Universität Stuttgart
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Item Open Access Geodätische und fernerkundliche Beiträge zum Verständnis rutschungsinduzierter Seismizität an tonreichen Lockergesteinsrutschungen(2018) Rothmund, Sabrina; Joswig, Manfred (Prof. Dr.)Die Verfeinerung von passiven seismologischen Methoden ermöglicht seit 1995 die Erfassung von rutschungsinduzierter Seismizität an den kriechenden bis langsam bewegenden (nach Cruden und Varnes, 1996) tonreichen Lockergesteinsrutschungen Slumgullion (USA), Heumöser Hang (Österreich), Super-Sauze (Frankreich), Valoria (Italien) und Pechgraben (Österreich). Dabei konnten verschiedene Signaltypen beobachtet werden: (1) Slidequakes, bei denen es sich um kurzzeitige (< 2 s) impulshafte Bruchprozesse mit abgeschätzter Lokalmagnitude bis ML -3 mit Bruchlängen im Meterbereich handelt, (2) Tremore, meist deutlich schwächere Mehrfachereignisse die den ETS-(episodic slip and tremor) Signalen und den vulkanischen Tremoren ähneln sowie (3) Impaktsequenzen, generiert durch Steinschlag und Felssturz, die an Abrisskanten oder Steilhängen auftreten. Aufgrund des schlechten Signal-Rausch-Verhältnisses (SNR = signal-to-noise-ratio) lassen sich weder die genaue Epizentren bzw. Hypozentren noch Momententensoren bestimmen und es ist folglich nicht möglich allein auf Basis seismischer Daten den Herdmechanismus für die rutschungsinduzierten Signale zu identifizieren. Für die Super-Sauze Hangrutschung konnte gezeigt werden, dass sich die oberflächennahe Untergrunddynamik in Form von jährlich wiederkehrenden ortsfesten spannungsorientierten Rissstrukturen an die Oberfläche durchpaust. Deshalb wird der Grundgedanke einer multidisziplinären Analyse und synoptischen Interpretation verfolgt, wobei die abgeleiteten Informationen aus den geodätischen und fernerkundlichen Beobachtungen eine wesentliche neue Informationsquelle darstellen. Für die Untersuchung des Auftretens rutschungsinduzierter Signale (Slidequakes und Tremore) sowie der Zusammenhänge zwischen diesen und den hangspezifischen Parametern Bewegung, Durchfeuchtung, Wasserinfiltration, Rissöffnung und -schließung sowie Niederschlag wurde ein achtwöchiges multidisziplinäres Feldexperiment an der Super-Sauze Hangrutschung zwischen Ende Mai und Juli 2010 durchgeführt. Die eingesetzten Untersuchungsmethoden umfassten neben Nanoseismic Monitoring, Geoelektrik, sehr hochauflösende (cm-Bereich) UAV-basierte (unmanned aerial vehicle) Luftbilderfassung und terrestrische Bildaufnahmen, dGNSS-Messungen (differential global navigation satellite system), terrestrische Laserscans (TLS = terrestrisches Laserscanning), Bodenproben zur Bestimmung des Wassergehaltes, Grundwasserspiegelmessungen sowie Wetteraufzeichnungen. In dieser Arbeit wird untersucht, welche der fernerkundlichen und geodätischen Verfahren und welche abgeleiteten Parameter sich eignen, um Rückschlüsse auf das räumliche und zeitliche Auftreten von Slidequakes und Tremorsequenzen zu ziehen. Dabei bildet die Auswertung und Analyse von sehr hochauflösenden multitemporalen UAV-basierten Luftbildern sowie terrestrischen Bildsequenzen, multitemporalen rasterförmigen dGNSS-Messungen und terrestrischen Laserscans die wichtigste Datengrundlage. Im Vordergrund standen dabei die Ableitung präziser Bewegungsraten und die Quantifizierung der Rissentwicklungsprozesse sowie oberflächlicher Änderungen infolge der Hangdynamik. Aufbauend auf der multitemporalen Verschiebungsanalyse ist ein Schwerpunkt die Strainanalyse, bei der aus zeitlich und räumlich heterogenen Geschwindigkeitsvektorfeldern von dGNSS- und TLS-Messungen die oberflächlichen Deformationsraten abgeleitet werden. Die Strainratenfelder visualisieren Bereiche mit unterschiedlichen Mustern von räumlich variabler Extension und Kompression als auch Scherungsraten von Teilgebieten und weisen auf variable Spannungsänderungen hin. Aus geodätischen Beobachtungen Informationen über die Krustendeformation abzuleiten fand bereits in den 1930er Anwendung und seit den 1990ern werden zunehmend die Seismizität und geodätische Strainraten aus GNSS-Messungen z.B. für Italien, Türkei, Kalifornien und Iran zur seismischen Gefährdungsabschätzung kombiniert. Daher lag der Versuch nahe, diese Anwendungen und Beobachtungen der Krustendeformation auf den um mehr als 1000-fach kleinskaligeren Bereich von Lockergesteinsrutschungen zu übertragen und zu diskutieren. Basierend auf den dGNSS- und TLS-Messungen wurden durchschnittliche Geschwindigkeitsfelder für einen Messzeitraum von 50 Tagen abgeleitet, der für dGNSS in vier Zeitabschnitte unterteilt wurde. Die TLS-basierten Geschwindigkeitsfelder wurden durch die Anwendung des digitalen Bildkorrelations-Algorithmus COSI-Cor von Leprince et al. (2007) auf den abgeleiteten Schummerkarten ermittelt. Aufgrund der geringen Verschiebungen von etwa 30 cm für die 50 Tage und den Fehlern bei der Mosaikbildung und Co-Registrierung, war nur der Vergleich der Scans zu Beginn und Ende der Messkampagne aussagekräftig. Der Vergleich zwischen den 2D- und 3D-dGNSS-Messungen ergab eine durchschnittliche Abweichung von 0,04 cm/Tag. Da diese vernachlässigbar ist, können sich zur einfacheren Handhabung alle nachfolgenden Analysen auf die horizontalen Verschiebungen und Geschwindigkeiten beschränken. Die Analyse zeigte, dass sich der östliche 5° steilere Messbereich mit durchschnittlich 0,5 cm/Tag und der westliche Bereich mit 0,3 cm/Tag bewegte. Zwischen der zweiten und vierten Woche ist eine deutliche Beschleunigung, besonders im östlichen Bereich, erkennbar. Aus den UAV-basierten und aus den terrestrischen Bildsequenzen wurden mittels des Structure-from-Motion-Prozess (SfM) Bundler von Snavely et al. (2006) und Multi-View-Stereo (MVS) Algorithmus PMVS2 von Furukawa und Ponce (2007) sehr hochauflösende (mm-cm Punktabstand) 3D-Punktwolken rekonstruiert. Die Abweichungen aus dem Vergleich in vertikaler Richtung, die mit einer zeitkorrespondierenden TLS-Punktwolke ermittelt wurden, betrugen zwischen 8 und 17 cm. Folglich konnten die 3D-Punktwolken aufgrund der geringen Verschiebungen nicht zur Kinematikanalyse herangezogen werden. Aus den UAV-basierten Luftbildern wurden differenziell entzerrte Orthophotomosaike von 40 Tagen basierend auf Softwareskripten von Niethammer (2013) mit einer geometrischen Auflösung (GSD = ground resolution distance) von 2 cm erstellt. Durch die multitemporale Bildanalyse der UAV-basierten Orthophotomosaike und terrestrischen Bilder konnten Felsstürze und aktive sekundäre Rutschungen identifiziert werden. Zudem ließ sich die Entstehung oder Öffnung einiger Risse besonders im östlichen Bereich bei dem freiliegenden Festgesteinskamm beobachten. Allerdings gestaltete sich die Risskartierung aufgrund einer zweiwöchigen niederschlagsreichen Periode, die Sedimentumlagerungen und Rissverfüllung zur Folge hatte, sehr schwierig. 46 rutschungsinduzierte seismische Ereignisse im Messgebiet, welche aufgrund von Noise, anthropogenen, elektrischen und anderen umweltinduzierten Störsignalen nicht einfach zu identifizieren und klassifizieren sind, wurden von Dr. Naomi Vouillamoz (Institut für Geophysik, Universität Stuttgart) ausgewertet. Diese treten häufig in Clustern auf. Der Vergleich mit Grundwasserspiegel, Kinematik und den Strainratenfeldern ergab, dass diese häufig am Anfang eines Grundwasserspiegelanstieges auftreten. Dabei nimmt die Stärke der Ereignisse mit der Zeit ab. In der Regel treten alle rutschungsinduzierten Ereignisse in Bereichen mit erhöhter seismischer Momentenrate auf, die nach Savage und Simpson (1997) aus den geodätischen Beobachtungen abgeleitet wurde. Zudem treten die meisten Ereignisse dort auf, wo eine zeitliche Änderung der Strainraten erkennbar ist. Besonders die Slidequakes treten häufig in Extensionszonen auf, die zeitlich in ein heterogenes Deformationsmuster von Kompression und Extension übergehen. Diese lokalen Deformationsmuster könnten sich für die Ableitung einer schematischen Herdflächenlösung eignen. Die Mehrheit der Tremore wird in Bereichen mit erhöhten Scherungsraten beobachtet, was die These stützt, dass diese entweder auf den Gleitflächen oder durch die Scherrisse generiert werden. Eine exakte Zuordnung der verschiedenen seismischen Signaltypen zu Quellen und Quellprozessen konnte bislang nicht verifiziert werden und bleibt weiterhin ein zukünftiger Forschungspunkt.Item Open Access Earthquake location by distinct constraints for sparse and doubtful data(2018) Eisermann, Andreas Samuel; Joswig, Manfred (Prof. Dr. rer. nat.)Earthquakes affected mankind since the days of old, claiming more human casualties than any other nature catastrophe. The determination of the hypocenter location displays one of the key subjects of seismology. Today’s standard approaches provide for trustable location estimates - given a large amount of stations with high quality data and proper assumptions about the sub-surface velocity structure. The same approaches fail, however, when this amount of stations and quality of data is not given, e.g. in the mapping of seismically active zones using low magnitude events: Here, only few stations detect the signals that sometimes barely exceed the noise level. Seismic phases appear hence unclear, rendering the information of arrival times doubtful. Another example are real-time location schemes (e.g. in Earthquake Early Warning Systems): Here, events need to be evaluated and located within fractions of seconds without knowledge of the complete waveform, and data available only from the first few stations that already detected. The objective of this thesis lies in a methodological development that provides for more accurate single event locations in the context of sparse and doubtful data. The less data is available the more the location estimate is determined and affected by the individual datum, its uncertainties and errors. The method of choice must therefore be outlier-resistant (e.g. ignore false picks) and incorporate all parameter uncertainties. When data is few, solutions may further be ambiguous (not due to errors in the input parameters, being exact solutions to a set of even ideal arrival times), meaningly: Multiple, significantly separated location candidates may exist. Also, models are usually only rough and simplified representations of the subsurface structure and will often not explain the observed data well enough. Today's standard approaches often disregard the corresponding uncertainties and, hence, often displace the hypocenter significantly to the true location - outside of the assumed error margins. Mislocations in earthquake early warning or forensic seismology may have far-reaching implications for society and on the political level. This thesis provides therefore a novel location methodology that incorporates the important uncertainties, naturally disregards outliers and thereby leads to robust hypocenter estimates. The work presented builds on the concept of (graphical) jackknifing, which contrary to most of today's standard approaches doesn't attempt to minimize the error in the over-determined system directly, but decomposes the system first into exactly- or even under-determined subsystems. This results in distinct location constraints that are based on arrival time differences between two- or three phases, only. Each constraint identifies a subset of space as possible hypocenter region. The combination of multiple constraints consecutively constrains the final hypocenter region. Since a single constraint relies on a minimum amount of phase onsets, only, solution discrepancies can be traced back to the individual phase data, which allows the data base (e.g. outliers) to be re-evaluated. The global solution is finally recomposed based on the sub-solutions deemed trustworthy, which provides robust and outlier resistant solutions. This concept is built on, supporting for three dimensional station layouts, complex velocity models and a volumetric computation, which render this approach suitable for a wide class of modern applications. A real-time methodology that regards uncertainties in phase picks, phase types and model parameters provides for robust and accurate locations when data is uncertain and sparse. New constraints are introduced, which allow to resolve ambiguities and provide for faster hypocenter and magnitude estimates in Earthquake Early Warning. A new direct search scheme is developed that integrates constraint probabilities over grid cells, which ensures the identification of sharp hypocenter regions independent of the grid's resolution, satisfying the demand for a complete search. The improvement in location quality is demonstrated using several examples ranging from gas-field low-magnitude event monitoring, forensic seismology to examples of real-time locations in Earthquake Early Warning.