Browsing by Author "Scheeff, Tommy"
Now showing 1 - 1 of 1
- Results Per Page
- Sort Options
Item Open Access Politische Steuerung sozialer Prozesse : über Steuerungsprobleme in modernen Gesellschaften(2014) Scheeff, Tommy; Görlitz, Axel (Prof. Dr.)Soziale Prozesse in modernen Gesellschaften lassen sich offensichtlich immer seltener präzise steuern. Politikwissenschaft möchte nun in Form von Ansätzen, Konzepten, Modellen oder Theorien mögliche Lösungen bzw. Beschreibungen und Erklärungen hierfür anbieten. Zunächst wird in dieser Arbeit im Fundus der Disziplin nach vorhandenen Vorschlägen gesucht und diese auf ihre Tauglichkeit hin überprüft. Als erstes werden Rationalitätskonzepte („Planung“) diskutiert. Diese visieren eine rationale, logisch stringente Entscheidungsvorbereitung an, scheitern damit zumeist jedoch an der „Realität“. Weiter geht es mit Staats- und Gesellschaftstheorien. Moderne Staatstheorien befassen sich vorrangig mit kooperativen Elementen, fokussieren sich aber nach wie vor auf den „Staat“, wobei dieser Begriff meist unpräzise verwendet wird. Gesellschaftstheorien beschäftigen sich hingegen mit dem Wirkgeflecht z.B. zwischen Politik und anvisiertem Sozialsystem; Steuerungsleistungen rücken dabei jedoch eher in den Hintergrund. Es folgen systemtheoretische Konzepte, genauer David Eastons bekanntes Systemmodell, Werner Janns „Policy-Making-Modell“ und Richard Münchs „Interpenetrationskonzept“. Hauptkritikpunkt war jedoch, dass in modernen Gesellschaften nur selten offene Systeme existieren. Daran anschließend werden mit dem Policy-Cycle, dem akteurzentrierten Institutionalismus und Konzepten aus dem Bereich der Netzwerkanalyse bzw. -theorie Konzepte aus dem Bereich der Policy-Analyse vorgestellt; steuerungstheoretische Überlegungen liegen hier jedoch eher randständig vor. Governance-Konzepte möchten neben klassischen hierarchischen oder marktförmigen Steuerungsversuchen alternative Varianten, etwa Verhandlungslösungen oder Kooperationen, in den Blickpunkt rücken. Allerdings sind diese theoretisch meist defizitär konstruiert, sodass beispielsweise Wirkmechanismen kaum modelltheoretisch dargestellt werden. Alternativ wird die Autopoiesetheorie empfohlen. Ihre naturwissenschaftlichen Wurzeln zwingen zunächst zu Überlegungen bezüglich des Theorientransfers und der prinzipiellen Form sozialwissenschaftlicher Theorien. Sie wird mit Hilfe des wissenschaftstheoretischen Strukturalismus übertragen, der sich mit der Struktur von Theorien bzw. der Verknüpfbarkeit verschiedener Theorieelemente befasst. Postuliert wird, dass die biologische Autopoiesetheorie als Basis-Theorieelement, die sozialwissenschaftliche Interpretation von Humberto Maturana und Francisco Varela nebst steuerungstheoretischen Ableitungen und eine Verknüpfung des Ansatzes kreativer Netzwerke mit dem Framing-Konzept Hartmut Essers als Modelle der Theorie verwendet werden können und hierdurch die Makro- mit der Mikroebene verknüpft wird. Im weiteren Fortgang wird die Theorie der Autopoiese durch Rationale Rekonstruktion präzisiert und axiomatisiert, sozialwissenschaftlich interpretiert, diese Variante ebenfalls axiomatisiert und daraus insgesamt vier steuerungstheoretische Schlüsse gezogen. Die Steuerungskonzepte werden in einer zweidimensionalen Typologie verortet, die unterscheidet, ob erstens sich die Konzepte ausschließlich auf der Makro- oder zugleich auch auf der Mikroebene bewegen und zweitens ob es sich bei den zu steuernden Systemen um allonome oder autonome Systeme handelt. Die Makroebene der vier Steuerungskonzepte wird mit den bereits vorliegenden Konzepten Peter M. Hejls („kritische Inputs“ und „Systeme zweiter Ordnung“) ausgefüllt, jedoch beide wegen ihrer Makrolastigkeit verworfen. Allonome Systeme mit autopoietisch modellierten Akteuren auf der Mikroebene können per Perturbation gesteuert werden; Steuerungsbarrieren ergeben sich erst auf der Mikroebene. Letztens werden kreative Policy-Netze empfohlen: Diese respektieren die Autonomie sozialer Systeme und die Autopoiesen der Individuen. Im Folgekapitel werden geläufige autopoietisch fundierte Steuerungskonzepte vorgestellt und kritisch diskutiert, wie z.B. von Niklas Luhmann („Soziale Systeme“), Gunther Teubner („Recht als autopoietisches System“), Karl-Heinz Ladeur („strategisches Recht“), Manfred Glagow („Selbststeuerungskonzepte“), Helmut Willke („Kontextsteuerung“ und „Supervision“) und der Autorengruppe um Axel Görlitz, Ulrich Druwe und Hans-Peter Burth („Mediales Recht“). Diese Konzepte werden allesamt als inadäquat verworfen; da sie meist auf einen angemessenen Transfer verzichten oder die Ursprungstheorie nur unzureichend wiedergeben. Zur Überwindung dieser Defizite wird eine eigene Konzeption vorgeschlagen, die die Autopoiesetheorie in ihrer sozialwissenschaftlichen Variante mit dem Ansatz kreativer Netzwerke und Hartmut Essers Framing-Konzept verknüpft, sodass am Ende - gemäß dem wissenschaftstheoretischen Strukturalismus - ein (Steuerungs-) Modell des Basis-Theorieelements „Autopoiesetheorie“ steht.