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    Strategisches Umweltverhalten - Beiträge von Kybernetik und Spieltheorie zur Modellierung umweltökonomischer Fragestellungen
    (2007) Berkemer, Rainer; Fischer, Thomas (Prof. Dr. rer. pol., habil. Ing.)
    Umweltprobleme sind oft durch eine Vielzahl von Beteiligten gekennzeichnet, die sich in ihrem Verhalten gegenseitig beeinflussen. Beispielhaft kann hier die Situation des Straßenverkehrs in einer Großstadt benannt werden. Wenn ganz viele Akteure betrachtet werden, verringert sich aber wieder die Relevanz des strategischen Aspekts, denn dann genügt häufig die Kenntnis des durchschnittlichen Verhaltens. Am interessantesten sind also Fälle, bei denen viele, aber nicht ganz viele, betroffen sind – und (damit komplex genug) mehr als zwei Beteiligte vorhanden sind. Deshalb wird als einleitendes Beispiel eine Situation mit drei Fischzüchtern vorgestellt, die sich zu ihrem gemeinsamen Vorteil auf die Errichtung einer Kläranlage verständigen könnten. Das Konzept des strategischen Verhaltens wird dann eingeführt, um zu zeigen, dass die Finanzierung häufig scheitern wird, weil die Akteure private Information strategisch motiviert zurückhalten. Ein solches Verhalten ist individuell rational, führt aber kollektiv betrachtet zu ineffizienten Resultaten. Solche Situationen werden allgemein als „social dilemmas“ bezeichnet, und viele Umweltprobleme haben eine solche Struktur. Zweck der Arbeit ist es, ein Simulationstool zu entwickeln, das zur Untersuchung von Sozialen Dilemmata geeignet ist. Zwei Grundlagenkapitel (zu Spieltheorie und Umweltökonomie) beschreiben zunächst die benötigten Begriffe und Konzepte. Das Kapitel zur Spieltheorie beschreibt kritisch die Rationalitätsanforderungen der traditionellen Spieltheorie. Außerdem werden die Grundzüge der evolutionären Spieltheorie beschrieben. Das Kapitel zur Umweltökonomie definiert verwendete Begriffe, etwa öffentliche Güter, externe Effekte, Pareto-Effizienz und Coase Theorem. Kapitel 4 beschreibt die Konzipierung des Simulationstools. Ausgehend von den Grundlagenkapiteln wird zunächst ein Anforderungskatalog abgeleitet. Dann findet die Modellierung der Problemstrukturen statt, wobei öffentliche Güter mit ihren Zustandsvariablen im Mittelpunkt stehen. Eine Modellierung der Prozessgesichtspunkte sowie das generelle Ablaufschema der Simulation schliessen dieses Kapitel ab. Der Hauptteil der Arbeit beschäftigt sich mit zwei Anwendungsbeispielen (Kapitel 5 und 6). Der erste Anwendungsfall (Optimale Kontrollfrequenz in einem Inspektionsspiel) ist ein einfaches Zwei-Personenspiel, das sich daher gut eignet, um die Vorgehensweise beim Einsatz des Simulationstools zu demonstrieren. Das Inspektionsspiel besitzt nur ein gemischtes Nash-Gleichgewicht, das leicht berechnet werden kann. Die Simulationsergebnisse zeigen aber, dass eine solche statische Betrachtung nicht ausreicht. Der dynamische Prozess weist starke Fluktuationen auf, was bedeutet, dass die Verschmutzungswerte phasenweise erheblich über dem berechneten Wert liegen. Des Weiteren wird eine mögliche Intervention des Gesetzgebers in die Spielstruktur untersucht. Dabei kommt es zu scheinbar paradoxen Effekten, weil ein dauerhaftes Absenken der Umweltverschmutzung so nicht erreicht wird. Mit Hilfe einer analytischen Nachbetrachtung werden die Simulationsergebnisse plausibel gemacht. Dabei kann auch die Analogie zur Lotka-Volterra-Gleichung aus der Populationsökologie gezeigt werden. Die eigentliche Herausforderung besteht beim zweiten Anwendungsfall (Strategisches Verhalten bei der Finanzierung einer Kläranlage). Hierzu wird das Beispiel aus der Einleitung wieder aufgegriffen und so verallgemeinert, dass eine beliebig große Anzahl von Fischzüchtern modelliert werden kann. Außerdem wird der Bezug zum Coase Theorem hergestellt. Mit der Simulation werden Größeneffekte (Anzahl der Spieler) sowie die Effekte heterogener Nutzenverteilung untersucht. Die Ergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung mit den theoretischen Überlegungen von Olson in seinem Buch „The Logic of Collective Action“. Das Hauptproblem besteht darin, dass private Information strategisch eingesetzt werden kann und es deshalb zu verfälschten Nutzenangaben kommt. Dieses Problem wurde seit den 1970er Jahren erkannt und führte zu einem eigenen Theoriezweig „Mechanism Design“. Das Problem strategischer Falschangaben kann mit den dabei entwickelten Methoden zwar theoretisch vollständig gelöst werden, aber es bleibt unklar, wie stark die Funktionsweise der Mechanismen beeinträchtigt wird, wenn Abstriche von der Annahme vollständiger Rationalität gemacht werden. Zwei der aus der Literatur bekannten Mechanismen werden dazu mit Hilfe des Simulationsansatzes untersucht: Der Clarke-Groves-Mechanismus und der Mechanismus von Rob. In beiden Fällen kommt man zum Ergebnis, dass auch unter der Annahme begrenzter Rationalität die prinzipielle Funktionsweise erhalten bleibt. Je mehr Beteiligte aber involviert sind, umso schwieriger wird es zu lernen, dass sich Abweichungen von der wahren Nutzenangabe nicht lohnen. Auch experimentelle Untersuchungen stimmen recht gut mit den vorgestellten Simulationsergebnissen überein. Zusammenfassend kann aus den Anwendungsbeispielen gefolgert werden, dass mit Veränderungen der Spielstrukturen Eingriffe in dynamische Systeme verbunden sind und dass Situationen mit strategischer Interdependenz ihre besonderen Eigenarten haben. Spieltheorie und Kybernetik sollten zusammen zu einem Verständnis solcher Systeme beitragen.