09 Philosophisch-historische Fakultät

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    Das arrangierte Bild - Strategien malerischer Fiktion im Werk von Jeff Wall
    (2004) Hammerbacher, Valerie; Steiner, Reinhard (Prof. Dr.)
    Was zeichnet die Fotografien des kanadischen Künstlers Jeff Wall aus? Dieser Frage wird in der vorliegenden Arbeit nachgegangen. Es gilt zu klären, inwieweit sich Walls Arbeiten von der Gegenwartskunst der 60er- und 70er-Jahre unterscheiden und wie diese Verschiedenheit für den Betrachter deutlich gemacht wird. Es ist das Ziel, für das arrangierte fotografische Bild einen Begriff zu finden, diese Kunst in eine Tradition zu stellen und damit ihre Merkmale zu definieren. Jede analoge Technik der Fotografie ist zwangsläufig an ihr physikalisches und chemisches Herstellungsverfahren gebunden und steht als fotografisches Bild in einer physikalischen Verbindung zur Wirklichkeit. Fotografie kann aufgrund ihrer Technik nichts anderes sein als die Darstellung eines bildgebenden Prozesses auf lichtempfindlichem Fotopapier. Doch seit den 70er-Jahren konterkarieren Künstler durch Bildsignale die medialen Gegebenheiten und ermöglichen es, die Fotografie in ein anderes Bezugssystem zu überführen. Fotografie soll nun nicht mehr als ein Dokument, sondern als Fiktion gewertet werden Die Fiktionalisierung erfolgt dabei als eine Transgression der Technik durch Methoden der Darstellung. In der Arbeit Jeff Walls zeigt sich dies in der fotografischen Darstellung von Handlung und Raum. Walls Fotografie friert weder einen Moment ein, noch ist sie an einem klar ausgewiesenen Ort zu lokalisieren. Sie ist weder Schnappschussaufnahme noch erzählt sie eine Geschichte. Ein besonderes Augenmerk wird auf Walls Fotografie "Picture for Women" von 1979 gerichtet. In diesem Schlüsselbild finden sich die entscheidenden Merkmale, die für Walls Überschreitungsstrategie verantwortlich sind. Hier etabliert Wall einen Bildraum, der sich der Korrespondenz mit der Betrachterwelt entzieht und dennoch auf den ersten Blick von augentäuschendem Realismus gekennzeichnet ist. Die Fotografie stellt nicht einen Blick durch ein Fenster dar, wie es von Leon Battista Alberti seit den Renaissance für die malerische Bildkunst gefordert wurde, sondern schließt den Betrachter aus - sowohl in ihrer zeitlichen wie in ihrer räumlichen Struktur. Die Personen befinden sich in einem Guckkastenraum und sind in eine Handlung involviert, die keine Nacherzählung erlaubt. Von einer Erzählung, die sich an einem schriftlichen oder mündlichen Rapport orientiert, kann nicht die Rede sein. Stattdessen sind in Walls Fotografie Handlung und Raum für eine fiktional narrative Schilderung verantwortlich, die in einer malerischen Tradition steht. Wall begründet eine neue Gattung, in dem er Strategien der Malerei auf die Fotografie anwendet. Die Schilderung, auf die sich Wall bezieht, hat ihren Ursprung in der Malerei nördlich der Alpen. Dort liefert nicht der Text die ausschlaggebenden Direktiven, sondern die Darstellung des Schildes des antiken Helden Achill. Für die Malerei ist das folgenreich: Die Dauer der Handlung wird durch eine Stilllegung definiert, und die Gemälde beziehen ihren Reiz aus der Delikatesse der Darstellung. Die Gemälde von Jan Vermeer oder Nicolas Maes liefern die ästhetischen Sehkonventionen, durch deren Vergleich sich Walls Fotografien beschreiben lassen. Durch die Analogie zwischen Walls Fotografie und einem speziellen Typus der Malerei können seine Fotografien klassifiziert werden.