Browsing by Author "Fesich, Thomas M."
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Item Open Access Festigkeitsnachweis und Lebensdauerberechnung bei komplex mehrachsiger Schwingbeanspruchung(2012) Fesich, Thomas M.; Roos, Eberhard (Prof. Dr.-Ing.)Die Ermüdungsbewertung schwingend beanspruchter Bauteile ist von großer Bedeutung, um einerseits den sicheren Betrieb von Maschinen und Anlagen zu gewährleisten und andererseits zu große Konservativitäten bei der Dimensionierung oder Festlegung der zulässigen Lebensdauer zu vermeiden. Eine experimentelle Bewertung der real auftretenden, komplexen Beanspruchungen ist in vielen Fällen nicht möglich oder nicht mit vertretbarem Aufwand umsetzbar. Die Gründe hierfür liegen insbesondere in den immer kürzeren Entwicklungszyklen. Im Anlagenbau sind die Komponenten zudem oftmals Einzelkonstruktionen, so dass hier eine experimentelle Lebensdauerbestimmung nicht möglich ist. Daher werden vermehrt rechnerische Verfahren benötigt und eingesetzt, um die Ermüdungs¬lebensdauer bei komplexen Beanspruchungen zu bestimmen. Bei der Anwendung eines lokalen Konzepts muss dazu aus der lokal wirkenden Beanspruchung (Spannungs- und Dehnungszustand) ein Schädigungsparameter als repräsentative Vergleichsgröße ermittelt werden, welcher die Lebensdauerbewertung anhand einer experimentell ermittelten Schädigungsparameter-Wöhlerkurve ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit werden zunächst die Grundlagen des zyklischen Werkstoff¬verhaltens von Stählen dargelegt und die mathematischen Zusammenhänge zur Bestimmung von Spannungen und Dehnungen in Schnittebenen des Werkstoffs aufgezeigt. Des Weiteren werden die zum Verständnis des Schädigungsmechanismus Ermüdung notwendigen mikrostrukturellen Grundlagen der Werkstoffschädigung erläutert. Anschließend wird ein ausführlicher Überblick über die existierenden Ermüdungsmodelle, ihre Anwendungsbereiche und Limitationen gegeben. Im Bereich der Dauerfestigkeit basieren die Festigkeitshypothesen zur Ermittlung einer repräsentativen Vergleichsgröße meist auf Spannungsbetrachtungen (spannungsbasierte Ansätze). Für den Bereich der Zeitfestigkeit sind dehnungsbasierte oder energiedichtebasierte Ansätze verbreitet. Während für den Bereich der Dauerfestigkeit gut verifizierte Modelle existieren, gibt es im Bereich der Zeitfestigkeit, insbesondere bei komplexen nichtproportionalen Beanspruchungen, noch keinen allgemein gültigen und verifizierten Ansatz. Zudem stellt die Übertragbarkeit von an Kleinproben ermittelten Lebensdauern auf reale Komponenten eine weitere Herausforderung dar. In der vorliegenden Arbeit werden daher auf der Basis des dehnungsbasierten Fatemi-Socie-Ansatzes sowie eines an IMWF/MPA Universität Stuttgart von Fesich und Gupta entwickelten energiedichtebasierten Ermüdungsmodells zwei neue Ansätze zur Ermüdungsbewertung komplexer Bauteile vorgeschlagen. Diese beziehen, auf der Basis der anerkannten Theorie Siebels zur Stützwirkung gekerbter Querschnitte, den in Bauteilen und Proben herrschenden Beanspruchungsgradienten mit in die Bewertung ein. Sowohl für den neu entwickelten dehnungsbasierten Ansatz als auch für den neu entwickelten energiedichtebasierten Ansatz werden dazu die real wirkenden Gradienten der Normaldehnung und der Schiebung an der höchst¬beanspruchten Stelle ermittelt. Diese Gradienten werden als Skalierungsfaktoren direkt auf die Normalspannungs-Normaldehnungsterme bzw. die Schubspannungs-Schiebungsterme der Schädigungsparameter angewandt. Dadurch unterscheidet sich die Vorgehensweise grundlegend von den bisher verwendeten empirischen Modellen. Die Verknüpfung der lokalen Beanspruchung im Werkstoff mit dem mesoskopischen Beanspruchungsgefälle trägt der ingenieursmäßigen Definition des technischen Anrisses Rechnung: Eine Anrissdefinition über einen (global messbaren) Lastabfall im dehnungsgeregelten Versuch macht die Berücksichtigung des mesoskopischen Beanspruchungsgefälles an der höchstbeanspruchten Stelle im Bauteil notwendig. Um die beiden neu entwickelten Ansätze anwenden und mit etablierten Ansätzen vergleichen zu können, wird ein integriertes rechnerisches Ermüdungskonzept, die MPA Advanced Integrated Multiaxial Fatigue Life (MPA AIM-Life)-Methode entwickelt. Diese Methode umfasst die numerische Simulation des elastisch-plastischen Werkstoffverhaltens mittels einer effizienten Finite Elemente-Berechnung, um insbesondere die Effekte der nichtproportionalen Zusatz-verfestigung metallischer Werkstoffe berücksichtigen zu können. Dazu wird ein im FE-Code ABAQUS vorhandenes, elastisch-plastisches Werkstoffmodell mit kombinierter isotroper und kinematischer Verfestigung zur Simulation des zyklisch stabilisierten Werkstoffverhaltens um eine benutzerdefinierte Materialroutine zur dehnungsabhängigen Simulation der nichtproportionalen Zusatzverfestigung erweitert. Das Werkstoffmodell wird ausschließlich über die auftretenden Axialkräfte in proportionalen und nichtproportionalen Versuchen mit kombinierter Zug-Druck- und Torsionsbeanspruchung kalibriert. Dadurch ist eine physikalisch sinnvolle experimentelle Verifikation des Werkstoffmodells beispielsweise über den Abgleich der Torsionsmomente von numerischer Simulation und Experiment bei nicht-proportionaler Beanspruchung möglich. Mittels der durch dieses Modell ermittelten lokalen Spannungs- und Dehnungs-größen können in der modular aufgebauten Analysemethode vorhandene und neue Ermüdungsmodelle berechnet werden. Der experimentelle Teil der vorliegenden Dissertation umfasst einachsige und proportional- sowie nichtproportional-mehrachsige Schwingversuche an dem ferritischen Werkstoff 20MnMoNi5-5 und dem austenitischen rostfreien Edelstahl X6CrNiNb18-10. In fraktographischen und metallographischen Untersuchungen werden die mikro-strukturellen Schädigungsprozesse analysiert und für die verschiedenen Bean-spruchungen und Lebensdauerbereiche gegenübergestellt. Aus den einachsigen Schwingversuchen werden die grundlegenden Werkstoffdaten und Schädigungsparameter-Wöhlerlinien ermittelt. Eine Bewertung der Schwing¬versuche mit Torsionswechsel- sowie phasengleich und phasenverschoben überlagerten Axial- und Torsionswechselbeanspruchungen mit den vorgestellten Ermüdungsmodellen ermöglicht Aussagen über die unterschiedliche Vorhersagegüte der Modelle. Zusätzliche Versuche an gekerbten Proben ermöglichen eine weitere Bewertung des Einflusses von Spannungs- bzw. Dehnungsgradienten auf die Lebensdauer. In den untersuchten Anwendungsbereichen kann durch Anwendung der beiden neu entwickelten Ansätze eine erhöhte Vorhersagequalität bei der Bewertung der Ermüdungslebensdauer erzielt werden. Die bei Anwendung der bisher etablierten Festigkeitshypothesen auftretenden Unsicherheiten durch nicht-konservative Bewertung der Versuche mit komplexen nichtproportionalen Beanspruchungen werden bei Anwendung der neu entwickelten Ansätze minimiert. Zugleich werden durch die Berücksichtigung des Beanspruchungsgradienten auch die Konservativitäten bei der Bewertung von gekerbten Proben vermindert. Die durchgeführten Untersuchungen leisten einen Beitrag zur Analyse des Ermüdungsverhaltens metallischer Werkstoffe unter komplexer mehrachsiger Beanspruchung. Die vorgestellte Bewertungsmethodik erlaubt bei vertretbarem ingenieurtechnischen Aufwand eine genauere Bewertung dieser Beanspruchungen für die überprüften Lastfälle und Materialien hinsichtlich der zu erwartenden Lebensdauer im Zeitfestigkeitsbereich, als dies mit den seither etablierten Methoden möglich ist.