Browsing by Author "Renn, Ortwin (Prof. Dr. )"
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Item Open Access Bevölkerungspolitik im Kontext ökologischer Generationengerechtigkeit(2005) Tremmel, Jörg; Renn, Ortwin (Prof. Dr. )Übersicht: Die Untersuchung prüft, ob Bevölkerungspolitik ethisch vertretbar ist, wenn sie durchgeführt wird, um ökologische Generationengerechtigkeit zu erreichen. Ausgehend von den Prognosen eines weiteren Anstiegs der weltweiten Bevölkerungszahlen um ein Drittel bis 2050 wird zunächst untersucht, ob Bevölkerungswachstum wirklich zu Naturbelastung führt. Dies wird von Tremmel anhand des Beispiels der rückläufigen Artenvielfalt belegt. Dann wird untersucht, ob wir wirklich eine Verantwortung für zukünftige Generationen zur Erhaltung der Natur haben. Auch diese Hypothese wird betätigt. Daraus entwickelt Tremmel ein Modell zur Bewertung antinatalistischer Geburtenpolitiken: die Vier-Fünftel-Regel. Abschließend wird ein globaler Blick auf die deutsche Debatte geworfen und eine dreiteilige Strategie für die demografische Zukunftsfähigkeit Deutschlands entwickelt. Die erste vorgelagerte Hypothese ist empirischer Natur. Die Untersuchung zeigt, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Verlust an Biodiversität und Bevölkerungswachstum besteht. Allerdings lässt sich das Artensterben nicht monokausal auf Bevölkerungszunahme zurückführen. Daraus darf man aber auch nicht den falschen Umkehrschluss ziehen, dass die Bevölkerung für das globale Artensterben nur ein Faktor unter vielen sei. Selbst wenn Menschen theoretisch einfach "zusammenrücken können", so ist dies in der Praxis keine Option. Daher bietet eine stabile bzw. rückläufige Weltbevölkerung große Chancen für den Erhalt von Artenreichtum und biologischer Vielfalt auf unserem Planeten. Die erste Hypothese dieser Arbeit kann also als bestätigt angesehen werden. Auch die zweite vorgelagerte Hypothese lässt sich bestätigen. Von den Grundsätzen intragenerationeller Gerechtigkeit ist vor allem die Formel, dass Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln sei, etabliert. Generationen setzen sich aus Individuen zusammen, die alle die gleiche Menschenwürde besitzen. Prima facie sind "Generationen" gleichwertig zueinander. Allerdings ist letztlich nicht die bloße Erhaltung des Status Quo das Ziel - sonst befänden wir uns alle noch auf dem Niveau der Neandertaler - sondern Fortschritt in der Lebensqualität ist erstrebenswert. Mit Hilfe dieser Überlegungen, wird "Generationengerechtigkeit" wie folgt definiert: Generationengerechtigkeit ist erreicht, wenn die Angehörigen der heutigen Generation A den Angehörigen der nächsten Generation B die Möglichkeit geben, sich ihre Bedürfnisse mindestens im gleichen Ausmaß wie A zu erfüllen. Die Antwort auf die dritte und wichtigste Hypothese der Studie (Legitimität von Bevölkerungspolitik) lautet: Es kommt darauf an. Zunächst wird geprüft, ob überhaupt irgendeine Art von Bevölkerungspolitik ethisch vertretbar sein kann. Staaten haben das Wohl ihrer Bürger zu fördern. Dazu kann auch gehören, dass demokratische Staaten demografische Zielgrößen haben bzw. Stellungnahmen (z.B. in dem Sinne, dass die Geburtenrate des eigenen Landes zu hoch oder zu niedrig ist) abgeben. Bevölkerungspolitische Ziele sind also nicht generell unethisch. Das Spektrum möglicher geburtenpolitischer Maßnahmen reicht von einer Vergrößerung der Optionen bis hin zum Zwang. Um diese Einteilung greifbarer zu machen, wurde die wohl umstrittenste und zugleich am besten untersuchte Bevölkerungspolitik der Welt - die chinesische - im Detail dargestellt. Dieses Beispiel zeigt, dass in der Praxis keine Idealtypen, sondern Mischformen vorherrschen. Ein Staat darf in jedem Fall durch indirekte Maßnahmen (Verbesserung der Gesundheitsvorsorge, der Bildungschancen von Frauen und der verbesserten Aufklärung) seine demografischen Ziele anstreben. Es ist ihm erlaubt, dabei die quantitative Deckung des "ungedeckten Bedarfs" an Kontrazeptiva in einen integrierten Ansatz einzubinden. Diese Erkenntnis bestimmt seit der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994 die bevölkerungspolitische Debatte. Im Rahmen direkter Maßnahmen sind finanzielle Steuerungsmechanismen dann legitim, wenn sie der Vier-Fünftel-Regel folgen. Das heißt: Der Staat muss sicherstellen, dass durch seine Geburtenpolitik keiner seiner Bürger, der eine vom Staat als "unerwünscht" angesehene Kinderzahl wählt, dadurch mehr als ein Fünftel seines Einkommens verliert im Vergleich zu einer Wahl der vom Staat als "ideal" angesehenen und entsprechend ökonomisch geförderten Kinderzahl. Rationierungspolitik ist generell als unethisch einzustufen. So wie in Bezug auf Gebiete in anderen Teilen der Welt die Kausalität zwischen zunehmender Bevölkerungsdichte und Artenverlust gilt, so gilt diese Beziehung auch für Deutschland. Eine quantitative Prognose - etwa dass bei einer Senkung der Bevölkerungsdichte um 10 Prozent die Bestände der Tierarten im gleichen Gebiet im Durchschnitt um 10 Prozent steigen - wäre allerdings unseriös.