Neurobiologische Untersuchungen zur Rolle des Orbitofrontalcortex bei der Handlungssteuerung

dc.contributor.advisorHauber, Wolfgang (Prof. Dr.)
dc.contributor.authorMünster, Alexandra
dc.date.accessioned2025-07-18T12:53:40Z
dc.date.issued2025
dc.description.abstractMensch und Tier wählen einmal erlernte Handlungen situationsgerecht aus, um bestimmte Ergebnisse zu erzielen, wie z. B. Nahrung, zu erreichen. Den Zusammenhang zwischen Handlungen und deren Ergebnis (Handlungs-Ergebnis-Assoziation) erlernen und abrufen zu können ist für das Überleben in einer sich ständig ändernden Umwelt essenziell. Für eine situationsgerechte Handlungsauswahl müssen nicht nur die erwarteten Ergebnisse (z. B. der „Nutzen“, wie die Futtermenge) der verfügbaren Handlungsoptionen, sondern auch weitere Faktoren, wie die dafür nötigen „Kosten“, z. B. der physische Aufwand, berücksichtigt werden. Neurobiologische Untersuchungen ergaben, dass der mediale Teil des Orbitofrontalcortex (mOFC) eine wichtige Teilstruktur eines neuralen Netzwerks bildet, dem bei der Steuerung von Kosten-Nutzen-basierten Handlungen eine Schlüsselrolle zukommt. Allerdings war wenig darüber bekannt, welche Rolle der mOFC dabei spielt und mit welchen der anderen Strukturen dieses neuralen Netzwerks er hierfür interagiert. Diese Fragestellung habe ich in meiner Arbeit in Lernaufgaben an Ratten nach experimentellen Eingriffen in den mOFC bzw. damit verbunden Hirnarealen untersucht. Frühere Arbeiten zeigen, dass die anteriore Subregion des mOFC das Erlernen und die Auswahl von Handlungen unterstützt. Dazu wurden Testaufgaben in einer Skinnerbox eingesetzt, bei denen Tiere lernen, unterschiedliche Hebel (Handlung) für unterschiedliche Futterbelohnungen (Ergebnis) zu betätigen. Um die Rolle des mOFC bei dieser Form des Lernens zu untersuchen, wurde er bei einem Teil der Tiere durch Applikation eines Neurotoxins inaktiviert und überprüft, ob diese Tiere aufgrund der Manipulation im mOFC beeinträchtigt sind. Aus meinen Daten geht hervor, dass eine Neurotoxin-induzierte Inaktivierung der posterioren Subregion des mOFC das Erlernen und Abrufen von Handlungs-Ergebnis-Assoziationen intakt lässt, d.h. Funktionen der posterioren Subregion des mOFC bei der Verhaltenssteuerung unterscheiden sich von den bereits bekannten Funktionen der anterioren Subregion. Zusammen sprechen die Ergebnisse dafür, dass beim mOFC entlang der anterioposterioren Achse eine funktionelle Mikroheterogenität in Bezug auf die Handlungssteuerung besteht. Meine weiteren Arbeiten befassten sich vor allem mit der Beteiligung des posterioren mOFC bei der Handlungssteuerung, insbesondere bei der motivationsabhängigen Steuerung von Kosten-Nutzen-basierten Handlungen. Dazu wurden verschiedene Aufgaben in Skinnerboxen eingesetzt, die Hebelbetätigungen für den Erhalt von Futterbelohnungen erfordern. Dabei wurden die Wirkungen von experimentellen Interventionen im posterioren mOFC auf die Handlungsbereitschaft (Motivation) untersucht, z. B. wenn die Kosten, d.h. die nötige Anzahl der Hebelbetätigungen, für eine bestimmte Futterbelohnung zunehmend ansteigen. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass sowohl eine permanente, Neurotoxin-induzierte als auch eine temporäre, pharmakologische Inaktivierung des mOFC die Motivation erhöht, Arbeit in Form von Hebeldrücken für den Erhalt einer Belohnung zu verrichten. Eine temporäre pharmakologische Aktivierung des mOFC induzierte gegenteilige Wirkungen. Der posteriore Teil des mOFC scheint meinen Daten zufolge also motivationale Aspekte des Handelns auf bidirektionale Weise zu unterstützen. Darauf aufbauend untersuchte ich, ob der mOFC motivationale Aspekte Kosten-Nutzen-basierter Handlungen über seine Verbindungen zum Nucleus accumbens bzw. zum ventralen tegmentalen Areal steuert. Aus meinen Daten geht hervor, dass die Unterbrechung von Projektionen von mOFC zum ventralen tegmentalen Areal ähnliche Veränderungen bei der Handlungssteuerung hervorruft wie eine alleinige Inaktivierung des mOFC. D.h., Projektionen des mOFC zum ventralen tegmentalen Areal unterstützen motivationsbezogene Aspekte der Handlungssteuerung. Meine Daten geben dagegen keine klare Evidenz für eine Rolle der Projektionen vom mOFC zum Nucleus accumbens bei motivationalen Aspekten des Handelns. Ein weiterer Teil meiner Arbeit beschäftigte sich mit der Rolle der Dopamin D1-Rezeptoren des posterioren mOFC bei der motivationsabhängigen Steuerung Kosten-Nutzen-basierter Handlungen. Bekannt war bis dahin, dass Dopaminsignale vor allem in den Basalganglien bei zahlreichen motivationsbezogenen Prozessen eine herausragende Rolle spielen. Ihr Beitrag zu der hier untersuchten, mOFC-vermittelten Handlungssteuerung war jedoch unbekannt. Meine Ergebnisse zeigen nun, dass eine pharmakologische Blockade von D1-Rezeptoren im posterioren mOFC die Bereitschaft mindert für Belohnung zu arbeiten. Dopaminerge Projektionen zum mOFC unterstützen also durch Aktivierung von D1-Rezeptoren die motivationsabhängige Steuerung Kosten-Nutzen-basierter Handlungen. Insgesamt liefern meine Ergebnisse im Wesentlichen zwei neue Erkenntnisse. Bislang wurde der mOFC als einheitliche Struktur diskutiert, die hauptsächlich komplexe kognitive Prozesse steuert, z. B. die Erstellung von kognitiven (Land-)Karten (cognitive maps). Entgegen dieser Auffassung weisen meine Daten erstmals auf eine funktionelle Mikroheterogenität innerhalb des mOFC hin. So zeigen meine Messungen, dass der posteriore Teil des mOFC weniger komplexe kognitive Leistungen unterstützt, sondern vielmehr motivationale Aspekte des Handelns. Diese Erkenntnis könnte für das Verständnis bestimmter neuropsychiatrischer Erkrankungen von Bedeutung sein, bei denen Motivationsdefizite eine Rolle spielen, z. B. bei Depression oder Schizophrenie. Meine Daten zeigen außerdem, dass die Aktivierung des mOFC mit einer verringerten Kostentoleranz einhergeht. Diese Eigenschaft einer mOFC-Aktivierung könnte möglicherweise dazu beitragen, Kosten, z. B. den metabolischen Energieaufwand bei der Nahrungssuche, zu begrenzen und so das Überleben bei knappen Ressourcen zu fördern. Dopaminerge Signale im mOFC scheinen meinen Daten zufolge diese Funktion zu unterstützen.de
dc.identifier.other1931325359
dc.identifier.urihttp://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-166110de
dc.identifier.urihttps://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/16611
dc.identifier.urihttps://doi.org/10.18419/opus-16592
dc.language.isode
dc.rightsinfo:eu-repo/semantics/openAccess
dc.subject.ddc570
dc.titleNeurobiologische Untersuchungen zur Rolle des Orbitofrontalcortex bei der Handlungssteuerungde
dc.typedoctoralThesis
ubs.dateAccepted2025-05-06
ubs.fakultaetEnergie-, Verfahrens- und Biotechnik
ubs.institutInstitut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme
ubs.publikation.seiten255
ubs.publikation.typDissertation
ubs.thesis.grantorEnergie-, Verfahrens- und Biotechnik
ubs.unilizenzOK

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