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Autor(en): Albiez, Christoph
Titel: Simulationsgestützte Analysemethodik zur Untersuchung von thermomechanischen Bauteildeformationen von Fahrzeugkarosserien im Lacktrocknungsprozess
Erscheinungsdatum: 2016
Verlag: Stuttgart : Institut für Umformtechnik
Dokumentart: Dissertation
Seiten: xii, 216
Serie/Report Nr.: Beiträge zur Umformtechnik;78
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-91344
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/9134
http://dx.doi.org/10.18419/opus-9117
ISBN: 978-3-946818-03-8
Zusammenfassung: Neue Karosserieleichtbaukonzepte stellen nicht nur neue Herausforderungen an die beanspruchungsgerechte Materialauswahl und die Auslegung der Fügetechnologien, sondern auch an den Fertigungsprozess selbst und dessen Absicherung. Im Rahmen dieser Arbeit wurden deshalb die Produktveränderungen von Fahrzeugkarosserien im Lacktrocknungsprozess (Δα-Problematik) untersucht. Da anmutungsrelevante Oberflächenveränderungen von Außenhautbeplankungen zu zeit- und somit kostenintensiven Änderungsschleifen in der Anlaufphase eines neuen Automobils führen können, sind virtuelle Methoden zur Erkennung und Bewertung möglicher Fehlerquellen von besonderem Interesse. Im Stand der Technik wurden die phänomenologischen Einflussgrößen des thermomechanischen Verformungsverhaltens von Fahrzeugkarosserien im Lacktrocknungsprozess umfangreich beschrieben und aktuelle Konzepte der virtuellen und physischen Absicherung vorgestellt. Die aufgeführten Arbeiten zeigten zwar die mögliche Kopplung der einzelnen Prozesssimulationen im Fertigungsprozess mit der KTL-Trocknung durch Anwendung von Mapping-Algorithmen auf, der eigentliche Nachweis zur Notwendigkeit der Berücksichtigung vorgelagerte Fertigungsprozesse zur Vorhersage von bleibenden Formabweichungen nach der Lacktrocknung blieb ungeklärt. Ferner lagen keine ausreichenden experimentellen Untersuchungen an unterschiedlichen Baugruppen zur Bewertung des Einflusses von vorhandenen Formabweichungen vorgelagerter Fertigungsschritte und Wechselwirkungen aufgrund von Eigenspannungen auf das Deformationsverhalten von Baugruppen im KTL-Trocknungsprozess vor. Desweiteren existierten keine Handlungsempfehlungen oder Analysemethoden, die zwischen den jeweiligen Produktentstehungsphasen sowie den vorhandenen Produkt- und Prozessinformationen unterschieden. Die Vorgehensweise dieser Arbeit zur Entwicklung einer durchgängigen simulationsgestützten Analysemethodik zur Untersuchung des thermomechanischen Bauteilverhaltens in Lacktrocknungsprozessen basierte auf Baugruppen mit unterschiedlichen Komplexitätsstufen aufgrund der unterschiedlichen Fragenstellungen hinsichtlich der Prognosegüte der thermomechanischen Berechnungsmethode, der Wechselwirkungen mit vorgelagerter Fertigungsschritten und die Anwendbarkeit der Analysemethode auf ganze Fahrzeugkarosserien. Ausgangspunkt der prinzipiellen Untersuchungen bildete die „spannungsfreie“ Baugruppe „Hutprofil“. Hierbei wurden grundlegende Voruntersuchungen zur Qualifizierung der Messmethoden im Hinblick auf die experimentellen Untersuchungen vorgenommen. Neben der Temperaturmessung stand die Ermittlung des in-situ Deformationsverhaltens unter realen Versuchsbedingungen im Fokus der Untersuchungen. Als Handlungsfeld wurde hier die entkoppelte Ermittlung thermischer und mechanischer Bauteildehnungen identifiziert und in diesem Zuge ein kompaktes Messsystem auf Basis von Dehnungsmessstreifen (DMS) und PT1000 Temperatursensoren entwickelt, das die Aufzeichnung von thermomechanischen Bauteildehnungen und Temperaturen an ausgewählten Bereichen während des Ofendurchlaufs ermöglicht. Da die Validierung von numerischen Berechnungsergebnissen anhand experimenteller Untersuchungen, eindeutiger und reproduzierbarer Vorschriften bedarf, wurden unterschiedliche konsistente Auswertungsmethoden in Abhängigkeit der eingesetzten aktiven und passiven 3D-Messverfahren erarbeitet. Ergänzend wurden hierzu erweiterte Oberflächenevaluierungsverfahren und formbeschreibende Metriken eingeführt. Als notwendige Eingangsgröße der numerischen Parameterstudien wurden die mechanischen Eigenschaften der verwendeten Aluminium- und Stahlwerkstoffe charakterisiert. Die Ermittlung der temperaturabhängigen Materialkennwerte erfolgte hierbei in Anlehnung des KTL-spezifischen Temperaturprofils. Neben der Ermittlung der temperaturabhängigen Fließkurven mit sinkender Streckgrenze bei steigender Temperatur in der Aufheizphase wurde der Einfluss der Ausscheidungshärtung von Aluminiumlegierungen auf die Fließkurvenänderungen während der Haltezeit aufgezeigt. Die anschließenden numerischen und experimentellen Untersuchungen an der Baugruppe „Hutprofil“ führten zu dem eindeutigen Nachweis, dass die in dieser Arbeit verwendete Berechnungsmethodik zur Vorhersage der thermomechanischen Bauteildeformationen im Lacktrocknungsprozess geeignet ist. Dabei identifizierten die durchgeführten numerischen Parameterstudien einen signifikanten Einfluss der numerischen Ersatzmodelle der Fügeverbindungen auf das Deformationsverhaltens der Baugruppe. Dementsprechend wurden in den experimentellen Versuchen Baugruppen unterschiedlicher Verbindungssteifigkeiten und -nachgiebigkeiten realisiert, die den signifikanten Einfluss der Verbindungstechnik eindeutig bestätigten. Die Validierung der Berechnungsergebnisse zeigte somit hohe Übereinstimmungen der steifen Schraubenverbindung und eine hinreichend genaue Abbildung des Deformationsverhaltens der genieteten Baugruppen aufgrund der Nachgiebigkeiten und der Verkippung der Nieten bei maximaler Belastung. Die Validierung der Berechnungsergebnisse identifizierte somit weitere Handlungsfelder hinsichtlich der Charakterisierung und Kalibrierung der temperaturabhängigen Verbindungseigenschaften (Steifigkeiten) neuer Fügeverbindungen und Ableitung geeigneter Ersatzmodelle für den Einsatz in umfangreichen Gesamtkarosseriemodellen. Ferner zeigten die experimentellen Bauteilversuche die Notwendigkeit zu weiterführenden Untersuchungen des viskoelastischen Materialverhaltens von Aluminiumblechlegierungen im KTL-Trocknungsprozess und die Implementierung geeigneter Materialmodelle in die Prozesssimulation auf. Auf der nächsten Komplexitätsebene der numerischen und experimentellen Untersuchungen wurden Prozesseinflussgrößen anhand der „Benchmarkbaugruppe Karosserieanbauteile“ nach [Eck12] bestehend aus einer geclinchten Innengruppe zweier Aluminiumblechteile und ein geklebtes und rollgefalztes Aluminiumaußenhautbauteil bewertet. Da sich die Prozesskettenbaugruppe besonders durch die hohe Variabilität der einstellbaren Produkt- und Prozessparameter auszeichnet, wurden unterschiedliche Baugruppen hinsichtlich maßlicher Vorhaltungen bzw. Vorspannung der Innengruppe und Klebstoffmengen generiert und dessen Einfluss auf die finale Formabweichungen nach der Temperierung untersucht. Hierbei wurde aufgezeigt, dass sich die unterschiedlichen Verspannungen der gefügten Innengruppen deutlich stärker auf die bleibenden klebstoffbedingten Formänderungen als die Verringerung der Klebstoffmenge selbst auswirken. Somit haben vorgelagerte Fertigungsschritte im Hinblick auf bereits vorhandenen Bauteilabweichungen und Spannungszuständen aus dem Presswerk oder Karosseriebau einen direkten Einfluss auf das Deformationsverhalten der Baugruppe im Ofen und müssen somit in der Prozesskettensimulation berücksichtigt werden. Die anschließende numerische Abbildung der bleibenden Formabweichungen nach der Temperierung der „Benchmarkbaugruppe Karosserianbauteile“ berücksichtigte darüber hinaus unterschiedliche Ansätze auf Basis von Nominal- und digital rekonstruierten Bauteilgeometrien sowie einer Prozesskettensimulation zur Verknüpfung des Lacktrocknungsprozesses mit vorgelagerten Fertigungsschritten. Zwar wurde die Machbarkeit und Notwendigkeit zur Integration der Produkteigenschaften und -zustände vorgelagerter Fertigungsschritte nachgewiesen, jedoch wurde im Rahmen dieser Arbeit deutlich, dass für eine durchgängige Prozesskettensimulation auch eine sequentielle Validierung nach jedem einzelnen Fertigungsschritt notwendig ist. Die Implementierung digital rekonstruierter Bauteildaten ermöglichte hierzu alternative Berechnungsmethoden zur Berücksichtigung von vorhandenen Formabweichungen, die das thermische Deformationsverhalten und somit unmittelbar die bleibenden Formabweichungen maßgeblich beeinflussen. Auf Basis der Untersuchungen in dieser Arbeit wurden Anwendungsgrenzen abgeleitet und Einsatzmöglichkeiten in der frühen Konzeptphase sowie anlaufbegleitende Problemanalysen zur Reifegradsteigerung prinzipiell und qualitativ aufgezeigt. Abschließend wurden die erarbeiteten Erkenntnisse auf die Analysemethode von umfangreichen Karosseriemodellen übertragen. Dabei wurde im Sinne einer effizienten Berechnungsmethode zur iterativen Unterstützung des Entwicklungsprozesses die Submodelltechnik mit kurzen Berechnungszeiten unter der Prämisse einer gleichbleibenden Prognosegüte eingeführt. Die vorgestellten modellreduzierten Submodelle ermöglichten sowohl die effiziente Kopplung mit vorgelagerten Prozessen als auch parametrische Berechnungen zur Erstellung von Sensitivitäts- und Optimierungsstudien. Auf dieser Grundlage wurde eine verifizierte und durchgängige Analysemethode zur Prognose und Bewertung von thermomechanischen Produktveränderungen in der frühen Entwicklungsphase sowie eine anlaufbegleitende Reifegradsteigerung durch die Integration realer Produkt- und Prozessdaten in der Simulation vorgestellt.
Enthalten in den Sammlungen:07 Fakultät Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik

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