08 Fakultät Mathematik und Physik
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Item Open Access Untersuchungen von Struktur-Funktions-Beziehungen an Membranproteinen mittels Molekulardynamik-Simulationen(2008) Aird, Andrew; Wrachtrup, Jörg (Prof. Dr.)Die Molekulardynamik (MD)-Simulation hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer wichtigen und erfolgreichen Methode zur theoretischen Untersuchung biologischer Systeme entwickelt. In dieser Zeit vollzog sich auf dabei eine rasante Entwicklung, die durch den Fortschritt auf dem Gebiet der Entwicklung von Kraftfeldfunktionen, durch die ständig wachsende Anzahl an verfügbaren, hochaufgelösten Strukturdaten von Biomolekülen sowie durch die fortwährend steigende Rechenleistung maßgeblich beeinflusst wurde. Die Hauptanwendung heutiger MD-Simulationen ist die Beschreibung der Dynamik und der Funktion von Proteinen und Proteinkomplexen auf mikroskopischer Ebene, um damit einen detaillierten Einblick in die in der Zelle ablaufenden Prozesse zu erhalten. Hierbei kann die Methode der MD-Simulation einen wichtigen Beitrag leisten, da sie ein atomistisches Bild der Dynamik von Proteinen liefert; eine Eigenschaft, die bislang von keiner experimentellen Untersuchungsmethode erbracht wird. Viele biologische Prozesse laufen auf Zeitskalen ab, die mit heute verfügbaren Rechenressourcen und der konventionellen MD-Simulation noch nicht erreicht werden können. Es existiert eine Reihe von MD-Simulationstechniken (z. B. Umbrella Sampling, Essential Dynamics oder Steered Molecular Dynamics), die es erlauben, diese Prozesse auf berechenbare Zeitskalen zu beschleunigen. In Kombination mit statistischen Analyseverfahren wie beispielsweise der Weighted Histogram Analysis Method oder Fluktuationstheoremen können biologische Prozesse quantitativ untersucht werden. Hierzu hat insbesondere das von Jarzynski im Jahr 1991 entdeckte integrale Fluktuationstheorem beigetragen. Es verknüpft die Änderung der Freien Energie mit einer exponentiellen Mittelung von Arbeitswerten eines beliebig ins Nichtgleichgewicht getriebenen Prozesses. In dieser Arbeit werden drei unterschiedliche biologische Systeme vorgestellt, die mit Hilfe von MD-Simulationen untersucht wurden. Dabei stand die Verknüpfung von strukturellen Eigenschaften der Proteine bzw. Proteinkomplexe mit ihrer Funktionalität im Mittelpunkt. Nach einer Einführung in die theoretischen Grundlagen werden in Kapitel 3 Simulationen am Tumornekrosefaktor-Rezeptor 1 (TNFR1) präsentiert. TNFR1 ist ein Membranrezeptor, der eine wichtige Rolle in der Tumornekrosefaktor-vermittelten Apoptose spielt. Anhand der Simulationsdaten der extrazellulären Domäne des TNFR1 und der daraus abgeleiteten Deletionsmutanten wird eine Bewertung der strukturellen Stabilität vorgenommen. Zusammen mit den Daten einer experimentellen Studie von Marcus Branschädel vom Institut für Zellbiologie und Immunologie der Universität Stuttgart wird die Frage beantwortet, wie sich die strukturellen Veränderungen der Deletionsmutanten von TNFR1 auf die Funktionalität, insbesondere auf mögliche Rezeptor-Rezeptor- und Rezeptor-Ligandenbindung auswirkt. Kapitel 4 beschäftigt sich mit dem Lichtsammelkomplex LH1 und dem Reaktionszentrum (RC) der photosynthetischen Einheit aus dem Purpurbakterium Rhodospirillum rubrum. Eingebaut in die Membran, sind sie für die Absorption von Licht sowie für die Erzeugung von Ladungsträgern in der bakteriellen Photosynthese verantwortlich. Die Ladungsträger werden mit Hilfe des Elektronencarriers Ubichinon zu weiteren Pigment-Proteinkomplexen befördert. Der Weg zum benachbarten Cytochrom-bc1-Komplex führt vom RC, das sich im Inneren des LH1-Rings befindet, in den Membranbereich außerhalb des LH1-Rings. Experimentelle Daten zeigen, dass der LH1-Ring aus dieser Spezies eine geschlossene Struktur um das RC bildet. Es stellt sich somit die Frage, wie das Ubichinon diese Proteinbarriere überwinden kann. Mit Hilfe von MD-Simulationen wird ein möglicher Pfad des Ubichinons durch den LH1-Ring aufgezeigt und eine Zeit abgeschätzt, auf der eine Diffusion durch den geschlossenen LH1-Ring möglich ist. In Kapitel 5 wird der Proteintranslokationskanal SecY aus dem Archaebakterium Methanococcus jannaschii vorgestellt. Der Proteinkanal ist für die Translokation von Proteinen durch bzw. für deren Einbau in die Membran verantwortlich. Wird kein Protein transloziert, muss der Kanal die Membran gegenüber kleinen Molekülen abdichten. Zwei wichtige Strukturelemente, die Pore und der Pfropfen, sind für diese Funktionen von besonderer Bedeutung. Anhand von MD-Simulationen an einer nicht-translozierenden, sowie einer translozierenden Konformation des Proteinkanals werden Unterschiede im Abdichtungsverhalten, der Relaxation, sowie der Bindung des Pfropfens an die Pore untersucht. Es wird gezeigt, dass eine Konformationsänderung in die translozierende Form notwendig ist, um Proteintranslokation zu ermöglichen.