Universität Stuttgart
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Item Open Access Systembiologische Untersuchungen zur Optimierung mikrobieller Produzenten schwefelhaltiger Aminosäuren(2016) Teleki, Attila; Takors, Ralf (Prof. Dr.-Ing.)Die schwefelhaltige und essentielle Aminosäure L-Methionin besitzt vor allem aufgrund ihres Einsatzes zur Supplementierung von pflanzlichem Tierfutter eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Der globale Jahresbedarf wird auf ca. 1.000.000 Tonnen geschätzt und weist angesichts eines ansteigenden Fleischbedarfs, insbesondere in Schwellenländern, stabile jährliche Wachstumsraten von ca. 5-6% auf. Methionin wird derzeit nahezu ausschließlich durch chemische Synthese (Evonik-Verfahren) als DL-Razemat hergestellt. Ein moderner biotechnologischer Prozess würde eine nachhaltige Alternative zu bisher petrochemisch-basierten Verfahren darstellen und bietet das Potential einer erheblichen Kostensenkung, höherer Substratflexibilität sowie der Herstellung von enantiomer-reinem L-Methionin. Eine Überproduktion von L-Methionin stellt allerdings aufgrund der Komplexität zugrundeliegender Stoffwechselwege, einer strikten zellulären Regulation und eines vergleichsweise hohen energetischen Syntheseaufwands innerhalb gängiger mikrobieller Plattformen eine große Herausforderung dar. In der vorliegenden Arbeit wurde mittels systembiologischer Ansätze ein durch die Evonik Industries AG bereitgestellter Modellproduzent (E. coli SPOT01) auf Potentiale zu einer gezielten Methionin-Überproduktion untersucht. Rationale Stammoptimierungen basieren auf systematische genetische Modifikationen und setzen ein dynamisch-quantitatives Verständnis zugrundeliegender intrazellulärer Stoffwechselnetzwerke voraus (Systems Metabolic Engineering). Innerhalb zielgerichteter metabolischer Perturbationsanalysen können Kontrolleinflüsse beteiligter Enzyme auf die zu optimierenden Zielflüsse auf systemischer Ebene quantifiziert werden (Metabolic Control Analysis). Derartige Ansätze erfordern eine abgestimmte Anwendung intrazellulärer Metabolomanalysen, adäquater Perturbations- und Probennahmestrategien sowie mathematischer Modellierung. Hierzu wurde eine universelle LC-ESI-MS/MS-Methode entwickelt, die eine sensitive und selektive Quantifizierung eines breiten Spektrums niedermolekularer Metabolite des zellulären Stoffwechsels ermöglicht (Metabolic Profiling). In umfangreichen Transportkinetik-Studien konnte anschließend mit L-Serin ein alternatives und netzwerk-inhärentes Stimulussubstrat identifiziert werden, das eine direkte und zielgerichtete Perturbation des L-Methionin-Synthesenetzwerks ermöglicht. Unter Anwendung adaptierter Stimulusszenarien sowie semi-automatisierter Beprobungsstrategien konnten innerhalb produktionsrelevanter Kultivierungsbedingungen von E. coli SPOT01 aussagekräftige Konzentrationsdynamiken fokussierter Metabolitpools erzielt werden. Für die quantitative Auswertung resultierender Perturbationsprofile wurde ein modellbasierter Ansatz unter Verwendung einer nicht-mechanistischen LinLog-Kinetik sowie ein rein datengetriebener Ansatz unter Verwendung des PEC-Kriteriums (Pool Efflux Capacity) verfolgt. Insbesondere die PEC-Analyse stellte sich hierbei als zielführender Ansatz heraus, der aufgrund seiner hohen Robustheit auch bei messtechnischen Unsicherheiten valide Aussagen im Rahmen der Kontrollanalyse erlaubt. Innerhalb unterschiedlicher Perturbationsstudien konnten hierbei übereinstimmend die Cystathionin-β-Lyase (MetC), die Methioninsynthase (MetH/E) und das Methionin-Exportsystem (YjeH) als Enzyme mit hoher Flusskontrolle identifiziert werden. Aufgrund einer ausgeprägten Akkumulation des Vorläufermetabolits L-Homocystein und eines zunehmenden Übergewichts gegenüber L-Cystein, erfolgt die unspezifische Umsetzung des cytotoxischen Intermediats zum Akkumulationsprodukt Homolanthionin. Der unspezifische Abbau von Homolanthionin führt zur erneuten Bildung von L-Homocystein und stellt den Ausgangspunkt für eine alternative Syntheseroute des Haupt-Nebenprodukts L-Isoleucin. Dieses für die L-Methioninsynthese höchst unvorteilhafte Akkumulationsszenario (Kohlenstoff- und Energieverlust) konnte letztlich auf ein Ungleichgewicht in der Bereitstellung von L-Aspartat (TCA-Syntheseweg) und L-Serin (EMP-Syntheseweg) zurückgeführt werden. Unter Einsatz des vollmarkierten Stimulussubstrats [U13C]-L-Serin konnte der Informationsgehalt resultierender instationärer Datensätze weiter gesteigert werden. Die hohe Flusskontrolle durch die Methioninsynthase (MetH/E) konnte hierbei eindeutig auf eine limitierte Transmethylierungskapazität durch den C1-Stoffwechsel zurückgeführt werden. Ein Schlüsselenzym in diesem Zusammenhang stellt die Hydroxymethyltransferase (GlyA) dar, welche unter Umsetzung von L-Serin Methylgruppen für die finale Transmethylierung bereitstellt. Durch eine gezielte Erhöhung der enzymatischen Affinität von GlyA zu seinem Substrat L-Serin kann eine Kompensation des TCA/EMP-Ungleichgewicht unter einer gleichzeitigen Aufhebung des Akkumulationszyklus erfolgen.