09 Philosophisch-historische Fakultät
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Item Open Access Das Ich in der autobiographischen Prosa von Marie Luise Kaschnitz(2003) Huber-Sauter, Petra; Thomé, Horst (Prof. Dr.)Ich sage "ich". Sage ich wirklich "ich", wenn ich "ich" sage? Sprechen vielleicht andere Ichs aus mir? Verstecke ich mein Ich in anderen Pronomina? Meine ich mich selbst, wenn ich "du", "ihr" oder "wir" sage? Inwieweit ist mein Ich beteiligt, wenn ich mich in objektiven Formen ausspreche wie "er", "sie", "es"? Dient das unpersönliche "man" dazu, Ich-Aussagen implizit anzubringen? Wie also sage ich "ich"? Diesen Fragen wird in der Dissertation über das Ich in der "Autobiographischen Prosa" bei Marie Luise Kaschnitz, die sich selbstkritisch als "Ichsagerin" und "ewige Autobiographin" bezeichnet hat, nachgegangen. Kaschnitz möchte zum Ausdruck bringen, dass ihr Gesamtwerk - das Lyrik, Romane, Biographien, Essays, Hörspiele umfasst - autobiographisch geprägt ist. Vor allem gilt das für ihre Autobiographische Prosa. Sie hat sie selbst so bezeichnet, um den autobiographischen Charakter besonders zum Ausdruck zu bringen. Dieser Teil ihres Gesamtwerkes besteht aus sieben, sehr unterschiedlichen Werken, die in ihre spätere Schaffensperiode fallen. Sie war schon älter als fünfzig Jahre und konnte daher auf mehrere Jahrzehnte ihres Lebens zurückblicken. Jedes dieser Werke lässt sich als eine eigene Autobiographie betrachten, allerdings nicht in der Form kontinuierlicher Lebensbeschreibungen, sondern in gebrochenen, fragmentarischen Darstellungen, deren Ende offen bleibt, wie es dem fragmentarischen Charakter von Erinnerungen entspricht. Allein die Werke der Autobiographischen Prosa weisen die Autorin als bedeutende Autobiographin des 20. Jahrhunderts aus, die von sich selbst sagt: "Ich bin so alt wie das Jahrhundert." Bei ihrem autobiographischen Schreiben handelt es sich um ein komplexes Geschehen, in das die Autorin und das von ihr gestaltete autobiographische Ich involviert ist und die Positionen immer wieder wechselt. Daraus resultiert die Unsicherheit des Ich. Die Ich-Gestaltung bei Marie Luise Kaschnitz bildet mit einer Fülle von Varianten und Variablen die Zentralstruktur der Autobiographischen Prosa und spiegelt damit menschliches Leben schlechthin. Es wird die Auseinandersetzung des Ich mit sich selbst, den Mitmenschen und der Welt, in der sie alle leben, dargestellt. Da in den autobiographischen Werken authentische Erlebnisse und Erfahrungen der Autorin verarbeitet sind, liegt es nahe, sie mit dem autobiographischen Ich gleichzusetzen. Doch sie stellt sich dieses Ich gegenüber als ein Ich, über das sie schreibt wie über ein Objekt. Die Grundstruktur autobiographischen Schreibens, die Identität von Subjekt und Objekt, kommt bei ihr besonders deutlich zum Ausdruck. Gerade ihre Werke werfen die Frage auf: Kann man das so einfach sagen, dass Subjekt und Objekt in der Autobiographie identisch sind? Marie Luise Kaschnitz vermittelt Einblicke in den vielschichtigen Prozess, die sich in einem unbegrenzten Artikulationsraum zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Autorin und autobiographischem Ich abspielen. Die Vergangenheit wird durch das Erinnern in die Gegenwart transponiert, verarbeitet und auf Zukunft hin ausgerichtet. In diesem Artikulationsraum bewegt sich das autobiographische Ich mit einer Fülle von Präsentationsmöglichkeiten und dokumentiert so den autobiographischen Charakter der Werke. Die Subjekt-Objekt-Beziehung führt zu komplizierten und komplexen Konstellationen, die mit einer reichen Palette literarischer Mittel ausgeführt sind. Die Erfahrung von Wirklichkeit aus persönlicher Sicht führt zu einer eigenen Form von Realitätsdarstellung. Trotzdem sind es keine Abbilder von Realität, sondern diese Schilderungen erhalten durch sprachliche und inhaltliche Bezüge eine Vertiefung hin zum Transrealen, ohne den Realitätscharakter zu verlieren. Dem Leser wird ein mehrdimensionaler Blick auf und in die Wirklichkeit gegeben. Diese Art der Wirklichkeitsdarstellung zieht sich durch alle Werke der Autobiographischen Prosa. Diese Konzentration auf Wesentliches wird erreicht mit dem Mittel der Phantasie, dem die Autorin einen hohen Stellenwert einräumt. Immer wieder andere Wirklichkeitsebenen werden durch Phantasie erschlossen und ihr Bedeutungshorizont vertieft und geweitet. Die erweiterte, offene Betrachtung von Realität verleiht dieser einen eigenen Wert und eine eigene Bedeutung, in die das Ich einbezogen ist und ihr zugleich gegenübersteht. In den Schilderungen selbst wird immer neu die Frage nach Veränderung, Verwandlung und Wandlung gestellt und die offene Zukunft angesprochen, für die der Mensch Verantwortung trägt.Item Open Access Ein PoS-Tagger für "das" Mittelhochdeutsche(2017) Echelmeyer, Nora; Reiter, Nils; Schulz, SarahMit diesem Beitrag möchten wir einen PoS-Tagger für das Mittelhochdeutsche vorstellen, der auf einem thematisch breiten und diachronen Korpus trainiert wurde. Als Tagset verwenden wir ein Inventar aus 17 universellen Wortart-Kategorien (Universal Dependency-Tagset, Nivre et al. 2016). Mit den annotierten Daten entwickeln wir ein Modell für den TreeTagger (Schmid 1995), das frei zugänglich gemacht wird. Dabei vergleichen wir drei verschiedene Möglichkeiten, den PoS-Tagger zu trainieren. Zunächst verwenden wir ein kleines, manuell annotiertes Trainingsset, vergleichen dessen Ergebnisse dann mit einem kleinen, automatisch disambiguierten Trainingsset und schließlich mit den maximal verfügbaren Daten. Mit dem Tagger möchten wir nicht nur eine „Marktlücke“ schließen (denn bisher gibt es keinen frei verwendbaren PoS-Tagger für das Mittelhochdeutsche), sondern auch eine größtmögliche Anwendbarkeit auf mittelhochdeutsche Texte verschiedener Gattungen, Jahrhunderte und regionaler Varietäten erreichen und weiteren Arbeiten mit mittelhochdeutschen Texten den Weg ebnen.Item Open Access Seemannsgarn : Erzählen und Navigieren in der Weltliteratur(2003) Klotz, VolkerNarrare necesse est, zu Deutsch, Erzählen ist nötig. Diese Parole drängt sich auf, wenn wir weit und breit zurückschauen auf große Erzählwerke der Weltliteratur von Homer bis heute. Einen springenden Punkt trifft diese Parole, mag sie auch wortwörtlich so nie formuliert worden sein. Auf einen berühmten lateinischen Ausspruch spielt sie an, den Plutarch überliefert hat: Navigare necesse est, vivere non est necesse. Zu Deutsch, Seefahren ist nötig, Leben ist nicht nötig. Diesen Ausspruch soll der römische Feldherr Pompeius gemacht haben, Anno 56 vor unserer Zeitrechnung. Warum und wozu? Um Seeleute, die vor einem drohenden Sturm zurückschreckten, zur Ausfahrt zu bewegen Genau genommen, zur Rückkehr von der Ausfahrt nach Sizilien, Sardinien, Afrika, wo Pompeius für Rom dringend benötigtes Getreide herbeizuholen hatte. Insofern war der Gegensatz zwischen Navigare und Vivere, zwischen Seefahren und Leben, allenfalls ein momentaner, kein grundsätzlicher Gegensatz. Was die Seeleute lebensgefährlich bedrohte, die Ausfahrt im Sturm, das kam dem Leben der Leute in Rom zugute, nämlich der rasche Transport mangelnder Lebensmittel. Grundsätzlich gesehen also wäre jener Ausspruch des Pompeius abzuwandeln in: Navigare necesse est, quia vivere necesse est. Seefahren ist nötig, weil Leben nötig ist; weil andernfalls die Leute zu Haus an Hunger sterben.Item Open Access Von kundern, risen und teuffellichen man - Monsterdarstellungen im 'Dresdner Heldenbuch'(2015) Echelmeyer, NoraKunder, risen und teuffelliche man - mit Monstren dieser und anderer Art beschäftigt sich die vorliegende Arbeit und sucht hierbei zu fassen, was das Monströse in den Texten des 'Dresdner Heldenbuchs' ausmacht. Nach einem einleitenden Theorieteil, der die Begriffsgeschichte von 'Monstrum' skizziert sowie die Forschung zum Konzept des Monströsen sichtet, widmet sich die Arbeit den vielfältigen Darstellungen von Monstren im 'Dresdner Heldenbuch'. In einer Reihe differenzierter Textanalysen werden unterschiedliche Arten von Monstren erstens nach äußeren Erscheinungsmerkmalen und zweitens nach spezifischen Verhaltensweisen untersucht. Es wird gezeigt, dass Monstrosität weniger über rein physische Anomalien als vielmehr über Abweichungen vom ritterlich-höfischen Wertekontext generiert wird, so dass sich das Monströse als das inkarnierte Andere fassen lässt. Auf diese Weise erklärt sich, wie Riesen (z.B. Ecke) trotz Hypertrophie "verrittert" oder Menschenfiguren trotz Normalgestalt "vermonstert" werden können. Neben solchen Formen der Genese oder Überblendung von Monstrosität berücksichtigt die Arbeit aber auch Besonderheiten einzelner Monsterfiguren (wie der Zwerge) sowie die Spezifika der Gattung 'Heldenepik', in der der Held Dietrich selbst am Rande des Riesenhaften steht.Item Open Access „ich han mir eines listes erdaht.“ Von Heimlichkeit, List und Intrigen in Mai und Beaflor(2023) Füß, FabienneDer mittelhochdeutsche Roman Mai und Beaflor wurde in der bisherigen Forschung oft verkannt. Die vorliegende Arbeit soll deshalb eine neue Perspektive auf den Roman eröffnen, indem die List- und Täuschungshandlungen in den Fokus gerückt werden. Dafür wird nach einer detaillierten Betrachtung der zentralen Textstellen die Bedeutung der Täuschungshandlungen für die Gesamtkomposition des Romans dargelegt. Abschließend wird der Vorschlag unterbreitet, die Täuschungshandlungen als Dominante des Textes zu definieren.Item Open Access Digitale Mediävistik und der deutschsprachige Raum(2019) Bleier, Roman; Fischer, Franz; Hiltmann, Torsten; Viehhauser, Gabriel; Vogeler, GeorgItem Open Access Das Stuttgarter Medienarchiv(Stuttgart : Stuttgarter Medienarchiv, Abteilungen für Neuere deutsche Literatur I und II, Institut für Literaturwissenschaft, Universität Stuttgart, 2024) Bernhart, Toni; Wiatrowski, Frank (Fotograf); Engstler, Katja Stefanie (Redaktion und Gestaltung); Eichhorn, Kristin (Grußwort); Hoffmann, Torsten (Grußwort)Die Publikation dokumentiert in Texten und Bildern die Bestände des Stuttgarter Medienarchivs. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von literaturbezogenen Trägermedien und Wiedergabegeräten, die um 1970 in den Abteilungen für Neuere deutsche Literatur des Instituts für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart angelegt und bis etwa 2005 gepflegt und fortgeführt wurde. Zum Beginn des 21. Jahrhunderts geriet die Sammlung in Vergessenheit, weil sie unpraktikabel war und von anderen Medienpraktiken abgelöst wurde. Als Erbe historischer Kulturtechniken hat sie historischen Wert: Sie dokumentiert literatur-, rezeptions- und mediengeschichtliche Aspekte, Dimensionen der Fächer-, Wissenschafts- und Technikgeschichte und nicht zuletzt die Etablierung und Emanzipierung der Medienwissenschaft aus dem Kontext der Literaturwissenschaft. Darüber hinaus gewährt sie Einblicke in universitäre Lehr- und Forschungspraktiken der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.Item Open Access Vom nützlichen Einzelnen : Machtstrukturen und Intimität in ausgewählten Erzähltexten von 1900 bis 1950 ; eine sozialpsychologische Literaturanalyse zur Individualitätsdarstellung in der Moderne(2002) Kindermann, Manfred; Thomé, Horst (Prof. Dr.)Die vorliegende Untersuchung geht der literarischen Wissensproduktion zum Individuum im Spannungsfeld von Macht und Intimität nach und zeigt, daß in der erzählenden Literatur der Moderne enthaltenes Wissen dem explizit im wissenschaftlichen Diskurs von Soziologie und Psychologie enthaltenen voranschreitet. Hierzu werden ausgewählte Erzähltexte aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts auf ihren impliziten Wissensgehalt hin befragt und dieser mittels neuerer wissenschaftlicher Theorien reformuliert. Neues Wissen entsteht, so das Ergebnis, zunächst im literarischen Diskurs und ist dort in der erzählten Handlung, in der Erzählstruktur und in den handelnden Charakteren enthalten, lange bevor es in theoretischer Form als Wirklichkeitsaussage erscheint. Die mimetische Seite des Erzählens bedingt die Darstellung handelnder Figuren und menschlicher Beziehungen im Text. Die Literatur zeigt das menschliche Individuum aber immer auch in eine konkrete historische und soziale Situation eingebunden, die von Machtstrukturen in Wechselwirkung mit Intimität durchzogen wird, und die der Autor konstruiert. Das Ganze der erzählten historisch-sozialen Umwelt interagiert mit dem Denken und Tun der Figuren, deren Handeln es motiviert, ist dabei allerdings schiweriger zu erzählen als die einzelne menschliche Handlung. Sigmund Freud, der in seinen Krankengeschichten den Versuch unternimmt, die einzelne Biographie stringent als Heilungsgeschichte zu erzählen, und Hermann Broch, dessen Roman "Die Schlafwandler" eigentlich eine Geschichtsphilosophie darstellt, die ihre eigenen Beispiele produziert, bilden hierbei zwei Eckpunkte eines Dreiecks, dessen dritter im Erfinden der sozialen Umwelt durch George Orwell in "1984" liegt. Dazwischen stehen Franz Kafkas "Der Verschollene" als Extrapolation zeitgenössischer sozialer Veränderungen und Elias Canettis "Die Blendung" als deren satirische Übersteigerung. Den Texten aller untersuchten Autoren gemeinsam ist jedoch ihr Ort inmitten der sozialen Veränderungen von der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zur Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts, den sie erzählerisch zu verarbeiten versuchen.Item Open Access Die postkoloniale deutsche Literatur in Namibia (1920 - 2000)(2003) Keil, Thomas; Schlaffer, Heinz (Prof. Dr.)Die Entstehung außereuropäischer Literaturen, die sich europäischer Sprachen bedienen, begründet sich in der Etablierung europäischer Auswanderergruppen auf anderen Kontinenten, wobei diese Auswanderung meist in Zusammenhang mit der kolonialen Expansion der Europäer steht. Auch die deutsche Sprache hat die Grenzen Europas überschreiten können und sich auf anderen Kontinenten verbreitet – wenn auch in vergleichsweise bescheideneren Maßen als andere westeuropäische Sprachen. Allerdings muß in diesem Zusammenhang beachtet werden, daß die deutsche Sprache in keinem außereuropäischen Land den Rang einer Staats- und Amtssprache einnimmt; deutschsprachige Literatur außerhalb Europas steht immer neben der vorherrschenden Sprache und Nationalliteratur des jeweiligen Gastlandes und ist die Literatur einer Minderheit. Man spricht hier von den sogenannten deutschsprachigen Auslandsliteraturen. Darüber hinaus war und ist in den klassischen Einwandererländern fast immer ein Assimilierungsdruck wirksam, der eine Eingliederung in die neue Gesellschaft zumeist nur unter Preisgabe der bisherigen sprachlichen und kulturellen Identität zuläßt. Entscheidend ist daher, wie bestimmend das deutsche Element in dem Einwanderungsland auftreten konnte, damit die Voraussetzungen zu einer beständigen sprachlichen und kulturellen Präsenz gewährleistet sind, um auch eine dauerhafte literarische Entfaltung zu ermöglichen. Im Fall der deutschsprachigen Literatur in Namibia sind diese Voraussetzungen erfüllt. Namibia war unter dem Namen Deutsch-Südwestafrika eine von mehreren deutschen Kolonien in der Zeit des Kaiserreichs und ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts das Ziel mehrerer Einwanderungswellen von deutschen Siedlern gewesen, die sich in diesem Teil Afrikas niedergelassen haben. Aber auch die Gegenwart Namibias wird noch von deutscher Kultur und Brauchtumspflege mitbestimmt: Nach wie vor lebt in Namibia eine Gruppe von etwa 20.000 Deutschsprachigen, Nachkommen der deutschen Siedler, die sich selbst lange Zeit als Südwester bezeichneten; seit der Unabhängigkeit Namibias hat sich für diese Volksgruppe der Begriff Namibia-Deutsche eingebürgert. Im Laufe ihrer Geschichte war die deutschstämmige Bevölkerungsgruppe in diesem Land immer um den Erhalt ihrer kulturellen und sprachlichen Eigenart bemüht: Eigene deutsche Schulen und ein umfangreiches Vereinswesen garantierten das Überleben der deutschen Sprache in diesem Teil Afrikas bis zum heutigen Tag. Das findet seinen Ausdruck auch in einer deutschsprachigen Literatur, die in Namibia selbst entsteht und konsumiert wird. Der Begriff Kolonialliteratur scheint dabei kaum angemessen, obwohl die kolonialzeitliche Literatur durchaus noch präsent ist und im gegenwärtigen Literaturleben Namibias eine unübersehbare Rolle spielt. Außerdem ist die Kolonialzeit bis in die Gegenwart hinein als Thema in der Literatur vorhanden. Eher könnte man von einer postkolonialen Literatur sprechen, doch auch dieser Begriff ist unzureichend, denn dann wäre die Kolonialliteratur ausgeklammert, die ja nach wie vor rezipiert wird. Und der Begriff der deutschsprachigen Auslandsliteratur kollidiert sowohl mit den kolonialzeitlichen Titeln als auch mit den aus Deutschland importierten Büchern, deren Inhalt sich zwar mit Namibia verbindet, die aber nicht in Namibia entstanden und produziert wurden. Dabei scheint der allmähliche Ablösungs- und Verselbständigungsprozeß dieser Literatur durch das Faktum der Postkolonialität hervorgerufen zu sein. Literaturgeschichtlich gesehen hieße das, daß sich aus einer vormaligen deutschen Kolonialliteratur eine deutschsprachige Auslandsliteratur entwickelt hat. Dies wäre jedoch eine sehr vereinfachte Deutung der Ereignisse. Tatsächlich handelt es sich um einen dynamischen, überaus komplexen literaturgeschichtlichen Prozeß. Um hier zu einer adäquaten Darstellung zu finden, bedarf es eines Modells, mit dessen Hilfe dieser Ablösungsprozeß anschaulich beschrieben werden kann. Außerdem ist es notwendig, den Begriff der Postkolonialität einer genauen Überprüfung zu unterziehen, um ihn von den Bedeutungsinhalten, wie sie die Anglistik für vergleichbare Literaturphänomene erarbeitet hat, abzulösen. Denn die Postkolonialität aus deutscher Sicht gestaltet sich aufgrund eines anderen Verlaufs der deutschen Kolonialgeschichte auf ganz eigene Weise. Erst anhand dieses Modells wird die eigentümliche Verschränkung von Kolonialliteratur, postkolonialer Literatur und deutschsprachiger Auslandsliteratur ersichtlich.Item Open Access Einfache und komplexe Nebenfiguren im Artusroman : Untersuchung ausgewählter Beispiele aus Hartmanns von Aue Iwein und aus der Gawan-Handlung in Wolframs von Eschenbach Parzival(2017) Krauß, MiriamDiese Arbeit geht der Frage nach, ob die Nebenfiguren in Wolframs von Eschenbach "Parzival" komplexer sind - in dem Sinne, dass sie eine "Tiefendimension des Charakters" (in Anlehnung an Ralf Simon) bzw. eine "eigene Geschichte" haben - als die Nebenfiguren im "Iwein". Um dieses Vorhaben umzusetzen, werden zunächst grundlegende Begriffe und Theorien aus der literaturwissenschaftlichen und germanistisch-mediävistischen Forschung zur Figur gesichtet. Darauf aufbauend wird ein Kriterienkatalog entworfen, mit dessen Hilfe die Komplexität der Figurenentwürfe gemessen werden kann. Hierfür werden quantitative (Namensnennung, Vorkommenshäufigkeit, Auftrittslänge, Häufigkeit direkter Rede der Figur, Anzahl der Adressaten) und qualitative Dimensionen (Aussehen, Charaktereigenschaften, Figurenhandeln, Gedanken und Gefühle, biographischer Hintergrund) zusammengeführt. Nach einigen Überlegungen zur Figurenauswahl (unterschiedliche Länge beider Artusromane, Repräsentativität der Auswahl) folgt die detaillierte Analyse von jeweils fünf Figuren aus jedem Roman, die den drei Aktanten Gegner, Gastgeber und Helfer zugerechnet sind. Anhand dieser Beispiele wird auf Grundlage des Kriterienkatalogs gezeigt, dass die Figuren des "Parzival" in der Regel komplexer sind als die des "Iwein". Der Schluss fasst die Ergebnisse zusammen und bringt die betrachteten literarischen Figuren der Komplexität nach geordnet in eine Rangfolge.