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Autor(en): Hammer, Stephan C.
Titel: Zur Anwendbarkeit von Squalen-Hopen-Zyklasen als chirale Brønsted-Säuren in der asymmetrischen Katalyse
Sonstige Titel: Applicability of squalene-hopene-cyclases as chiral Brønsted acids in asymmetric catalysis
Erscheinungsdatum: 2014
Dokumentart: Dissertation
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-99299
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/1464
http://dx.doi.org/10.18419/opus-1447
Zusammenfassung: Die Anwendung von Enzymen und Mikroorganismen als Katalysatoren in der organischen Synthese hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten als eine ernsthafte Ergänzung zur rein chemischen Katalyse etabliert. Jedoch ist die Bandbreite an biokatalytisch durchführbaren Reaktionen sehr gering. Für eine Vielzahl an synthetisch wertvollen Reaktionen wurden entsprechende Enzyme von der Natur nicht evolviert oder bisher nicht entdeckt. Die Entwicklung solcher Enzyme für die Katalyse nicht-physiologischer chemischer Transformationen ist ein zum größten Teil unerforschtes Arbeitsgebiet. Ein Ansatzpunkt ist die Nutzbarmachung bereits vorhandener enzymatischer Katalysezentren. Dies ist auch von besonders großer Bedeutung, da viele der in der organischen Chemie divers eingesetzten Aktivierungsmodi Bestandteil des enzymatischen Repertoires sind. Jedoch werden diese hoch-entwickelten enzymatischen Katalysezentren von der Natur häufig nur sehr spezialisiert eingesetzt und im Labor nur selten gezielt für nicht-natürliche Reaktionen entwickelt. In diesem Grenzgebiet, zwischen der organischen Synthesechemie und dem Enzymdesign, befindet sich der Fokus der hier vorliegenden Arbeit. Ziel war die Entwicklung einer Plattform für die enzymatische Brønsted-Säure-Katalyse. Dies ermöglicht einen potentiellen biokatalytischen Zugang zu einer Vielzahl an nicht-physiologischen, jedoch synthetisch wertvollen chemischen Transformationen, da die chirale Brønsted-Säure-Katalyse in der organischen Chemie zur Durchführung einer Vielzahl an wichtigen C-C-bindungsknüpfenden Reaktionen verwendet wird. Dieser Ansatz verbindet die leistungsstarke Brønsted-Säure-Katalyse mit den Vorteilen der Biokatalyse, namentlich den oft exzellenten Selektivitäten zusammen mit hohen Aktivitäten basierend auf einer Synthese in Wasser als „grüneres“ Lösungsmittel. Biokatalysatoren sind genetisch kodiert und lassen sich somit mikrobiell synthetisieren und einfach durch genetische Manipulation optimieren. Während die allgemeine Brønsted-Säure-Katalyse bei Enzymen eine wichtige Rolle spielt (z. B. bei der Stabilisierung von Übergangszuständen durch Bildung von Wasserstoffbrücken-bindungen) ist die enzymatische, spezifische Brønsted-Säure-Katalyse nicht beschrieben. Eine Ausnahme bilden hier die Squalen-Hopen-Zyklasen (SHCs), welche die kationische Polyzyklisierung von Squalen zu den pentazyklischen Produkten Hopen und Hopanol katalysieren. Zur Protonierung der terminalen C=C-Bindung des Substrates nutzen SHCs eine Asparaginsäure mit biologisch ungewöhnlich hoher Acidität. Während dieser Doktorarbeit wurde das katalytische Potential dieser einzigartigen Protonierungsmaschinerie studiert. In einem ersten Teil der Arbeit wurde das natürliche Reaktionsspektrum dieses katalytischen Zentrums (ausgestattet mit der hoch-aciden Asparaginsäure) untersucht. Durch die Verwendung verschiedener bioinformatischer Methoden wurden Proteinsequenzen evolutionär verwandter Enzyme ermittelt. Somit wurde eine Superfamilie an protonierenden Enzymen (Protonasen) identifiziert und bezüglich deren beschriebener Funktionen analysiert. Diese Studien zeigen, dass sich das Reaktionsspektrum dieser Protonase-Superfamilie in der Natur auf die Polyzyklisierung einiger weniger linearer Terpene beschränkt, ganz im Gegensatz zu der enormen Diversität Brønsted-Säure-katalysierter Reaktionen in der organischen Chemie. Das Substratspektrum der SHCs und dabei besonders des Enzymes aus Alicyclobacillus acidocaldarius (AacSHC) wurde in der Vergangenheit mehrfach adressiert, wobei sich die Studien auf Polyzyklisierungen Squalen-artiger Substratanaloga beschränkten. In einem zweiten Teil dieser Arbeit wurde das Substratspektrum für Polyzyklisierungsreaktionen auf funktionalisierte Polyprenoide erweitert. Insbesondere wurde gezeigt, dass Aromaten und Amide als Nukleophile in der kationischen Polyzyklisierung verwendet werden können, um die Reaktionen zu terminieren. Somit sind formal die stereoselektive Friedel-Crafts-Alkylierung sowie die Hydroamidierung Bestandteil des Reaktionsportfolios der SHCs. Neben der AacSHC wurde in diesem Teil der Arbeit auch eine weitere SHC aus Zymomonas mobilis (ZmoSHC1) verwendet, wobei sich beide Enzyme nur minimal in ihren Funktionen unterschieden. Das Substratspektrum der SHCs ist bezüglich der Substratgröße beschränkt. Während sich mittelgroße Sesqui- und Diterpen-Derivate selektiv und mit guter Aktivität zu bi- und trizyklischen Verbindungen umsetzen lassen, werden Monoterpen-Derivate von den Wildtyp-Enzymen nicht zu den entsprechenden chiralen Cyclohexanoiden zyklisiert. Synthetisierte Modellsubstrate wurden in einem dritten Teil dieser Arbeit verwendet, um diese Limitierung zu untersuchen. Hierzu wurden die Aktivitäten bei enzymatischen Umsetzungen mit molekulardynamischen Simulationen verglichen. Somit wurde ein Zusammenhang zwischen der Substratbindung in einer reaktiven Konformation und der jeweiligen Aktivität aufgezeigt. Daraus lässt sich ableiten, dass vermutlich nicht die katalytische Maschinerie die SHCs auf die Polyzyklisierungschemie beschränkt, sondern die Struktur des hochselektiven aktiven Zentrums. Dieses aktive Zentrum diskriminiert nicht-natürliche Substrate durch die limitierte Fähigkeit diese in einer reaktiven Konformation zu binden. Um SHCs zu „Protonasen“ für unterschiedliche nicht-natürliche Reaktionen zu entwickeln, ist deshalb ein breites Set an unterschiedlichen Geometrien des aktiven Zentrums nötig. Dementsprechend lassen sich potentielle Substrate für unterschiedliche Reaktionstypen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in einer reaktiven Konformation binden. Jedoch sind die aktiven Zentren der SHCs und auch verwandter Triterpen-Zyklasen hochkonserviert. Die nötige Diversität an Enzymen lässt sich somit nicht aus dem natürlichen Pool an Katalysatoren rekrutieren. Aus diesem Grund wurde in einem vierten Teil der Arbeit eine Mutantenbibliothek der AacSHC erstellt. Mit einer rationalen Mutationsstrategie (hydrophobe Substitution) wurde die AacSHC zu einem Set an hochselektiven „Protonasen“ entwickelt und damit die Anwendbarkeit als chirale Brønsted-Säure in der asymmetrischen Katalyse untersucht. Die erzeugten Varianten zeigten Aktivitäten für unterschiedliche chemische Transformationen bei gleichzeitiger Protonierung verschiedener funktioneller Gruppen (Alken, Epoxid und Carbonyl). Dies ermöglichte die Darstellung interessanter Cyclohexanoide mit guten Aktivitäten und exzellenten Stereoselektivitäten (>99 % ee/de). Die praktische Anwendbarkeit wurde in semi-präparativen Umsetzungen aufgezeigt. So wurde zum Beispiel 512 mg Geraniol mit der Variante AacSHC G600F zu einem Cyclohexanoid umgesetzt (32 % isolierte Ausbeute). Demzufolge wurde durch die Einführung einer Punktmutation ein beinahe inaktives Wildtyp-Enzym zu einem praktisch anwendbaren Katalysator evolviert. Verdeutlicht werden die exzellenten Selektivitäten (Regio-, Stereo- und Produktselektivitäten) durch die exklusive Umsetzung von (S)-6,7-Epoxygeraniol aus dem entsprechenden Racemat (inklusive der regioselektiven Deprotonierung des Carbokation-Intermediates), die hochstereoselektive Synthese (>99 % de) von (-)-iso-Isopulegol aus (S)-Citronellal oder durch die stereoselektive Wasseraddition an das Carbokation-Intermediat der Zyklisierung von Geraniol. Der Ursprung der hohen Selektivitäten liegt in der Geometrie des aktiven Zentrums. Ausgehend von unterschiedlichen reaktiven Konformationen (welche zu unterschiedlichen Produkten führen können), werden die Substrate von den „Protonasen“ selektiv in einer bestimmten reaktiven Konformation gebunden und dadurch selektiv aktiviert. Zusammenfassend wurde die einzigartige Protonierungsmaschinerie der SHCs von der Polyzyklisierungschemie befreit und für nicht-natürliche Reaktionen in die asymmetrische Katalyse eingeführt. Darüber hinaus leistet diese Arbeit einen methodischen Beitrag in der Entwicklung neuer Biokatalysatoren, da sie aufzeigt, dass Enzyme und deren Katalysezentren systematisch für nicht-physiologische Reaktionen entwickelt werden können. Dies ist interessant für die Etablierung neuer Biosynthesewege sowie für die Erweiterung der Reaktionsportfolios in der organischen Synthese (Stichwort: chirale Brønsted-Säure-Katalyse in Wasser).
The application of enzymes as biocatalysts in asymmetric synthesis has received steadily increasing attention over the past decades. However, the field is restricted since many enzymes on the synthetic chemist’s wish list are not evolved by nature or at least not yet discovered. The development of such desired non-natural functions in enzymes is so far an unexplored area in biocatalysis. An often overlooked approach to generate non-natural enzyme function is to utilize and engineer catalytic machineries that already exist in nature. This is of outstanding significance since many of the generic activation modes which are applied by chemists can be found in enzyme’s catalytic repertoire. However, nature often uses these highly developed catalytic centres of enzymes in a very specialized way and scientists only rarely target them to catalyze non-natural reactions. This thesis focuses on the frontier between organic synthesis and enzyme engineering with the objective to generate a platform for enzymatic Brønsted acid catalysis. This has the potential to provide access to various non-natural chemical transformations since chiral Brønsted acid catalysis is heavily applied in organic synthesis to catalyze a myriad of important C-C bond-forming reactions. This connects Brønsted acid catalysis as a powerful synthetic strategy with the key advantages of enzymes, namely excellent selectivities and high activities in a protecting group free synthesis based on water as a greener solvent. While general acid/base catalysis features prominently in enzyme-catalyzed reactions, for example by stabilizing a transition state via hydrogen bonding, enzymes are so far not considered as strong Brønsted acid catalysts. This is due to the relatively low acidity of their proton sources, which as a result are inefficient in activating various functional groups. One exception to this are squalene hopene cyclases (SHCs), which catalyze the cationic polycyclization of squalene to the pentacyclic products hopene and hopanol. The reaction is initiated through demanding C=C bond protonation by an aspartic acid with biologically unusual acidic strength. In the course of this PhD thesis the catalytic potential of this unique protonation machinery was studied. In the first part, the natural reaction scope within this enzyme family was studied. Therefore, various bioinformatics methods were used to identify amino acid sequences of related enzymes in public databases. This revealed a superfamily of protonating enzymes (protonases) which were analyzed with respect to their described natural function. This studies showed that the reaction scope of this enzymes and thus of this unique protonation machinery is limited to polycyclization chemistry within the terpene biosynthesis. This is in contrast to the diversity of Brønsted acid catalyzed reactions in organic chemistry. The substrate scope of SHCs and especially of the enzyme from Alicyclobacillus acidocaldarius (AacSHC) was studied recently, with the focus on polycyclization reactions using close analogs of squalene. In the second part of this thesis the reaction scope of SHCs could be extended. Functionalized polyprenoids bearing different nucleophiles (aromatic ring and amide) for the termination of the polycyclization were successfully converted. Hence Friedel-Crafts alkylations and hydroamidations are part of SHCs reaction scope. Next to AacSHC also a SHC from Zymomonas mobilis (ZmoSHC1) was studied, however, only minor differences were observed with both enzymes. The substrate scope of SHCs is limited with respect to the substrate size. While sesqui- und diterpenes are selectively cyclized to bi- and tricyclic products with good activities, the wildtype enzyme does not convert monoterpenes to the corresponding chiral cyclohexanoids. To analyze this limitation in more detail, several model compounds were synthesized and studied in the third part of this PhD thesis. Enzymatic conversions of these model substrates were compared with stabilities of the reactive conformations as determined by molecular dynamic simulations. These experiments revealed that small substrates suffer from binding in a non-reactive conformation. Based on these results, it is less the catalytic machinery which restricts SHCs to polycyclization chemistry, but more the selectivity of the active site shape. The latter discriminates non-natural substrates by its limited ability to bind these molecules in a reactive conformation. To evolve SHCs towards “protonases” able to perform a wide range of non-natural reactions, a high diversity of different active site shapes is needed. This will increase the chance to bind potential substrates (for different chemical transformations) in a reactive conformation. However, the active sites of SHCs and related enzymes are highly conserved in nature. Thus, the required diversity cannot easily be recruited from the natural pool of catalysts. For this reason, an AacSHC mutant library was created in the fourth part of this thesis. By applying a very rational mutagenesis strategy, AacSHC was evolved to a set of highly selective “protonases” which were used as chiral Brønsted acids in asymmetric synthesis. The generated variants showed activities in the catalysis of different chemical transformations, protonating various functional groups (alkene, epoxide as well as carbonyl). This allowed the synthesis of interesting cyclohexanoid building blocks with moderate to good activities and excellent selectivities (>99 % ee/de). Synthetic utility of these non-natural transformations was demonstrated by preparative conversions. For instance, an upscaled conversion of 512 mg geraniol with the variant G600F of AacSHC generated 182 mg of cyclogeraniol hydrate (32% isolated yield). One point mutation was sufficient to convert an almost inactive wildtype enzyme into a practically useful catalyst. Additionally, excellent selectivities (regio-, stereo- and product-selectivities) were exemplified by the exclusive conversion of (S)-6,7-epoxygeraniol from racemic starting material (including regioselective deprotonation of the carbocationic intermediate), the highly selective synthesis of the energetically unfavored isomer (-)-iso-isopulegol from (S)-citronellal as well as the stereoselective addition of water to the carbocationic intermediate in the cyclization of geraniol. These excellent selectivities find their origin in the precise active site geometry. From different reactive conformations of the same substrate (which often lead to different product molecules), “protonases” selectively bind and protonate only one specific reactive conformation. Overall, by applying enzyme engineering, the unique protonation machinery of SHCs was uncoupled from polycyclization chemistry and implemented into asymmetric Brønsted acid catalysis. Further, this work contributes methodologically to the field of enzyme design, since it demonstrates that biocatalytic machineries can be systematically evolved for non-natural reactions. As this approach can easily be applied to other enzymes and activation modes, it will most likely direct future enzyme engineering efforts. This is interesting since it opens the door to novel biosynthetic pathways and expands the reaction scope in chemical synthesis (keyword: highly selective chiral Brønsted acid catalysis in water).
Enthalten in den Sammlungen:03 Fakultät Chemie

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