mündlichen Prüfung: 10.11.2020 Institut für Organische Chemie der Universität Stuttgart 2020 Die vorliegende Arbeit entstand auf Anregung und unter Anleitung von Herrn Prof. Dr. Bernd Plietker in der Zeit von März 2016 bis Januar 2020 an der Universität Stuttgart. Teile der vorliegenden Dissertation wurden in folgenden Publikationen vorab veröffentlicht: 1) „Mild, Selective Ru-Catalyzed Deuteration Using D2O as a Deuterium Source“ P. Eisele, F. Ullwer, S. Scholz, B. Plietker, Chem. Eur. J. 2019, 25, 1-6. 2) „ A Cyanide-Free Synthesis of Acylcyanides through Ru-Catalyzed C(sp 3 )-H-Oxidation of Benzylic Nitriles“ P. Eisele, M. Bauder, S.-F. Hsu, B. Plietker, ChemistryOpen, 2019, 8, 689-691. Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Bernd Plietker für die Aufnahme in den Arbeitskreis, die interessante Themenstellung, die hervorragenden Arbeitsbedingungen, sein Vertrauen und seine stete Unterstützung bedanken. Des Weiteren danke ich Frau Prof. Dr. Sabine Laschat für die freundliche Übernahme des Koreferats und Herrn Prof. Dr. Elias Klemm für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Ein großer Dank geht an alle gegenwärtigen und ehemaligen Kollegen des Arbeitskreises für ein produktives Arbeitsklima und eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Insbesondere Fabian Rami und Johannes Teske danke ich für viele anregende Diskussionen in fachlichen und diversen Themengebieten. Bei meinen Laborkollegen Dihan Zhang, Isabel Alt, Lei Guo, Dominik Pursley, Franziska Ullwer, Guobao Li und Flavia Izzo bedanke ich mich für die abwechslungsreiche Zeit und die unterhaltsamen Gespräche im Großraumlabor. Weiterhin bedanke ich mich bei allen Analytikabteilungen der Universität Stuttgart für die Messung unzähliger NMR- und Massenspektren. Ein Dank gilt auch der Werkstatt mit Thomas Fischer, Alexander Ulrich und Donald Davidhi sowie den Glasbläsern für die Bereitschaft zahlreiche Spezialanfertigungen zu ermöglichen und die Unterstützung in technischen Belangen. Katja Drerup sowie Niklas Langendorf und Dejana Jovanovic danke ich für die tatkräftige praktische Unterstützung im Rahmen von Bachelor- bzw. Forschungsarbeiten. Aslihan Baykal, Fabian Rami, Johannes Teske und Gottfried Eisele danke ich für die sorgfältige Durchsicht dieser Arbeit. Mein größter Dank richtet sich an die Menschen, die mir diesen Weg ermöglicht haben und mich dabei stets unterstützt haben, meinen Eltern. Vielen Dank für euren bedingungslosen Rückhalt und den stetigen Zuspruch. Aslihan Baykal danke ich für ihre unendliche Geduld, die aufmunternden Worte und den Rückhalt in all den Jahren. Meinen Eltern und Asli, in Liebe und unendlicher Dankbarkeit „Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.“ Albert Einstein Inhaltsverzeichnis Teil I ................................................................................................................ 17 1 Einleitung .................................................................................................. 19 1.1 Übergangsmetallkatalysierte C-H-Aktivierung ................................................... 19 1.2 Übergangsmetallkatalysierte C-H-Oxidation ....................................................... 25 1.3 Übergangsmetall-katalysierte Deuterierungen .................................................... 29 1.4 Übergangsmetall-katalysierter Wasserstoffautotransfer ..................................... 31 2 Problemstellung ........................................................................................ 34 3 Mangankatalysierte Oxidation von Cycloalkanen ...................................... 36 3.1 Vorarbeiten ......................................................................................................... 36 3.2 Optimierung der Reaktionsbedingungen der C-H-Oxidation .............................. 37 3.3 Erweiterung auf substituierte Cycloalkane .......................................................... 47 3.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 51 4 Rutheniumkatalysierte Oxidation von Phenylacetonitrilen ........................ 51 4.1 Stand der Forschung und Vorarbeiten ................................................................ 51 4.2 Oxidation der benzylischen CH2-Gruppe ............................................................ 53 4.3 Abfangen der Acylcyanide mit diversen Nukleophilen ........................................ 55 4.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 62 5 Rutheniumkatalysierte Nitrilalkylierung durch Wasserstoffautotransfer ... 63 5.1 Stand der Forschung ........................................................................................... 63 5.2 Studien zur rutheniumkatalysierten alkylierenden Wasserstoff- autotransferreaktion ....................................................................................................... 64 5.3 Substratspektrum der Ru-katalysierten alkylierenden Wasserstoffautotransferreaktion .................................................................................... 70 5.4 Zusammenfassung ............................................................................................... 74 6 Rutheniumkatalysierte Oxidations-Kondensation-Reduktionssequenz .......75 6.1 Einführung .......................................................................................................... 75 6.2 Vorarbeiten ......................................................................................................... 78 6.3 Entwicklung und Optimierung der rutheniumkatalysierten Oxidations- Kondensation-Reduktionssequenz ................................................................................. 80 6.4 Substratspektrum der rutheniumkatalysierten Oxidations-Kondensation- Reduktionssequenz ......................................................................................................... 86 6.5 Zusammenfassung ............................................................................................... 88 7 Rutheniumkatalysierte Deuterierung .........................................................89 7.1 Rutheniumkatalysierte reduktive Deuterierung .................................................. 90 7.2 Rutheniumkatalysierte Deuterierung via dirigierender Gruppen ....................... 95 7.3 Entwicklung einer rutheniumkatalysierten chemo- und regioselektiven Deuterierungsmethode .................................................................................................. 105 7.4 Mechanistische Studien ...................................................................................... 108 7.4.1 KOD-Bedingungen ........................................................................................................................... 109 7.4.2 KOD/Zn-Bedingungen ...................................................................................................................... 110 7.4.3 CuI-Bedingungen .............................................................................................................................. 111 7.4.4 Hinweis auf D2-Gas .......................................................................................................................... 112 7.5 Zusammenfassung .............................................................................................. 115 8 Immobilisierung von Rutheniumkatalysatoren ......................................... 116 8.1 Einleitung ........................................................................................................... 116 8.2 Vorarbeiten ........................................................................................................ 117 8.3 Synthese des Liganden ....................................................................................... 118 8.4 Synthese des Komplexes und Click-Reaktion ..................................................... 120 8.5 Zusammenfassung .............................................................................................. 122 9 Photokatalytische enantioselektive C-H-Arylierung .................................. 124 9.1 Stand der Forschung .......................................................................................... 124 9.2 Studien zum Ligandendesign für die enantioselektive photokatalytische Arylierung .................................................................................................................... 125 9.3 Modifikation des Substrates .............................................................................. 133 9.4 Zusammenfassung ............................................................................................. 135 10 Zusammenfassung ................................................................................... 136 Teil II ............................................................................................................ 143 Experimenteller Teil ..................................................................................... 143 11 Allgemeine Informationen ....................................................................... 145 11.1 Lösungsmittel und allgemeine Chemikalien ...................................................... 145 11.2 Allgemeine Methoden ........................................................................................ 145 11.2.1 NMR-Spektroskopie ..................................................................................................................... 145 11.2.2 IR-Spektroskopie .......................................................................................................................... 146 11.2.3 Chromatographie .......................................................................................................................... 146 11.2.4 Massenspektrometrie .................................................................................................................... 146 12 Mangankatalysierte Oxidation von Cycloalkanen .................................... 147 12.1 Allgemeine Arbeitsvorschriften ......................................................................... 147 12.1.1 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV1) zur Oxidation von Cycloalkanen: ................................... 147 12.2 Synthese des Komplexes .................................................................................... 147 13 Rutheniumkatalysierte Oxidation von Phenylacetonitrilen ...................... 149 13.1 Synthese des Komplex ....................................................................................... 149 13.2 Allgemeine Arbeitsvorschriften ......................................................................... 154 13.2.1 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV2) zur Oxidation von Phenylacetonitrilen zu Acylcyaniden: 154 13.2.2 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV3) zur Darstellung von tert-Butylestern aus Phenylacetonitrilen: ......................................................................................................................................... 154 13.2.3 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV4) zur Darstellung von Estern und Thioestern aus Phenylacetonitrilen: ......................................................................................................................................... 155 13.2.4 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV5) zur Darstellung von Amiden aus Phenylacetonitrilen: ... 155 13.2.5 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV6) zur Darstellung von Cyanhydrinestern aus Phenylacetonitrilen: ......................................................................................................................................... 156 13.2.6 Sequenzielle Arbeitsvorschrift (SAV1) zur Darstellung von Cyanhydrinestern ausgehend von Amiden. 156 13.3 Spektroskopische Daten ..................................................................................... 156 14 Rutheniumkatalysierte Nitrilalkylierung durch Wasserstoffautotransfer .. 170 14.1 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV7) zur Nitrilalkylierung: ............................. 170 14.2 Spektroskopische Daten ..................................................................................... 171 15 Rutheniumkatalysierte Oxidations-Kondensationssequenz ...................... 178 15.1 Allgemeine Arbeitsvorschrift (AAV8) zur sequenziellen 1,2-Difunktionalisierung: 178 15.2 Synthese von Startmaterialien ........................................................................... 178 15.3 Spektroskopische Daten ..................................................................................... 179 16 Rutheniumkatalysierte Deuterierung ....................................................... 186 16.1 Allgemeine Hinweise .......................................................................................... 186 16.2 Synthese des Startmaterials ............................................................................... 186 16.3 Synthese der Referenzverbindungen .................................................................. 194 16.4 Allgemeine Arbeitsvorschriften.......................................................................... 197 16.4.1 Allgemeine Arbeitsvorschrift zur Deuterierung nach CuI-Protokoll (AAV9) ............................. 197 16.4.2 Allgemeine Arbeitsvorschrift zur Deuterierung nach KOD/Zn-Protokoll (AAV10) ................... 197 16.4.3 Allgemeine Arbeitsvorschrift zur Deuterierung nach KOD-Protokoll (AAV11) ........................ 197 16.5 Deuterierte Verbindungen ................................................................................. 198 16.6 Mechanistische Studien ...................................................................................... 219 17 Immobilisierung von Rutheniumkatalysatoren ......................................... 221 17.1 Synthese des Liganden ....................................................................................... 221 17.2 Synthese des Komplexes und Clickreaktion ....................................................... 224 18 Photokatalytische enantioselektive Arylierung ......................................... 226 18.1 Allgemeine Informationen .................................................................................. 226 18.2 Synthese des Katalysators .................................................................................. 227 18.3 Allgemeine Arbeitsvorschrift zur photokatalysierten Arylierung mit Schwarzlicht (AAV12) ........................................................................................................................ 237 Teil III ........................................................................................................... 238 Anhang .......................................................................................................... 238 19 Abstract (english) ..................................................................................... 240 20 Abstract (deutsch) ................................................................................... 242 21 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ 244 22 Literatur .................................................................................................. 246 TEIL I SEITE 17 TEIL I Theoretischer Teil SEITE 18 TEIL I TEIL I SEITE 19 1 Einleitung In der synthetischen Chemie beruhen Bindungsbildungsprozesse meist auf der Modifikation von funktionellen Gruppen wie Alkoholen, Aminen oder Halogeniden. [1] Diese Bindungsmotive stehen jedoch nicht immer in den Startmaterialien zur Verfügung und müssen daher in zusätzlichen Syntheseschritten eingeführt werden. Dies führt zu erhöhtem synthetischen Aufwand und zusätzlichen Abfallprodukten. Deutlich häufiger ist in organischen Molekülen die C-H-Bindung zu finden. Diese wird jedoch als inert angenommen, es sei denn sie befindet sich in direkter Umgebung einer funktionellen Gruppe, z. B. etwa in α-Stellung zu einem Carbonyl, was zur sogenannten „α-Acidität“ des Wasserstoffatoms führt. Möglichkeiten zur direkten Funktionalisierung von nicht-aktivierten C-H-Bindungen würden Syntheserouten signifikant verkürzen und die Atomökonomie verbessern. Des Weiteren bietet eine solche Methode auch die Möglichkeit, Derivate komplexer Zielstrukturen zu synthetisieren, ohne dass für jedes Derivat eine neue Syntheseroute entwickelt werden muss. [1] 1.1 Übergangsmetallkatalysierte C-H-Aktivierung Die Koordination eines Substrats an ein Metallzentrum führt zu einer Änderung der Reaktivität in einer Vielzahl von Strukturmotiven durch Herabsetzung der für die Reaktion notwendigen Aktivierungsbarriere. So können beispielsweise reaktionsträge Moleküle wie Olefine oder Kohlenstoffmonoxid durch Koordination an ein Metallzentrum aktiviert und von Nukleophilen angegriffen werden. [2] Sogar das im Laboralltag als Inertgas verwendete Stickstoffmolekül kann durch Metallkoordination aktiviert werden und mit Elektrophilen reagieren. [3] Jedoch beruht die Aktivierung dieser Beispiele darauf, dass freie Elektronenpaare und/oder π-Orbitale des Substrats mit leeren Orbitalen des Metallzentrums wechselwirken können. Der hieraus resultierende Energiegewinn ist die Triebkraft solcher Reaktionen. Dieses Konzept lässt sich aber nicht ohne weiteres auf C-H-Bindungen erweitern, da diese meist nicht über die geforderte Orbitalbesetzung verfügen. Ausnahmen bilden dabei die ersten Beispiele der C-H-Aktivierung, die an C(sp 2 )-H-Bindungen von Aromaten beobachtet werden konnten, wie die Insertion eines Dicyclopentadienylwolframkomplexes in die C-H-Bindung von Benzol (Schema 1). [4] In diesem Falle findet die Reaktion unter Einbeziehung der π-Orbitale des Aromaten statt. SEITE 20 TEIL I Schema 1: Aktivierung von aromatischen C-H-Bindungen. [4] Die Erweiterung des C-H-Aktivierungskonzepts auf gesättigte Kohlenwasserstoffe schien thermodynamisch nicht möglich zu sein, jedoch konnte Shilov in Studien zum Isotopenaustausch beobachten, dass Methan in D2O in Gegenwart von K2PtCl4 schon unter moderaten Bedingungen (100 °C) deuteriert wurde (Gleichung 1). [5] Gleichung 1: Platinkatalysierter Isotopenaustausch nach Shilov. [5] Die oxidative Insertion von Metallen in die σ-Bindung von Wasserstoffmolekülen war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt und Gegenstand von detaillierten Studien. [6] Shilov schloss aus seinen Beobachtungen, dass im Falle des Methans ebenfalls eine Insertion des Platins in eine C-H-Bindung stattgefunden haben musste. Analog zum vorgeschlagenen Mechanismus der Wasserstoffaktivierung, postulierte Shilov einen ähnlichen Mechanismus für die Aktivierung der C-H-Bindung (Gleichung 2). [5] Gleichung 2: Metall [M] insertiert in die C-H-Bindung von gesättigten Kohlenwasserstoffen. [5] Das Metall insertiert in die C-H-Bindung und im wässrigen Milieu der Reaktionsbedingungen kann das Proton abgespalten werden. Durch Assoziation eines Deuteriums aus dem isotopenmarkierten Lösungsmittel kommt es dann zum beobachtbaren Isotopeneinbau im Methan. [5] Durch Zugabe von [Pt IV Cl6] 2- als stöchiometrisches Oxidationsmittel konnte Shilov sein System vom Isotopenaustausch auf die C-H-Oxidation erweitern (Schema 2). [7] TEIL I SEITE 21 Schema 2: Mechanismus der C-H-Oxidation durch nukleophilen Angriff. [8] In diesem Mechanismus wird ein Proton durch einen Pt II -Komplex I ersetzt, der dann durch Oxidation zu Pt IV zu einer sehr guten Abgangsgruppe (III) transformiert wird. Dies ermöglicht einen nukleophilen Angriff, der neben dem Produkt auch die ursprüngliche Katalysatorspezies (I) freisetzt. Diese Art der C-H-Aktivierung, bei der das Metall ein Proton verdrängt/ersetzt, wird dabei als elektrophile Aktivierung beschrieben. Weitere Klassen der C-H-Aktivierung sind die 1,2- Addition, die Metalloradikal-Aktivierung, die σ-Bindungsmetathese und die oxidative Insertion. Die 1,2-Addition beschreibt die Addition einer C-H-Verbindung an eine Metall=X-Doppelbindung (mit X = C, N). Dies ist vor allem für die frühen Übergangsmetalle Zirkonium und Wolfram bekannt (Gleichung 3). [9] Gleichung 3: 1,2-Addition von C-H-Bindungen an Metall-Imido-Komplexe. SEITE 22 TEIL I Die Addition von C-H-Bindungen an Metall-Imido-Komplexe ist auch für Methan beobachtbar [9a] , jedoch konnte aus dieser Art der C-H-Aktivierung bisher noch kein katalytischer Nutzen gezogen werden. Auch die metalloradikalische C-H-Aktivierung steckt noch in den Anfängen der Forschung. Diese Art der C-H-Aktivierung wird vor allem bei dimeren Rhodium-Porphyrin-Komplexen beobachtet. Die dimere Metallspezies zerfällt in zwei Metallradikale, die dann die C-H-Bindung homolytisch spalten (Gleichung 4). Gleichung 4: Metalloradikalische C-H-Aktivierung durch Rh-Dimer. War das Konzept anfangs noch auf die Aktivierung von Methan mit Rh II -Komplexen beschränkt [10] , so konnte in den letzten Jahren von de Bruin ein Rh 0 -System zur Aktivierung aromatischer C-H-Bindungen entwickelt werden. [11] Im Gegensatz zu den Rh II -Systemen, die nach Aktivierung der C-H-Bindung recht inerte Rh III -Alkylverbindungen liefern [11] , kann durch die Aktivierung mit Rh 0 eine Rh I -Aryl-Spezies erzeugt werden, die möglicherweise zu weiteren Reaktionen getrieben werden kann. Jedoch sind bis dato keine katalytischen System bekannt. C-H-Aktivierung mittels σ-Bindungsmetathese ist der präferierte Mechanismus der Metalle mit d 0 -Elektronenkonfiguration. [12] Dabei kann ein Übergangszustand formuliert werden, der dem Metallacyclobutan-Komplex der Metathesereaktion ähnelt (Schema 3). Schema 3: Übergangszustand der C-H-Aktivierung mittels σ-Bindungsmetathese. Die σ-Bindungsmetathese ist in einer Reihe von Reaktionen in der Polymerchemie zu beobachten [13] , doch die C-H-Bindungsaktivierung mittels σ-Bindungsmetathese als Schlüsselschritt in der katalytischen Bindungsbildung ist erst in den letzten Jahren ergründet worden. So konnte diese Art der C-H-Aktivierung in der ortho-Funktionalisierung von Pyridinen [14] , der Oligomerisierung von Alkinen [15] oder der Hydromethylierung von Propen [16] beobachtet werden. TEIL I SEITE 23 Die etablierteste Methode der C-H-Aktivierung ist jedoch die oxidative Insertion, besonders für Übergangsmetalle wie Fe, Ru, Os, Rh, Ir, Ni, Pt, etc. Die reaktive Spezies ist dabei meist ein koordinativ ungesättigter Metallkomplex. [12] Aufgrund der intrinsischen Instabilität dieser Komplexe wird die katalytisch aktive Spezies meist in situ erzeugt, sei es durch Dissoziation eines Liganden oder thermische, bzw. photochemische Zersetzung eines geeigneten Vorläufers. Diese koordinativ ungesättigte Spezies interagiert mit der C-H-Bindung. Für die anschließende Insertion haben sich mehrere mechanistische Pfade etabliert, die beiden Wichtigsten sind nachfolgend abgebildet (Schema 4). Schema 4: Mögliche Mechanismen der oxidativen Insertion. Der konzertierte Mechanismus (Schema 4, Gleichung 1) ist vor allem für Substrate mit geringer Polarität der zugrundeliegende Mechanismus (z.B. H2-Aktivierung, C-H-Aktivierung). [17] In Ermangelung einer π-Bindung kommt es zur Ausbildung eines σ-Komplexes. Durch Verschiebung der Elektronendichte des Komplexes in das σ * -Orbital wird die C-H-Bindung geschwächt und es kommt zum konzertierten Bindungsbruch und der anschließenden Insertion. Bei Bindungen mit stärkerer Polarität erfolgt die oxidative Insertion eher nach einem SN2-artigen Mechanismus (Schema 4, Gleichung 2). [17] In ähnlicher Weise ist auch ein ionischer Mechanismus denkbar. Dabei ist die Ladungstrennung des Substrates so hoch, dass es noch vor der Koordination an das Metall zu einer Aufspaltung in zwei ionische Spezies kommt (bspw. bei Insertion in HCl). Im Falle von Alkylhalogeniden oder ähnlichen Substraten ist auch ein radikalischer Mechanismus der Insertion denkbar. So konnte Lappert beispielsweise die oxidative Insertion von Pt 0 in diverse Halogenidsubstrate durch ESR-Spektroskopie als radikalischen Mechanismus identifizieren. [18] SEITE 24 TEIL I Ein Merkmal der C-H-Aktivierung durch oxidative Insertion ist die Ausbildung einer Organometallspezies, einer σ-Bindung zwischen dem Kohlenstoff und dem Metall. Dieses Prinzip der C-H-Aktivierung wird von Shilov auch als die „wahre“ C-H-Aktivierung bezeichnet. [19] Als weiteres Prinzip formuliert Shilov die Aktivierung von C-H-Bindungen ohne direkte Koordination an das Metall. [19] In diesem Fall aktiviert das Metallzentrum über ein Cosubstrat oder einen Liganden die C-H-Bindung. Als anschauliches Beispiel hierfür kann die Fe V =O Spezies des Cytochroms P450 dienen (Schema 5). [20] Schema 5: C-H-Aktivierungsteil des „oxygen rebound“-Mechanismus des Cytochrom P450. Die zentrale Eisenspezies aktivert den Sauerstoff und bildet die genannte Fe V =O Spezies aus, die dann in einem radikalischen Mechanismus die C-H-Oxidation bewirkt. Die eigentliche C-H- Aktivierung erfolgt also über das gebundene Sauerstoffatom, daher kommt es zu keiner direkten Koordination der C-H-Bindung an das Metall. Zuletzt kann noch ein Prinzip der C-H-Aktivierung beschrieben werden, in dem das Metall lediglich für die Bildung einer reaktiven Spezies verantwortlich ist, die dann ohne Einfluss des Metalls die C-H-Aktivierung katalysiert. [19] Ein prominentes Beispiel für eine solche Reaktion ist die von Fenton beobachtete Oxidationsreaktion (Schema 6). [21] Schema 6: Oxidationsreaktion nach Fenton. [21] TEIL I SEITE 25 In diesem System ist das Eisen ausschließlich für die Bildung der Hydroxylradikale verantwortlich. Die eigentliche C-H-Aktivierung und die darauf folgende C-H- Funktionalisierung erfolgt ohne das Metall. Um einen synthetischen Nutzen aus einer C-H-Aktivierung zu gewinnen, muss der Aktivierung ein C-H-Funktionalisierungsschritt folgen. In den folgenden Unterkapiteln sollen nun einige C-H-Funktionalisierungen umrissen werden, die Teil dieser Arbeit waren. 1.2 Übergangsmetallkatalysierte C-H-Oxidation Alkane sind ein großer Bestandteil der fossilen Energieträger und als solche im großen Maßstab verfügbar. Ursprünglich galten Alkane, mit Ausnahme in der Verbrennung, als eher reaktionsträge, was sich in ihrer altertümlichen Namensgebung (Paraffine, lat. parum affinis zu Deutsch etwa „wenig Affinität“) niederschlug. Reaktionen von Alkanen mit Radikalen (wie Hydroxylradikale oder Halogenidradikale) wurden früh beschrieben, jedoch war der industrielle Nutzen dieser Reaktionen eingeschränkt, da sich die Selektivität nur durch das Substrat kontrollieren lässt. Eine besonders wichtige Transformation der Alkane ist ihre Oxidation zu den korrespondierenden Alkoholen. [22] Auch hier spielt Selektivität eine besondere Rolle. In höheren oder zyklischen Alkanen ist die Regioselektivität aufgrund der Vielzahl an sehr ähnlichen CH2- und CH3-Gruppen schwer steuerbar. Des Weiteren ist die selektive Hydroxylierung problematisch, da der Alkohol als Oxidationsprodukt eine deutlich aktiviertere C-H-Bindung am α-Kohlenstoff trägt. [23] Daraus resultiert eine Überoxidation zum Keton. In vielen Synthesen führt dies dazu, dass anstelle einer einstufigen Oxidationsreaktion, eine Sequenz aus Oxidation zum Keton und anschließender Reduktion zum Alkohol durchlaufen werden muss. Dies führt zu höherem Ressourceneinsatz, mehr Abfallprodukten und verringerten Ausbeuten. Ein Vorbild in puncto selektiver Hydroxylierungsreaktion stellt die Natur dar. Mit enzymatischen Prozessen können C-H-Bindungen selektiv zu C-OH-Bindungen oxidiert werden. Das bei weitem prominenteste Beispiel dafür ist das Enzym Cytochrom P450, das molekularen Sauerstoff als Oxidationsmittel verwendet. Das Metallzentrum bildet dabei ein Fe II - Protoporphyrin IX-Komplex (Abbildung 1). [20] SEITE 26 TEIL I Abbildung 1: Katalytisch aktives Zentrum des Enzyms Cytochrom P450. Im Zuge des Bestrebens die Chemie möglichst energieeffizient, atomökonomisch und ressourcenschonend zu gestalten („Green Chemistry“) [24] , wurde intensiv nach Methoden der C- H-Oxidation mit „grünen“ Oxidationsmitteln wie molekularem Sauerstoff oder Wasserstoffperoxid H2O2 geforscht. [25] Dabei dienen die Hämkomplexe der Natur als Vorbild für Katalysatorstrukturen. Im Fokus der Forschung stehen Komplexe mit Eisen und Mangan als Zentralatome, da beide Metalle dank ihres hohen Vorkommens preiswert sind und durch ihren Status als Bioelemente als weniger toxisch erachtet werden. [26] In ersten Studien konnte Groves einen Eisen(III)-Porphyrin-Komplex mit Iodosobenzol als Oxidationsmittel in der Oxidation und Epoxidierung von Kohlenwasserstoffen einsetzen (Schema 7). [27] Schema 7: Eisenporphyrin-katalysierte Oxidation nach Groves. [27] Im Laufe der Jahre wurden viele Arbeiten mit modifizierten Liganden dieser Struktur veröffentlicht und ausgezeichnete Selektivitäten und Reaktivitäten dieser Systeme konnten aufgezeigt werden. [28] Es existieren jedoch auch eine Fülle an nicht-hämartigen Komplexen [29] , die ebenfalls tetradentat koordiniert sind. Statt eines starren Porphyrinliganden wird das Zentralatom von den funktionellen Gruppen der umliegenden Proteinhülle koordiniert. Um diese Koordination in TEIL I SEITE 27 biomimetischer Weise zu imitieren, wurden Eisenkomplexe mit tetradentaten Liganden wie Tris(2-Pyridylmethyl)amin (tpa) 6 synthetisiert. [30] In ersten Untersuchungen konnte Que die Stabilität von Eisen-Hydroperoxiden mit dem polydentaten Liganden N4Py 7 aufzeigen und diese als mögliche Übergangszustände in der katalytischen C-H-Oxidation identifizieren. [31] In Folgearbeiten konnte Que auch die Oxidationsaktivitäten einiger tetradentat koordinierten Eisenkomplexe vergleichen [32] , darunter auch den von Nishida [33] publizierten Liganden N,N‘-Dimethyl-N,N‘-Bis(2-Pyridylmethyl)ethan (mep) 8 (Abbildung 2). Abbildung 2: Tetradentate Azaliganden 6, 7 und 8. In weiteren Studien von Que und Costas konnte gezeigt werden, dass für die Aktivität des Komplexes die Topologie des Liganden von großer Bedeutung ist. [34] Für tetradentate Liganden ergeben sich drei mögliche Topologien (Abbildung 3). Abbildung 3: Topologien eines tetradentaten Liganden. [34] Die cis-α-Topologie erwies sich im Falle eines Eisenkomplexes als aktivste Topologie in der selektiven Oxidation von Cyclohexan zu Cyclohexanol. [34] Einen Durchbruch auf dem Gebiet der C-H-Oxidation mit tetradentaten Aminopyridinliganden stellen die Arbeiten von Costas [35] und White [23,36] dar (Schema 8). SEITE 28 TEIL I Schema 8: Oxidationssysteme nach Costas [35] und White [23,36] . Beiden gelang es, Substrat 9 an der tertiären C-H-Bindung zu oxidieren. In beiden Fällen ist eine iterative Zugabe des Oxidationsmittels Wasserstoffperoxid notwendig, da die Oxidationsreaktion langsamer abläuft als mögliche Zersetzungsreaktionen des Katalysators. In beiden Systemen gelang die selektive Hydroxylierung von Methylengruppen jedoch nicht, stattdessen wird die Überoxidation zum Keton beobachtet. White konnte die Flexibilität und Selektivität ihres Systems außerdem in der Oxidation von komplexen Zielstrukturen demonstrieren [37] , jedoch bleibt trotz aller Anwendungsmöglichkeiten das Problem der Überoxidation ungelöst. C-H-Oxidationsreaktionen mit Mangankomplexen dieser Art waren lange nicht im Fokus der Forschung. Erst mit den Beobachtungen von Shul’pin zur mangankatalysierten Oxidation von Cyclohexan [38] wurde das Interesse an diesem Thema neu entfacht. Shul’pin verwendete dabei den Trimethyltriazacyclononan-Ligand 13 (Abbildung 4). Abbildung 4: Trimethyltriazacyclononan-Ligand 13. Eine Reihe weiterer Systeme konnte, auf diesem Ligandensystem basierend, entwickelt werden. [39] Bryliakov nutzte die Erkenntnisse der Eisenkomplexe 10 und 12, um einen TEIL I SEITE 29 manganbasierten Aminopyridinkomplex zu synthetisieren und dessen katalytische Aktivität in der Oxidation von Kohlenwasserstoffen nachzuweisen (Schema 9). [40] Schema 9: Oxidation von Cyclohexan 3 mit einem Aminopyridin-Mangankomplex 14. [40] Im Vergleich zu den eisenbasierten Systemen sticht die erhöhte Aktivität der Mangankomplexe hervor, was zu einer deutlich verringerten Katalysatorladung führt. Das Produkt Cyclohexanon 15 wird in sehr guten Ausbeuten erhalten. Dennoch wird auch hier das Oxidationsmittel im Überschuss eingesetzt und muss bei der Aufarbeitung entsprechend zur Abreaktion gebracht werden. 1.3 Übergangsmetall-katalysierte Deuterierungen Mit zunehmendem Fortschritt in der C-H-Aktivierung wuchs der Bedarf an isotopenmarkierten Verbindungen zur Untersuchung von Reaktionsmechanismen. [41] Zum Einbau von Deuterium standen ursprünglich nur wenige Methoden zur Verfügung, wie der Halogen/Deuterium- Austausch [42] oder die reduktive Deuterierung [43] . Diese Methoden erfordern jedoch die Darstellung passender Ausgangsverbindungen. Insbesondere für die Wirkstoffforschung ist es aber von großer Bedeutung, komplexe Zielstrukturen selektiv in einem späten Stadium der Synthese deuterieren zu können. [44] Dazu wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an metallkatalysierten H/D-Austauschreaktionen entwickelt. Aufbauend auf den Beobachtungen von Shilov [5] zur C-H-Aktivierung konnte Garnett mit Pt-Salzen [45] , Ir-Salzen [46] sowie Rh- Salzen [47] die Deuterierung von aromatischen C-H-Bindungen in deuterierten Lösungsmitteln entwickeln. Dank der herausragenden Eigenschaften von kationischen Iridiumkomplexen in der C-H-Aktivierung [48] wurde eine Reihe von Systemen zur C(sp 2 )-H-Deuteriung entwickelt. Insbesondere Crabtrees Katalysator 16 [49] oder dessen Variationen [50] haben sich als sehr potente Katalysatoren etabliert (Schema 10). SEITE 30 TEIL I Schema 10: Crabtrees Katalysator. Aber auch andere Metalle konnten erfolgreich in Deuterierungsreaktionen eingesetzt werden. So konnten beispielsweise Rutheniumsysteme, die in dehydrogenierenden Prozessen aktiv sind (s. Kapitel 5 Wasserstoffautotransfer) zur Deuterierung von Alkoholen und Aminen in α- und β- Position eingesetzt werden (Schema 11). [44,51] Schema 11: Deuterierung durch Dehydrogenierung mit anschließender reduktiver Deuterierung. [51a] Obwohl schon früh erkannt wurde, dass auch Ruthenium in aromatische C(sp 2 )-H-Bindungen insertieren kann und damit in deuteriertem Lösungsmittel einen Isotopenaustausch katalysiert [52] , blieb dieses Gebiet lange Zeit unbeachtet. Weitere Beispiele für die Ru-katalysierte Deuterierung von Aromaten konnten zwar von Chaudret [53] und später von Leitner [54] beschrieben werden, jedoch waren diese Systeme stets in ihrer Selektivität beschränkt. Erst mit den bahnbrechenden Arbeiten zur ortho-C-H-Alkylierung (Schema 12) von Murai und Chatani [55] wurde die Selektivitätssteuerung bei der aromatischen C-H-Aktivierung mit Ruthenium wieder Gegenstand intensiver Forschungen. Schema 12: Ortho-Alkylierung von Aromaten mit Olefinen nach Murai. [55a] TEIL I SEITE 31 So konnte durch Inspiration der dirigierenden Effekte bei der Alkylierung auch eine N-dirigierte Deuterierung entwickelt werden. Sowohl Peris [56] als auch Nolan [57] konnten in ihren Arbeiten die Deuterierung von aromatischen C(sp 2 )-Bindungen demonstrieren (Schema 13). Schema 13: Aromatische Deuterierung nach Peris [56] (links) und Nolan [57] (rechts). D2O als Deuteriumquelle ist aufgrund seiner niedrigen Kosten sowie der geringen Toxizität besonders gut geeignet. Die Entwicklung eines D2O-basierten Systems mit einem stabilen und einfach darzustellenden Katalysator ist daher wünschenswert. 1.4 Übergangsmetall-katalysierter Wasserstoffautotransfer Die Reduktion von ungesättigten Doppelbindungen ist ein wichtiger Transformationsschritt der organischen Synthese. [58] Der Einsatz von stöchiometrischen Reagenzien wie LiAlH4, NaBH4 etc. ist aufgrund der anfallenden Abfallmengen nicht ökonomisch. So haben sich in den vergangenen Jahrzehnten großartige Entwicklungen im Bereich der übergangsmetallkatalysierten Reduktion herauskristallisiert. Homogene Ruthenium-Hydrierungskatalysatoren sind bereits seit über 50 Jahren bekannt [59] und die Verwendung von atomökonomischen Wasserstoffquellen (Wasserstoffgas, Wasserstoffdonormoleküle) machten diese Methoden besonderes interessant. Mit dem Einsatz von iso-Propanol als Lösungsmittel und gleichzeitiger Wasserstoffquelle in der asymmetrischen Transferhydrierung von Ketonen durch einen chiralen BINAP- Rutheniumkatalysator zeigte Noyori das volle Potential der Ruthenium- Transferhydrogenierungskatalyse auf. [60] Alkohole sind aufgrund der Vielzahl an industriellen und enzymatischen Prozessen preiswerte Reagenzien [61] , sind jedoch aufgrund ihrer intrinsischen Reaktivität nicht als Alkylierungsreagenzien geeignet. Um Alkohole in Alkylierungsreaktionen einsetzen zu können, muss die Hydroxylgruppe erst in eine bessere Abgangsgruppe transformiert werden (Halogenid, Mesylat) oder durch Oxidation die entsprechende Carbonylverbindung erzeugt werden. Dies sind zusätzliche Reaktionsschritte, die wiederum Abfallprodukte mit sich bringen. SEITE 32 TEIL I Schnell wurde erkannt, dass mit den dehydrogenierenden Eigenschaften von Rutheniumkatalysatoren, ausgehend von Alkoholen 21, die entsprechenden Carbonylverbindungen 22 generiert werden können und damit als einziges Abfallprodukt einer Alkylierungsreaktion Hydroxidionen oder Wasser anfällt. [62] Diese Carbonylverbindungen 22 konnten mit Aminen 23 zu den entsprechenden Iminen 24 kondensiert werden. Eine Reduktion dieser Imine durch die zuvor gebildete Ruthenium-Hydrid-Spezies liefert das alkylierte Amin 25 und regeneriert den Katalysator (Schema 14). Schema 14: „Borrowing Hydrogen“ in der Aminalkylierung. Als einziges Abfallprodukt dieser Alkylierungsmethode entsteht somit Wasser. Da der Wasserstoff aus dem Dehydrogenierungsschritt anschließend wieder Platz in der Zielverbindung findet, wird diese Reaktion auch als „Borrowing Hydrogen“ beschrieben. In ersten Arbeiten von Grigg [63] und Watanabe [64] konnte das Potential von Ruthenium- aber auch Iridium- und Rhodiumkomplexen in dieser Reaktion aufgezeigt werden. Neben der Kondensation mit Aminen, konnten auch C-C-Bindungsknüpfungen durch eine Knoevenagelartige Reaktion entwickelt werden (Schema 15). [65] Schema 15: C-C-Bindungsbildung durch „Borrowing Hydrogen“ mit Nitrilen. TEIL I SEITE 33 Auch die Aldolkondensation konnte mit Wasserstoffautotransferreaktivitäten verknüpft werden. So konnte Cho die α-Alkylierung von Ketonen mit Alkoholen beschreiben. Mit einem Überschuss des Alkohols gelang auch die vollständige Reduktion zum Alkohol (Schema 16). [66] Schema 16: α-Alkylierung von Ketonen durch Wasserstoffautotransfer nach Cho. [66] Durch Optimierungen der Ligandenstruktur konnten sehr potente Systeme entwickelt werden, die eine α-Alkylierung unter milderen Bedingungen und geringerem Alkoholüberschuss katalysieren können. Exemplarische Beispiele für die optimierten Ligandenstrukturen sind das System von Zhu mit einem N,N,N-Pincerligand in einem Ru II -Komplex 35 [67] und der Ru II -NHC- Komplex 36 von Ramesh [68] (Abbildung 5). Abbildung 5: Definierte Rutheniumkomplexe 35 und 36 zur α-Alkylierung von Ketonen. SEITE 34 TEIL I 2 Problemstellung Wie in der Einleitung beschrieben, ist die Suche neuer und effizienter Systeme auf dem Gebiet der C-H-Aktivierung bzw. C-H-Funktionalisierung von großer Bedeutung. Ziel dieser Arbeit ist es, das Reaktivitätsspektrum der arbeitskreisinternen Mn- und Ru-Komplexe im Bereich der C-H-Aktivierung zu erweitern und neue Zugänge zur C-H-Funktionalisierung zu eröffnen. Die Oxidation von C-H-Bindungen mit biomimetischen Eisen- und Mangankomplexen wird intensiv untersucht. [69] Dabei stellen sowohl die Regio- als auch die Chemoselektivität große Hürden auf dem Weg zur Entwicklung eines hochselektiven Oxidationssystems dar. Der Komplex Mn II (bep)(OTf)2 37 konnte bereits von Lorenz und Plietker dargestellt und in der Epoxidierung von Doppelbindungen eingesetzt werden. [70] Nun soll die Reaktivität dieses Komplexes in der Oxidation von unreaktiven C-H-Bindungen untersucht werden. Ziel der Untersuchungen ist die Entwicklung eines selektiven Oxidationsprozesses mit dem gut handhabbaren Oxidationsmittel Wasserstoffperoxid. Auch das Reaktivitätsspektrum des Komplexes [Ru II (P,N,N,P)(MeCN)Cl][PF6] 38 soll erweitert werden. Die bereits publizierte Oxidation von benzylischen Methylengruppen [71] soll auf die Oxidation von Synthesebausteinen ausgebaut werden, die dann in Folgereaktionen weiter funktionalisiert werden können. Der Fokus liegt dabei auf einer sequenziellen Reaktionsführung ohne intermediäre Aufarbeitung, um einen Zugang zu funktionalisierten Verbindungen ohne Aufreinigungsschritte eröffnen zu können (Schema 17). Schema 17: Sequenzielle Funktionalisierung durch Ru-katalysierte Oxidation. Die von Hsu [72] demonstrierte Aktivität des vorgenannten Komplexes in der Transferhydrogenierung soll ebenfalls tiefer ergründet werden. Insbesondere das Feld der Wasserstoffautotransferreaktion stellt eine Möglichkeit zur Funktionalisierung unter minimaler Abfallentstehung dar. In dieser Arbeit soll daher die Aktivität des Komplexes [Ru II (P,N,N,P)(MeCN)Cl][PF6] 38 in der Wasserstoffautotransferreaktion untersucht werden. Ein weiterführendes Ziel ist es, die Oxidations- und Reduktionskapazitäten des Komplexes in TEIL I SEITE 35 einer sequenziellen Reaktionsführung zu kombinieren und damit eine 1,2-Difunktionalisierung zu erzielen (Schema 18). Schema 18: Sequenzielle Ru-katalysierte 1,2-Difunktionalisierung. Aufbauend auf dem additivgesteuerten Ru-Reduktionssystem von Schabel [73] soll ein System zur reduktiven Deuterierung von Alkinen und Carbonylen sowie eine C(sp 2 )/C(sp 3 )-H-Deuterierung mittels C-H-Insertion ausgearbeitet werden. Als Katalysator soll dabei ebenfalls der kommerziell erhältliche Komplex RuCl2(PPh3)3 33 eingesetzt werden. Um die Effizienz der arbeitskreisinternen Katalysatorsysteme zu steigern, soll in ersten Studien die Immobilisierung von diesen Komplexen untersucht werden. Dazu wird die Ligandenstruktur insofern verändert, dass ein Linkermotiv integriert werden kann, ohne die Reaktivität signifikant zu verändern (Schema 19). Schema 19: Immobilisierung eines Rutheniumkatalysators auf porösem Trägermaterial. SEITE 36 TEIL I 3 Mangankatalysierte Oxidation von Cycloalkanen 3.1 Vorarbeiten Der im Arbeitskreis Plietker entwickelte Mn(bep)-Komplex 37 konnte erfolgreich in der Epoxidierung von Doppelbindungen eingesetzt werden. [70] Abbildung 6: Mn(bep)(OTf)2 37. In ersten Untersuchungen konnte Lorenz auch die katalytische Aktivität des Komplexes 37 in der Oxidation von C-H-Bindungen in Cyclohexan 3 durch H2O2 beobachten (Schema 19). [74] Leider zeigte sich dabei, dass in Folge der Überoxidation des Cyclohexanols 4 auch signifikante Mengen Cyclohexanon 15 entstehen. Da die selektive Oxidation von nicht-aktivierten CH2- Gruppen zu Alkoholen von größerem Interesse ist, soll die Reaktion dahingehend optimiert werden. Schema 19: Mangankatalysierte Oxidation von Cyclohexan nach Lorenz. [74] Dabei konnte 2,2,2-Trifluorethanol (TFE) als Additiv ermittelt werden. Durch DFT-Rechnungen konnte Lau die Stabilisierung des Oxidationsmittels H2O2 durch TFE in Intermediaten und Übergangszuständen mittels Wasserstoffbrücken belegen. [75] Da sich der Komplex 37 jedoch nicht vollständig in TFE löst, wurde Ethylacetat als Cosolvens identifiziert. [74] TEIL I SEITE 37 3.2 Optimierung der Reaktionsbedingungen der C-H-Oxidation Aufbauend auf den ersten Untersuchungen zur Oxidation von Alkanen unter Einsatz des Mn(bep)-Komplexes 37, sollte die Reaktion bezüglich ihrer Selektivität und Ausbeute weiter optimiert werden. In ersten Untersuchungen sollte die Reaktion zunächst bezüglich der Menge des Additivs Essigsäure optimiert werden (Tabelle 1). Tabelle 1: Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Stöchiometrie der Essigsäure und Produktverteilung der mangankatalysierten Oxidation. Eintrag a Essigsäure Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 4/15 1 30 Äq. 23 % 29 % 0.8:1 2 14 Äq. 20 % 36 % 0.6:1 3 1 Äq. 31 % 25 % 1.2:1 4 0.75 Äq. 42 % 19 % 2.2:1 5 0.5 Äq. 42 % 14 % 3:1 6 0.25 Äq. 32 % 9 % 3.6:1 7 0.1 Äq. 29 % 6 % 4.8:1 8 0 Äq. 25 % 4 % 6.3:1 a: Zugabe von H2O2 und Katalysator als separate Lösungen mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 2 h + 1 h Nachrührzeit. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol (1 Äq.) als internem Standard. Es zeigte sich, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Produktverteilung und eingesetzter Menge Essigsäure besteht. Während bei großem Überschuss Essigsäure bevorzugt das höher oxidierte Keton erhalten wird (Tabelle 1, Eintrag 1-3), scheint bei substöchiometrischem Einsatz von Essigsäure das Produktverhältnis mehr zugunsten des Alkohols 4 verschoben zu sein SEITE 38 TEIL I (Tabelle 1, Eintrag 4-7). Beim Einsatz von 0.5 Äquivalenten Essigsäure wurde eine gute Mischung aus hoher Selektivität und gutem Umsatz beobachtet (Tabelle 1, Eintrag 5). Die Bildung von Peroxyessigsäure ist bei niedrigen Temperaturen nur in Gegenwart von sehr starken Säuren möglich. [76] Die Anwesenheit einer Persäure als zweite reaktive Sauerstoffverbindung, die für die Überoxidation verantwortlich ist, kann also weitesgehend ausgeschlossen werden. Im sauren Medium ist die Zersetzungsgeschwindigkeit von Wasserstoffperoxid deutlich langsamer [77] und Wasserstoffperoxid agiert daher als gutes Oxidationsmittel. Denkbar ist also, dass die Oxidationskraft des Systems so hoch ist, dass es zu einer weiteren Oxidation des Produkts 4 zum Keton 15 kommt. In Studien von Barton konnte bereits gezeigt werden, dass das Acetat-Anion als Ligand für einen strukturell ähnlichen Eisenkomplex agieren kann. [78] Auch bei der Verwendung des Mn(bep)- Komplexes 37 ist es sehr wahrscheinlich, dass es zum Austausch der (OTf)-Liganden kommt. Für diese Theorie spricht, dass schon der Zusatz von 0.5 Äquivalenten Essigsäure zur optimalen Kombination aus Selektivität und Ausbeute bezogen auf den Alkohol 4 führt. Zur grapfischen Darstellung ist der Zusammenhang zwischen Produktselektivität und Stöchiometrie der Essigsäure in Abbildung 7 veranschaulicht. Abbildung 7: Grafische Darstellung der Abhängigkeit von AcOH in der Produktverteilung der mangankatalysierten Oxidation. Diese Abhängigkeit bietet eine interessante Möglichkeit, das Produktverhältnis zu kontrollieren. Aufgrund der enormen industriellen Bedeutung der selektiven Oxidation von C-H-Bindungen zu 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 0 0.1 0.25 0.5 0.75 1 14 30 A u sb e u te [ % ] Äq. AcOH Alkohol Keton TEIL I SEITE 39 Alkoholen [79] wurden weitere Optimierungsarbeiten unternommen um die Selektivität weiter in Richtung Alkohol 4 zu verschieben. Da eine koordinierende Rolle des Acetats an das Metallzentrum möglich ist, wurden die elektronischen Eigenschaften der Essigsäure modifiziert und untersucht (Tabelle 2). Tabelle 2: Einfluss verschiedener Essigsäurederivate. Eintrag a Carbonsäure Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 1 AcOH 31 % 25 % 2 TFA - - 3 Bromessigsäure 34 % 26 % a: Zugabe von H2O2 und Katalysator als separate Lösungen mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 2 h + 1 h Nachrührzeit. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol (1 Äq.) als internem Standard Die gesteigerte Acidität der Bromessigsäure führte zu keiner nennenswerten Veränderung (Tabelle 2, Eintrag 3). Obwohl die Oxidation von Alkanen durch ein TFA/H2O2-System bereits metallfrei [80] beschrieben ist, kommt die Reaktion zum Erliegen (Tabelle 2, Eintrag 2). Denkbar ist, dass Trifluoracetat sehr stabil an das Metallzentrum gebunden wird und damit eine Dissoziation nicht mehr möglich ist. Dieser Umstand wird in der manganoxidkatalysierten Oxidation von Methan ausgewendet. Die katalytisch aktive Spezies ist dabei Mn(TFA)2, das durch Lösen von Mn2O3 in TFA gebildet wird. [81] Im Zusammenhang mit Wasserstoffperoxid-vermittelten Epoxidierungsreaktionen wird seit einigen Jahren 1,1,1,3,3,3-Hexafluor-2-propanol (HFIP) als potentes Additiv beschrieben. Dies ist nur eine von vielen einzigartigen Eigenschaften und Anwendungen von HFIP. [82] Durch Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen HFIP und H2O2 wird die O-O-Bindung polarisiert, was zu einer deutlichen Steigerung der Reaktivität führt. [83] Des Weiteren kann HFIP in Systemen mit begrenzter Mischbarkeit der Komponenten (wie z.B. Alkane oder Alkene in Wasser/alkoholischen Lösungsmitteln) als Phasentransferkatalysator agieren. [84] SEITE 40 TEIL I Um eine Limitierung der verminderten Löslichkeit des sehr unpolaren Edukts 3 im polaren Reaktionsmedium TFE zu vermeiden, wurde der Einfluss des Reagenzes HFIP auf die Selektivität untersucht (Tabelle 3). Tabelle 3: Untersuchung der Addition von HFIP als Cosolvens. Eintrag a HFIP Y Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 1 - 31 % 25 % 2 50 mol-% 34 % 25 % 3 9:1:1 v/v/v TFE/EtOAc/HFIP 38 % 26 % 4 9:1 v/v HFIP/EtOAc 20 % 35 % a: Zugabe von H2O2 und Katalysator als separate Lösungen mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 2 h + 1 h Nachrührzeit. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol (1 Äq.) als internem Standard. Überraschenderweise war kein positiver Effekt durch Zugabe von HFIP zu erkennen. Stattdessen scheint sich die Selektivität zugunsten des Ketons 15 zu verschieben, wenn HFIP als Cosolvens eingesetzt wird (Tabelle 3, Eintrag 3 & 4). Bei Zugabe von katalytischen Mengen HFIP (Tabelle 3, Eintrag 2) erhöht sich zwar die Gesamtausbeute marginal, jedoch sinkt die Selektivität bezüglich des Alkohols. Dies scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu den Beobachtungen der Literatur zu stehen, fügt sich jedoch nahtlos an die Beobachtungen, die im Zuge der Essigsäureoptimierungen getroffen wurden. Auch hier scheint die Zugabe von HFIP die Oxidationsstärke des Systems so weit zu erhöhen, dass Alkohol 4 auch weiter zu Keton 15 oxidiert werden kann. Ziel der folgenden Optimierungen war es also, die Reaktion bezüglich Atomökonomie und Reaktionszeit zu verbessern, da letztere in direktem Zusammenhang mit der unerwünschten Überoxidation steht. Dazu wurde der Einfluss der Reaktionszeit auf die Ausbeuten untersucht (Tabelle 4). TEIL I SEITE 41 Tabelle 4: Einfluss der Reaktionszeit. Eintrag a Zeit t b Ausbeute 4 c Ausbeute 15 c 1 1 + 0 h 34 % 5 % 2 2 + 0 h 32 % 8 % 3 4 + 0 h 31 % 8 % 4 2 + 1 h 34 % 8 % 5 2 + 15.5 h 36 % 8 % a: Zugabe von H2O2 und Katalysator als separate Lösungen mit Spritzenpumpe über den angegebenen Zeitraum. b: Zugabezeit der Spritzenpumpen-Addition + Nachrührzeit ohne weitere Zugabe. c: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol (1 Äq.) als internem Standard. Die bisher verwendete Standardprozedur bestand darin, eine Lösung des Katalysators sowie eine Lösung von H2O2, jeweils im Lösungsmittelgemisch, per Spritzenpumpe über einen Zeitraum von zwei Stunden bei 0 °C hinweg gleichmäßig zuzugeben und anschließend noch eine Stunde bei gleichbleibender Temperatur nachzurühren (Tabelle 4, Eintrag 4). Eine Verlängerung der Nachrührzeit zeigte keinen Effekt (Tabelle 4, Eintrag 5). Wie aus vorhergehenden Versuchen bereits erkennbar war, ist die Reaktivität dieses Systems sehr hoch, so dass davon ausgegangen werden kann, dass das Wasserstoffperoxid direkt bei Zugabe zersetzt oder in der Reaktion verbraucht wird. Dementsprechend kann die Nachrührzeit sehr kurz ausfallen oder gar entfallen (Tabelle 4, Eintrag 2). Die Halbierung der Zugabegeschwindigkeit führte zu keiner Veränderung (Tabelle 4, Eintrag 3), während eine Verdopplung der Zugabegeschwindigkeit erfreulicherweise problemlos möglich war (Tabelle 4, Eintrag 1). Mit der auf eine Stunde verkürzten Reaktionszeit sollte untersucht werden, ob ein Überschuss an Oxidationsmittel H2O2 verwendet werden muss. Dementsprechend erfolgte ein Screening der eingesetzten Menge an Oxidationsmittel (Tabelle 5). SEITE 42 TEIL I Tabelle 5: Einfluss der Stöchiometrie des Oxidationsmittels. Eintrag a H2O2 Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 1 1 Äq. 33 % 5 % 2 2 Äq. 39 % 9 % 3 3.4 Äq. 43 % 9 % 4 5 Äq. 38 % 10 % 5 c 1 Äq. 36 % 6 % 6 d 1 Äq. 6 % Spuren a: Zugabe von H2O2 und Katalysator als separate Lösungen mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol (1 Äq.) als internem Standard. c: Nur H2O2 per Spritzenpumpe zugegeben, alle anderen Komponenten in Lösung vorgelegt. d: Alle Komponenten bei Reaktionsbeginn zugegeben. Eine Verringerung des Oxidationsmittels von 3.4 auf 2 Äquivalente verringerte den Umsatz zwar leicht, jedoch ist der Einsatz von weniger Wasserstoffperoxid diese Einbußen wert (Tabelle 5, Eintrag 2 & 3). Erfreulicherweise konnten auch bei äquimolarem Einsatz von Wasserstoffperoxid noch gute Ausbeuten und eine sehr gute Selektivität beobachtet werden (Tabelle 5, Eintrag 1). Durch Vermeidung von großem Überschuss an Oxidationsmittel stellte sich die Frage, ob es auch möglich wäre, die Reaktion ohne langsame Zugabe des Oxidationsmittels durchzuführen. Leider zeigte sich, dass sich beim Vorlegen von allen Komponenten der Reaktion recht schnell eine Braunfärbung beobachten lässt und die Ausbeuten deutlich einbrechen (Tabelle 5, Eintrag 6). Die braune Färbung lässt sich vermutlich auf die Bildung von Braunstein in Folge der Katalysatorzersetzung zurückführen. Es gelang jedoch, die Reaktion nur mit langsamer Zugabe des Oxidationsmittels mit gleichem Ergebnis durchzuführen (Tabelle 5, Eintrag 5). Damit muss nicht wie zuvor mittels zwei Spritzen sowohl Katalysator als auch Oxidationsmittel langsam zugegeben werden, sondern der Katalysator kann im Reaktionsgemisch vorgelegt werden. TEIL I SEITE 43 Um die Aktivität des Katalysators 37 voll auszuschöpfen, wurde auch in einem Katalysatorscreening die benötigte Katalysatorladung untersucht (Tabelle 6). Tabelle 6: Einfluss der Katalysatorladung. Eintrag a Katalysatorladung Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 1 1 mol-% 33 % 5 % 2 0.5 mol-% 33 % 6 % 3 2 mol-% 31 % 5 % a: Zugabe von H2O2 als separate Lösung mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol als internem Standard Es zeigte sich, dass eine Halbierung der Katalysatorladung auf 0.5 mol-% problemlos möglich ist (Tabelle 6, Eintrag 2). Eine Verdopplung der Katalysatorladung auf 2 mol-% zeigte jedoch keinen positiven Effekt (Tabelle 6, Eintrag 3) im Vergleich zur Reaktion mit 1 mol-% (Tabelle 6, Eintrag 1). Um die limitierenden Faktoren dieser Reaktion zu ergründen und eine Diffusionslimitierung auszuschließen, wurde die Reaktion mit 10-fachem Überschuss an Cyclohexan 3 durchgeführt. (Schema 19). Schema 19: Untersuchung zu Substratlimitierung der Oxidation. Im Gegensatz zu anderen Systemen ist in diesem System keine Substratlimitierung erkennbar und die Ausbeuten lassen sich nicht durch den Einsatz von Startmaterial im Überschuss erhöhen. SEITE 44 TEIL I Um die Reaktionsbedingungen weiter zu optimieren, wurde der Einfluss der Reaktionstemperatur auf die Oxidation untersucht (Tabelle 7). Tabelle 7: Einfluss der Temperatur in der mangankatalysierten Oxidation. Eintrag a T Ausbeute 4 b Ausbeute 15 b 1 21 °C 28 % 5 % 2 0 °C 35 % 4 % 3 -10 °C 36 % 6 % 4 -20 °C 33 % 5 % 5 c 6 d 0 °C 35 % 6 % 0 °C 34 % 6 % a: Zugabe von H2O2 als separate Lösung mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol als internem Standard. c: H2O2-Lösung während des Zugabevorgangs auf 0 °C gekühlt und vor Licht geschützt d: H2O2-Lösung ungekühlt zugetropft. Leider zeigte sich, dass eine Erhöhung der Reaktionstemperatur auf Raumtemperatur mit einem Rückgang der Ausbeuten verbunden ist (Tabelle 7, Eintrag 1). Grund hierfür ist die beschleunigte Zersetzung von Wasserstoffperoxid durch die Anwesenheit von Metallsalzen (hier Mangan). [85] Dies zeigte sich auch an der verstärkten Braunfärbung der Reaktion, die auf die Bildung von MnO2 schließen lässt. Um diese Hintergrundreaktion zu verlangsamen, muss die Reaktion unter Kühlung und langsamer Zugabe von Wasserstoffperoxid erfolgen. Weiteres Absenken der Reaktionstemperatur (Tabelle 7, Eintrag 3) führte zu einer minimalen Steigerung der Ausbeute, während ein Absenken auf -20 °C die Ausbeute wieder verringerte (Tabelle 7, Eintrag 4). Als Optimum wird daher die Reaktionstemperatur von 0 °C angenommen, da diese Temperatur mit herkömmlichen Methoden noch leicht zu erreichen ist. Für die Ausbeute spielt es jedoch keine TEIL I SEITE 45 Rolle, ob die Lösung von H2O2 in TFE/EA gekühlt und vor Licht geschützt (Tabelle 7, Eintrag 5) oder ungekühlt zugetropft wird (Tabelle 7, Eintrag 6). Um den Einfluss einer erhöhten Sauerstoffkonzentration zu untersuchen, wurde die Reaktion in Gegenwart einer Sauerstoffatmosphäre durchgeführt (Schema 20). Schema 20: Untersuchung zur Auswirkung einer Sauerstoffatmosphäre in der mangankatalysierten Oxidationsreaktion. Im Falle einer Fenton-artigen Reaktion (Schema 6 in Kapitel 1.2) findet der eigentliche C-H-Oxidationsschritt durch Reaktion eines Alkylradikals mit Sauerstoff statt. [21] Eine zusätzliche Sauerstoffatmosphäre sollte daher zu einer Steigerung der Reaktivität führen. Jedoch ließ sich nur ein Absinken der Ausbeuten beobachten. Darüber hinaus liefern Fenton-artige Oxidationen nach Zerfall des Alkylhydroperoxids ein äquimolares Gemisch aus Alkohol und Keton. Da Cyclohexanon 15 jedoch nur in Spuren zu beobachten ist, muss die zugrundeliegende C-H- Aktivierung einem anderen Mechanismus folgen. Bryliakov [86] postulierte in seiner Arbeit die Bildung einer Mangan V -Oxo-Spezies als die katalytisch aktive Metallspezies, welche in dem nachfolgend dargestellten Katalysezyklus die Oxidation von Alkanen katalysiert (Schema 21). SEITE 46 TEIL I Schema 21: Oxidationsmechanismus nach Bryliakov. [86] Der zugrunde liegende Mechanismus ist dabei vom „oxygen rebound“-Mechanismus [87] inspiriert, der eine Eisen-Oxo-Spezies als katalytisch aktive Spezies des Enzyms Cytochrom P450 definiert. Die Metall-Oxo-Verbindung III abstrahiert dem Substrat ein Proton, wodurch sich, neben dem Alkylradikal, eine Metall-Hydroxyspezies IV ausbildet. Im sog. „oxygen rebound“ verbleibt das Alkylradikal in der ersten Koordinationssphäre des Mangans und reagiert dann mit der Hydroxylgruppe zu einem Alkohol (Schema 21, V). Anschließend wird das Produkt durch Ligandenaustausch mit dem Solvens (TFE in unserem System) freigesetzt und der Zyklus geschlossen. Allerdings existieren Studien zu sowohl eisen- [88] als auch manganbasierten Systemen [29c] , die in DFT-Studien die Dissoziation des Alkylradikals als energetisch günstiger einschätzen. Die Energien der Übergangszustände sind dabei stark von der Struktur der Katalysatoren und Liganden abhängig. Eine pauschale Aussage über den Mechanismus lässt sich also nicht treffen TEIL I SEITE 47 und daher bedarf es noch weiterer Untersuchungen zur Aufklärung des Mechanismus unseres Systems. 3.3 Erweiterung auf substituierte Cycloalkane Um das Potential dieser Oxidationsmethode zu studieren, wurde die Regioselektivität des Systems in Gegenwart von tertiären C-H-Bindungen untersucht. Als Modellsubstrat wurde n-Propylcyclohexan 39 gewählt (Tabelle 8). Tabelle 8: Mangankatalysierte Oxidation von n-Propylcyclohexan 39. Eintrag a H2O2 Reaktionszeit t Ausbeute 40 b Ausbeute 41 b 1 1 Äq. 1 h 13 % 4 % 2 1 Äq. 2 h 13 % 4 % 3 1 Äq. 2 + 1 h 13 % 5 % 4 1 Äq. 2 + 16 h 4 % 13 % 5 3.4 Äq. 2 + 1 h 15 % 10 % 6 c 1 Äq. 1 h 12 % 4 % a: Zugabe von H2O2 als separate Lösung mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol als internem Standard. c: Reaktions mit 0.1 Äq. Cyclohexanon durchgeführt. Es lässt sich eine exzellente Regioselektivität der Oxidation an Position 3 des Ringes beobachten. Diese steht im Einklang mit Beobachtungen der Gruppe um White, die mit einem eisenbasierten System ähnliche Regioselektivität beobachten konnte. [23] Die zugrundeliegende Erklärung für die Bevorzugung der sekundären gegenüber der tertiären C-H-Bindungen ist im sterischen Anspruch des Liganden zu finden. Wie bereits zuvor postuliert, ist das Metallzentrum mit seinen Liganden auch am C-H-Oxidationsschritt beteiligt, daher ist die tertiäre C-H-Bindung durch sterische Abschirmung unreaktiver. Die vergleichsweise geringere Stabilität des SEITE 48 TEIL I sekundären Radikals ist dabei nicht ausschlaggebend, da es sehr schnell zum „oxygen rebound“, der Rekombination von Hydroxylradikal mit dem Alkylradikal, kommt. Die Selektivität bezüglich der 3-Position in einem alkylsubstituierten Cyclohexan lässt sich durch 1,3-diaxiale Wechselwirkung der axialen C3-Protonen mit dem Alkylsubstituenten erklären (Abbildung 8). Daraus folgt eine Herabsetzung der Aktivierungsenergie. [89] Abbildung 8: Sesselkonformationen von alkylsubstituierten Cyclohexanen und damit einhergehende mögliche 1,3-diaxiale Wechselwirkung. Leider konnte auch durch Verlängerung der Reaktionszeit (Tabelle 8, Eintrag 1-4) keine höhere Ausbeute des Alkohols 40 erzielt werden. Eine deutliche Erhöhung der Oxidationsäquivalente (Tabelle 8, Eintrag 5) führte nur zu vermehrter Überoxidation zu Produkt 41. In allen Reaktionen wurde ein geringer Umsatz im Bereich von 30 % beobachtet. Um eine Deaktivierung des Katalysators durch Produktkoordination ausschließen zu können, wurde die Reaktion mit 0.1 Äq. Cyclohexanon durchgeführt. Bei fast unveränderten Ausbeuten kann nicht von einer Produktinhibierung ausgegangen werden (Tabelle 8, Eintrag 6). Ein weiterer Faktor könnte die schlechtere Löslichkeit von n-Propylcyclohexan 39 im Vergleich zu Cyclohexan 3 im Lösungsmittelgemisch sein. Um das potentielle Löslichkeitsproblem des Startmaterials zu adressieren, wurde das Lösungsmittelgemisch erneut variiert (Tabelle 9). TEIL I SEITE 49 Tabelle 9: Einfluss des Lösungsmittelgemisches. Eintrag a Solvens (v/v) Ausbeute 40 b Ausbeute 41 b 1 9:2 TFE/EtOAc 11 % 5 % 2 9:4 TFE/EtOAc 13 % 4 % 3 4 5 9:6 TFE/EtOAc 9:1 TFE/MeCN 9:1 TFE/DEC 6 % 8 % 15 % 6 % 7 % 4 % a: Zugabe von H2O2 als separate Lösung mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol als internem Standard. Eine Erhöhung des Anteils des Cosolvens Ethylacetat hatte nicht den gewünschten Effekt, ein zu hoher Anteil an EtOAc scheint die Reaktion gar zu erschweren (Tabelle 9, Eintrag 1-3). Auch die Verwendung von anderen Lösungsmitteln wie Acetonitril (Tabelle 9, Eintrag 4) oder Diethylcarbonat (Tabelle 9, Eintrag 5) konnte die Ausbeuten nicht weiter erhöhen. Im Gegenzug wurde auch untersucht, ob das Löslichkeitsproblem durch Verwendung von organischen Peroxiden behoben werden kann (Tabelle 10). SEITE 50 TEIL I Tabelle 10: Untersuchungen mit diversen organischen Peroxiden. Eintrag a Oxidans Ausbeute 40 b Ausbeute 41 b 1 CHP (80 %, technical grade) 7 % 1 % 2 Carbamidperoxid (35.1 gw-%) 7 % 3 % 3 TBHP (70 gw-% in H2O) 13 % 5 % 4 TBHP (2.08 M in Benzol) Spuren Spuren 5 H2O2 14 % 5 % a: Zugabe von Oxidant als separate Lösung mit Spritzenpumpe über einen Zeitraum von 1 h. b: Ausbeute bestimmt mittels GC mit Nitrobenzol als internem Standard. Die Verwendung eines rein organischen Peroxids wie Cumolhydroperoxid (Tabelle 10, Eintrag 1) sowie ein Peroxid in Salzform (Tabelle 10, Eintrag 2) führten zu deutlich verminderten Ausbeuten. Ob dies der Polarität des Lösungsmittelgemisches oder einer aktiven Rolle des Wassers im Katalysezyklus geschuldet ist, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Aus anderen Arbeiten im Arbeitskreis war tert-Butylhydroperoxid (TBHP) bereits als Oxidationsmittel bekannt. [71] Dabei wird das Peroxid von einer wässrigen Lösung in ein organisches Lösungsmittel (systembedingt Benzol) extrahiert. Auffallend ist, dass bei Verwendung einer ebenfalls wässrigen Lösung von tert-Butylhydroperoxid (Tabelle 10, Eintrag 3) identische Ausbeuten wie mit Wasserstoffperoxid (Tabelle 10, Eintrag 5) erzielt werden können, während es bei Verwendung von TBHP in Benzol zu einer schnellen Braunfärbung des Reaktionsgemisches kommt (Tabelle 10, Eintrag 4). Dies ist ein Indiz für eine Katalysatorzersetzung. Wie anfangs bereits deutlich wurde, scheint die Polarität von großer Bedeutung für die Reaktivität zu sein. Es scheint in diesem Falle bevorzugt die Katalase- TEIL I SEITE 51 Reaktion zwischen dem Mangankomplex 37 und dem Peroxid stattzufinden, da kaum Produkt zu beobachten ist. 3.4 Zusammenfassung In den hier aufgezeigten Studien zur Entwicklung einer mangankatalysierten Oxidation von nicht-aktivierten CH2-Gruppen konnten erste Erfolge mit dem Komplex Mn(bep)(OTF2) 37 erzielt werden. So lässt sich die selektive Oxidation von Cyclohexan 3 zu Cyclohexanol 4 mit lediglich äquimolaren Mengen Wasserstoffperoxid und einer geringen Katalysatorladung von 1 mol-% realisieren. Nach einer kurzen Reaktionszeit von nur einer Stunde wird das Produkt Cyclohexanol 4 in guten Ausbeuten und hoher Selektivität erhalten. Die Erweiterung dieses Konzepts auf alkylsubstituierte Cyclohexane brachte eine hohe Selektivität zugunsten der Position 3 zutage und kann in weiterführenden Arbeiten weiter ergründet werden. 4 Rutheniumkatalysierte Oxidation von Phenylacetonitrilen 4.1 Stand der Forschung und Vorarbeiten Neben Mangankomplex 37 konnte im Arbeitskreis Plietker der Komplex [Ru(P,N,N,P)(MeCN)(Cl)][PF6] 38 in Oxidationsreaktionen eingesetzt werden. Beispielsweise konnte Hsu im Rahmen seiner Dissertation 38 erfolgreich in der Oxidation von benzylischen CH2-Gruppen in Anwesenheit von TBHP in Benzol einsetzen. [71] Schema 22: [Ru(P,N,N,P)(MeCN)(Cl)][PF6] 38, kurz: Ru(P,N,N,P), nach Hsu [90] . Hsu konnte ebenso die Ru(P,N,N,P)-katalysierte benzylische Oxidation von 4- Methoxyphenylacetonitril 42 zu Benzoylcyanid 43 beobachten (Schema 23). [90] SEITE 52 TEIL I Schema 23: Rutheniumkatalysierte Oxidation von 4-Methoxyphenylacetonitril 42. [90] Diese sehr reaktive Carbonylverbindung lässt sich in eine Vielzahl verschiedener Verbindungen überführen. [91] Beispielsweise wird in den Arbeiten der Gruppe Plietker auf dem Gebiet der polycyclischen polyprenylierten Acylphloroglucinole (PPAPs) die Benzoylierung mittels Säurecyaniden realisiert. [92] Diese Säurecyanide müssen dabei aus den entsprechenden Säurechloriden unter Verwendung von TMSCN dargestellt werden. Eine weniger toxische Synthese ist daher erstrebenswert. Als Ausgangsverbindung soll eine nicht-toxische Cyanidverbindung eingesetzt werden. Hsu konnte in Vorarbeiten des Weiteren bereits die Darstellung der Verbindungsklasse der Cyanhydrinester in einer Eintopfsequenz realisieren (Schema 24). [90] Schema 24: Rutheniumkatalysierte Eintopfsequenz zur Darstellung von Cyanhydrinester 44 nach Hsu. [90] Die Teilschritte des Mechanismus beinhalten eine benzylische C-H-Oxidation und einen Angriff des Cyanidions an die Aldehydkomponente 47 (Schema 25). Das gebildete Cyanhydrin 48 wird abschließend mit der aktivierten Carbonylverbindung 49 verestert. TEIL I SEITE 53 Schema 25: Mechnismus der Cyanhydrinesterbildung. [90] In Zusammenarbeit mit Michael Bauder wurde das Substratspektrum der benzylischen Oxidation von Phenylacetonitrilderivaten und der Cyanhydrinester untersucht, sowie weitere Funktionalisierungsvarianten der Acylcyanide erschlossen. 4.2 Oxidation der benzylischen CH2-Gruppe Die Oxidation von Phenylacetonitrilen liefert, wie eingangs erwähnt, die sehr reaktive Stoffgruppe der Acylcyanide. Da sich eine Aufreinigung von solchen Verbindungen sehr schwierig gestaltet, wurden die Ausbeuten der Oxidation nur spektroskopisch bestimmt und anschließend als Ester isoliert. Die Wahl des Esters fiel dabei auf den tert-Butylester, da der entsprechende Alkohol bereits als Nebenprodukt der Oxidation mit tert-Butylhydroperoxid vorhanden ist und es bei Verwendung von anderen Alkoholen zu Produktgemischen kommen kann, was die Ausbeuten verfälschen würde. Nach Optimierungsarbeiten von Bauder konnte ein Protokoll einer schrittweisen Oxidation- Verersterungssequenz etabliert werden. Damit ließ sich das nachfolgend abgebildete Substratspektrum ausarbeiten (Tabelle 11). SEITE 54 TEIL I Tabelle 11: Substratspektrum der rutheniumkatalysierten Oxidations-Veresterungssequenz. Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt und als isolierte Ausbeuten angegeben. a: Von Michael Bauder durchgeführte Experimente. TEIL I SEITE 55 Es zeigte sich, dass sich insbesondere elektronenreiche Verbindungen wie 43 in sehr guten Ausbeuten oxidieren lassen. Auch schwach elektronenziehende Substituenten wie Halogenide (54 und 55) konnten in guten bis moderaten Ausbeuten oxidiert werden. Wie in Verbindung 57 ersichtlich, werden Acetale ebenfalls toleriert. Stark elektronenziehende Substituenten wie die CF3-Gruppe (Verbindung 59) brachten die Oxidation zum Erliegen. Wie auch in anderen Studien wurden Verbindungen mit stickstoffhaltigen Aromatensubstituenten (Verbindung 58) nicht toleriert. Die Erklärung hierfür liefert eine Betrachtung des Katalysators. Der Acetonitrilligand lässt sich auch durch einen Benzonitrilliganden ersetzen, dies konnte Bauder in seiner Masterarbeit zeigen. [93] Eine Koordination des Substrats an den Komplex über den Stickstoff der Nitrilgruppe ist sehr wahrscheinlich. Nach der Oxidation der benzylischen Position sind diese Nitrile jedoch bedeutend weniger elektronenreich und können daher leicht durch ein elektronenreicheres Nitril (unreagiertes Edukt) ersetzt werden, um den Katalysezyklus zu schließen. Eine Koordination des 4-Cyanophenylacetonitril könnte daher irreversibel sein, da keine Verringerung der Elektronendichte des aromatischen Nitrils durch Oxidation möglich ist. Durch Abfangen des Acylcyanids mit tert-Butanol konnten die korrespondierenden Ester in moderaten bis guten Ausbeuten erhalten werden (Tabelle 11, Verbindung 60-66). 4.3 Abfangen der Acylcyanide mit diversen Nukleophilen Die Darstellung anderer Carbonylverbindungen durch Variation des zugegebenen Nukleophils konnte ebenfalls realisiert werden. Ein von Bauder entwickeltes sequenzielles Eintopfverfahren ermöglicht die Darstellung von Methylestern ohne dass eine Aufarbeitung nötig ist (Schema 26). Schema 26: Sequenzielle Eintopfsynthese von Estern. Mit diesem Protokoll ist es möglich, nach Ende des Oxidationsschritts durch direkte Zugabe des Nukleophils zum entsprechenden Ester zu gelangen. Dieses Protokoll wurde hinsichtlich seines Substratspektrums untersucht und sollte neben Estern auch zur Darstellung von Thioestern und Amiden genutzt werden (Tabelle 12). SEITE 56 TEIL I Tabelle 12: Substratspektrum der nukleophil abgefangenen Acylcyanide. TEIL I SEITE 57 Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt und als isolierte Ausbeuten angegeben. a: Zur Amidbildung war nur 1 Äq. Nukleophil und keine zusätzliche Aminbase notwendig . Erfreulicherweise lassen sich mit diesem Protokoll die Ester verschiedener Alkohole in sehr guten Ausbeuten darstellen. Neben primären Alkoholen (Verbindungen 67 & 69) können so auch sekundäre Alkohole (Verbindungen 68 & 70) zu den entsprechenden Estern umgesetzt werden. Die Erweiterung der Methode zur Darstellung von Thioestern konnte erfolgreich realisiert und die Verbindungen 71 und 72 in guten bis sehr guten Ausbeuten isoliert werden. Die Darstellung von Ketonen (Verbindung 79) durch Verwendung von C-zentrierten Nukleophilen konnte leider weder mit Na(acac) noch mit Cu(acac)2 realisiert werden. Gründe hierfür können die Stabilität der eingesetzten C-Nukleophile, der deutlich erhöhte sterische Druck am nukleophilen Zentrum oder die Instabilität des Produkts sein. Das (α, α, α)- Triketonmotiv 79 führt zu einer sehr aziden C-H-Bindung, die unter den Reaktionsbedingungen deprotoniert werden könnte und Folgereaktionen unterlaufen könnte. Zur Darstellung von Amiden konnte die Stöchiometrie durch einige Optimierungen erheblich verbessert werden. So ist lediglich ein Äquivalent des Amins notwendig und auf den Zusatz einer weiteren Base kann verzichtet werden. Werden die Ausbeuten der Verbindungen 73-75 mit den Ausbeuten der Verbindungen 76-78 verglichen, so zeigt sich, dass höhere Ausbeuten bei den 4-methoxysubstituierten Derivaten erzielt wurden. Dies spiegelt die bisherigen Beobachtungen wider, dass elektronenreiche Aromaten zu höheren Ausbeuten der Oxidation führen. [71] Da Acylcyanide äußerst vielfältige und reaktive Verbindungen sind, lassen sich damit eine Vielzahl an Transformationen durchführen. [91a] Damit können mit dieser Methode stabile und kommerziell erhältliche Verbindungen wie Phenylacetonitrilderivate in hochreaktive Acylierungskomponenten überführt werden, ohne mit Halogenierungsreagenzien arbeiten zu müssen. Eine weitere Anwendung finden Acylcyanide in der Synthese von Cyanhydrinestern. [94] Die Syntheseroute beinhaltet meist den Einsatz von hoch toxischen Cyanidsalzen wie KCN. [95] Im Zuge der bisherigen Ergebnisse stellte sich die Frage, ob sich unser Oxidationsprotokoll auch zur Darstellung von Cyanhydrinestern in einer Eintopfsequenz eignen würde. Hsu konnte in ersten Studien bereits erste Erfolge [90] erzielen und das Protokoll wurde von Bauder weiter optimiert. [93] Im Rahmen dieser Arbeit wurde, ebenfalls in Kooperation mit Michael Bauder, dem Protokoll der letzte Feinschliff verpasst und das Substratspektrum erforscht. Nachfolgend ist das Substratspektrum des optimierten Prozesses dargestellt. SEITE 58 TEIL I Tabelle 13: Substratspektrum der rutheniumkatalysierten Cyanhydrinestersynthese im Eintopfverfahren. TEIL I SEITE 59 Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt und sind als isolierte Ausbeuten angegeben. a: Von Michael Bauder durchgeführte Reaktionen. Die Methode konnte auf eine Vielzahl an Aldehyden angewandt werden. Auch hier werden Substrate mit koordinierenden Stickstoffmotiven (Verbindungen 80, 81, 82 & 89) nicht toleriert, auch elektronenarme Aromaten liefern keine Ausbeuten (Verbindungen 90). Davon abgesehen lassen sich jedoch sowohl ortho- als auch meta-substituierte Aromaten oxidieren und zu den entsprechenden Cyanhydrinestern umsetzen (83, 84 & 85). Die Reihe der halogenidsubstituierten Aromaten zeigt keinen Einbruch der Reaktivität (Verbindungen 86, 87 & 88). Die Verwendung von sekundären Carbonylverbindungen wie Ketonen lieferte keine (98) oder sehr geringe Ausbeuten (97). Da jedoch als Nebenprodukt große Mengen an Cyanhydrin beobachtet werden konnten, kann davon ausgegangen werden, dass nicht der Teilschritt der Cyanidaddition an die Carbonylverbindung erschwert ist, sondern die anschließende Veresterung des resultierenden Cyanhydrins mit dem Acylrest. Auch konjugierte Aldehyde (Verbindung 92), benzylische Aldehyde (Verbindung 85) und aliphatische Aldehyde (Verbindungen 44, 93 & 96) können als Bausteine eingesetzt werden. Des Weiteren konnten bei Verwendung des enantionmerenreinen Aldehyds (S)-(-)-Citronellal die Produkte 91 und 95 diastereomerenrein erhalten werden. Neben der substratinduzierten Chiralität wäre es von großer Bedeutung, wenn in der Reaktion auch durch Einsatz einer chiralen Base Enantioselektivität erzielt werden könnte. Dazu wurde das chirale tertiäre Amin 102 synthetisiert und die Diastereomere per HPLC getrennt (Schema 27). SEITE 60 TEIL I Schema 27: Darstellung des chiralen tertiären Amins 102. Leider konnte mit dieser Base keine Enantioselektivität erzielt werden (Schema 28). Stattdessen ist ein Rückgang der Ausbeute zu beobachten. Dies lässt sich auf den erhöhten sterischen Anspruch der Base zurückführen. Die zu große sterische Abschirmung des Stickstoffzentrums der Base erschwert den Angriff am intermediär gebildeten Acylcyanid 46. Dies führt zu einer verringerten Konzentration freier Cyanidionen, die durch einen nukleophilen Angriff am Aldehyd 47 erst die nukleophile Spezies 48 erzeugen. Schema 28: Rutheniumkatalysierte Cyanhydrinestersynthese mit chiraler Base 102. Um dieses Problem zu umgehen, müsste entweder die Sterik deutlich verringert oder die Chiralität auf den Stickstoff verlagert werden. Die Sterik kann jedoch nicht ohne weiteres verringert werden, da das Chiralitätszentrum benachbart zum Stickstoff verbleiben muss. Die Übertragung der Chiralität auf das Stickstoffatom ist möglich, wenn der Stickstoff in einer Brückenkopfstellung am Durchschwingen gehindert wird, wie beispielsweise in der Trögerschen Base. Jedoch ist auch dieses Strukturmotiv sterisch sehr anspruchsvoll, sodass auch hier Einbußen im Umsatz zu erwarten sind. Eine weitere Möglichkeit wäre eine koordinierende Aktivierung des Aldehyds durch eine chirale Lewissäure, wie es in den Arbeiten von Moberg mit einem chiralen Titan(salen)-Komplex 104 der Fall ist (Schema 28). [96] TEIL I SEITE 61 Schema 28: Titanbasierte Lewissäure nach Moberg. [96b] Auch in dem von uns verwendeten Komplex [Ru(P,N,N,P)(MeCN)(Cl)]PF6 38 könnte das auf einem Ethylendiamin aufbauende Grundgerüst in analoger Weise zum Salenliganden des Komplexes 104 modifiziert werden. Dazu muss jedoch gewährleistet sein, dass eine Aktivierung des Aldehyds durch Koordination an den Komplex erfolgt. In ersten Studien zeigte sich jedoch, dass der Komplex 38 im Cyanhydrinesterbildungsschritt nicht involviert ist (Tabelle 14, Eintrag 1 & 2). Tabelle 14: Cyanhydrinesterbildungsschritt, Einfluss des Ru-Katalysators. Eintrag Katalysator Ausbeute 106 1 0 mol-% 17 % 2 0.5 mol-% 16 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt und die Ausbeute mittels 1H NMR mit 1,3,5-Trimethylbenzol (1 Äq.) als internem Standard bestimmt. Wäre eine Koordination des Komplexes 38 möglich, so sollte dies zu einer Aktivierung des Carbonylkohlenstoffes und damit einhergehender Steigerung der Reaktivität führen. Die beobachteten Ausbeuten widerlegen diese Hypothese. Aufgrund dieses Ergebnisses erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die enantiotopen Halbräume durch Modifikation des Rutheniumkomplexes diskriminieren lassen. Gründe dafür könnten die nicht ausreichend ausgeprägten Lewis-sauren Eigenschaften des Komplexes 38 sein. SEITE 62 TEIL I In weiteren Untersuchungen könnte daher der Einfluss einer chiralen stärkeren Lewissäure studiert werden. Eine Bandbreite an synthetischen Zugängen zu Nitrilen ist in der Literatur zu finden. [97] Neben der klassischen nukleophilen Substitutionsreaktion mit Cyanidsalzen [98] ist die Dehydratisierung von Carbonsäureamiden [99] eine gängige Methode zur Darstellung von Nitrilen. Klassische Methoden mit stöchiometrischen Reagenzien wie P2O5, PCl5, etc. benötigen meist harsche Konditionen. [100] Doch auch für diese Reaktion wurden katalytische Methoden entwickelt, wie beispielsweise die fluoridkatalysierte Dehydratisierung von Beller. [101] Um die synthetische Anwendbarkeit unserer Methode zu demonstrieren, wurden diese Dehydratisierung mit unserer Methode kombiniert (Schema 29). Schema 29: Sequenzielle Darstellung von Cyanhydrinestern ohne Verwendung von toxischen Cyanoverbindungen. Erfreulicherweise können die beiden Methoden miteinander kombiniert werden, wenn die Nebenprodukte der Dehydratisierung (Siloxane) durch Filtration über Alox-N entfernt werden. Damit lässt sich der Cyanhydrinester 44 in guten Ausbeuten darstellen, ohne dass Cyanoverbindungen gehandhabt werden müssen. Diese Methode stellt eine deutlich weniger toxische Alternative zur Synthese von Cyanhydrinen und Cyanhydrinestern dar, als die Addition von Cyanidsalzen zu Aldehyden. 4.4 Zusammenfassung Aufbauend auf den Vorarbeiten von Bauder und Hsu zur Oxidation von Phenylacetonitrilen zu Acylcyaniden konnte dieses Konzept ausgebaut werden. Die hoch reaktive Spezies der Acylcyanide lässt sich mit einer Reihe von nukleophilen Reagenzien zu einer Breite an Verbindungen wie Amide, Ester und Thioester umsetzen. Darüber hinaus konnte in einem TEIL I SEITE 63 Eintopfverfahren eine Vielzahl an Derivaten der interessanten Stoffklasse der Cyanhydrinester dargestellt werden. In ersten Studien konnte beim Einsatz von chiraler Base kein enantiomerer Überschuss am Stereozentrum der Cyanhydrinester beobachtet werden. Abschließend konnte das Eintopfverfahren der Cyanhydrinesterherstellung ausgeweitet werden. Die Darstellung von Cyanhydrinester 44 konnte ausgehend vom nicht-toxischen Amid 107 demonstriert werden, die Darstellung des Phenylacetonitrils erfolgt dabei in situ durch eine literaturbekannte Dehydratisierung. 5 Rutheniumkatalysierte Nitrilalkylierung durch Wasserstoffautotransfer 5.1 Stand der Forschung Der eher elektronenreiche Charakter des Ru(P,N,N,P)-Komplexes 38 ermöglicht neben der Oxidation noch eine weitere interessante Reaktivität, die Abstraktion und Übertragung von Wasserstoff, das so genannte „Borrowing Hydrogen“-Prinzip (s. Kapitel 1.4). Mit dieser Methode können schwach nukleophile Alkohole in elektrophile Carbonylverbindungen umgepolt werden und mit einer Breite an Nukleophilen umgesetzt werden. [62] Unter anderem können dabei auch Nitrile als Nukleophile dienen, da sie sich aufgrund ihrer α-Acidität leicht deprotonieren lassen. Als Produkte entstehen dabei α-alkylierte Nitrile. Damit stellt der „Borrowing Hydrogen“-Prozess eine deutlich atomökonomischere Alternative zur Alkylierung mittels Alkylhalogeniden dar. Schon früh erkannte Grigg das Potential von Ruthenium- und Rhodiumkatalysatoren in dieser Reaktion (Schema 30). [102] Schema 30: Ethylierung von Arylacetonitrilen durch Wasserstoffautotransfer nach Grigg. In diesen Studien konnte der Komplex RuH2(PPh3)4 110 als sehr reaktiver Katalysator identifiziert werden, jedoch waren harsche Bedingungen, eine lange Reaktionszeit sowie große Mengen Base nötig, um zufriedenstellende Ausbeuten zu erzielen. Die Entwicklung heterogener SEITE 64 TEIL I Katalysatoren [103] mit höherer Stabilität ermöglicht noch höhere Reaktionstemperaturen und damit höhere Ausbeuten. Auf dem Gebiet der homogenen Katalyse bleiben die bisher bekannten Systeme unter den Erwartungen. So lässt sich mit dem Dialkylcyclopentadienyl- Rutheniumkomplex von Lau nur mäßiger Umsatz trotz großem Überschuss Alkohol erzielen. [104] Dies war unsere Motivation, auch unseren Rutheniumkomplex 38 in dieser Reaktion zu testen. 5.2 Studien zur rutheniumkatalysierten alkylierenden Wasserstoff- autotransferreaktion Aufbauend auf den Ergebnissen von Hsu zur Transferhydrierung von Ketonen [72] und den Ergebnissen meiner Masterarbeit wurde Phenylacetonitril als Substrat ausgewählt und mit Benzylalkohol und Cäsiumcarbonat in Benzol umgesetzt (Tabelle 15, Eintrag 1). Tabelle 15: Lösemittelscreening der alkylierenden Wasserstoffautotransferreaktion. Eintrag Solvens Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 Benzol 98 % n.d. 2 Toluol 99 % (92 %) n.d. 3 1,2-DCE n.r. n.r. 4 MeCN 14 % 10 % 5 EtOAc n.r. n.r. 6 DMF 97 % n.d. Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR und Mesitylen als internem Standard, isolierte Ausbeuten in Klammern Schon unter den gewählten Ausgangsbedingungen konnte das Produkt 113 in guten Ausbeuten erhalten werden (Tabelle 15, Eintrag 1). Mit der weniger toxischen Alternative Toluol konnte jedoch die Ausbeute noch weiter erhöht werden (Tabelle 15, Eintrag 2). Andere Lösungsmittelsysteme wie 1,2-DCE, Acetonitril oder EtOAc (Tabelle 15, Eintrag 3-5) erwiesen TEIL I SEITE 65 sich als untauglich. Lediglich DMF (Tabelle 15, Eintrag 6) zeigte ebenfalls gute Reaktivität, allerdings muss unter den beschriebenen Reaktionsbedingungen in Anwesenheit der Base schon mit dem Auftreten von Zersetzungsprodukten gerechnet werden. Als optimales Lösungsmittel wurde daher Toluol identifiziert. In einer anschließenden Optimierung der Konzentration konnte gezeigt werden, dass eine Verdünnung zum Absinken der Ausbeute führt (Tabelle 16, Eintrag 1). Höhere Konzentrationen begünstigen die Reaktion und das Optimium wurde für eine Konzentration von 0.5 M ermittelt (Tabelle 16, Eintrag 2). Tabelle 16: Optimierung der Reaktionskonzentration. Eintrag Konzentration [mol/l] Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 0.25 80 % 16 % 2 0.5 98 % (90 %) <2 % 3 0.67 95 % 4 % 4 1 93 % 2 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR und Mesitylen als internem Standard, isolierte Ausbeuten in Klammern Die Optimierung der Katalysatorladung wurde in Abhängigkeit der Alkoholstöchiometrie untersucht (Tabelle 17). SEITE 66 TEIL I Tabelle 17: Screening der Katalysatorladung bei stöchiometrischem und überstöchiometrischem Einsatz von Benzylalkohol. Eintrag Alkohol Katalysator 38 Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 2 Äq. 0 mol-% n.r. <2 % 2 2 Äq. 0.25 mol-% 99 % n.d. 3 2 Äq. 0.5 mol-% 70 % 30 % 4 2 Äq. 1 mol-% 95 % 5 % 5 2 Äq. 2 mol-% 83 % 3 % 6 1.1 Äq. 0.25 mol-% 62 % 30 % 7 1.1 Äq. 0.5 mol-% 55 % 45 % 8 1.1 Äq. 1 mol-% 50 % 46 % 9 1.1 Äq. 2 mol-% 53 % 27 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR und Mesitylen als internem Standard Es konnte gezeigt werden, dass die Reaktion ohne den Rutheniumkatalysator 38 nicht stattfinden kann (Tabelle 17, Eintrag 1). Des Weiteren zeigte sich, dass bei annähernd stöchiometrischem Einsatz von Benzylalkohol erhebliche Mengen des ungesättigten Produkts 114 gebildet werden. Dies lässt sich auf den mangelnden Überschuss des Benzylalkohols zurückführen, der in dieser Reaktion auch die Wasserstoffquelle darstellt (Tabelle 17, vergleiche Eintrag 1-5 mit Eintrag 6- 9). In beiden Fällen zeigte sich, dass das Maximum des gesättigten Produkts 113 bei einer Katalysatorladung von 0.25 mol-% zu beobachten ist (Tabelle 17, Eintrag 2 & 6). Damit konnte die Katalysatorladung gegenüber den Ausgangsbedingungen deutlich reduziert werden. In weiteren Studien wurde versucht, die Reaktionstemperatur abzusenken (Tabelle 18). TEIL I SEITE 67 Tabelle 18: Screening der Reaktionstemperatur. Eintrag T Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 80 °C n.r. n.r. 2 100 °C 7 % 9 % 3 120 °C 39 % 22 % 4 140 °C 95 % n.d. Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR und Mesitylen als internem Standard. Ein Absenken der Temperatur führte zu einem erhöhten Anteil des ungesättigten Produkts 114. Damit scheint die Dehydrogenierung und Kondensation bei niedrigen Temperaturen ablaufen zu können, während die Reduktion der Doppelbindung hohe Temperaturen erfordert. Dies deckt sich mit anderen Arbeiten auf dem Gebiet des Ru-katalysierten Wasserstoffautotransfers. [105] Auch eine Verkürzung der Reaktionszeit wurde untersucht (Tabelle 19). SEITE 68 TEIL I Tabelle 19: Einfluss der Reaktionszeit. Eintrag Reaktionszeit t Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 6 h 73 % 20 % 2 8 h 80 % 14 % 3 10 h 95 % n.d. 4 16 h 93 % 7 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR und Mesitylen als internem Standard. Eine deutliche Verkürzung der Reaktionszeit (Tabelle 19, Eintrag 1 & 2) führte zwar zu keiner Veränderung des Umsatzes, aber zu einer schlechteren Selektivität bezüglich des gesättigten Produkts 113. Dies bestätigt erneut, dass der Hydrierungsschritt des ungesättigten Produkts 114 zu 113 deutlich langsamer abläuft als die Knoevenagel-Kondensation. Die Reaktion lieferte schon nach zehn Stunden sehr gute Ergebnisse; aus Gründen der Zweckmäßigkeit wurden die weiteren Optimierungen aber mit einer Reaktionszeit von 16 Stunden durchgeführt. Auch eine Optimierung der Basenstöchiometrie wurde in Anbetracht der Abfallvermeidung durchgeführt (Tabelle 20). TEIL I SEITE 69 Tabelle 20: Einfluss der Stöchiometrie des Additivs. Eintrag Cs2CO3 Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 1 mol-% 77 % 22 % 2 2.5 mol-% 83 % 14 % 3 5 mol-% 91 % 8 % 4 10 mol-% 94 % 3 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR mit Mesitylen als internem Standard. Bei der Optimierung der Basenmenge zeigte sich, dass bei sehr geringen Mengen (Tabelle 20, Eintrag 1 & 2) das ungesättigte Produkt nicht vollständig reduziert wird. Erst ab 5 mol-% Cs2CO3 (Tabelle 20, Eintrag 3) wird eine gute Selektivität erreicht. Die Verdopplung der Basenäquivalente (Tabelle 20, Eintrag 4) führt lediglich zu einer geringfügigen Erhöhung der Ausbeute des gesättigten Produkts 113, dementsprechend wird 5 mol-% als die optimale Menge definiert. Auch die Stöchiometrie des Benzylalkohols wurde noch genauer untersucht (Tabelle 21). SEITE 70 TEIL I Tabelle 21: Einfluss der Stöchiometrie des Benzylalkohols. Eintrag Benzylalkohol Ausbeute 113 a Ausbeute 114 a 1 0 Äq. n.r. n.r. 2 1 Äq. 74 % 25 % 3 1.25 Äq. 74 % 26 % 4 1.5 Äq. 84 % 16 % 5 2 Äq. 96 % 4 % 6 3 Äq. 95 % 5 % Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt. a: Bestimmt mittels 1H NMR mit Mesitylen als internem Standard. Wie zuvor zeigte sich, dass bei der Verwendung von stöchiometrischen Mengen Benzylalkohol (Tabelle 21, Eintrag 2 & 3) erhebliche Mengen des ungesättigten Produkts 114 erhalten werden. Dies bestätigt noch einmal, dass der Benzylalkohol als Reduktionsmittel im Überschuss zugegeben werden muss. Als optimale Stöchiometrie konnten 2 Äquivalente Benzylalkohol ermittelt werden (Tabelle 21, Eintrag 5). Weitere Erhöhung der Äquivalente (Tabelle 21, Eintrag 6) führte nicht zu einer nennenswerten Verbesserung der Ausbeute. 5.3 Substratspektrum der Ru-katalysierten alkylierenden Wasserstoffautotransferreaktion Die optimierten Reaktionsbedingungen sollten anschließend auf eine Reihe substituierter Benzylalkohole und Phenylacetonitrile angewendet werden. Das Substratspektrum und die erhaltenen Ausbeuten sind in Tabelle 22 zusammengefasst. TEIL I SEITE 71 Tabelle 22: Substratspektrum der Nitrilalkylierung. Alle Reaktionen wurden im 0.5 mmol Maßstab durchgeführt und als isolierte Ausbeuten angegeben. Es konnten diverse para-substituierte als auch meta-substituierte Edukte erfolgreich umgesetzt werden (Substrate 119, 120, 121 & 122). Substrate mit stark koordinierenden funktionellen Gruppen am Aromaten (z.B. Nitrile, Amine, Amide) stellten das Katalysesystem um den Komplex 38 bereits in der Oxidation vor Herausforderungen. Auch in diesem Fall wird das para- nitrilsubstituierte Edukt nur in geringen Ausbeuten zum Produkt 123 umgesetzt. Stark desaktivierte Substrate wie das perfluorierte Phenylacetonitril oder ein p-CF3-Aromat konnten SEITE 72 TEIL I ebenfalls nicht umgesetzt werden (Verbindungen 124 & 125). Eine Acetal-Funktion wurde hingegen toleriert (Substrat 118). In einer parallel veröffentlichten Arbeit von Gunanathan [106] wurde eine Ruthenium-Dihydrido- Spezies als das reaktive Intermediat postuliert. Zeitgleich konnte die Gruppe um Wang ein ähnliches System beschreiben, welches jedoch auf einem binuklearen Rhodium-Komplex basiert. [107] Dabei konnte in Studien durch den Austausch der Reaktionsatmosphäre ein Wechsel der Chemoselektivität erzeugt werden (Schema 31). Schema 31: Reaktionspfade einer Metall-Dihydrido-Spezies in Abhängigkeit der Reaktionsatmosphäre nach Wang. [107] Auch unser Reaktionssystem wurde auf diese mögliche Chemoselektivitätssteuerung getestet (Schema 32). TEIL I SEITE 73 Schema 32: Alkylierender Wasserstoffautotransfer unter O2-Atmosphäre. Leider gelingt es unter Sauerstoffatmosphäre nicht, die Selektivität komplett umzukehren. Gegenüber den Bedingungen unter Stickstoff wird zwar deutlich mehr des ungesättigten Produkts 114 beobachtet, jedoch ist auch der Umsatz deutlich verrringert. Eine mögliche Erklärung könnte eine intermediär gebildete Ruthenium-Hydrid-Spezies sein, die in Gegenwart von Sauerstoff instabil ist, ähnlich dem von Wang postulierten System (Schema 31). Hydrierungsreaktionen von Ru-Komplexen mit Diaminliganden können (in Abhängigkeit ihrer Ligandenstruktur) auch unter Ausbildung einer Ru-N-Doppelbindung (analog zu einem Imin) erfolgen, anschließend wird Wasserstoff durch Reduktion der Ru-N-Doppelbindung im Katalysator eingebaut. [108] Dieses Prinzip wurde unter Anderem von Beller am Beispiel von Cobalt-Pincerkomplexen als „Outer-sphere“-Mechanismus beschrieben. [109] Im Ligandenmotiv des Rutheniumkomplexes 38 ist dies jedoch nicht möglich, da bereits mit einem tertiären Amin gestartet wird, was die Ausbildung einer Ru-N-Doppelbindung verhindert. In einem ähnlichen eisenbasierten System beschreibt Morris die Bildung einer Eisen-Monohydrid-Spezies, die sich aufgrund ihrer Instabilität nicht isolieren lässt. [110] Eine analoge Ruthenium-Monohydrid-Spezies könnte sich unter Sauerstoffatmosphäre zersetzen und steht damit auch nicht mehr zur Dehydrogenierung des Benzylalkohols zur Verfügung, was schlussendlich zum Einbruch der Reaktivität führt. Dass dieses Thema noch immer von großem Interesse ist, zeigt sich an den kürzlich publizierten Systemen von Maji [111] (manganbasiert) sowie Wang [112] (eisenbasiert) (Abbildung 9). SEITE 74 TEIL I Abbildung 9: Katalysatoren zur „Borrowing Hydrogen“ Alkylierung von Nitrilen. Beiden Systemen ist dabei eine strukturelle Ähnlichkeit des Ligandengrundgerüsts gemein. In beiden Fällen ist im Rückgrat des Liganden ein sekundäres Amin zu finden, welches eine essenzielle Rolle in der Reaktivität einnimmt. Maji konnte zeigen, dass bei Überführung des sekundären Amins in ein tertiäres Amin durch Methylierung die Reaktivität stark einbricht [111] , eine Beobachtung, die sich auf die Ergebnisse von Beller [109] stützt. In unserem System hingegen ist im Ligandenrückgrat kein sekundäres Amin zu finden, sondern ein tertiäres. Damit scheint sich der Mechanismus der Dehydrogenierung von den zuvor genannten Sytemen zu unterscheiden. Des Weiteren kann in unserem System mit sehr geringen Mengen an Base und niedriger Katalysatorladung gearbeitet werden. Dies demonstriert die Aktivität des Komplexes 38 in der Wasserstoffautotransfer-Reaktion, die daher Gegenstand weiterer Untersuchungen im folgenden Kapitel wurde. 5.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel konnte die ausgezeichnete Reaktivität des Komplexes Ru(P, N, N, P) 38 in der Wasserstoffautotransferkatalyse aufgezeigt werden. Nach Optimierung der Reaktionsbedingungen wurde das Substratspektrum der Alkylierung von Phenylacetonitrilen mit Benzylalkohol erforscht und es konnten 10 Beispiele in guten bis sehr guten Ausbeuten aufgezeigt werden. Erste mechanistische Untersuchungen lieferten einen Hinweis auf die Existenz einer Rutheniumhydridspezies als intermediärer Wasserstoffshuttle. TEIL I SEITE 75 6 Rutheniumkatalysierte Oxidations-Kondensation- Reduktionssequenz 6.1 Einführung Die Komplexität der Zielstrukturen in der chemischen Synthese ist in den vergangenen Jahrzenten immer weiter angestiegen. Dies führte zu einer kontinuierlichen Entwicklung von hochselektiven Transformationen, die vor allem im Berech der Stereoselektivität nahe an die Selektivität der enzymatischen Prozesse grenzt. [113] Jedoch glänzt die Natur nicht nur durch ihre hohe Selektivität, sondern auch mit herausragender Effizienz. So werden komplexe Strukturen in der Biosynthese oft in sequenziellen Reaktionen dargestellt, während die chemischen Synthesen meist aus konsekutiven Transformationen bestehen. Der schrittweise Aufbau einer Zielstruktur und die nötigen Aufarbeitungsschritte führen zu einem deutlich erhöhten Energie- und Ressourcenverbrauch gegenüber der Biosynthese. Daher ist neben der Entwicklung von Biosyntheserouten auch die Entwicklung von sequenziellen Transformationen von großem Interesse. Im Falle des Tropanmotivs von Kokain lieferte die Biosynthese [114] die Inspiration für eine sequenzielle Syntheseroute zur Darstellung des Tropangerüstes, welches zuvor über eine lineare Syntheseroute dargestellt wurde. [115] Auch wenn die Definitionen von „Eintopf“-, Tandem- und Sequenzkatalysen nicht universell definiert sind [116] , so ist sich die Chemiewelt doch einig, dass die Darstellung von komplexen Zielstrukturen nicht in der traditionellen „stop-and-go“ Synthese erfolgen kann. [117] Insbesondere die pharmazeutische Industrie hat ein großes Interesse an der Entwicklung von Reaktionen mit hoher Atomökonomie, um den Einsatz von Startmaterial im Überschuss sowie die Bildung von großen Mengen Abfallprodukten zu vermeiden. [118] So wurden bereits einige Eintopfsyntheserouten zur Darstellung von pharmazeutisch aktiven Substanzen entwickelt. [119] Mit Hilfe der Organokatalyse lässt sich bereits eine Vielzahl anspru