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Autor(en): Rabenstein, Benjamin
Titel: Öffentliche Fahrradverleihsysteme - Wirkungen und Potenziale
Erscheinungsdatum: 2015
Verlag: Stuttgart : Institut für Straßen- und Verkehrswesen, Universität Stuttgart
Dokumentart: Dissertation
Seiten: 236
Serie/Report Nr.: Veröffentlichungen aus dem Institut für Straßen- und Verkehrswesen;54
URI: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:93-opus-ds-88549
http://elib.uni-stuttgart.de/handle/11682/8854
http://dx.doi.org/10.18419/opus-8837
ISBN: 978-3-9816754-4-3
Zusammenfassung: Öffentliche Fahrradverleihsysteme (ÖFVS) im Selbstbedienungsbetrieb, mit Kurzzeit- Leihmöglichkeit und Rückgabe an einer beliebigen Station, finden in deutschen Städten eine immer weitere Verbreitung und sind in den Verkehrs- und Nachhaltigkeitskonzepten vieler Kommunen enthalten. In den Konzepten werden stets die zu erwartenden positiven verkehrlichen und umweltbezogenen Wirkungen betont und unter anderem als Argument für die Bereitstellung der notwendigen (Anschub-) Finanzierung angegeben. Bisher gibt es zur Ermittlung dieser Wirkungen nur wenige Untersuchungen. Eine Begründung dafür ist, dass bisher kein bewährtes Konzept zur Erhebung dieser Wirkungen vorlag bzw. eine fundierte Erhebung eines hohen Aufwands bedarf. Erhebungskonzept: In der vorliegenden Arbeit wird ein Erhebungskonzept für Kenngrößen zur Evaluierung der Wirkungen von ÖFVS beschrieben und damit die Wirkungen von vier ÖFVS untersucht. Das Erhebungskonzept gliedert sich in folgende fünf unterschiedliche Erhebungen: 1. Angaben zur Lage der Stationen und zur Räderzahl der ÖFVS. 2. Nutzungsdaten aus dem Buchungssystem der ÖFVS mit Angaben zu jedem einzelnen Ausleihvorgang. 3. Befragung der ÖFVS-Nutzer an den ÖFVS-Stationen zum aktuellen, mit dem ÖFVS durchgeführten Weg. 4. Haushaltsbefragung von Nutzern der ÖFVS und einer Bevölkerungsstichprobe zu ihrem Mobilitätsverhalten inklusive eines Wegetagebuchs über eine Woche. 5. Testnutzung und Stationsbegehung der ÖFVS. Anhand der mit diesem Erhebungskonzept gewonnenen Daten werden das Angebot, die Wirkungen auf die Verkehrsnachfrage und auf die Betreiber sowie die Umwelt beschrieben. Diese Erhebungen wurden für die ÖFVS „Konrad“ in Kassel, „MVGmeinRad“ in Mainz, „NorisBike“ in Nürnberg und „metropolradruhr“ im Ruhrgebiet durchgeführt. Angebotsbeschreibung der ÖFVS: Die untersuchten ÖFVS umfassen zwischen 50 und rund 100 Stationen. An diesen Stationen stehen zwischen 450 und rund 1.000 Fahrräder zur Ausleihe bereit. Das Bedienungsgebiet hat eine Größe zwischen 30 und 100 qkm. Die Stationen sind aber nicht gleichmäßig verteilt, in einem zentralen Bereich liegt jeweils eine Verdichtung des Stationsnetzes vor. Wirkungen von ÖFVS auf die Verkehrsnachfrage: Die Wirkungen auf die Verkehrsnachfrage bestehen aus einer Nutzercharakterisierung, einer Beschreibung des Mobilitätsverhaltens der ÖFVS-Nutzer im Vergleich zur Bevölkerung und einer Beschreibung der Nutzungsstruktur der ÖFVS. - Der typische ÖFVS-Nutzer ist männlich, zwischen 20 und 49 Jahre alt, Zeitkartenbesitzer des öffentlichen Verkehrs (ÖV), Student oder vollzeiterwerbstätig, überdurchschnittlich ausgebildet und bewertet das ÖV-Angebot besser als die Bevölkerung. - Das Mobilitätsverhalten von ÖFVS-Nutzern zeichnet sich durch Multimodalität aus. ÖFVS-Nutzer sind mobiler, sie legen mehr Wege und auch mehr Kilometer zurück. Dabei nutzen sie stärker den Umweltverbund und weniger den Pkw als die Bevölkerung. Bei 3 bis 6 von 10 ÖFVS-Wegen wird der Vor- und Nachlauf mit dem ÖV zurückgelegt. Die ÖFVS ersetzen hauptsächlich ÖV- und Fußwege. Zwischen 1 % und 10 % der ÖFVS-Wege werden vom Pkw verlagert. - Die Ausleihen pro Rad und Tag schwanken stark zwischen den vier untersuchten ÖFVS. Es wurden monatliche Durchschnittswerte zwischen 0,2 und 2,4 Ausleihen pro Rad und Tag beobachtet, im Jahresdurchschnitt liegen die Werte zwischen 0,1 und 1,2 Ausleihen im Monat. Die Räder werden zum allergrößten Teil maximal 30 min ausgeliehen. Auch wenn die Zahl der registrierten Nutzer hoch ist, werden die ÖFVS nur von einer relativ kleinen Gruppe von Nutzern regelmäßig benutzt. So entfallen rund 2/3 der Ausleihvorgänge auf 1/6 der registrierten Nutzer. Bei den ÖFVS sind auch außerhalb der ÖV-Betriebszeiten Nutzungen zu verzeichnen. Wirkungen von ÖFVS auf Betreiber und Umwelt: Ein Betreiber eines ÖFVS hat zum Ziel, das ÖFVS möglichst erfolgreich und gleichzeitig mit möglichst geringem Kosteneinsatz zu betreiben. Außerdem sollten die Umweltwirkungen möglichst geringgehalten werden. Die Ergebnisse zeigen, dass: - ÖFVS sich bei den aktuellen Kostenstrukturen und Nutzungsintensitäten nicht kostendeckend aus Nutzungsentgelten betreiben lassen. - ÖFVS unter Berücksichtigung der betriebsbedingten Emissionen bei der beobachteten Nutzungsintensität und den untersuchten Betriebskonzepten momentan keine geeignete Maßnahme zum Klimaschutz darstellen. Potenziale der ÖFVS: Weitergehend wird eine Methode zur Ermittlung der Nutzungspotenziale der ÖFVS bei der Bevölkerung der Untersuchungsgebiete auf Grundlage der erhobenen Wegetagebücher vorgestellt. Die Methode schätzt ab, welche Auswirkungen es hätte, wenn sich mehr Personen wie die ÖFVS-Nutzer in Bezug auf die Verkehrsmittelwahl verhalten würden. Die Potenzialanalyse legt dabei einen Schwerpunkt auf Wege, die den aktuell beobachteten ÖFVS-Wegen ähnlich sind und insofern vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf das ÖFVS verlagert werden können. Die Verlagerungen vom MIV haben die größten Wirkungen auf das sonstige Verkehrsgeschehen und die Umwelt. Die wesentlichen Rahmenbedingungen der Methode und die Annahmen dabei sind: - Keine Veränderung der Siedlungs- und Raumstruktur, - Keine Veränderung der Struktur der Ausgänge (Reisezeit, Wegereihenfolge, Wegezweck), - Alle Wege, die die folgenden Bedingungen erfüllen, können vom MIV auf das ÖFVS verlagert werden: - Reiseweite des MIV-Weges liegt im Bereich der mit dem ÖFVS beobachteten Weglängen, - Reisezeitverhältnis des MIV-Weges zum ÖFVS-Weg ist akzeptabel und - Quelle und Ziel des MIV-Weges haben eine akzeptable Zugangszeit zum ÖFVS. Zur Berechnung der Reise-, Zu- und Abgangszeiten werden die Entfernungen der Quellen und Ziele der Wege von den ÖFVS-Stationen verwendet. Insofern handelt es sich nicht um reine Nachfragepotenziale, da diese Methode bereits das Angebot der ÖFVS impliziert. Abschließend werden die verlagerbaren Personenkilometer, die in der Bevölkerungsstichprobe identifiziert wurden, auf die gesamte Nachfrage im Untersuchungsgebiet und das Kalenderjahr hochgerechnet. Außerdem wird eine Witterungsbereinigung durchgeführt und die Verlagerungswahrscheinlichkeit aufgrund der Multimodalitätsgruppe des Verkehrsteilnehmers berücksichtigt. Interpretationen und Empfehlungen zur Konzeption von ÖFVS: Die Beschreibung der Wirkungen und die Potenzialanalyse zeigen, dass die direkten verkehrlichen Wirkungen gering sind. Es werden in den vier Untersuchungsgebieten zusammen rund 250 Pkw-Kilometer pro Tag auf die ÖFVS verlagert. Insofern ist kein spürbarer Einfluss auf den Pkw-Verkehr, was Verkehrsstärken und Reisezeiten betrifft, zu erwarten. Auch bei Annahme der Verhaltensanpassung sind die Potenziale bei den verkehrlichen Wirkungen für die betrachteten Systemgrößen gering. Allerdings verbessern ÖFVS das „Radklima“ und fördern somit den Radverkehr. Die Veränderung des Mobilitätsverhaltens braucht Zeit, aber, auch wenn es langsam geht, findet eine Veränderung statt. ÖFVS sind geeignet, den ÖV bzw. den Umwelt- bzw. Mobilitätsverbund zu stärken. Es ist für ÖV und ÖFVS förderlich, ÖFVS tariflich und betrieblich in den ÖV zu integrieren bzw. ÖFVS als Teil des ÖV zu entwickeln. Um die Synergien zwischen ÖV und ÖFVS optimal zu nutzen, z. B. bei der Kundengewinnung, sollten ÖV und ÖFVS aus einer Hand betrieben werden. Denn so werden die Rahmenbedingungen in Gebieten mit gutem Angebot im ÖV und weiteren Mobilitätsangeboten wie z. B. Carsharing und ÖFVS weiter verbessert. Dadurch wird Schritt für Schritt der Verzicht auf einen eigenen Pkw für immer mehr Menschen möglich.
Enthalten in den Sammlungen:02 Fakultät Bau- und Umweltingenieurwissenschaften

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