09 Philosophisch-historische Fakultät

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    Aspekte einer deliberativen Theorie des Guten und Gerechten
    (2009) Mazouz, Nadia; Hubig, Christoph (Prof. Dr.)
    Die Unterscheidung des Guten und Gerechten sowie die Vorrangstellung des Gerechten vor dem Guten werden für eine Kantische Ethik als unumgänglich angesehen. Die Frage nach der genauen Bestimmung der Unterscheidung sowie der Vorrangrelation hat weite Teile der praktischen und politischen Philosophie in den letzten Jahrzehnten stark geprägt. Vereinfachend werden oft Theorien, die eine Priorität des Gerechten vor dem Guten behaupten, als "liberal" bezeichnet. Denn als begründungsbedürftig und begründungspflichtig werden "nur" diejenigen Verpflichtungen angesehen, welche Interaktionen von Personen untereinander regulieren; das gute Leben des Einzelnen ist weder allgemein begründungsfähig noch begründungspflichtig. Klassisch liberale Theorien nehmen eine Sortierung von Belangen vor in solche, die das eigene Leben betreffen, und solche, die das Zusammenleben (in bestimmter Weise) betreffen. Bezweifelt wird vielfach, dass diese Sortierung überhaupt allgemein vorzunehmen möglich ist. Weiterhin wird moniert, die Bedeutung von Gerechtigkeit sei nicht angemessen wiedergegeben in einer Theorie, die sie unabhängig vom Guten inhaltlich festlegt; gerade weil und insofern ein Gutes geschützt wird, sei Gerechtigkeit der prioritäre praktische Beurteilungsgesichtspunkt. Theorien, die das Gerechte als Teil des Guten begreifen sind nicht so einfach unter einen Begriff zu subsumieren: denn sie argumentieren sehr verschieden gegen die Möglichkeit der Unterscheidung und/oder die behauptete Priorität und werden unter ganz verschiedenen Titeln geführt wie Essentialismus, Kontextualismus, Kommunitarismus usw. Eine wichtige diese Theorien einigende These ist, dass Gerechtigkeit in Verschränkung mit dem Guten allererst ihre Bedeutung erhält. Als politische Philosophien sind sie in Gestalt republikanischer Theorien, die gemeinsame Prozesse der Meinungs- und Willensbildung zentral vorsehen, wichtige Gegenspieler liberaler Theorien. Die gegenwärtig neu entwickelten deliberativen Theorien der Gerechtigkeit, wie ich sie nenne, haben einen Ausweg aus dieser Lage versucht zu explizieren: Sie sind liberal, indem sie die Unterscheidungs- und Vorrangthese vertreten; sie vertreten zugleich aber die Verschränkungsthese, mithin die These, dass das Gerechte auf das Gute zu beziehen ist, um prioritäre Gerechtigkeitsurteile allererst zu gewinnen. Auch sind sie in unterschiedlicher Weise auf Prozesse der gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung ausgerichtet, sind demnach auch republikanisch. Deliberative Theorien der Gerechtigkeit begreifen die Richtigkeit moralischer Urteile, auch Urteile der Gerechtigkeit, vermittels ihrer vernünftigen Akzeptabilität, in Gestalt vernünftiger Zustimmung oder eines vernünftigen Konsenses. Als Vertreter deliberativer Theorien werden in diesem Text analysiert die Autoren John Rawls, Thomas Scanlon und Jürgen Habermas, da sie breit angelegte Theorien vorgelegt haben, die wesentliche Alternativen solcher Ansätze abmessen. Zudem haben sie methodisch ausgefeilte Deliberationsmodelle entwickelt, die es ermöglichen, vernünftige Akzeptabilität auszubuchstabieren: Rawls mit seinem Überlegungsgleichgewichtsmodell, Scanlon mit seiner Konzeption substanzieller Gründe und Habermas mit seinem Diskursmodell. Wie genau ein kantisches, liberales, Gerechtigkeitsverständnis auszubuchstabieren ist, ist unter den genannten Autoren deliberativer Theorien der Gerechtigkeit strittig. Einig sind sie darin, das Gute und das Gerechte begrifflich voneinander unabhängig zu bestimmen, inhaltlich aber miteinander zu verschränken; einig sind sie mithin in einem bestimmten Modell der Scheidung und zugleich Verschränkung des Guten und Gerechten. Nicht aber darin, wie genau dieses Modell zu explizieren ist. Rawls, Scanlon und Habermas haben je bestimmte Modelle der Gut/Gerecht-Unterscheidung entwickelt. Das prominenteste ist sicherlich das Komplementaritätsmodell, bei dem das Gute die Hinsicht der Gerechtigkeit bildet (Rawls). Das Integrationsmodell sieht vor, diejenigen Aspekte des guten Lebens in die Gerechtigkeit einzuschreiben, die allgemein begründbar sind (Habermas). Ein Modell, das das Verhältnis als offene Komplemente fasst (Scanlon), verneint, dass das gute Leben für die Zwecke der inhaltlichen Bestimmung von Gerechtigkeit einheitlich konzipiert werden kann. Die Ansätze von Rawls, Habermas und Scanlon stellen den Versuch dar, entgegen der klassischen Alternative, entweder das Gute gänzlich unberücksichtigt zu lassen oder das Gerechte darin zu integrieren, das Gute mit dem Gerechten zu verschränken und doch die Vorrangstellung des Gerechten zu sichern, mithin die klasssich liberale Moralarchitektonik beizubehalten. Dass diese Vorhaben in bestimmten Hinsichten deren zentrale Ansprüche verfehlen, wird durch eine jeweils interne Kritik gezeigt. Ziel ist zu zeigen, dass der "Möglichkeitsraum" alternativer moralphilosophischer Positionen, der durch diese Autoren aufgemacht wird, in charakteristischer Weise eingeschränkt ist.
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    Gibt es einen Fortschritt in den Geisteswissenschaften?
    (1980) Hubig, Christoph
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    Ist Freundschaft konstitutiv für eine pluralistische Politik? : Zum philosophischen Begriff der Freundschaft in Bezug auf Privatheit und Öffentlichkeit
    (2018) Kosch, Johanna
    Was hat Freundschaft heutzutage mit Politik zu tun? Dieser Frage und einer möglichen Antwort werde ich mich in dieser Arbeit über die philosophiegeschichtliche Rezeption des Begriffs Freundschaft annähern. Wenn man sich mit dem Begriff der Freundschaft in der Philosophie beschäftigt, merkt man schnell, dass dieses Thema in allen Epochen aktuell war und man merkt auch, dass Freundschaft beispielweise in der Antike noch etwas anderes bedeutet hat als das, was man heute weitläufig unter Freundschaft versteht. Freunde und Freundschaften kategorisieren wir heute gemeinhin als eine private Angelegenheit. In der Antike war Freundschaft ein Thema des öffentlichen Lebens. Trotzdem können wir uns heute noch für Aristoteles‘ und auch Ciceros Freundschaftskonzeptionen begeistern, obwohl sich das Prinzip von Freundschaft über die Jahrtausende verändert hat – warum ist das so? Bei einer näheren Betrachtung philosophischer Freundschaftskonzeptionen verschiedener Philosophen zeigt sich eine Traditionslinie in der Begriffsgeschichte der Freundschaft, die bei Aristoteles ihren Anfang nimmt. Seine Konzeption der Freundschaft ist eng verknüpft mit dem öffentlichen, politischen Leben der Menschen. Führt sich diese Verknüpfung von Freundschaft und Politik in der Traditionslinie des Begriffs Freundschaft ebenfalls fort? Diese Frage steht im Zentrum dieser Arbeit. Zu ihrer Beantwortung werde ich mich als erstes mit dem Freundschaftsbegriff der Antike beschäftigen und hierbei die Traditionslinie von Aristoteles zu Cicero nachzeichnen. Es wird sich zeigen, dass bestimmte Motive in den Freundschaftskonzeptionen vorzufinden sind, die immer wieder auftauchen. Daher werde ich die Frage nach einem antiken Ethos der Freundschaft stellen und das Verhältnis von Freundschaft und Politik in den antiken Freundschaftskonzeptionen anhand der beiden Autoren zusammenfassen. Für die neuzeitliche Rezeption des Freundschaftsbegriffs beziehe ich mich v. a. auf Montaigne. Dieser nimmt explizit Bezug auf Aristoteles und Cicero und führt damit die Traditionslinie auf den ersten Blick fort. Bei genauerer Betrachtung tilgt er jedoch die politische Dimension aus seiner Freundschaftsvorstellung. Wird die Traditionslinie des Freundschaftsbegriffs damit transformiert, indem sich bestimmte Merkmale ändern oder wegfallen, oder wird die Traditionslinie damit abgebrochen? Dieser Frage werde ich mich im zweiten Kapitel dieser Arbeit widmen. Für die Moderne ergeben sich aus dieser Transformation heraus im Wesentlichen drei Sichtweisen in Bezug auf den Begriff der der Feindschaft: Erstens wird Freundschaft durch ihren Gegenentwurf, der Feindschaft, heraus definiert. Zweitens wird Freundschaft als Angelegenheit des Privaten und drittens wird Freundschaft als Angelegenheit des öffentlichen Lebens betrachtet. Die Koexistenz dieser drei Dimensionen zeigt, wenn auch nur grob, wie vielfältig sich das Erbe einer philosophischen Idee über Jahrhunderte und Jahrtausende ausgestaltet hat. In Bezug auf die Politik umso mehr, wenn soziologische Entwicklungen und die Ausdifferenzierung verschiedener politischer Lager berücksichtigt werden. Je nachdem, ob wir den Begriff der Freundschaft heute beispielsweise ganz allgemein in den Kontext von Konkurrenz und Kooperation, von geopolitischen, kapitalistischen oder neoliberalen Interessen, von Individualität und Kollektivismus, von Konservativismus oder Pluralismus stellen, finden wir zwangsläufig Elemente aus dieser Begriffstradition wieder – entweder ein aristotelisches Motiv oder einen ciceronischen Gedanken oder eine Wendung, die an Montaigne erinnert. Freundschaft als eine persönliche und soziale Beziehung, jenseits der familiären Bande, und ihre Transformationsformen wie Kameradschaft, Genossenschaft, Bruderschaft, Fraternité, etc., hat, wie sich zeigen wird, ganz generell eine besondere Relevanz für das soziale und politische Leben. Welche Aspekte der Freundschaft besonders hervorstechen und bedeutsam werden, variiert in verschiedenen Zeiten bzw. Epochen und Kontexten. Aus der letzten der genannten Perspektiven heraus, stellt sich die Frage, inwiefern wir hier bei der Idee der Verknüpfung von Freundschaft und Öffentlichkeit wieder auf den Kerngedanken des aristotelischen Freundschaftsbegriffs treffen: Freundschaft ist für die Gemeinschaft gut und impliziert Eintracht. Zuletzt wird diskutiert, ob dieser Begriff von Freundschaft konstitutiv sein kann für eine pluralistische Politik in einer pluralistischen Gesellschaft.
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    Commemorating public figures : in favour of a fictionalist position
    (2020) Berninger, Anja
    In this article, I discuss the commemoration of public figures such as Nelson Mandela and Yitzhak Rabin. In many cases, our commemoration of such figures is based on the admiration we feel for them. However, closer inspection reveals that most (if not all) of those we currently honour do not qualify as fitting objects of admiration. Yet, we may still have the strong intuition that we ought to continue commemorating them in this way. I highlight two problems that arise here: the problem that the expressed admiration does not seem appropriate with respect to the object and the problem that continued commemorative practices lead to rationality issues. In response to these issues, I suggest taking a fictionalist position with respect to commemoration. This crucially involves sharply distinguishing between commemorative and other discourses, as well as understanding the objects of our commemorative practices as fictional objects.
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    "Gli Sogni e Raggionamenti" di Giovan Paolo Lomazzo ovvero l’idea di una nuova maniera letteraria
    (2018) Simion, Paula Oana; Maag, Georg (Prof. Dr.)
    Die vorliegende Promotionsarbeit mit dem Titel "Gli Sogni e Raggionamenti" des Giovan Paolo Lomazzo oder die Idee einer neuen literarischen Manier widmet sich der Untersuchung eines Prosawerks des mailändischen Kunsttheoretikers Giovan Paolo Lomazzo (26.04.1538, Mailand - 7.01.1592, ebd.). Die Rede ist von Gli Sogni e Raggionamenti composti da Giovan Paulo Lomazzo millanese, con le figure de spiriti che gli raccontano da egli dessignate, einer in vieler Hinsicht hintergründigen literarischen Schrift, die um 1563 in der Form eines Dialogs verfasst und bis ins 20. Jahrhundert unbekannt und unveröffentlicht blieb. Die Erstpublikation des Werkes erfolgte in den Jahren 1973 bis 1975. Giovan Paolo Lomazzo, der Autor der Gli Sogni, war Maler, Kunsttheoretiker, Literat und, nicht zuletzt, Präsident auf Lebenszeit der Mailänder Accademia della Vale di Blenio. Lomazzo ist vor allem für seine Kunsttraktate bekannt, die zwischen 1584 und 1591 erstmals erschienen sind. Im Gegensatz zu anderen Kunsttheoretikern der Neuzeit wurden seine kunsttheoretischen Überlegungen weit weniger untersucht und thematisiert. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang meist sein Begriff der figura serpentinata und seine neue Interpretation des Konzeptes der maniera. Lomazzos literarische Werke weckten jedoch zunächst kein Interesse und blieben weitestgehend unbeachtet. Zu dem unvollendeten Prosawerk Gli Sogni, von dessen Existenz lange Zeit nichts bekannt war, gibt es bis heute keine ausführlichen philologischen Untersuchungen. Es wurde lediglich im Rahmen allgemeiner Studien zum Gesamtwerk Lomazzos gelegentlich in kurzen Beschreibungen erwähnt. Gli Sogni e Raggionamenti ist Lomazzos einziges Werk, von dem sich das Originalmanuskript bis heute erhalten hat. Das Schicksal des Manuskripts ist rätselhaft und es galt lange Zeit als verschollen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es von Carlo Dionisotti wiederentdeckt und wird seitdem in London aufbewahrt. Lomazzos Gli Sogni blieb unvollendet und das Manuskript ist in diesem Zusammenhang umso wichtiger, da es wertvolle Vermerke des Autors bezüglich des ursprünglich geplanten Aufbaus enthält. Das Manuskript ist als Ur-Fassung von Lomazzos erstem literarischem Werk zu betrachten, welches ursprünglich aus sechzehn Dialogen bestehen sollte. Jeder dieser Dialoge sollte am Anfang von einer Illustration ergänzt werden und mit je fünfundzwanzig Sonetten abklingen. Die Leserwidmung erfüllt in der Gesamtheit des Werkes eine wirksame pars pro toto-Funktion. Dort sind nicht nur die technischen Informationen über die geplante Rahmenerzählung, sondern auch die wichtigsten Hinweise bezüglich der Lesart des Inhaltes enthalten. Der Prolog beginnt mit der Erklärung der Entstehung des eigenen Prosawerkes. In seinem Arbeitszimmer versucht der Autor nämlich vergeblich, die geeignete Präsentationsform für mehrere Sonette und andere poetische caprizzi zu finden. Die Lösung seines kreativen Problems verdankt er einer phantastischen Offenbarung. Im Traum erscheint ihm die Vision von sechzehn Geistern in einem Palast auf einer namenlosen griechischen Insel. Das Inselgeschehen und die Gespräche der Geister bilden die Erzählebene für die Dialoge der Gli Sogni. Die Geisterwesen sind an bekannte zeitgenösische und antike Personen angelehnt, darunter beispielsweise Paolo Giovio, Leonardo da Vinci, Pythagoras, Pietro Sola, Ariost, Euklid, Giovan Michel Maria Gerbo, Phidias, Cecco de Ascoli und Pietro d’Abano. Dadurch ergibt sich auf der Erzählebene eine Verklammerung unterschiedlichster Räume und Zeitepochen. Erinnerungen, Träume und Begebenheiten aus vergangenen Leben und Zeiten treffen somit in den Dialogen direkt aufeinander. Sowohl im architektonischen als auch im konzeptuellen Sinne entsteht so ein komplexes literarisches Flechtwerk. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, Lomazzos Prosawerk Gli Sogni in den Fokus der Literatur- und Kunsttheorieforschung zu rücken. Dabei sollte aber auch ein Beitrag zur Auswertung der opera omnia Lomazzos geleistet werden, welcher von seinen modernen Herausgebern oft als Desiderat formuliert wurde. Durch eine detaillierte und systematische Zerlegung des Texts in seine einzelnen Bestandteile, zeigten sich einzelne Topoi die sich in verschiedenen Formulierungen oder literarischen Konstruktionen wiederholten. Ein Topos ist der wiederkehrende Verweis auf das Diktum ut pictura poësis. Schon in der Leserwidmung wird beispielsweise das kreative Prozedere des Autors beschrieben: Während des Malens überkommt ihn die Inspiration für seine literarischen Kompositionen. Die beiden schöpferischen Akte erfolgen parallel und entstehen unter denselben Umständen und am selben Ort: im Arbeitszimmer des Künstlers. Es geht um einen zutiefst geistigen Prozess, bei dem nicht zwischen Poesie und Malerei unterschieden wird. (1) Außerdem sind in den Dialogen nicht selten Abschnitte zu erkennen, die durch die Fachsprache der Protagonisten geprägt werden, die aus verschiedenen Kultur- und Berufsbereichen stammen. Dazu kommt, dass in Lomazzos Kunstschriften viele Beispiele aus der Dichtung wahrzunehmen sind, die seine kunsttheoretischen Ansätze beleuchten und erklären. Somit kann geschlossen werden, dass der Autor beide Künste ganz bewusst miteinander verbindet und über die bis dahin bekannte ut pictura poesis-Theorie reflektiert. Diese fachsprachlichen Abschnitte im Prosawerk sollen vor allem als Metapher der Vielfalt der Welt verstanden werden, die in der Kunsttheorie unter dem Begriff der varietà diskutiert wird und hier als zweiter Topos in Lomazzos Werk betrachtet wird. (2) Daran schließt sich als dritter Topos die äußerst ausführlichen Verzeichnisse von einzelnen Namen, Begriffen oder Dingen an (3), die regelmäßig im Text wiederkehren und nicht im Detail, dafür aber als Gesamtes von Belang sind. Daraus entwickelte sich die These, dass die Strategie des Zusammenbringens dieser vielfältigen Materie zu einem Ganzen auf die philosophischen, magischen und theologischen Diskurse der Frühen Neuzeit anspielt. Diese betonen die Möglichkeit und die spirituelle Notwendigkeit einer Rückkehr zur Ur-Quelle des Wissens oder zu Gott. In dieser Strategie des Zusammenführens geht es um die reductio der materiellen Vielfalt (varietà) und um das Streben nach einer geistigen Einheit, die Platon als Quelle der Idee bezeichnet hatte. Lomazzo verfährt auch in seiner Kunsttheorie ähnlich: In Übereinstimmung mit der Entwicklung des ästhetischen Denkens seiner Zeit, vollbringt er beispielweise die konzeptuelle Verschmelzung zwischen den Begriffen inventio und dispositio, weil für ihn der kreative Akt als unaufhörliche Produktion der Formen in der Idee (incessante produzione di forme nell’idea ) bereits angelegt ist. Durch diese Verschmelzung wird die schöpferische Aktivität ein Stück weiter vergeistigt und somit auf eine höhere Ebene versetzt. Auf diesen ersten Beobachtungen, die sich als stabiler Ausgangspunkt für eine fundierte Untersuchung des Prosawerkes anboten, baut die ausführliche Analyse der Gli Sogni auf. So standen im Fokus der Untersuchung sowohl Fragen zum wechselseitigen Verhältnis von Kunsttheorie und Literatur als auch zu vielen anderen direkt subordinierten Themenkomplexen. Eine der wichtigsten Aufgaben dieser Arbeit war die genaue Beschreibung der narrativen Textebene und seiner Metadimension. Schließlich wurde das komplexe Korrespondenzsystem, das diese zwei Ebenen verbindet, entschlüsselt und definiert. Um das zu erreichen, wurde erörtert, wie und warum Lomazzo sich der Theologie, der Philosophie, der Rhetorik, und der Kunst der Magie systematisch bediente. Besondere Aufmerksamkeit galt den folgenden Punkten: die Beziehung zwischen Malerei und Dichtung in der Frühen Neuzeit, die Berücksichtigung der Musiktheorie, die frühchristliche Theorie des Seelenzolls oder der Seelenreise, die konzeptuelle Verbindung zwischen dem rhetorischen decorum und dem kunsttheoretischen discrezione und memoria intellettuale, sowie die Verbindung der philosophischen idea und dem magischen mirandorum operator. Auch die Bezüge zu seinen klassischen und frühmodernen literarischen Vorbildern wurden aufgezeigt und da, wo es zielführend war, ausführlich analysiert. Nach dieser philologischen Untersuchung wurden alle Ergebnisse schlussendlich zusammengeführt und es wurde auf die Frage eingegangen, ob Gli Sogni als eine besondere literarische Form betrachtet werden kann oder ob es sich in den traditionellen Kanon der Literatur einfügen lässt. So konnte der Schluss gezogen werden, dass in diesem speziellen Fall der Gli Sogni die Kunsttheorie Form und Inhalt des Textes bestimmt, was dazu führt, dass einzelne Teile zwar als zu wenig literarisch empfunden werden, aber doch in ihrer metaphorischen Bedeutung als stringent und wichtig zu erachten sind. Lomazzo versuchte mit dieser Arbeit die Grenzen der Literatur zu weiten und es gelang ihm mit dieser vielschichtigen Metapher von Materie, die sich in einem mühsamen kreativen Katharsis-Prozess befindet. Das vorliegende Resultat dieser philologischen Annäherung an das Prosawerk Gli Sogni kann allerdings nicht als erschöpfende Untersuchung betrachtet werden. Der vielseitige Duktus Lomazzos’ spekulativen Denkens und seiner literarischen Schrift eröffnet zahlreiche Fragen, die oft über das Gebiet der Kunst- und der Literaturtheorie hinausgehen und somit Gegenstand weiterer interdisziplinärer Forschung sein werden.
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    Technik und Spiel
    (1994) Hubig, Christoph
    NN
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    Databases, science communication, and the division of epistemic labour
    (2022) Mößner, Nicola
    There are many ways in which biases can enter processes of scientific reasoning. One of these is what Ludwik Fleck has called a “harmony of illusions”. In this paper, Fleck’s ideas on the relevance of social mechanisms in epistemic processes and his detailed description of publication processes in science will be used as a starting point to investigate the connection between cognitive processes, social dynamics, and biases in this context. Despite its usefulness as a first step towards a more detailed analysis, Fleck’s account needs to be updated in order to take the developments of digital communication technologies of the 21st century into account. Taking a closer look at today’s practices of science communication shows that information and communication technologies (ICTs) play a major role here. By presenting a detailed case study concerning the database SCOPUS, the question will be investigated how such ICTs can influence the division of epistemic labour. The result will be that they potentially undermine the epistemic benefits of social dynamics in science communication due to their inherent tendency to reduce the diversity of scientific hypotheses and ideas.
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    Hermeneutik der Zukunft
    (2011) Radinkovic, Zeljko; Luckner, Andreas (Apl. Prof. Dr.)
    'Hermeneutik der Zukunft' versucht zu klären, ob eine neue Leseart der Heideggerschen Existetialontologie möglich ist, und zwar eine solche, die auch für den Modus eigentlicher Existenz die entsprechenden Ausdrucksweisen, die Weisen des Thematischwerdens findet. Oder genauer gesagt, ob schon im authentischen Existenzvollzug eine Ausdrücklichkeit erkennbar ist, wodurch sich die bestimmten Ausdrucksweisen als verträglich mit dem eigentlichen Existenzvollzug erweisen können. Hier wird die These vertreten, dass sich eine solche ursprüngliche daseinsmäßige Ausdrücklichkeitsform in der Narration finden lässt. In ontologischer Hinsicht deckt sich die Erzählung mit der Daseinsstruktur.
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    Übergewicht und Adipositas, Gesundheit und Krankheit : Diskussionsbeiträge aus philosophischer Sicht
    (2010) Gottschalk-Mazouz, Niels; Ertelt, Susanne; Radinkovic, Zeljko; Gottschalk-Mazouz, Niels (Hg.)
    Der vorliegende Band vereint Studien, die im Rahmen des Philosophie-Teilprojekts des Forschungsverbunds "Übergewicht und Adipositas bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als systemisches Risiko" entstanden sind. Dieser Verbund wurde vom BMBF von 2006-2009 im Rahmen der sozial-ökologischen Forschung im Themenbereich: Strategien zum Umgang mit systemischen Risiken gefördert. In diesem Verbund wurden unter der Leitung des Risikosoziologen Ortwin Renn die Perspektiven von Epidemiologie, Physiologie, Psychologie, Soziologie, Philosophie, Betriebswirtschaft und Recht auf ein komplexes, interdisziplinäres Thema zusammengeführt. Das von Niels Gottschalk-Mazouz geleitete Philosophie-Teilprojekt umfasste Arbeiten zu Wissenschaftstheorie, Kulturphilosophie, Risikotheorie und Ethik. Die wissenschaftstheoretischen Arbeiten sind bereits an anderer Stelle publiziert (Gottschalk-Mazouz 2008a, Gottschalk-Mazouz 2008b, Gottschalk-Mazouz/Zurhorst 2008).Die weiteren im Rahmen des Teilprojekts enstandenen Arbeiten sind in diesem Band zu-sammengestellt. Der Rest dieser Eineitung bietet eine knappe Zusammenfassung der Ergebnisse des gesamten Philosophie-Teilprojekts. Eine ausführliche Zusammenfassung dieser Ergebnisse sowie derjenigen der anderen Teilprojekte findet sich im Abschlussband des Forschungsverbundes, der in Kürze im VS-Verlag erscheinen wird.