Browsing by Author "Voß, Alfred (Prof. Dr.-Ing. )"
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Item Open Access Energiewirtschaftliche Anforderungen an neue fossil befeuerte Kraftwerke mit CO2-Abscheidung im liberalisierten europäischen Elektrizitätsmarkt(2014) Kober, Tom; Voß, Alfred (Prof. Dr.-Ing. )Vor dem Hintergrund zunehmender Bestrebungen zum Klimaschutz und einer auf Liberalisierung ausgerichteten Energieversorgung in Europa wird in der vorliegenden Arbeit die Rolle von Kraftwerken mit CO2-Abtrennung und dem anschließenden CO2-Transport und der Speicherung (Carbon dioxide Capture and Storage - CCS) bewertet. CCS-Kraftwerke stellen eine technische Option zur signifikanten Reduktion der CO2-Emissionen bei der Bereitstellung elektrischer Energie auf Basis fossiler Rohstoffe dar. CCS-Technologien befinden sich derzeitig im Pilot- bzw. Demonstrationsstadium, wobei hinsichtlich der zukünftigen technischen und ökonomischen Parameter dieser Anlagen gegenwärtig zum Teil erhebliche Unsicherheiten bestehen. Sowohl die erreichbaren CCS-Kraftwerksparameter als auch die energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen bestimmen, inwieweit CCS-Kraftwerke gegenüber anderen CO2-armen bzw. CO2-freien Stromerzeugungstechnologien wettbewerbsfähig sind und welchen Beitrag sie zur zukünftigen Strombereitstellung leisten können. In der Untersuchung werden unter Verwendung eines modellgestützten systemanalytischen Ansatzes die wesentlichen energiewirtschaftlichen sowie energie- und klimapolitischen Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die erreichbare Marktstellung von CCS-Kraftwerken im europäischen Elektrizitätsmarkt bis zum Jahr 2050 sowie deren strukturelle und kostenseitigen Implikationen auf das europäische Energiesystem untersucht. Die derzeitig bestehenden Unsicherheiten in Bezug auf die erreichbaren Investitionskosten und Wirkungsgrade von CCS-Kraftwerken werden dabei explizit berücksichtigt, und es wird der Frage nach den Auswirkungen von Veränderungen dieser beiden Parameter auf die Position von CCS-Kraftwerken am Elektrizitätsmarkt nachgegangen. In der Analyse wird sowohl den Beziehungen innerhalb des Elektrizitätssektors, als auch den Wechselwirkungen mit vor- und nachgelagerten Bereichen des Energiesystems sowie länderspezifischen Besonderheiten bei der Energieversorgung in den jeweiligen europäischen Staaten Rechnung getragen. Hierzu sind insbesondere die Kosten und Potenziale für den Transport und die Speicherung des CO2 in den jeweiligen europäischen Staaten zu zählen. Die Ergebnisse der Untersuchung in Bezug auf die energie- und klimapolitischen Einflussgrößen zeigen, dass sich sowohl die Vorgaben zur Reduktion der Treibhausgase in Europa als auch die energiepolitischen Entscheidungen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie in besonderem Maße auf die Stromerzeugung in Kraftwerken mit CO2-Abtrennung auswirken. Bei Fortführung der derzeitigen Politiken zur Nutzung der Kernenergie in den europäischen Ländern und einer starken Reduktion der Treibhausgase in Europa ist ein Anteil von CCS-Technologien an der gesamten Nettostromerzeugung in der EU-27 von knapp 20% in 2050 erreichbar. Dies setzt die Existenz des rechtlichen Rahmens und der gesellschaftlichen Akzeptanz für den Aufbau und den Betrieb der entsprechenden Infrastruktur für den CO2-Transport und die Speicherung voraus. Hinsichtlich des Einflusses klimapolitischer Zielvorgaben auf die Perspektiven von CCS-Kraftwerken ist festzuhalten, dass sich eine Bandbreite für die langfristigen Treibhausgasminderungsziele in der EU-27 zwischen ca. 65% und 85% in 2050 gegenüber der Kyotobasis ableiten lässt, in der CCS-Markanteile größer 15% (2050) bezogen auf die EU-27 Nettostromerzeugung erreicht werden können. In diesem Minderungsbereich steigt bei Verschärfung des Treibhausgasminderungszieles neben dem Emissionszertifikatspreis auch die Stromnachfrage an, was aus Substitutionseffeken auf der Verbrauchsseite von Technologien auf Basis fossiler Energieträger durch Stromanwendungen resultiert. CCS-Kraftwerke können zukünftig zur Deckung der ansteigenden Stromnachfrage beitragen sowie CO2-intensivere Stromerzeugungstechnologien substituieren. Im Gegensatz dazu ergeben sich unter moderaten als auch unter sehr hohen Treibhausgasminderungszielen deutlich geringere Marktanteile. Unter moderaten Treibhausgasreduktionszielen gehen aufgrund niedriger Emissionszertifikatspreise nur bedingt Anreize für die Anwendung der CCS-Technologie aus. Unter sehr starken Treibhausgasminderungsbedingungen sind niedrige Marktanteile auf die verminderteWettbewerbsfähigkeit von CCS-Kraftwerken aufgrund der restlichen CO2-Emissionen bei einer nicht 100%igen Abtrennung des CO2 aus dem Kraftwerksprozesses und der begrenzten Menge an Emissionsrechten sowie entsprechend hohen Zertifikatspreisen zurückzuführen. In Bezug auf die Rolle der Kernenergie ist zu beobachten, dass eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeiten der Kernenergie zu einem Rückgang des CCS-Anteils an der Nettostromerzeugung in der EU-27 auf bis zu ca. 10% in 2050 führt, da Kernkraftwerke im Vergleich zu CCS-Kraftwerken unabhängig vom Treibhausgasminderungsziel Strom zu geringeren Gestehungskosten erzeugen und damit direkt Marktanteile von CCS-Kraftwerken substituieren. Die regionale Analyse verdeutlicht, dass CCS-Technologien besonders in den Anrainerstaaten der Nordsee Anwendung finden, was auf die im Vergleich zu anderen Regionen günstigen CO2-Transport und Speicherbedingungen zurückgeführt werden kann. Je nach energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen werden bis zu 50% der gesamten abgetrennten CO2-Mengen der EU-27 in den Anrainerstaaten der Nordsee abgetrennt und gespeichert, wobei insbesondere die Speicherung in salinen Aquiferen die kostengünstigste Option darstellt. Zur Bewertung der Unsicherheiten in Bezug auf die erreichbaren CCS-Kraftwerksparameter wurden anhand einer Literaturstudie entsprechende Wertebereiche für zukünftige Investitionskosten und Wirkungsgrade von CCS-Kraftwerken bestimmt. Diese Wertebereiche fanden in Form einer Parametervariation in der modellbasierten systemanalytischen Untersuchung Berücksichtigung. Der Wertebereich für Wirkungsgradverluste für die CO2-Abtrennung bezogen auf den Nettowirkungsgrad der Technologien ohne CCS beträgt 6 bis 12%-Punkte für Erdgas- und Kohletechnologien gleichermaßen. Die zusätzlichen Investitionskosten für die CO2-Abtrennung bewegen sich für kohlegefeuerte Anlagen in einer Bandbreite zwischen 20 und 75% und für Erdgasanlagen zwischen 30 und 100% der Investitionskosten der entsprechenden Kraftwerkstechnologien ohne CCS. Die Ergebnisse der Parametervariation zeigen, dass Veränderungen der CCS-Kraftwerksparameter im untersuchten Bereich in Abhängigkeit von den energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen unterschiedlich starke Zuwächse der CCS-Stromerzeugung hervorrufen. Unter günstigen Rahmenbedingungen können durch die Reduktion der Investitionskosten und die Steigerung der Wirkungsgrade von CCS-Kraftwerken im untersuchten Wertebereich zusätzliche Strommengen in CCS-Kraftwerken in der EU-27 von bis zu 360 TWh in 2050 erzeugt werden. Die geringsten Auswirkungen durch Änderungen der CCS-Kraftwerksparameter sind unter moderaten Klimazielen zu beobachten. Der Einfluss der untersuchten energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen wirkt sich im Vergleich zu den Unsicherheiten hinsichtlich der Wirkungsgrade und Investitionskosten zum Teil wesentlich stärker auf die Perspektiven von CCS-Kraftwerken am europäischen Elektrizitätsmarkt aus. Daraus lässt sich ableiten, dass es nur bedingt möglich ist, reduzierte Marktanteile aufgrund veränderter energie- und klimapolitischer Rahmenbedingungen durch Steigerungen der Wirkungsgrade und Reduktion der Investitionskosten von CCS-Technologien zu kompensieren. Durch veränderte CCS- Kraftwerksparameter werden neben einem Anstieg der Stromnachfrage vor allem Substitutionseffekte innerhalb der Strombereitstellung hervorgerufen. Generell ist zu beobachten, dass durch die Reduktion der Investitionskosten und Steigerung der Wirkungsgrade von CCS-Kraftwerken mittelfristig primär die Stromproduktion aus fossil befeuerten Kraftwerken ohne CCS substituiert wird und langfristig die Strombereitstellung aus erneuerbaren Energien.