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Autor(en): Pantle, Ulrich
Titel: Leitbild Reduktion : Beiträge zum Kirchenbau in Deutschland von 1945 bis 1950
Sonstige Titel: The Leitbild of reduction : contributions ecclesiastical architecture in Germany from 1945 - 1950
Erscheinungsdatum: 2003
Dokumentart: Dissertation
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-14653
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/40
http://dx.doi.org/10.18419/opus-23
Zusammenfassung: In sprachlichen Beiträgen zur Architektur des 20. Jahrhunderts tauchen immer wieder Formulierungen auf, in denen ein "bescheidenes Haus" oder eine "einfache Architektur" gefordert werden. Reduktion bildet eine Kategorie der Moderne, und es stellt sich die Frage, ob Reduktion nicht sogar ein Schlüssel für das Verständnis der Architektur in der Moderne ist. Eine Antwort auf diese Frage zielt in der vorliegenden Arbeit darauf, dass sich am Leitbild der Reduktion die Spaltung zwischen einer dominanten Rationalität, einem aufklärerischen Geist, einer wachsenden Bedeutung von Technik und den Naturwissenschaften als einem Kennzeichen der Moderne, und einem zunehmend verdrängten und dann doch wieder kompensierten Bedürfnis nach dem "Geistigen" festmacht. Das Streben nach Reduktion in der modernen Architektur könnte daher so etwas wie eine Versöhnungsgeste sein. Mittels Reduktion sollen dialektische Spannungen in der Moderne, soll das menschliche Vermögen der Aufklärung und Rationalität mit dem menschlichen Bedürfnis nach Religiosität und Spiritualität überbrückt werden. Um den Umfang der Arbeit nicht zu sprengen, wird exemplarisch die Bauaufgabe des Kirchenbaus in einer kurzen Phase der Nachkriegszeit in Deutschland betrachtet, da sich hier unterschiedliche Dimensionen des formulierten Anspruchs aufzeigen lassen. Der Kirchenbau wurde vor allem deshalb gewählt, weil die Kirchen und die Kirchenbauten in dieser Phase als Leitinstitutionen bzw. Leitbauten für ein sich konstituierendes Deutschland wirksam waren. Denn Reduktion stand weniger in Relation zur materiellen und ökonomischen Not. Noch stärker wurde nämlich eine geistige Not beklagt, aus der sich weitere Dimensionen der Reduktion betrachten lassen. Insbesondere sind die ethischen und ästhetischen Dimensionen interessant, da, wie auch in den Jahrzehnten zuvor, eine asymmetrische Verlagerung der Argumentation zugunsten ethischer Erklärungen zu attestieren ist. Waren es Anfang des 20. Jahrhunderts allerdings starke soziale Motivationen und Intentionen, für die Reduktion ins Feld geführt wurde, gab es durch die Nähe zu religiösen Inhalten und einer Dominanz der Kirche für eine kurze Phase nach dem Krieg eine moralische Argumentationslinie, mit der die jeweilige architektonische Arbeit untermauert wurde. Daraus läßt sich Reduktion für diese Zeitspanne als Reaktion und Legitimation verstehen. Durch die moralische Dimension der Reduktion, - die Katharsis, Reinigung, Demut und Bescheidenheit - konnte die Situation überwunden werden und zugleich wurde damit eine Antwort auf Schuldfragen gegeben. Diese Erklärungsmuster waren die naheliegende und einzige Chance, um überhaupt aus der geistigen Misere herauszukommen und eine Berechtigung zu schaffen, mit der ein Neubeginn möglich werden konnte. Obendrein konnte es als Reaktion auf Pathos und Verlogenheit des Nationalsozialismus interpretiert werden. Diese originär religiöse Legitimationsebene für einen geistigen Neuanfang wurde auch von Architekten übernommen und auf die Architektur übertragen. Reduktion legitimierte den Einsatz von Architektur, ohne vertiefend eine retrospektive Verantwortung der Architekten zu thematisieren, die stattdessen mit einer prospektiven Verantwortung überblendet wurde. In diese Sichtweise fügte sich mit den Werten der Reduktion (Einfachheit, Nüchternheit, Sachlichkeit, ...) ein umfassendes Leitbild für die Menschen und die Umweltgestaltung, das eine adäquate Perspektive bieten konnte. In dieser kurzen Zeitspanne, die sich auf den Zeitraum von 1945 bis ungefähr 1950 zuweisen läßt, ergab sich folglich eine allgemeingültige Frage: Wie lassen sich in einer Phase der Neuorientierung die formulierten Werte in eine architektonische Praxis überführen? Von daher versteht sich diese Arbeit neben ihrem architekturhistorischen Schwerpunkt auch als der Versuch, einer grundsätzlichen architekturtheoretischen Fragestellung nachzugehen. Mit der spezifischen Betrachtung des Kirchenbaus verbindet sich eine architekturhistorische Einordnung der Beiträge für die Entwicklungen im Kirchenbau des 20. Jahrhunderts. Denn die aufgeführten Beiträge gaben Impulse für zwei wesentliche Aspekte der jüngeren Kirchenbaugeschichte, die in dieser Form bislang kaum Beachtung fanden und damit eine historische Lücke füllen. Zum einen fügen sich die Beiträge in die liturgischen Erneuerungsansätze beider Konfessionen in der Moderne ein und eröffnen dadurch eine etwas andersartige Sichtweise auf die Entwicklungen im Kirchenbauten in den nachfolgenden Dekaden. Zum anderen geben sie Antworten auf die stete Frage, wodurch ein Kirchenbau in der Moderne seine notwendige Sakralität erhält. Beide Aspekte werden durch die grundsätzliche Frage verbunden, wie die Menschen einer sich neu konstituierenden Gesellschaft, gegen die durch Säkularisierung gekennzeichneten Moderne, wieder von der christlichen Religiosität erfasst werden können und die Lebenswelt wieder von ihr durchdrungen werden kann.
Frequently, in the theoretical contributions to C20th architecture, phrases recur which seek a modest house or a simple architecture. Reduction constitutes one category of modernity and begs the question whether reduction is, in fact, a key to the understanding of modern architecture. The paper to hand aims to providing an answer to this question, that within the model of reduction the divide is demonstrated between a dominant rationality, a progressive intellect and mind, a growing significance of technology and science as a characteristic feature of the modern age, and an increasingly repressed yet conversely compensated desire for the spiritual. Striving towards reduction in modern architecture, could in fact be understood as a gesture of atonement. By means of reduction the dialectic tensions in the modern age, the human capacity resulting from enlightenment and rationality should be reconciled with the human desire for religiousness and spirituality. In order not to overload the scope of this work, an exemplary phase of post-war church architecture in Germany will be considered, because it is here that the various aspects of defined standards are demonstrated. Above all church architecture was chosen because churches and ecclesiastical architecture during this period were effectively model institutions, that is to say, model buildings for a Germany that was reconstituting itself. Reduction had less of a relationship to material or economic want. More important was the bemoaned spiritual want, which allowed further aspects of reduction to be addressed. In particular, the ethical and aesthetic dimensions are of interest, because, similar to previous decades, an asymmetrical shift of argumentation in favour of ethical explanation is established. Although at the beginning of the C20th strong social motivations and intentions existed for reduction to become topical, there was a moral line of argument resulting from the proximity to religious content and a dominance of the church for a short phase after the war, with which the prevailing architectural works were underpinned. Consequently, reduction during this period of time, may be understood as reaction and legitimation. Through the moral dimension of reduction - catharsis, purification, humility, modesty - the situation could be surmounted and simultaneously deliver answers to the question of guilt. These patterns of explanation were the obvious and only chance to extract oneself from a spiritual misery and to create a justification within which a new beginning would be made possible. Furthermore, it could be interpreted as a reaction to the pathos and hypocrisy of National Socialism. The original, religious plane of identification for a spiritual new beginning was adopted by architects and transposed to architecture. Reduction legitimizes the use of architecture, without intensively selecting as a central theme a retrospective responsibility of architects, which instead became superimposed with a prospective responsibility. From this viewpoint, a comprehensive model for mankind and the shaping of the environment marries itself to the values of reduction (simplicity, sobriety, objectivity....), anticipating a befitting prospect. In this short time span, between 1945 and circa 1950, a universal question therefore arose: in a phase of reorientation, how do the heretofore defined values allow themselves to be transferred into architectural practice. Apart from the emphasis on architectural history this work may also be understood as an attempt to investigate a fundamental issue of architectural theory. Associated with the specific reflection on ecclesiastical architecture, is the historical architectural classification of contributions to the development of church architecture in the C20th. Because the cited contributions gave the impetus for two fundamental aspects of the more recent history of church architecture which hitherto, in this form, had scarcely received recognition, thereby filling an historical void. On the one hand the contributions become adapted to the initial stages of the liturgical revival of both denominations in the modern age and thereby reveal a somewhat different perspective on the development of ecclesiastical architecture in the subsequent decades. On the other hand, answers are provided to the eternal question of how modern church architecture obtains its essential sacredness. Both aspects become associated with each other through the fundamental question of how humankind, in a newly established society against a modernity characterized by secularization, could be enthused again by christian religiousness and how to imbue daily life with religious values.
Enthalten in den Sammlungen:01 Fakultät Architektur und Stadtplanung

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