Bitte benutzen Sie diese Kennung, um auf die Ressource zu verweisen: http://dx.doi.org/10.18419/opus-10656
Autor(en): Kudla, Konrad
Titel: Einfluss des Kaltumformens und Schweißens auf die Materialzähigkeit von Baustahl
Erscheinungsdatum: 2019
Verlag: Stuttgart : Institut für Konstruktion und Entwurf
Dokumentart: Dissertation
Seiten: XV, 287
Serie/Report Nr.: Mitteilungen / Institut für Konstruktion und Entwurf;2019,2
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-106733
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/10673
http://dx.doi.org/10.18419/opus-10656
ISSN: 1439-3751
Zusammenfassung: Blechen oder Flachstählen Profile jeglicher Art durch Kaltumformen hergestellt werden. Das Kaltumformen kann z.B. an Blechen durch Schwenk- oder Gesenkbiegen ausgeführt werden. In der Serienfertigung werden z.B. Trapezbleche oder auch Stangenprofile durch Kaltwalzen profiliert. Das Kaltumformen hat neben der industriellen Serienfertigung auch in der handwerklichen Einzelteilfertigung einen hohen Stellenwert, um Blechteile zu formen. Durch das Kaltumformen wird der Stahl im Bereich des Biegeradius auf der Außenseite gestreckt und auf der Innenseite gestaucht. Durch die plastischen Dehnungen und das damit verbundene zeitgleiche Fließen des Werkstoffes im Bereich des Biegeradius entstehen Gefügeveränderungen im Stahl. Eine der häufigsten Fügemethoden im Stahlbau ist das Lichtbogenschweißen. Beim Schweißen werden die zu verbindenden Bauteile im Bereich der Fügestelle örtlich aufgeschmolzen. Durch einen ebenfalls aufgeschmolzenen Schweißzusatzwerkstoff wird der Bereich zwischen den Bauteilen aufgefüllt. Nach dem Abkühlen der örtlichen Schmelze (Schweißnaht) sind die Bauteile starr miteinander verbunden. Durch das örtliche Aufschmelzen des Stahls und das Anschmelzen der Randbereiche in der Wärmeeinflusszone (WEZ) wird der Stahl im Bereich der Schweißnaht und den angrenzenden Bereichen mit unterschiedlichen Aufheiz-, Halte- und Abkühlzyklen thermisch beansprucht. Die beiden Verfahren, Kaltumformen und Schweißen, treffen aufeinander, wenn kaltumgeformte Bauteile im Bereich der Kaltumformung zusammengefügt werden. Da sich in diesem Bereich aus beiden Verfahren Einflüsse auf das Gefüge des Stahls überlagern, ist davon auszugehen, dass in diesem Bereich die Materialzähigkeit abnimmt. Eine verminderte Materialzähigkeit und die Kerbe aus einer Schweißnaht sind zwei Komponenten, die einen Sprödbruch hervorrufen können. Um das Sprödbruchproblem und das damit einhergehende schlagartige Versagen im Stahlbau zu vermeiden, gibt es neben den Regelungen für die Materialwahl auch für das Schweißen im kaltumgeformten Bereich besondere Vorgaben. In der aktuellen europäischen Norm für die Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten DIN EN 1993-1-8 [13] ist das Schweißen im kaltumgeformten Bereich geregelt. Durch diese Regelung wird das Schweißen im kaltumgeformten Bereich pauschal für alle im Stahlbau verfügbaren Stähle gleich geregelt. Im ersten Abschnitt dieser Arbeit wird der Stand der Wissenschaft und Technik in Bezug auf die Zähigkeit von Stahl und die Einflüsse auf die Zähigkeit durch Kaltumformen und Schweißen erarbeitet. Im Weiteren werden die aktuellen Regelungen und deren Hintergründe zur Vermeidung der Sprödbruchproblematik im Stahlbau erläutert. Abschließend wird der aktuelle Stand der Technik beim Schweißen im kaltumgeformten Bereich dargestellt. Um weitere Erkenntnisse an unlegierten Baustählen zu gewinnen, wurde ein Versuchskonzept erarbeitet, das die Einflüsse auf die Werkstoffzähigkeit aus der durch Kaltumformen und Schweißen hervorgerufenen Wechselwirkung untersucht. Das Versuchskonzept sieht im ersten Schritt vor, dass die Materialzähigkeit an Kerbschlagbiegeproben untersucht wird, an denen die Einflüsse aus Kaltumformen und Schweißen simuliert wurden. Im zweiten Schritt wurden Bauteilversuche geplant, durch die das reale Materialverhalten bei tiefen Temperaturen abgebildet wird. Für beide Versuchsserien wurden Bleche aus S355J2 ausgewählt. Es wurden Bleche t = 8 mm und t = 16 mm untersucht. Bei der Auswahl der Bleche wurde je Materialstärke eine Blechtafel mit einer hohen Kerbschlagarbeit und eine Tafel mit einer niedrigen Kerbschlagarbeit gewählt. Während und nach der Herstellung der Versuchskörper wurden die fertigungsbedingten Materialveränderungen ermittelt. Während des Schweißens wurden durch Thermoelemente, die neben der Schweißnaht appliziert waren, Temperatur-Zeit-Verläufe ermittelt. Die plastischen Dehnungen an der Außenseite der Versuchskörper wurden nach dem Kaltumformen an einem signierten Raster ermittelt. Zur Charakterisierung der in den Versuchen eingesetzten Stählen wurden umfangreiche Versuche gefahren, um die mechanischen und metallurgischen Eigenschaften zu ermitteln. Die Untersuchungen wurden am Grundmaterial, am kaltumgeformten und geschweißten Blech durchgeführt. Zur Ermittlung der Werkstoffzähigkeit wurden Kerbschlagbiegeversuche an Proben durchgeführt, an denen die Fertigungseinflüsse simuliert wurden. Das Kaltumformen wurde durch Kaltrecken und der Einfluss der Schweißwärme durch Nachfahren eines Wärmezyklus auf einer Gleebelanlage simuliert. Durch diese Verfahren lagen in den Versuchskörpern homogene Dehnungen und homogenes Gefüge vor. Die Kerbschlagbiegeproben wurden aus Proben mit 5,10,15 und ca. 20 % Dehnung entnommen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich durch das Kaltumformen die Übergangstemperatur verschiebt. Die Verschiebung der Übergangstemperatur durch die Schweißwärme war hingegen sehr gering. In diesem Abschnitt werden auch umfangreiche Ergebnisse aus der Literatur dargestellt. Es wurden Ergebnisse aus Untersuchungen an Feinkornbaustählen und thermomechanisch gewalzten Baustählen aufbereitet und bewertet. Die Betrachtung der Ergebnisse zeigt, dass eine Verallgemeinerung der Verschiebung der Übergangstemperatur die positiven Einflüsse bei hochwertigen Baustählen vernachlässigt und dass bei unlegierten Baustählen die Verschiebung nur unzureichend durch die Ermittlung eines Wertes aus der 𝐾𝐾𝑉𝑉−𝑇𝑇 Kurve bewertet werden kann. Um das reale Verhalten von kaltumgeformten und geschweißten Bauteilen abzubilden, wurden eigene Bauteilversuche bei tiefer Temperatur an Versuchskörpern durchgeführt, bei denen durch Biegeumformen typische Dehnungsgradienten eingeprägt wurden. An den Prüfkörpern wurde im kaltumgeformten Bereich eine 2/3 X-Naht als Vollstoß ausgeführt. Nach dem Schweißen wurde in die Prüfkörper am Nahtübergang eine künstliche Kerbe eingeschliffen. Die Prüfkörper wurden so lange einer Ermüdungsbelastung ausgesetzt, bis am Kerbgrund ein scharfer Ermüdungsanriss eintrat. Im nächsten Schritt wurden die Versuchskörper heruntergekühlt und bei -30 °C mit einer quasi statischen Last bis zum Prüfkörperbruch belastet. Die Ergebnisse bestätigen die Ergebnisse aus den Kerbschlagbiegeversuchen und zeigen, dass bei Zunahme der plastischen Dehnungen durch einen kleineren Biegeradius die Sprödbruchgefahr steigt und die Materialzähigkeit abnimmt. Die Auswertung erfolgte über die Bruchflächen und die Bruchdehnung. Die Bauteilversuche bestätigen die Beobachtungen aus den Kerbschlagbiegeversuchen. Es zeigt sich, dass eine Abhängigkeit vom r/t-Verhältnis vorliegt und dass die durch das Kaltumformen beeinflusste Materialzähigkeit einen entscheidenden Einfluss auf das Bauteilverhalten hat. Im letzten Abschnitt wird die Entwicklung einer Werkstoffprüfung zur Charakterisierung der Werkstoffzähigkeit im kaltumgeformten und geschweißten Bereich dargestellt. Durch diese standardisierte Werkstoffprüfung wird es möglich, die Zähigkeitseigenschaften von Stahl durch einen Satz Kerbschlagbiegeversuche zu ermitteln, bei dem die negativen Einflüsse aus Kaltumformen und Schweißen mit abgebildet werden. Des Weiteren wird ein Vorschlag erarbeitet, wie dieser Versuch in die aktuellen Regelwerke integriert werden könnte. Somit besteht die Möglichkeit, auch beim Schweißen im kaltumgeformten Bereich eine Materialsortenwahl nach DIN EN 1993-1-10 durchzuführen, bei der die positiven Eigenschaften von hochwertigen Stählen berücksichtigt werden können. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung, in der die Ergebnisse der einzelnen Abschnitte zusammengeführt und bewertet werden. Anschließend wird die Übertragbarkeit in die Praxis erläutert und der weitere Forschungsbedarf aufgezeigt.
Enthalten in den Sammlungen:02 Fakultät Bau- und Umweltingenieurwissenschaften

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