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Autor(en): Mukhlis, Amin Carl
Titel: "Aus tiefem Traum verschwand ich in den tiefsten des Nichtmehrseins." Fragen der Ikonographie im Werk Max Beckmanns
Sonstige Titel: "Aus tiefem Traum verschwand ich in den tiefsten des Nichtmehrseins". Questions in regard to iconography in Beckmann's work
Erscheinungsdatum: 2007
Dokumentart: Dissertation
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-33793
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/5266
http://dx.doi.org/10.18419/opus-5249
Zusammenfassung: Max Beckmanns Gemälde Der Traum hat bei Kunsthistorikern von Anfang an viel Beachtung gefunden. Es gilt mittlerweilen als jenes Künstlers bedeutendste Arbeit des Jahres 1921. Gesellschaftskritisch und - auf die damalige Zeit bezogen - gegenwartsorientiert wird Der Traum dabei einerseits eingeschätzt, andererseits kann jedoch auf Dauer niemandem mit kompetentem Blick bei genauerem Hinsehen und Analysieren des Wahrgenommenen entgehen, dass eigentümlich Mittelalterliches das Bild durchdringt, ja es geradezu beherrscht. Welcher Sinn aber soll hinter einer derartigen, ganz offensichtlichen und daher von Max Beckmann sicher bewusst in Kauf genommenen Gegensätzlichkeit als Bestandteil des Kunstwerkes stehen? Eine Madonnengestalt befindet sich da in zentraler Position eines seltsam wirr erscheinenden Szenarios, sieht man einmal vom ersten Eindruck ab, der diese Figur zunächst als einfaches, bettelndes Mädchen auf einer Reisekiste erscheinen lässt. Auffallenderweise hält jene weibliche Gestalt eine Kasperpuppe im Arm, was als zu Beckmanns damaligen Äußerungen passend erscheinende Abrechnung mit Gott und der Welt verstanden werden kann: Chrisuts als Kasper, als bloße Witzfigur. Dass dem Bild dabei durchaus Systematik zu Grunde liegen dürfte, mag deutlich werden, denn als ein ikonographisches Indiz dafür, dass es sich hier um eine Madonnengestalt handeln soll, kann beispielsweise eine zu Füßen jener Figur befindliche Agave gesehen werden. Bis erste derartige Deutungen erfolgten, sollten allerdings von der Vollendung jenes Werkes an gerechnet Jahrzehnte - ja, mehr sogar als ein dreiviertel Jahrhundert - vergehen. Offen blieb dabei allerdings immer eine Frage: Ist das Bild willkürlich mit einer Reihe zunächst traumartig-chaotisch eingebracht erscheinender Gegenstände befrachtet oder steckt hinter allem noch ein weiterer Sinn, vielleicht ein viel tieferer als man ursprünglich erahnen konnte? Gewiss, ein Traum beinhaltet oftmals, dem ersten Anschein nach, ein ungeordnet wirkendes Durcheinander, das sich allerdings, sofern man einen deutenden Versuch unternimmt, mit zunächst ungeahntem Sinn belegen lässt. Unbeantwortet blieb in Bezug auf das Gemälde Der Traum eine scheinbar als nebensächlich eingestufte Frage: Was bedeuten die Zahlen 3535 auf jener Reisekiste, nochdazu direkt unterhalb der seltsam nach unten weisenden Hand jener weiblich anmutenden, mehrdeutigen Gestalt? Im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen: Der Traum - was bislang an diesem Gemälde Max Beckmanns wahrgenommen und was übersehen wurde. Ein klares Ergebnis zeichnet sich sodann rasch ab mit Anknüpfungspunkten für das zweite Kapitel: Die Göttliche Komödie - Max Beckmanns moralische Abrechnung mit dem Welttheater im Dante-Jahr 1921. Kurz zusammengefasst beinhaltet dies alles im Wesentlichen Folgendes: während des Dante-Jahres 1921 - man bedenke den damals 600. Todestag jenes Dichters - zog Max Beckmann gewissermaßen als Code für eine umfassendere Bildaussage innerhalb des Gemäldes Der Traum das Motiv der Lebensmitte, verschlüsselt in den Zahlen 3535, hinzu. Es gilt hier zu bedenken: in eben solchem Alter des Dichters vollzog sich - so jedenfalls behauptet Dante gleich zu Beginn seines Hauptwerkes - jene visionäre Reise in die Anderwelt, welche in der Göttlichen Komödie umfassend Darstellung fand. Beachtet man, in welchem Zusammenhang Max Beckmann die Göttliche Komödie in codierter Form zitiert, dürfte rasch klar werden, worum es dem Künstler ging: Das Christkind in Gestalt eines Kaspers kann nach den Ereignissen des Ersten Weltkrieges und deren Folgen als Abrechnung mit christlich-kirchlicher Moral verstanden werden. Im bitter-ernsten Welttheater erscheint Max Beckmann die sonntäglich von der Kanzel gepredigte christliche Nächstenliebe als wahrhaft göttliche Komödie. Was ist an derartigen tradierten Werten noch ernst zu nehmen angesichts des millionenfachen Todes und der Verstümmelung abkommandierter, entmündigter Menschen aus allen Teilen der Welt? Doch nicht nur diese Abrechnung mit dem Welttheater lässt sich durch einen Bezug zu Dante dank des Zahlen-Codes 3535 ableiten. Auch das Nebeneinander von Neuzeitlichem und Mittelalterlichem in dem Gemälde Der Traum kann nun erstmals verstanden und in weiteren Zusammenhängen erfasst werden, was hier in diversen Kapiteln noch Berücksichtigung erfahren wird. Es gilt zunächst jedoch zu wissen: Dante bediente sich seinerseits einer noch mittelalterlichen, damals bereits tradierten Systematik, wenn es um ergiebige Auslegungmöglichkeiten seiner Werke gehen sollte, denn vier verschiedene Bedeutungsebenen zeichnen sich dort als eigene Systematik innerhalb der Dichtung ab und der Dichter bekannte sich dazu auch, wie wir dank eines Briefes Dantes an dessen Gönner Can Grande wissen, ausdrücklich.
From the start, the attention of art critics has been riveted on Max Beckmann's painting Der Traum. Meanwhile, it has come to be considered as the artist's most significant work in 1921. On the one hand, it is seen to express an attitude of social criticism, and to be closely related to the contemporary situation. On the other, after close examination and analysis of striking particulars, any competent judge will be facing a peculiarly medieval element which permeates, indeed dominates the entire painting. What meaning can be found behind such contradictory terms of expression? Beckmann certainly intended them to be essential constituents of this work. The scenario itself offers a strangely confused impression: The central position is occupied by a Madonna. At first sight she appears as a young beggar woman sitting on a simple wooden box, possibly setting out on a journey. Surprisingly, she is holding a puppet in her arms. This combination seems to be part and parcel of Beckmann's attitude in regard to God and the world: Christ is seen as part of a Punch and Judy show, is indeed a mere puppet. We may assume method in this: we notice an iconographic indication that it is really meant to be an image of the Virgin - there is an agave plant at her feet, which justifies our assumption. Decades were to pass before interpretation along these lines appeared. One question has continued to remain open: Is the painting arbitrarily freighted with objects which appear in dream-like chaos, or is there a further and possibly more profound meaning than art critics have so far been able to guess at? After all, at first sight, a dream may frequently appear as a confused medley of unrelated bits and pieces. However, when attempts are made to interpret them, even unexpected relationships may reveal their significance. Yet, so far, an apparently irrelevant question in regard to Der Traum has remained unanswered: Whatever is the meaning of those four numbers 3 5 3 5 which mark the wooden box, and to which the open hand of the figure - ambivalent and yet female in form - seems to be drawing our attention? The first chapter of this paper will deal mainly with this question: Der Traum - what has so far been remarked on in regard to this painting of Max Beckmann's, and what has been ignored? A definite result is rapidly reached, and then the points under discussion lead to Chapter II:The Divine Comedy - Max Beckmann's moral reckoning with the Theatrum Mundi in the Dante Year of 1921. In short, during the year 1921 - the 600th anniversary of the poet's death - Max Beckmann added a kind of code to this painting, indicating the middle part of life, as Dante sees it in the introductory lines of the epic account of his voyage to the Other World. The figures 3 5 3 5 can be seen as such a code, deepening and emphasizing the message which the painting is meant to convey. The turning point of life, as Dante saw it, corresponds to Beckmanns own situation. We can see very clearly what he intended to convey: The Christ-Child in the guise of a puppet can be considered as a final evaluation of ecclesiastical Christian morals both after the events he experienced in World War I, and after their consequences. - The Sunday sermons on the Christian virtue of loving one's neighbour are made to appear as a truly "divine comedy" in the theatre of world events. What traditional values can be taken seriously in the face of millions of dead, of mutilated human beings, deprived of their human rights, commanded into battle from all over the world? However when we relate to Dante by finding the code of numbers given by 3 5 3 5 , it is not only this moral reckoning with the world which can be read from the painting. The juxtaposition of medieval and modern ways of thinking can be understood for the first time, and further connections are arrived at. These will appear in subsequent chapters. Investigating fruitful possibilities of interpreting his works, we shall need to be aware of the fact that Dante himself made use of systems handed down to him from preceding periods of the Middle Ages. - Four different levels of meaning appear as independent systems within the epic itself. The poet himself very clearly referred to his intentions in this respect in a letter to his benefactor, Can Grande.
Enthalten in den Sammlungen:09 Philosophisch-historische Fakultät

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