Enzymkatalysierte regioselektive cofaktorfreie Hydratisierung von Terpenen und Terpenoiden
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Die konzeptionell einfache, regioselektive Addition von Wasser an nicht aktivierte C-C-Doppelbindungen von einfachen Olefinen wie Terpenen gilt als große Herausforderung der synthetischen Chemie. Terminal hydratisierte Terpene und Terpenoide haben große Bedeutung als Duft- und Geschmackstoffe sowie als pharmazeutische Wirkstoffe und Insektenschutzmittel. Aufgrund von mehreren Doppelbindungen in den zu hydratisierenden Vorläufermolekülen ist dieser Ansatz sehr komplex und erfordert aufwendige, mehrstufige Schutzgruppensynthesen, um die terminale Prenyleinheit regioselektiv zu hydratisieren. Die Natur hat für diese Art der Reaktion hochspezifische Katalysatoren evolviert, die sich für diese Herausforderung zu Nutze gemacht werden können - die Hydratasen. Diese Enzyme katalysieren die Addition von Wasser mit einer herausragenden Regioselektivität unter milden Bedingungen. Aus der Literatur ist bekannt, dass die Carotinoid 1,2-Hydratase aus Rubrivivax gelatinosus strain S1 (RgCrtC_S1) in der Lage ist, sowohl das natürliche Substrat Lycopin (C40) als auch das unphysiologische Substrat Geranylgeraniol (C20) terminal zu hydratisieren. Des Weiteren wurde beschrieben, dass diese Hydratase ein eingeschränktes Substratspektrum aufweist und Substrate ≤ C20 nicht akzeptiert. Das Ziel dieser Arbeit war es, die Carotinoid 1,2-Hydratase aus Rubrivivax gelatinosus strain IL144 (RgCrtC_IL144), welche eine natürlich vorkommende Enzymvariante der RgCrtC_S1 ist, zu untersuchen und deren Synthesepotential gegenüber Terpenen und Terpenoiden im Ganzzellsystem zu erweitern. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde das Ziel verfolgt, eine geeignete Modellreaktion zu etablieren, die im Ganzzellsystem durchführbar ist, um nachfolgende Untersuchungen in einem experimentell gut zugänglichen und reproduzierbaren System zu ermöglichen. Aufgrund der begrenzten Membrangängigkeit von Lycopin erwies sich das natürliche Substrat jedoch als ungeeignet für das Ganzzellsystem und konnte in diesem nicht hydratisiert werden. Aus diesem Grund wurde das Terpenoid Farnesylaceton (C18) untersucht, welches eine bessere Membrangängigkeit aufwies. In einem ersten Versuch konnte dieses Substrat mit 35 % zum terminalen Hydratisierungsprodukt umgesetzt werden. Um die Aktivität der in der Literatur beschriebenen Variante RgCrtC_S1 zu untersuchen, wurden das in der Literatur genutzte und das in dieser Arbeit verwendete Expressionssystem miteinander verglichen. Das literaturbekannte System basiert auf einem high-copy Plasmid mit einer schwach regulierten, lactoseinduzierten Expression. Im Gegensatz dazu verwendet das in dieser Arbeit eingesetzte System ein low-copy Plasmid mit einer rhamnoseinduzierten Expression, die eine stärkere Regulation der Genexpression ermöglicht. Der Vergleich ergab, dass die Produktbildung von RgCrtC_S1 mit dem in dieser Arbeit genutzten Expressionssystem um das 150-Fache höher war als im Literatursystem. Darüber hinaus konnte mit der in dieser Arbeit verwendeten Kombination aus RgCrtC_IL144 und Expressionssystem eine 175-fache Erhöhung der Produktbildung, im Vergleich zur literaturbekannten Kombination aus RgCrtC_S1 und dem Literatursystem, erzielt werden. Nach erfolgreicher Expression der aktiven Hydratase wurden die optimalen Reaktionsbedingungen mit 50 mM KPi pH 7,0 + 1 mM. 2-Hydroxypropyl-beta-cyclodextrin + 1 mM Substrat bei 30 °C für das Ganzzellsystem bestimmt. Unter Verwendung des optimierten Reaktionsansatzes sollte das Substratsektrum der RgCrtC_IL144 untersucht werden. Dabei wurden 36 Terpene und Terpenoide mit unterschiedlichen C-Kettenlängen (C10-C20) und funktionalisierten Kopfgruppen getestet. Aus diesem Spektrum wurden 20 Substrate mit Kettenlängen von C12-C20 und Alkohol-, Vinylalkohol-, Keton-, Carbonsäure-, Ether-, Ester-, Thioester- und nicht funktionalisierten-Kopfgruppen akzeptiert und mit Umsätzen von bis zu 78 % terminal hydratisiert. Aufgrund des hohen Umsatzes im analytischen Maßstab wurden semi-präparative Ansätze mit sechs verschiedenen Substraten und einer Substratkonzentration von bis zu 50 mM durchgeführt. Dabei konnten Produkte mit bis zu 1,1g (70 % isolierte Ausbeute) isoliert und chemisch charakterisiert werden. Zudem konnte der einfache Einsatz der lyophilisierten Zellen anhandeiner im basischen durchgeführten One-Pot Aldolkondensation mit direkter Hydratisierung, bei der OH-Pseudoionon aus Aceton und Citral hergestellt wurde, gezeigt werden. Im letzten Teil der Arbeit wurden die aktive Tasche und der Substrattunnel von RgCrtC_IL144 mithilfe des erstellten AlphaFold-Modells und Docking-Studien analysiert. Auf Grundlage dieser Analysen konnten die für die Hydratisierung relevanten katalytischen Aminosäuren D268, W110, W283, W285 und Y112 durch gezielte Substitution charakterisiert werden. Darüber hinaus zeigten die Docking-Studien, dass die Ausrichtung der funktionellen Gruppe der Substrate im aktiven Zentrum sowie die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen mit spezifischen Ankerpositionen einen entscheidenden Einfluss auf deren Umsatz hatten. Mit drei unterschiedlichen Mutageneseansätzen (FuncLib, Sättigungsmutagenese und Consensusmutagenese) sollten sowohl das Substratspektrum gegenüber kleinen Terpenen und Terpenoide (≤ C12) erweitert, als auch die Aktivität der Hydratase gesteigert werden. Mithilfe des Consensus Ansatzes konnte die Aktivität der Hydratase gegenüber Pseudoionon um das 2,5-fache gesteigert werden. Diese Ergebnisse bilden eine Grundlage für zukünftige Engineering-Ansätze zur Optimierung dieser Hydratasen.