Universität Stuttgart
Permanent URI for this communityhttps://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/1
Browse
1 results
Search Results
Item Open Access Kognitive Grundlagen sozialen Verhaltens : theoretische und statistische Analysen zur Modellierung von Einstellungs-Verhaltens-Beziehungen(2008) Mayerl, Jochen; Urban, Dieter (Prof. Dr.)Die Erklärung sozialen Verhaltens nimmt in den Sozialwissenschaften eine zentrale Stellung ein. Als wichtigste Erklärungsansätze sind einerseits die Einstellungs-Verhaltens-Forschung mit der Unterscheidung eines spontanen und überlegten Informationsverarbeitungsmodus zu nennen, und andererseits die moderne Rational Choice Theorie als dominierende Handlungstheorie mit dem Versuch der Berücksichtigung von spontanen Handlungen mittels Framing-Modellen. Das Ziel der Dissertation ist die Entwicklung eines integrativen Framing-Modells, welches die theoretischen und empirischen Vorzüge von Einstellungs-Verhaltens-Modellen und der Rational Choice Theorie nach Maßgabe höchst möglicher Kompatibilität vereint. Basis hierfür bilden das wert-erwartungstheoretische Modell der Frame-Selektion (MdFS) sowie ein entwickeltes generisches duales Prozessmodell der Einstellungs-Verhaltens-Beziehung. Die sich hieraus ergebenden zentralen theoretischen Annahmen werden einem empirisch-statistischen Test unterzogen. Zu diesem Zweck werden bereits existierende Ansätze der Einstellungs-Verhaltens- sowie der Rational Choice Theorie nach wissenschafts- und sozialtheoretischen Kriterien rekonstruiert, analysiert und kritisch beleuchtet. Als Ergebnis der Rekonstruktion zentraler dualer Prozessmodelle der Einstellungs-Verhaltens-Forschung wird erstens ein generisches duales Prozessmodell der Einstellungs-Verhaltens-Beziehung als Konsensmodell entwickelt. Dieses generische Prozessmodell wird zweitens den Framing-Ansätzen der Rational Choice Theorie gegenübergestellt. Hierbei zeigt sich, dass das MdFS im Unterschied zur Prospect Theory und dem Diskriminationsmodell den höchsten Grad an Anschlussfähigkeit für die Annahmen des generischen dualen Prozessmodells bietet. Für das MdFS muss dennoch eine eingeschränkte Kompatibilität mit dem generischen dualen Prozessmodell konstatiert werden, denn das MdFS sieht keine bewusste Exit-Option aus dem automatischen Prozessieren bei hohen erwarteten Konsequenzkosten und ausreichend Möglichkeit zum überlegten Prozessieren unabhängig von der Höhe des Match (d.h. der Einstellungszugänglichkeit) vor. Daher wird das sog. MdFSE („Modell der Frame-Selektion mit Exit-Option aus dem automatisch-spontanen Modus“) als eine modifizierte und mit dem generischen dualen Prozessmodell kompatible MdFS-Variante vorgeschlagen, wodurch Erkenntnisse der Einstellungs-Verhaltens-Forschung adäquater berücksichtigt werden können. Darüber hinaus wird das MdFS ausgehend von einzelnen Kritikpunkten weiter modifiziert, insbesondere bezüglich der Formalisierung des Mechanismus der spontanen Frame-Selektion. Aus dem generischen dualen Prozessmodell und den MdFS-Varianten werden Hypothesen abgeleitet, die das Verhältnis von Einstellungen, Verhaltensintentionen und tatsächlichem Verhalten betreffen. Der empirisch-statistische Test wird anhand des Gegenstandsbereichs des Spendens von Geld an soziale Hilfsorganisationen durchgeführt. Hierzu werden Daten einer deutschlandweiten CATI-Studie mit 2002 Befragten in zwei Erhebungswellen aus dem Jahr 2005 verwendet. Die Messung von Antwortlatenzzeiten ermöglicht dabei die Operationalisierung des Modus der Informationsverarbeitung bei der Beantwortung von Surveyfragen. Als Ergebnis können die Theoreme des generischen dualen Prozessmodells empirisch bestätigt werden. Demnach sind Einstellungen gegenüber Verhaltensintentionen sowie anderen Bilanzurteilen bei spontanem Prozessieren und hoher chronischer Zugänglichkeit prädiktiver als bei spontanem Prozessieren mit niedriger Zugänglichkeit und prädiktiver als im überlegten Informationsverarbeitungsmodus. In Letzterem übt die Zugänglichkeit keinen Moderatoreffekt aus. Situative Hinweisreize erweisen sich erwartungskonform nur bei einem spontanen Prozessieren mit niedriger Einstellungszugänglichkeit als bedeutsam. Überlegt geäußerte Bilanzurteile basieren hingegen erwartungsgemäß auf mehr beliefs als spontane Bilanzurteile, sodass überlegten Prozessen eine breitere Informationsbasis zugrunde liegt. Direkte Effekte von Einstellungen auf Verhalten trotz Kontrolle der Verhaltensintention als Mediatorvariable treten zudem nur bei spontaner Informationsverarbeitung mit hoher Zugänglichkeit auf. Der empirische Test der MdFS-Varianten zeigt empirische Evidenz zugunsten der Modifikationen des MdFSE. Demnach kommt es erstens unabhängig vom Match zum überlegten Prozessieren bei hoher Motivation und Möglichkeit. Und zweitens erweist sich der MdFSE-Vorschlag des Selektionsmechanismus von Frames innerhalb des spontanen Modus gegenüber den anderen MdFS-Varianten hinsichtlich deren empirischer Vorhersagekraft als überlegen.