Browsing by Author "Silber, Kathrin"
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Item Open Access Der Einfluss zivilen Engagements auf die Unterstützung sozialer Normen in Europa(2010) Silber, Kathrin; Gabriel, Oscar W. (Prof. Dr.)Die Interpretation von Vereinen als "Schulen von Demokratie" ist Bestandteil des Konzepts sozialen Kapitals, das seit den 1990er Jahren einen prominenten Platz in den Sozialwissenschaften einnimmt. In der entsprechenden Literatur wird ehrenamtliches Engagement als essentiell für die Stabilität und Leistungsfähigkeit von Demokratien angesehen, da es insbesondere interpersonales Vertrauen und soziale Normen unter den Engagierten fördert. Es wurden bereits zahlreiche empirische Untersuchungen zu sozialem Kapital und der Interdependenz seiner drei Bestandteile Netzwerke zivilen Engagements, interpersonalem Vertrauen und sozialen Normen durchgeführt. Nachholbedarf besteht jedoch in der Analyse des Zusammenhangs zivilen Engagements und sozialer Normen. Es ist das Ziel dieser Untersuchung zur Klärung der Frage beizutragen, welche konkreten Aspekte zivilen Engagements zur Unterstützung sozialer Normen beitragen. Als theoretische Fundierung der Forschungsfrage dienen neben dem Konzept sozialen Kapitals hauptsächlich die Partizipationsforschung und die Zivilgesellschaftstheorie sowie Konzepte guter Staatsbürgerschaft. Die empirischen Analysen beinhalten zunächst eine Charakterisierung zivilen Engagements und der Unterstützung sozialer Normen in Europa. Dabei werden strukturelle, inhaltliche und individuelle Rahmenbedingungen zivilen Engagements berücksichtigt, die über den Formalisierungsgrad der Involvierung, die Engagementbereiche sowie die Intensität des Engagements operationalisiert werden. Bei der Unterstützung sozialer Normen werden mit Gemeinsinn, sozio-politischem Bewusstsein sowie Gesetzestreue drei Normdimensionen unterschieden, die im Kern kommunitaristischer, liberaler und traditionell-elitistischer Staatsbürgerverständnisse stehen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich ziviles Engagement in Europa quantitativ und qualitativ unterschiedlich darstellt. Während freiwillige Involvierung in Nord- und Osteuropa stark verbreitet ist, ist das Niveau zivilen Engagements in West- und Südeuropa geringer. Andererseits sind West- und Südeuropäer tendenziell aktiv und vernetzt engagiert, während anderswo passive, individuelle Involvierung eine größere Rolle spielt. Europaweit identisch ist dagegen das bevorzugte Engagement in sozial-religiös-kulturellen Organisationen sowie Sport- und Freizeitvereinigungen. Bezüglich der Unterstützung der drei Dimensionen sozialer Normen zeigen sich ebenfalls quantitative Unterschiede. Generell finden Gesetzestreue, sozio-politisches Bewusstsein und Gemeinsinn in Osteuropa die größte Unterstützung. In der Priorität der drei Normdimensionen ist Gemeinsinn länderübergreifend am Ende angesiedelt. Um zu untersuchen, welche Aspekte zivilen Engagements die Unterstützung sozialer Normen beeinflussen, werden verschiedene multivariate Analysemodelle getestet. Die Ergebnisse zeigen zum einen eine unterschiedliche Eignung der Modelle für die drei untersuchten Normdimensionen und zum anderen eine unterschiedliche Eignung für die untersuchten Länder. Es werden, in Übereinstimmung mit dem Sozialkapitalansatz, die stärksten Zusammenhänge zwischen zivilem Engagement und Gemeinsinn nachgewiesen. Außerdem wirkt sich intensive Involvierung besonders stark aus. Je nach Engagementbereich können die Effekte dabei positiv oder negativ sein. Vernetzt Aktive in sozial-religiös-kulturellen Vereinigungen sind besonders zuverlässige Unterstützer von Gemeinsinn. Auch sozio-politisches Bewusstsein und Gesetzestreue können durch zivile Involvierung erklärt werden, wobei jedoch auch andere Organisationsbereiche eine Rolle spielen. Insgesamt können Effekte struktureller, inhaltlicher und individueller Parameter zivilen Engagements auf die Unterstützung sozialer Normen nachgewiesen werden. Bezogen auf die untersuchten Länder bedeutet dies, dass die Analysemodelle besonders gut für Westeuropa geeignet sind, wo sich ziviles Engagement besonders intensiv vollzieht. Die Qualität der freiwilligen Involvierung ist für die Unterstützung sozialer Normen also wichtiger als die Quantität. Diese Ergebnisse knüpfen einerseits an bereits vorhandene Studien an, gehen aber insofern darüber hinaus, als sie die besondere Rolle der Vernetzung in Vereinigungen für die Effekte zivilen Engagements veranschaulichen. In einem letzten Analyseschritt wird nachgewiesen, dass neben der Integration in Vereinigungen auch die Integration in sozialen Netzwerken aus Familien und Freunden sowie die Verbundenheit zum Wohnort Einfluss auf die Unterstützung sozialer Normen haben können. Zudem werden Effekte des dritten Sozialkapitalelements, interpersonales Vertrauen, veranschaulicht, die sich sowohl in der Interaktion mit zivilem Engagement als auch mit der Unterstützung sozialer Normen zeigen und somit die Interdependenz der drei Bestandteile belegen.