Browsing by Author "Hinner, Lars Pieter"
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Item Open Access Enzymatische und chemische Studien zur Veresterung und Löslichkeit von Cellulose in ionischen Flüssigkeiten(2017) Hinner, Lars Pieter; Hauer, Bernhard (Prof. Dr.)Cellulose ist der Hauptbestandteil der pflanzlichen Zellwand und daher die häufigste organische Verbindung auf unserem Planeten. Dieses nachwachsende Biopolymer wird heutzutage hauptsächlich für die Produktion von Papier und Zellstoff verwendet oder verbrannt und somit als billiger Energieträger genutzt. Viele alternative Anwendungsgebiete sind aufgrund von unzureichenden Materialeigenschaften schwierig zu realisieren. Insbesondere thermoplastische Anwendungen sind nicht durchführbar, da Cellulose keinen Schmelzpunkt besitzt. Auch die chemische Modifikation der Cellulose - mit dem Ziel, andere Materialeigenschaften zu generieren - ist schwierig, da Cellulose nicht in Wasser oder in üblichen organischen Lösungsmitteln gelöst werden kann. Bis dato wurden daher industriell heterogene Synthesen entwickelt, um Cellulose im nicht gelösten Zustand zu modifizieren. Hierbei sind allerdings aufwendige mechanische und chemische Vorbehandlungen notwendig, um eine effiziente Verarbeitung bzw. Modifizierung der Cellulose zu gewährleisten. Zusätzlich sind heterogene Synthesen zur Produktion von Celluloseestern, aufgrund der starken sterischen Hinderung der nicht gelösten Cellulose, auf kurzkettige Acyldonoren (C2-C4) beschränkt. Somit ist es mit heterogenen Prozessen nicht möglich, das komplette Spektrum an potenziellen Celluloseestern zu erzeugen. Es gibt allerdings ein steigendes Interesse an neuartigen Celluloseestern, da beispielsweise Celluloseacetat nur eine schlechte thermoplastische Prozessierbarkeit aufweist. Die Herstellung von neuartigen Celluloseestern kann in homogenen Synthesen besser realisiert werden, in denen Cellulose vollständig gelöst vorliegt. Als Reaktionsmedium können unter anderem spezielle ionische Flüssigkeiten genutzt werden, welche in der Lage sind, Cellulose zu lösen. In diesem Kontext wurden verschiedene Synthesen entwickelt, welche reaktive Acyldonoren verwenden. Der Einsatz von derartigen Acyldonoren, wie beispielsweise Carbonsäurechloriden ist allerdings problematisch, da diese sowohl das Cellulosegrundgerüst, als auch die ionische Flüssigkeit zersetzen können. Daher erscheint eine homogene enzymatische Synthese von Celluloseestern als interessante Alternative, da durch die Verwendung von enzymatischen Katalysatoren weniger reaktive Acyldonoren, wie beispielsweise Ester, genutzt werden können. Angesichts der Herausforderung, unter moderaten Bedingungen zu katalysieren, lag ein Fokus der hier vorgelegten Arbeit in der Entwicklung einer enzymatischen Synthese von Celluloseestern mit langen Seitenketten. Da die Analytik von niedrig substituierten Celluloseestern schwierig ist, wurden zunächst leichter zu analysierende Modellreaktionen untersucht. Einfache Veresterungs- und Umesterungsreaktionen können in Cellulose-lösenden ionischen Flüssigkeiten erfolgreich enzymatisch katalysiert werden. Die enzymatische Synthese von Glucoseestern war jedoch nur in ionischen Flüssigkeiten erfolgreich, welche Cellulose nicht lösen. Als möglicher Grund hierfür wird eine mangelnde Interaktion zwischen Enzym und Glucose in diesen polaren ionischen Flüssigkeiten postuliert. Um die Interaktion zwischen Enzym und Glucose zu steigern, wurde die Glucosekonzentration erhöht, was allerdings zu keiner erfolgreichen Synthese von Glucoselaurat führte, da die große Viskosität von hoch konzentrierten Zuckerlösungen den Massentransfer und damit die Reaktion zusätzlich inhibiert. Eine Steigerung der Interaktionswahrscheinlichkeit zwischen Enzym und Glucose durch die Erhöhung der Glucosekonzentration ist allerdings in dem ebenfalls polaren Lösungsmittel Dimethylsulfoxid (DMSO) erfolgreich und erzeugt ab einer Glucosekonzentration von 60 % w/v signifikante Mengen an Glucoselaurat. Um sich in einem nächsten Schritt an den polymeren Charakter der Cellulose weiter anzunähern, wurde die enzymatische Veresterung des Dimers der Cellulose, d.h. der Cellobiose, als weitere Modellreaktion untersucht. Hierbei katalysiert das Enzym Candida antarctica Lipase B (CAL-B) die Synthese von nur sehr geringen Mengen an Cellobioseestern, wobei andere, ebenfalls aus Glucose aufgebaute Disaccharide wie Maltose und Trehalose, deutlich besser umgesetzt werden. Neunzehn verschiedene Enzympräparationen wurden auf die Fähigkeit untersucht, Cellobioselaurat zu synthetisieren. Den höchsten Umsatz katalysiert die Schweineleberesterase (PLE), jedoch zeigte dieses Enzym keine Aktivität gegenüber Cellulose als Ausgangssubstrat. Neben der enzymatischen Katalyse wurde eine chemische Synthese, basierend auf Vinylestern, entwickelt. Diese Vinylester-basierte Synthese ermöglicht erstmals die Acylierung von Cellulose mit Vinylestern in der biologisch abbaubaren ionischen Flüssigkeit 1-Ethyl-3-methylimidazoliumacetat ([EMIM]OAc). Die Reaktion läuft in Abwesenheit von zusätzlichen Katalysatoren ab und erlaubt die Synthese von Glucoseestern und Celluloseestern mit unterschiedlich langen Seitenketten. Es war möglich, Celluloseester mit Substitutionsgraden von 0,24 bis 3,00 zu erzeugen. Um die Reaktion zu charakterisieren, wurden verschiedene Reaktionsparameter wie Reaktionszeit, Temperatur und die Menge an Acyldonor systematisch variiert und mittels 1H-NMR, FT-IR und HPLC-GPC analysiert. Der höchste Veresterungsgrad ergibt sich bei einer Synthese-temperatur von 80°C und einer Reaktionszeit von zwei Stunden. Um die Synthese mit anderen Reaktionen aus der Literatur zu vergleichen, wurde eine Fettsäurechlorid-basierte Synthese von Barthel und Heinze in der ionischen Flüssigkeit 1-Butyl-3-methylimidazoliumchlorid ([BMIM]Cl) reproduziert. Beide Reaktionen zeigen vergleichbare Substitutionsgrade (DS), jedoch ist der Polymerisationsgrad (DP) von Celluloselaurat nach der Fettsäurechlorid-basierten Synthese erheblich reduziert, während die Vinylester-basierte Synthese deutlich schonender ist und die Produktion von signifikant größeren Celluloseestern erlaubt. Bei der Vinylester-basierten Synthese in [EMIM]OAc wurde eine zusätzliche Acetylierung der Cellulose als unerwünschte Nebenreaktion identifiziert. Der Acetylierungsgrad steigt mit abnehmender Polarität und steigender sterischer Hinderung der eingesetzten Vinylester. Allgemein ist der Acetylierungsgrad nach der Vinylester-basierten Synthese in [EMIM]OAc allerdings deutlich niedriger als bei bereits beschriebenen Synthesen in [EMIM]OAc, welche Anhydride oder Fettsäurechloride als Acyldonoren nutzen. Das Produktspektrum der Vinylester-basierten Synthese konnte durch Verwendung zusätzlicher Acyldonoren wie Benzoesäurevinylester, Pivalinsäurevinylester, Neodecansäurevinylester und 2-Ethylhexansäurevinylester erfolgreich erweitert werden. Des Weiteren wurden die thermoplastischen und rheologischen Eigenschaften der Celluloseester im Rahmen einer Kooperation mit Linda Göbel vom Institut für Kunststofftechnik untersucht, wobei die thermoplastische Verarbeitbarkeit prinzipiell bestätigt wer-den konnte. Es wurde außerdem ein Upscaling der Synthese mit anschließendem Recycling der ionischen Flüssigkeit durchgeführt. Das Upscaling wurde in einem Laborreaktor mit 2,5 kg ionischer Flüssigkeit durchgeführt, wobei 233,25 g Celluloselaurat mit einem Substitutionsgrad von 2,3 synthetisiert werden konnte. Die ionische Flüssigkeit wurde mit einer durchschnittlichen Effizienz von 91 % w/w recycelt und konnte in einer nach-folgenden Synthese als Lösungsmittel eingesetzt werden. Insgesamt wurden drei Synthese-Recyclingzyklen durchgeführt, wobei der Substitutionsgrad nach den ersten zwei Synthesen bei 2,3 lag, bei der dritten bzw. vierten Synthese allerdings auf 1,8 bzw. 1,4 sank. Parallel zur Verringerung des Substitutionsgrades verkürzte sich die Lösezeit von Cellulose in der ionischen Flüssigkeit mit jedem weiteren Recyclingzyklus signifikant. Als Grund für die verbesserte Löslichkeit wurde die Bildung von 1-Ethyl-2-hydroxyethyl-3-methylimidazolium (EHEMIM) identifiziert, das durch die Reaktion einer Carben-Spezies des 1-Ethyl-3-methylimidazoliums (EMIM) mit Acetaldehyd - welches als Nebenprodukt bei der Vinylester-basierten Synthese auftritt - entsteht. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass das Vorhandensein von Wasser für das verbesserte Lösungsvermögen des [EHEMIM]-[EMIM]OAc-Systems essentiell ist. Die besten Lösungseigenschaften wurden bei einem Kationenanteil von 50 mol-% EHEMIM bzw. 50 mol-% EMIM und einem Wassergehalt von 8,5 % w/w beobachtet. Dieses optimierte [EHE-MIM]-[EMIM]OAc-Wasser-System ermöglicht das Lösen von 14 % w/w Cellulose bei 80°C innerhalb von 3 Stunden. Im Gegensatz dazu löst die ursprüngliche ionische Flüssigkeit [EMIM]OAc bzw. [EMIM]OAc mit einem optimalen Wassergehalt von 10 % w/w unter den gleichen Bedingungen lediglich 1 % w/w bzw. 2 % w/w Cellulose.